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23 U 6/02 BSch - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 24.01.2003
Aktenzeichen: 23 U 6/02 BSch
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: §§ 254, 823 Abs. 1, 839 BGB; Art. 34 GG; Art. 5.01 Anlage B E.7 BodenseeSchiffO
Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist nicht gegeben, wenn in der Flachwasserzone des Bodensees zwei Seeauslassleitungen mit dem Schifffahrts-Hinweiszeichen E.7 gemäß der Anlage B zu Art. 5.01 Abs. 2 BodenseeSchiffO in größeren Abständen, nicht aber am jeweiligen Ende gekennzeichnet werden.

2) Für einen Binnensee mit Flachwasserbereich (z.B. den Bodensee) bestehen keine vergleichbar strengen Verkehrssicherungspflichten wie für eine der Schifffahrt mit der für einen Verkehrsweg erforderlichen Tiefe und Breite zur Verfügung gestellte Bundeswasserstraße.
(Leitsatz 2 von der Schriftleitung hinzugefügt)

 

Urteil des Oberlandesgerichts (Schifffahrtsobergericht) Karlsruhe

vom 24.01.2003

23 U 6/02 BSch

(Vorinstanz: Amtsgericht Konstanz, Schifffahrtsgericht, Urteil vom 27.06.2002 - 11 C 36/02)


Tatbestand:

Der klagende Versicherer verlangt aus übergegangenem Recht (§ 67 WG) im Wege des Regresses Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bzw. aus Amtspflichtverletzung nach einem Sportbootunfall auf dem Bodensee. Im ersten Rechtszug hat die Klägerin sowohl das Land - Beklagte Ziffer 1 - als auch die Stadt R. - Beklagte Ziffer 2 - in Anspruch genommen und ihrem Versicherungsnehmer den Streit verkündet. Dieser ist auf Klägerseite dem Rechtsstreit beigetreten.
Der Streithelfer der Klägerin ist Eigner der Segelyacht ... (13 m lang, 3,18 m breit, Tiefgang 1,85 m, Segeloberfläche 75 m2, Motor 22 PS) mit der Zulassungsnummer ... Das Boot war bei der Klägerin kaskoversichert. Zum Unfallzeitpunkt war der Streithelfer der Klägerin, der Inhaber des Bodenseeschifffahrtpatentes und des Führerscheins für Binnenschifffahrt (A) für Yachten unter Segel und unter Motor ist und das westliche Bodenseerevier seit 30 Jahren befährt, zusammen mit einem Segelkameraden auf der Fahrt unter Motor von R. in Richtung „L.". Kurz vor dem Unfall überließ er dem Segelkameraden, der selbst keinen Bootsführerschein hat, das Ruder. Vor der Halbinsel M. im Zeller See geriet er mit dem mit GFK überzogenen Bleikiel der Yacht gegen die westliche der dort befindlichen beiden Seeauslassleitungen der Sammelkläranlage R. im Planquadrat .... Diese Anfahrung führte zu erheblichen Schäden am Boot, die die Klägerin als Kaskoversicherer regulierte.
Die zwei getrennt verlegten Seeauslassleitungen mit einem Durchmesser von jeweils 60 cm gehen von einem gemeinsamen Verteilerschacht am Ufer fächerförmig in einem Winkel von 21 Grad zueinander ca. 600 m in den See hinaus. In diesem Bereich fällt der Seeboden langsam ab. Im Jahre 1963 waren beide Leitungen in einer Mulde des Seegrundes abgesenkt und anschließend im Spülverfahren abgedeckt worden. Im August 1964 trieb eine der beiden Leitungen infolge der Bildung von Gasen auf. Durch Anbohrungen zur Entgasung der Leitungen senkte diese sich wiederum auf den Seegrund, ragt allerdings seither zu zwei Dritteln aus dem Seeboden heraus. Das Regierungspräsidium F. erteilte am ... der Zweitbeklagten die wasserrechtliche Erlaubnis zur Einleitung von Abwasser aus der Kläranlage in den Bodensee und die wasserrechtliche Genehmigung zum Betrieb der Stickstoffelimination. Ziffer Vl. 3. lautet:

„Seeauslassleitung
Die ursprünglich im Seeboden verlegte Seeleitung ragt durch Aufschwimmen und erneutes Absinken zu ca. 2/3 auf der gesamten Länge aus dem Seegrund heraus und stellt dadurch ein Hindernis für die Schifffahrt und die Fischerei dar. Dem Vorschlag der Fischerei, die Seeleitung in den Boden zu verlegen, kann nicht entsprochen werden ... Zur Vermeidung von Schäden an Netzen und Booten hat das Landratsamt K. als zuständige Behörde die geeigneten Maßnahmen zu treffen (z.B. schifffahrtsrechtliche Kennzeichnung)..."

Der Streithelfer der Klägerin hatte im Jahr 1992 bereits mit einer anderen Segelyacht eine der beiden Seeauslassleitungen angefahren. Die Klägerin hat im ersten Rechtszug im Wesentlichen behauptet, die Anfahrung am 16.04.2000 sei ausschließlich auf die fehlerhafte und unzureichende Kennzeichnung der Abflussrohre durch die Schifffahrtsbehörde des Landratsamts K, zurückzuführen, für welche die Beklagte Ziff. 2 als Träger hafte. Die Auslassleitung sei lediglich an zwei Punkten durch hin- und herschwojende Bojen gekennzeichnet. Eine Boje sei eine unzureichende Kennzeichnung, da sie nur eine punktuelle Gefahrenquelle markiere. Sie könne aber nicht ein Rohr von mehreren hundert Metern Länge kennzeichnen. Die erste Boje sei etwa 70 m vom Ufer entfernt angebracht, also in Ufernähe und die zweite kennzeichne nicht das Ende der Rohrleitung, sondern befinde sich in einer Entfernung von ca. 250 m vom Ufer. Der Streithelfer der Klägerin habe diese Bojen in einem Abstand von mehr als 75 m seewärts umfahren. Dies sei in nautischer Hinsicht als hinreichend weiträumig anzusehen. Beide Rohre seien in keiner Seekarte eingezeichnet.
In der unzureichenden Kennzeichnung der Rohre liege eine Amtspflichtverletzung. Der Beklagten Ziff. 1 habe die Amtspflicht gegenüber dem Streithelfer der Klägerin oblegen, der sich als Segler auf die Ordnungsgemäßheit der Kennzeichnung verlassen habe. Die Pflicht haben den Zweck, den Schiffsverkehr vor derartigen Unfällen zu bewahren. Die Amtspflichtverletzung sei fahrlässig erfolgt. Für die Pflichtverletzung habe die Beklagte Ziff. 1 einzustehen. Die Beklagte Ziff. 2 habe die bestehenden Leitungen nicht an den Seekartenverlag zur Einzeichnung in die Seekarten weitergemeldet, weshalb auch sie hafte. Im übrigen sei sie als Betreiberin der Anlagen verantwortlich.
Der Streithelfer der Klägerin hat ergänzend vorgetragen, die Auslassleitung sei erst im Jahr 1999 durch die Tonne E.7 gekennzeichnet worden. Die seewärtige Tonne sei zum Unfallzeitpunkt weiter landeinwärts befestigt gewesen; erst nach dem Unfall sei sie von Mitarbeitern der Beklagten 20 bis 30 m seewärts versetzt worden. Die Kollisionsstelle liege indessen immer noch 76 m seewärts von der Tonne. Die Tonne E.7 bezeichne eine Einzelgefahrenstelle. Eine Leitung dürfe nicht damit gekennzeichnet werden. Eine ordnungsgemäße Kennzeichnung einer Leitung müsse denk notwendig am Leitungsende seewärts angebracht werden. Das Zeichen E.7 dürfe von allen Seiten umfahren werden. Die Beklagte Ziff. 2 hat im Wesentlichen unter Hinweis darauf, dass die Unterhaltslast für die Gewässer nach dem Wassergesetz ... dem Land obliege und somit dieses verpflichtet sei, die allgemeine Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen, ihre Passivlegitimation bestritten. Für die Anbringung von Schifffahrtszeichen sei nach Artikel 5.01 III der Verordnung über die Schifffahrt auf dem Bodensee ausschließlich das Landratsamt K. zuständig. Im Übrigen sei die Auslassleitung wasserrechtlich genehmigt worden. Die Schifffahrtsbehörde habe im Bereich der Seeauslassleitungen Bojen (Zeichen E.7 entsprechend der Anlage B zur BodenseeSchiffO) verankert. Diese Bojen würden vor Untiefen und vor Schifffahrtshindernissen warnen, seien am Bodensee auch anderorts angebracht und allgemein bekannt. Diese Sicherung sei ausreichend. Es bestehe keine Rechtsverpflichtung der Zweitbeklagten, vorhandene Seekarten auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen bzw. dafür zu sorgen, dass die Seekarten auf dem neuesten Stand seien. Der Streithelfer der Klägerin sei bei völlig klarem Wetter und bei Tageslicht mit der Abwasserleitung kollidiert. Der Bereich sei ihm nach eigenem Vortrag durch jahrelanges Segeln mit all seinen Problemen und Möglichkeiten bestens bekannt. Im Übrigen sei ihm die Lage der Auslassleitung auf Grund seines früheren Unfalls bereits bewusst gewesen. Jedenfalls habe der Streithelfer der Klägerin den Unfall selbst in so hohem Maße selbst verschuldet, dass ein möglicher Schadensbeitrag Dritter völlig zurück treten müsse. Er sei nach seinen Angaben gegenüber der Wasserschutzpolizei unter Motor mit voller Geschwindigkeit gegen das Hindernis gefahren. Unter den vorliegenden Bedingungen sei ein Echolot nicht in der Lage, das Hindernis rechtzeitig anzuzeigen. Ihm sei bekannt gewesen, dass im Untersee besonders sorgfältig navigiert werden müsse. Die Beklagte Ziff. 1 hat im Wesentlichen vorgetragen, die Auslassleitung sei in den Seekarten eingetragen. Zu beanstanden sei, dass der Streithelfer die Führung des Bootes im Unfallzeitpunkt einem Mitsegler überlassen habe, der nicht über die behördliche Erlaubnis zur Führung eines solchen Bootes verfügt habe. Der Seeboden verlaufe an der Unfallstelle keineswegs gleichförmig; vielmehr befänden sich dort auch Findlinge auf dem Seegrund, die deutlich höher aus dem Seeboden ragten als sie Seeauslassleitung. Dass eine Verkehrssicherungspflicht bestehe, bedeute nicht, dass jeder Bootsfahrer völlig sorglos das Gewässer benutzen könne. Beide Rohre seien ausreichend gekennzeichnet gewesen. Die Kennzeichnung sei so vorgenommen worden, dass die Bojen in Bezug auf beide Rohre versetzt angebracht gewesen seien. Die äußere Boje am östlichen Rohr sei so platziert, dass sie auch das westliche Rohr schütze. Nähere man sich dem dortigen Bereich, parallel zum Ufer fahrend, von der Seite, sei eine seitliche Versetzung der beiden Bojen seewärts und uferwärts nicht zu erkennen, sondern beide Bojen seien in einer Linie vom Ufer entfernt zu erkennen. Dies signalisiere jedem vernünftigen Bootsführer, dass sich im dortigen Bereich eine Hindernislinie befinde und gebe Anlass, die äußere seeseitige Boje im sicheren Bereich zu umfahren. In einer internationalen Sitzung von Zulassungsbehörden und technischen Sachverständigen am ... sei man sich einig gewesen, im Bereich des Unfalls keine besondere Kennzeichnung vorzuschlagen; das Zeichen E.7 sei auch in der konkreten Situation völlig ausreichend.

Mit Urteil vom 27.06.2002 hat das Schifffahrtsgericht die Klage abgewiesen. Die beklagte Stadt hat es für nicht passiv legitimiert erachtet, da allein dem erstbeklagten Land die Verkehrssicherungspflicht obliege. Die zweitbeklagte Stadt hafte auch nicht als Eigentümerin oder Betreiberin der beiden Seeauslassleitungen; aber auch das erstbeklagte Land habe die ihm obliegenden Verkehrssicherungspflichten nicht verletzt.
Hiergegen wenden sich die Klägerin und ihr Streithelfer mit der Berufung. Ergänzend zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen tragen sie - nach Rücknahme der zunächst auch gegen die zweitbeklagte Stadt gerichteten Berufung - vor:

Streithelfer:
Der an der Unfallstelle im Bereich der M. langsam abfallende Seeboden verlaufe nicht uneben. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Yacht im Vertrauen auf das richtige Funktionieren des Echolotes bei „voller Fahrt unter Motor" gelaufen sei. Der Motor führe allenfalls zu einer Geschwindigkeit von 5-6 Knoten. Ein Echolot zeige nur die allmählichen Tiefenveränderungen, niemals einen Fremdkörper auf dem Seegrund. Das Echolot schaue nicht voraus, sondern messe die Abstände zum Seeboden exakt unter dem Kiel. Daher würde - trotz eingeschaltetem Echolot - auch eine Geschwindigkeit von nur einem Knoten oder weniger zum gleichen Unfall geführt haben. Gerade deshalb sei die Seeauslassleitung so gefährlich für den Schiffsverkehr. Die streitgegenständlichen Bojen würden nicht den ungefähren Verlauf der Seeauslassleitung markieren, sondern den Schiffsführer in die Irre führen, da dieser nur an der Stelle, an der sich das Seezeichen E.7 befinde, ein Hindernis erwarte.
Klägerin: Entgegen der Auffassung des Schifffahrtsgerichts sei es nicht ausreichend, dass die Seeauslassleitung in der offiziellen See- und Navigationskarte, Stand 1998, eingezeichnet sei. Das erstbeklagte Land stützt seinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung auf die Gründe des angefochtenen Urteils und trägt ergänzend vor:
Es habe bei den konkreten vorgegebenen Verhältnissen überhaupt keine Verpflichtung zur Kennzeichnung bestanden; die gleichwohl vorgenommene Kennzeichnung sei völlig korrekt. Der Seeuntergrund falle im Unfallbereich keineswegs gleichmäßig ab; vielmehr würden dort auch Steine in Findlingsgröße liegen, deren Höhendifferenz zum umliegenden Seeboden höher sei als die Höhendifferenz der Leitung zu ihrer Umgebung. Mit Hindernissen habe der Streithelfer der Klägerin oder der Rudergänger rechnen müssen, zumal das Echolot, wenn es richtig funktioniert habe, eine Tiefe von maximal 10 bis 20 cm vor dem Unfallort habe anzeigen können. Dem Streithelfer, der schon viele Jahre am Bodensee mit Segeln verbringe, sei die Existenz der Leitungen bestens bekannt gewesen, da er schon einmal mit der Leitung kollidiert sei. Ihm habe auch bekannt sein müssen, dass sein neues Boot noch größeren Tiefgang habe als das Boot, mit dem er schon einmal die Leitung angefahren habe.
Gegen einen Amtshaftungsanspruch spreche ferner, dass dem Streithelfer eine anderweitige Ersatzmöglichkeit - nämlich der Anspruch gegen die Klägerin zur Verfügung gestanden habe. Eine weitere anderweitige Ersatzmöglichkeit bestehe im Rückgriff auf den tatsächlichen Bootsführer in der Unfallsituation. Die Berufung hat keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Berufung ist zulässig. Haben Hauptpartei und ihr Streithelfer jeweils Berufung eingelegt, so handelt es sich gleichwohl nur um ein einheitliches Rechtsmittel (vgl. BGH NJW 1993, 2948). Ein auf den klagenden Versicherer übergegangener Anspruch gegen das im zweiten Rechtszug zuletzt allein noch beklagte Land besteht jedoch weder wegen Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB iVm. Art. 34 GG) noch aus §§ 823, 831, 31, 89 BGB.

