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Leitsatz:
Zur Haftung eines Umschlagspediteurs gegenüber einem Verlader für die Einhaltung vereinbarter oder tariflich zugrundezulegender Ladezeiten bzw. für das im Falle der Überschreitung der Ladezeit entstehende Liegegeld.
Urteil des Oberlandesgerichts München
vom 28. August 1987
23 U 4400/86
Zum Tatbestand:
Die Klägerin stellte der Beklagten für in deren Auftrag ausgeführte Umschlagarbeiten (2500 t Mehl in gewebten Plastiksäcken) einen Betrag von 36 464,81 DM in Rechnung. Die Beklagte erkannte die Richtigkeit der Berechnung an und zahlte einen Teilbetrag, verweigerte jedoch die Bezahlung eines unstreitigen Restbetrages von 9663,52 DM, gegen den sie mit Liegegeldforderungen der Reederei D. in Höhe von 9885,60 DM die Aufrechnung erklärte.
Die Klägerin trägt vor, dass sie die von der Beklagten angelieferten Mengen unter Beachtung von „1/2 deutsch gesetzlicher Ladezeit" jeweils sofort verladen habe. Liegegeldrechnungen der Reederei D. seien für sie unbeachtlich.
Die Beklagte behauptet, es seien Fixtermine (Tagesleistungen von minimal 400 t) vereinbart, aber bei der Beladung der MS „E", MS „T" und MS „1" nicht eingehalten worden. Die Schiffe hätten innerhalb der zur Verfügung stehenden freien Ladezeit beladen werden können, die Klägerin habe aber ihre Ladeleistung überschätzt.
Das Landgericht hat unter Zugrundelegung von „1/2 deutsch gesetzliche Ladezeit" die Aufrechnung von ca. 4381,- DM für rechtmäßig angesehen und die Beklagte zur Zahlung von 5282,52 DM verurteilt.
Die Berufung der Beklagten wurde vom Oberlandesgericht - unter unwesentlicher Abänderung der zu zahlen-den Summe - kostenpflichtig zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Der Beklagten steht entgegen ihrer Ansicht nur ein Anspruch von DM 4615,40 auf Ersatz von Liegegeldern zu, so dass nach Aufrechnung mit dieser Forderung der Klägerin ein Vergütungsrestanspruch für die Umschlagtätigkeit in Höhe von 5048,12 verbleibt.
1. Der der Klägerin aus § 631 Abs. 1 BGB ursprünglich noch geschuldete Vergütungsrest ist von den Parteien vor dem Landgericht mit DM 9663,52 unstreitig gestellt worden. Da die Klägerin ihrerseits keine Berufung eingelegt hat, ist weder die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung durch die Beklagte noch der zeitliche Umfang der Ladeverzögerungen näher zu überprüfen. Beide Fragen hat im Übrigen das Landgericht zutreffend beurteilt.
2. Das Landgericht ist auch zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Parteien nicht eine tägliche Lademenge von 400 t, sondern „1/2 deutsch gesetzliche Ladezeit" vereinbart haben.
a) Nach der Aussage des Zeugen F. hat er der Klägerin am 27.8.1984 fernmündlich den Umschlagauftrag für 2500 t Mehl erteilt. Das Fernschreiben der Klägerin an die Beklagte vom 27.8.1984 stellt demnach ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben dar, dem die Beklagte nicht rechtzeitig widersprochen hat. Das Fernschreiben der Beklagten vom 3.9.1984 ist kein rechtzeitiger Widerspruch; auch nimmt es nicht auf das Fernschreiben der Klägerin vom 27.8.1984 Bezug. Dass das Fernschreiben der Klägerin vom 27.8.1984, in dem eine tägliche Umschlagsmenge von 400t nicht genannt ist, den mündlich vereinbarten Vertragsinhalt grob entstellend oder unrichtig wiedergibt und deshalb gar kein Widerspruch der Beklagten erforderlich gewesen wäre, ist durch die Beweisaufnahme nicht erwiesen. Die Aussage des Zeugen F., gegen dessen Glaubwürdigkeit das Landgericht zu Recht Vorbehalte vorgebracht hat, reicht dafür nicht aus. Die anderen von der Beklagten benannten Zeugen sind nur solche vom Hörensagen. Ihren Aussagen kommt daher kein besonderer Beweiswert zu.
b) Gegen die Aussage des Zeugen F. sprechen auch objektive Umstände.
...
...enthält die Auftragsbestätigung der Reederei gegenüber der W.-Genossenschaft vom 3.9.1984, die den streitgegenständlichen Mehltransport betrifft, unter „Ladezeit` die Vereinbarung 1/2 deutsch ges. lt. Massengutstaffel". Unter diesen Umständen bestand für die Beklagte gar kein Anlass, mit der Klägerin eine tägliche Umschlagmenge von 400t zu vereinbaren. Bezeichnenderweise enthält deshalb auch das Fernschreiben der Beklagten an die Klägerin vom 3.9.1984 neben der Forderung nach einem Umschlag von 400t pro Tag noch folgende Feststellung: „It. Mitteilung der Firma D. ist ein 1/2 deutsch gesetzliche Ladezeit vereinbart."
c) Das führt zum Ergebnis, dass die Beklagte eine Vereinbarung der Parteien über eine tägliche Umschlagmenge von 400t jedenfalls nicht nachgewiesen hat. Ob die Parteien am 27.8.1984 bereits eine Umschlagsleistung von „1/2 deutsch gesetzliche Ladezeit" ausdrücklich vereinbart hatten oder ob die Klägerin sich erst aufgrund des insoweit widersprüchlichen Fernschreibens der Beklagten vom 3.9.1984 stillschweigend mit einer derartigen Umschlagleistung einverstanden erklärt hat, kann offenbleiben, da die Klägerin eine Umschlagverpflichtung nach diesem Maßstab nicht leugnet.
3) Das vom Senat erholte Gutachten des Sachverständigen E., gegen dessen Sachkunde keine Bedenken bestehen und gegen dessen Ausführungen keine Partei Einwendungen vorgetragen hat, führt zum Ergebnis, dass bei der Ermittlung der geschuldeten Umschlagmengen oder - anders ausgedrückt - der der Klägerin zugestandenen Ladezeiten nicht die Massengutstaffel zur Anwendung kommen kann, sondern mangels ausdrücklicher Absprachen zwischen den Parteien eine entsprechende Anwendung des Tarifs FTB A 921/23 für Getreide in Säcken nach dem Verständnis der beteiligten Verkehrskreise am sachgerechtesten ist.
Bei Anwendung der doppelten durch diesen Tarif vorgeschriebenen Lademengen ergeben sich nach den Berechnungen des Sachverständigen Ladefristüberschreitungen von 2,5 Tagen beim MS „E", von 1,1 Tagen beim MS „T" und von 0,8 Tagen beim MS „I" (durch die Klägerin aber nur 0,4 Tage vergütungspflichtig). An Liegegeldern, die die Klägerin wegen dieser Ladefristüberschreitungen der Beklagten schuldet, errechnen sich daraus die Beträge von DM 2875,-, DM 1289,20 und DM 451,20. Daraus ergibt sich die Summe von DM 4615,40 als berechtigte Gegenforderung der Beklagten.