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Leitsätze:
1) Eine Berufung kann der Berufungskammer der ZKR auch schon vor Zustellung des Urteils zugeleitet werden. Die Fristen für die Berufung und deren Begründung laufen erst ab der Zustellung des Urteils.
2) Die Pflicht der Kleinfahrzeuge mit Maschinenantrieb, den Kleinfahrzeugen ohne Maschinenantrieb auszuweichen (§ 6.02a Nr. 1 RheinSchPVO), verlangt den Einsatz entsprechender Motorkraft.
Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
verkündet am 6. Mai 1991
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 11.10.1989 - 312 Js 192121/89 - 19 OWi -)
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
Der Betroffene ist der Eigentümer eines Motorbootes mit dem amtlichen Kennzeichen BK - 13981. Als verantwortlicher Führer dieses Bootes fuhr er am 6.8.1988 gegen 16 Uhr auf dem Budenheimer Altrhein zu Tal. Längsseits war ein weiteres Motorboot festgemacht, das einer Familie gehörte, mit der diejenige des Betroffenen befreundet war. Das Bootspäckchen trieb langsam dahin, da der Betroffene den Motor seines Bootes bis auf Standgas gedrosselt hatte. Zu Berg kam ein Einer-Ruderboot, in dem der Zeuge H. saß. Beide Einheiten stießen zusammen. Das Zustandekommen der Kollision ist umstritten. Der Betroffene behauptet der Zeuge H. habe den Kurs so plötzlich nach Backbord verlegt, dass er darauf nur mit dem wiederholten Ausruf "Achtung" habe reagieren können. Daraufhin habe der Zeuge sein Ruderboot quer gelegt und so die Kollision herbeigeführt. Der Zeuge H. will den Kurs des Ruderbootes rechtzeitig mit dem Ziele, das Bootspäckchen zu umfahren nach Backbord verlegt haben. Trotzdem sei das Päckchen auf sein Boot zugefahren. Kurz vor dem Zusammenstoss sei "Achtung" gerufen worden. Daraufhin habe er sein Ruderboot abgebremst und beigelegt. Gegen den Betroffenen erging zunächst ein Bußgeldbescheid über DM 150, weil er als Führer eines maschinengetriebenen Sportbootes einem entgegenkommenden Ruderboot nicht ausgewichen sei. (Verstoß gegen § 6.02a), Ziffer 1 RheinSchPV). Auf seinen Einspruch hin wurde er durch Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 11.10.1989 wegen Verstoßes gegen § 6.02a), Ziffer 1 RheinSchPV in Verbindung mit Artikel 5 II Nr. 1.15a RheinSchPEV zu einer Geldbusse von DM 50 verurteilt. Das Urteil wurde zunächst gem. 267 IV StPO in Verbindung mit § 46 OWiG nicht begründet, da man annahm, ein Rechtsmittel sei nicht rechtzeitig eingelegt. Erst nach Einlegung der Berufung wurde diese Begründung durch Beschluss des Schifffahrtsgerichts Mainz ohne Datum nachgeholt. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft wurde dieser -datiert auf den 18.1.1990-wegen "offensichtlichen Schreibversehens" dahin berichtigt, dass er durch das Rheinschifffahrtsgericht Mainz erlassen worden sei.
Der Betroffene hat Berufung eingelegt und die Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt verlangt. Die Berufung ist formell nicht zu beanstanden, aber erfolglos.
Die Berufungskammer hat erwogen:
1. In formeller Hinsicht ist für die Berufungskammer lediglich von Interesse, dass ein ordnungsgemäß zustande gekommenes Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vorliegt, gegen das bei ihr Berufung eingelegt wurde. Die Berufungskammer kann sich deshalb mit der Sache befassen, ohne einige Besonderheiten prüfen zu müssen, die in die Zeit nach der Verkündung des Urteils des Rheinschifffahrtsgerichts fallen. Die Berufung ist formell nicht zu beanstanden. Sie ging am 4.1.1990 bei Gericht ein, bevor das angegriffene Urteil dem Betroffenen zugestellt worden war. Die Zustellung erfolgte am 20.3.1990. Durch Schriftsatz vom 30.3.1990 - eingegangen bei Gericht am 26.4.1990 - wurde die Berufung wiederholt und begründet. Die Wiederholung der Berufung ist bedeutungslos. Ihre Begründung erfolgte rechtzeitig, wenn man berücksichtigt, dass ab Zustellung am 20.3.1990 zunächst die Berufungsfrist von 30 Tagen zu laufen begann und mit deren Ablauf die ebenso lange Frist zur Begründung der Berufung. Beide Fristen zusammengerechnet waren am 26.4.1990 nicht abgelaufen.
2. In der Sache ist das ergangene Urteil richtig. Aus der Einlassung des Betroffenen vor der Wasserschutzpolizei vom 18.9.1988 geht hervor, dass er nicht den Versuch gemacht hat, das ihm entgegenkommende Ruderboot zu umfahren, sondern sich auf Zurufe beschränkt hat, die offensichtlich erreichen sollten, dass dieses Ruderboot durch Kursänderung einen Zusammenstoss vermied. Den Grund dieses Verhaltens zeigt der Schriftsatz der Anwälte des Betroffenen vom 19.4.1988 auf, in dem es wörtlich heißt: "Aufgrund des nur durch den im Standgas laufenden Motor meines Mandanten angetriebenen Schiffsverbandes war dieser relativ fahruntüchtig, sodass eine neuerliche Kurskorrektur, nachdem der unrechtmäßige Kollisionskurs des Anzeigenerstatters erkannt war, nicht mehr möglich war."
Die von ihm selbst durch Fahrt mit Standgas herbeigeführte mangelnde Manövrierfähigkeit des Motorbootpäckchens hinderte den Betroffenen mithin an einer zur Umfahrung des Ruderboots notwendigen Kursänderung. Sein Versuch, sich durch die Behauptung zu entlasten, zur Kursverlegung sei keine Zeit gewesen, da das Ruderboot seinen Kurs plötzlich geändert habe, scheitert. Der Betroffene hat nämlich vor der Wasserschutzpolizei erklärt, er habe seine Zurufe an den Ruderer bis zum Geschrei gesteigert, ohne dass dieser reagiert hätte. Rufen und Schreien müssen also eine längere Zeit angedauert haben. In dieser Zeit hätte das Bootspäckchen, das der Betroffene führte, seinen Kurs bei Steigerung der Geschwindigkeit mit der Folge eines besseren Ruderdrucks so ändern können, dass die Kollision vermieden worden wäre. Außerdem ist zu bedenken, dass der Betroffene nach seiner erwähnten Einlassung den Ruderer "schon lange vorher" gesehen hatte. Er wusste, dass dieser mit dem Rücken zur Fahrtrichtung saß. Deshalb hätte er den Motor seines Bootes so laufen lassen müssen, dass er seine Pflicht, das Ruderboot zu umfahren, hätte erfüllen können.
Aus den bisherigen Darlegungen geht hervor, dass die Berufungskammer die Behauptung des Zeugen Rosskopf in der Verhandlung vor dem Rheinschifffahrtsgerichts, der Betroffene sei nach Steuerbord ausgewichen, für unglaubwürdig hält. Sie widerspricht nicht nur der bereits erwähnten Einlassung des Betroffenen, sondern auch der Erklärung des Zeugen vom 19.9.1988 vor der Wasserschutzpolizei.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
Die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 11.10.1989 wird zurückgewiesen. Das genannte Urteil wird bestätigt.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Betroffene.
3. Deren Festsetzung gemäß Artikel 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschifffahrtsgericht Mainz.