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Leitsätze:
1) Zur Pflicht des Schiffsführers hinsichtlich der Einhaltung der Mindestbesatzungs-vorschriften und zur ordnungsgemäßen Führung des Bordbuches.
2) Ein Schiffsführer handelt ordnungswidrig, wenn er die Weisung der Wasserschutzpolizei, die Fahrt einzustellen, nicht befolgt.
Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
vom 1. September 1991
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 21. Dezember 1989 - 5 OWi 16a Js 767/89 (200/89 BSch)
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
I.
Der Betroffene fuhr am 18. April 1989 als verantwortlicher Schiffsführer mit dem 79 m langen TMS "K" auf dem Rhein zu Berg. Gegen 11.30 Uhr kontrollierte die Wasserschutzpolizei das Schiff bei Rhein-km 666 (Ortslage Niederkassel). Sie stellte fest, dass es in der Betriebsform B (Ständige Fahrt bis zu 24 Stunden) eingesetzt war, der hierfür vorgeschriebene zweite Schiffsführer aber fehlte. Außerdem waren in das Bordbuch die Liegezeiten nicht richtig und die Ruhezeiten der Besatzung überhaupt nicht eingetragen. Der darauf dem Betroffenen von der Wasserschutzpolizei erteilten Weisung, die Fahrt einzustellen bzw. einen zweiten Schiffsführer an Bord zu nehmen, kam dieser nicht nach.
Gegen den Betroffenen ist wegen Zuwiderhandlungen gegen Art. 8 Nr. 1 c, f RheinSchUEV, Art. 5 Abs. 2 Nr. 3 RheinSchPEV zunächst ein Bußgeldbescheid über 650 DM ergangen. Auf seinen Einspruch hat ihn das Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß den vorgenannten Bestimmungen zu einer Geldbusse von 450 DM verurteilt.
Der Betroffene hat Berufung mit dem Antrag eingelegt, das angefochtene Urteil aufzuheben und ihn freizusprechen. Das formell nicht zu beanstandende Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.
II.
1. Ein Verstoß des Betroffenen im Sinne von Art. 8 Nr. 1 c) RheinSchUEV ist nicht gegeben. Allerdings handelt nach dieser Vorschrift ein Schiffsführer ordnungswidrig, wenn er nicht dafür sorgt, dass "die für die jeweilige Betriebsform oder Einsatzzeit des Fahrzeugs vorgeschriebene Besatzung (Kapitel 14 RheinSchUO)" während der Fahrt ständig an Bord ist. Jedoch galt diese Regelung im Zeitpunkt (18. April 1989) der Kontrolle des TMS "K" durch die Wasserschutzpolizei noch nicht. Die Vorschrift ist erst am 1. Juli 1989 in Kraft getreten (Art. 1 Nr. 7 b aa c, Art. 4 der Vierten Verordnung zur Änderung der RheinSchUEV vom 17. März 1988 - BGBl. I 306). Zuvor lag eine Ordnungswidrigkeit des Schiffsführers im Sinne des § 7 Abs. 1 BinSchAufG nach der bis zum 30. Juni 1989 geltenden (früheren) Fassung des Art. 8 Nr. 1 c) RheinSchUEV nur dann vor, wenn er ein Fahrzeug führte, ohne dafür zu sorgen, dass die "im Schiffsattest eingetragene oder zusätzlich vermerkte Besatzung" während der Fahrt an Bord ist. Hingegen war die Regelung des früheren § 14.09 Nr. 4 Abs. 1 Satz 1 (jetzt: § 14.01 Nr. 1 Abs. 2 Satz 1) RheinSchUO, wonach "die für die jeweilige Betriebsform vorgeschriebene Besatzung während der Fahrt ständig an Bord sein muss", nicht bußgeldbewehrt.