a) Für Wasserstraßen und Häfen wie auch für Schleusenanlagen gilt ebenso wie für Wege und Plätze der Grundsatz, dass derjenige, der dort einen Verkehr eröffnet hat oder andauern lässt, nach § 823 BGB für eine Gefahrenlage verantwortlich ist, die bei ordnungswidrigem Zustand der Verkehrsanlage entsteht. Er hat dafür zu sorgen, dass sich die Anlage im verkehrssicheren Zustand befindet und er haftet für Schäden, die einem Benutzer der Anlage aus deren ordnungswidriger Beschaffenheit entstehen, wenn er es aus Mangel an der von ihm im Verkehr zu beachtenden Sorgfalt verabsäumt hat, die Gefahrenquelle zu beheben, für die Zeit bis zu ihrer Beseitigung den Verkehr warnend auf die Gefahrenquelle hinzuweisen und ggf. den Gefahrenbereich zu sperren (Schifffahrtsobergericht Karlsruhe, Urteil vom 15.04.1997 - U 5/96 BSch - = VersR 1999, 212 m.w.N.). Die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich einer öffentlichen Wasserstraße richtet sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Senats in der Regel nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Träger der Verkehrssicherungspflicht dieser im Rahmen der öffentlichen Verwaltung (hoheitsrechtlich) genügen will. Dazu bedürfte es aber eines ausdrücklichen Organisationsakts, der der Allgemeinheit gegenüber bekannt gemacht wird. Dass ein solcher ausdrücklicher Organisationsakt für den Bodensee bestehe, ist von keiner der Parteien vorgetragen worden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beklagte für die richtige Kennzeichnung von Gefahrstellen auf dem Bodensee nicht nach § 839 BGB iVm. Art. 34 GG, sondern nach allgemeinen bürgerlichrechtlichen Grundsätzen einzustehen hat.

b) Der Senat teilt die Überzeugung des Schifffahrtsgerichts, dass das beklagte Land seine Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem Streithelfer der Klägerin nicht schuldhaft verletzt hat.

aa) Inhalt der Verkehrssicherungspflicht ist es, dass jeder, der im Verkehr eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zum Schutz anderer zu treffen hat. In Rechtsprechung und Schrifttum besteht jedoch Einigkeit darüber, dass die Verkehrssicherungspflicht nicht missverstanden werden darf als Pflicht zur völligen Gefahrloshaltung der Verkehrswege. Es ist unzulässig, allein daraus, dass die Beschaffenheit des Verkehrsweges einen Unfall unter Umständen mitverursacht hat, eine Haftung wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht herzuleiten (vgl. Senat, VersR 1996, 129; 1999, 212; Wussow/Kürschner, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl. (2002), Kap. 20 TZ 11). Der Sicherungspflichtige kann sich grundsätzlich auf den sorgfältigen aufmerksamen Benutzer von Anlagen einstellen (RSOG Karlsruhe, ZfB 1993, 1426).
Während der für eine Bundeswasserstraße Verkehrssicherungspflichtige den der Schifffahrt zur Verfügung gestellten Verkehrsweg zu sichern hat und insbesondere dafür sorgen muss, dass dieser für die zugelassene Schifffahrt die erforderliche Tiefe und Breite besitzt, frei von Hindernissen und soweit erforderlich genügend gekennzeichnet ist, wobei die Fahrrinnengrenze richtig und genau bezeichnet werden muss (vgl. Senat, Urteil vom 10.09.2001 - U 3/00 BSch = NZV 2002, 326 = ZfB 2002 (H6), 61, = VRS Bd. 102, 182), handelt es sich im vorliegenden Sachverhalt lediglich um einen Flachwasserbereich des Bodensees, für den keine vergleichbaren strengen Verkehrssicherungspflichten bestehen. Das beklagte Land hat durch das Landratsamt K. - Schifffahrtsamt - die beiden Seeauslassleitungen mit jeweils zwei Bojen und Hinweiszeichen gemäß Zeichen E.7 entsprechend der Anlage B zur BodenseeSchiffO (Schifffahrtszeichen: Kennzeichen der Untiefen und Schifffahrtshindernisse) markiert. Für dieses Zeichen bestehen keine gesetzlichen oder Verwaltungsvorschriften über die Art und Weise insbesondere die Lokalisierung seiner Anbringung. Die Untiefenbeschilderung stellt keine konkrete Gefahrenabgrenzung vor Ort im Sinne einer „Abschrankung" dar, sondern gibt nur einen allgemeinen Hinweis auf Bestehen einer Gefahrenlage für die Schiffsführer. Der Senat würde es zwar für sinnvoller erachten, wenn eine der Bojen am Ende der westlichen Seeauslassleitung festgemacht würde oder jedenfalls in dessen unmittelbarer örtlicher Nähe, so wie dies auch hinsichtlich der östlichen Auslassleitung der Fall ist. Die tatsächlich vorgenommene Platzierung stellt jedoch keine schuldhafte Verkehrssicherungspflichtverletzung dar, nachdem sich das beklagte Land unstreitig in Konsens mit der internationalen Schifffahrtskommission befindet und bei der Ausübung seines Ermessens davon ausging, dass die in etwa parallel versetzt liegenden Seeleitungen vom querab ankommenden Bootsverkehr am besten durch alternierende Ausbringung des Untiefenkennzeichnens (wechselnd einmal über der westlichen und einmal über der östlichen Leitung) als linienhaft gekennzeichnetes Hindernis erkannt werden.
Das vorliegende Unfallgeschehen sollte freilich dem Beklagten zur erneuten Überprüfung Anlass geben, ob nicht eine weitere Sicherung - zu denken wäre auch an das Setzen eines Seezeichens - veranlasst ist, auch wenn er aus Gründen des Flachwasserzonenschutzes, der Minimierung einer Beeinträchtigung der Fanggeräte der Fischerei und aus Naturschutzgründen die Anzahl von Schifffahrtszeichen auf das notwendige Maß begrenzen möchte.

bb) Der zu Beginn des Rechtsstreits noch erhobene Vorwurf der Klägerin, die Auslassleitungen seien in die Navigationskarte nicht aufgenommen, hat sich als unrichtig erwiesen. Gerade die Einzeichnung in die Karten seit 1998 entlastet das beklagte Land (ebenso wie auch die erstinstanzlich noch in Anspruch genommene beklagte Stadt).

c) Selbst wenn man im vorliegenden Fall eine schuldhafte Verkehrssicherungspflicht annehmen wollte, so würde dies im Ergebnis doch zu keiner Haftung gerade gegenüber dem Kläger führen, da jedenfalls in der gemäß § 254 BGB vorzunehmenden Abwägung dessen eigenes hohes Mitverschulden ein etwaiges geringes Verschulden der Beklagten völlig überwiegt (vgl. dazu auch Wussow/Kürschner a.a.0. Kapitel 55 TZ 25). Der Kläger ist ortsansässig, kennt das Revier sehr gut und befährt es mit Segelyachten bereits seit langer Zeit. Nachdem er selbst bereits einige Jahre zuvor mit einer anderen Yacht eine der Auslassleitungen angefahren hatte, war er im eigenen Interesse zur besonderen Vorsicht verpflichtet. Er wusste um die Existenz der Seeauslassleitungen und hätte sie deshalb in gebotenem Abstand umfahren können und müssen. Wie er selbst einräumt, konnte er sich nicht auf das Echolot seiner Yacht verlassen, da dieses eine Untiefe erst unmittelbar unter dem Kiel anzeigt. Da indessen die Rohre nur ca. 40 cm über dem Seeboden herausragen, hätte er allerdings bereits bei einer Annäherung dafür sorgen können und müssen, dass er jederzeit genügend Wasser unter dem Kiel hatte, zumal wenn er das Boot mit Motorkraft bewegte.
Die Voraussetzung in für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) sind nicht gegeben.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2003 - Nr.12 (Sammlung Seite 1906 ff.); ZfB 2003, 1906 ff.