2. Hingegen hat der Betroffene durch das nicht ordnungsgemäße Führen des Bordbuches ordnungswidrig gehandelt. Insoweit ist allerdings nicht Art. 8 Nr. 1 f) RheinSchUEV einschlägig; die derzeit geltende Fassung der Vorschrift ist ebenfalls erst am 1. Juli 1989 in Kraft getreten (Art. 1 Nr. 1 b aa f, Art. 4 der bereits erwähnten ÄnderungsVO zur RheinSchUEV). Die Ordnungswidrigkeit folgt aber aus Art. 8 Nr. 11) RheinSchUEV in der bis 30. Juni 1989 geltenden Fassung, wonach ein Schiffsführer ordnungswidrig handelt, wenn er das Fahrtenbuch, an dessen Stelle mit Wirkung vom 1. April 1988 das Bordbuch getreten ist (vgl. § 14.07 RheinSchUO in der Fassung der Vierten ÄnderungsVO zur RheinSchUEV vom 17. März 1988 und deren Art. 4), nicht ordnungsgemäß führt. Dass der Betroffene in das Bordbuch die Liegezeiten des TMS "K" nicht richtig und die Ruhezeiten der Besatzung überhaupt nicht eingetragen hat, kann er nicht damit entschuldigen, dass die Bedingungen für einen Wechsel der Betriebsform während der Fahrt mangels einer ausdrücklichen Regelung in Kapitel 14 ("Besatzungen") RheinSchUO zwischen einzelnen Vertragsstaaten der Revidierten Rheinschifffahrtsakte, aber auch zwischen dem Bundesminister für Verkehr und dem Schifffahrtsgewerbe umstritten sind (vgl. die mit der Berufungsbegründung des Betroffenen überreichten Anlagen). Das hat offensichtlich nichts mit der Pflicht des Schiffsführers zu tun, das Bordbuch ordnungsgemäß zu führen.
3. Die Weisung der Wasserschutzpolizei an den Betroffenen, die Fahrt einzustellen bzw. einen zweiten Schiffsführer an Bord zu nehmen, war eine solche im Sinne des § 1.19 RheinSchPV, deren Nichtbefolgen nach Art. 5 Abs. 2 Nr. 3 RheinSchPEV ordnungswidrig gewesen ist. Sie diente der Sicherheit der Schifffahrt auch noch dann, wenn der Betroffene im Zeitpunkt ihres Erlasses tatsächlich bereit gewesen sein sollte, nunmehr - entsprechend seiner Erklärung gegenüber der Wasserschutzpolizei - in der Betriebsform A 1 (Tagesfahrt bis zu 14 Stunden) weiterzufahren. Denn mangels Eintragung der Ruhezeiten der einzelnen Besatzungsmitglieder in das Bordbuch war schon unklar, welche Ruhezeiten diese in den vorangegangenen 24 Stunden hatten.
4. Für das vorsätzlich nicht ordnungsgemäße Führen des Bordbuchs hielt die Berufungskammer eine Geldbusse von 100 DM und für das Nichtbefolgen der Anordnung der Wasserschutzpolizei eine solche von 200 DM für schuldangemessen, zugleich aber auch für ausreichend, um dem Betroffenen das Unerlaubte seines Verhaltens deutlich vor Augen zu führen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 30 der Verfahrensordnung der Berufungskammer, § 46 Abs. 1 OWiG, § 465, § 473 Abs. 4 StPO, Art. 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte.
Es wird deshalb für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung des Betroffenen wird das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 21. Dezember 1989 wie folgt abgeändert:
Der Betroffene Rene BREM wird wegen vorsätzlich nicht ordnungsgemäßem Führen des Bordbuchs zu einer Geldbusse von 100 DM und wegen vorsätzlichem Nichtbefolgen einer Weisung der Wasserschutzpolizei zu einer weiteren Geldbusse von 200 DM verurteilt.
2. Die weitergehende Berufung des Betroffenen wird zurückgewiesen.
3. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich des Berufungsverfahrens sowie seine notwendigen Auslagen zu 1/3.
Die Festsetzung der Kosten erfolgt durch das Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort unter Berücksichtigung des Art. 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte.