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228 Z - 8/89 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 29.05.1989
Aktenzeichen: 228 Z - 8/89
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Nach erteilter und erwiderter Kursweisung gemäß § 6.04 RheinSchPVO ist der Bergfahrer nicht mehrverpflichtet, den entgegenkommenden Talfahrer ständig zu beobachten. Er darf davon ausgehen, daß sich der Talfahrer so verhält, wie er es mit der Erwiderung der Kursweisung angezeigt hat.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 29.5.1989

228 Z - 8/89

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Das zu Berg fahrende TMS „Valburg" der Klägerin stieß am 9. 10. 1985 gegen 24.00 Uhr bei Rhein-km 726,3 (Ortslage Stürzelberg) mit dem zu Tal fahrenden MS „Janna Maria" der beklagten Eheleute „K" zusammen, und zwar stieß „Janna Maria" mit seinem Steven gegen das Steuerbordvorschiff von „Valburg". Die Führer beider Fahrzeuge fuhren nach Sicht; sie hatten jedoch das Radargerät als Navigationsmittel eingeschaltet.

Die Klägerin hat behauptet, TMS „Valburg" habe etwa in Höhe der Fähre Himmelgeist den Übergang zur rechtsrheinischen Seite gemacht und das Funkellicht eingeschaltet. Dabei sei es dem ebenfalls rechtsrheinisch mit Funkellicht fahrenden MS „Franken" in einem Abstand von etwa 400 m gefolgt. MS „Janna Maria" habe ebenfalls das Funkellicht eingeschaltet gehabt und sei dem vorausfahrenden MS „Franken" in einem seitlichen Abstand von etwa 30 m Steuerbord an Steuerbord begegnet. Danach habe MS „Janna Maria" plötzlich und unerwartet das Funkellicht ausgeschaltet und seinen Kurs nach Steuerbord gerichtet. Zur Abgabe akustischer Signale habe TMS „Valburg" keine Zeit mehr gehabt. Es habe aber seinen Kurs noch so weit wie möglich nach Backbord gerichtet und mit der Maschine zurückgeschlagen.

Die Beklagten haben die Behauptungen der Klägerin bestritten und vorgetragen, TMS „Valburg" sei in einem mehr nach linksrheinisch versetzten Kurs zu Berg gekommen und habe kein Funkellicht gezeigt. MS „Janna Maria" sei dem MS „Franken" mit Funkellicht Steuerbord an Steuerbord begegnet, habe sich dann aber auf eine Begegnung mit TMS „Valburg" Backbord an Backbord eingerichtet. Deshalb habe er hei der Begegnung mit MS „Franken" das Funkellicht ausgeschaltet und nach Steuerbord gehalten. Dann habe auch TMS „Valburg" überraschend eine Kursänderung nach Backbord vorgenommen. Erst im Augenblick der Anfahrung habe auf TMS „Valburg" das Funkellicht gebrannt.

Das Rheinschiffahrtsgericht hat der Schadensersatzklage stattgegeben. Die Berufungskammer hat die Berufung zurückgewiesen.  

Aus den Entscheldungsgründen:

„Gemäß den Bestimmungen der Rheinschiffahrtspolizeiverordnung müssen die Talfahrer „den Weg nehmen, den ihnen die Bergfahrer ... weisen; sie müssen die Sichtzeichen ... erwidern, die die Bergfahrer an sie gerichtet haben" (§ 6.04 Ziff. 5). Es ist unbestritten, daß die ,Janna Maria' ihr eigenes Funkellicht eingeschaltet hatte, während sie Steuerbord an Steuerbord der ..Franken" begegnete. Die beklagte Eher frau will das Funkellicht erst ausgeschaltet haben, als sie mit ihrem ,Achterschiff etwa auf Höhe des Achterschiffes' der „Franken" fuhr. In diesem Moment — wie überhaupt während der Begegnung mit der „Franken" — konnte dem Funkellicht keine Bedeutung mehr als Erwiderung der Kursweisung der „Franken" zukommen; das eingeschaltete Funkellicht durfte daher von der Besatzung der „Valburg" als Erwiderung ihrer Kursweisung verstanden werden. Zu Recht hat das Rheinschiffahrtsgericht betont, daß in einem solchen Falle — nach erteilter und erwiderter Kursweisung — der Bergfahrer nicht mehr verpflichtet ist, den entgegenkommenden Talfahrer ständig und lückenlos zu beobachten. Er darf davon ausgehen, daß sich der Talfahrer so verhält, wie er es mit der Erwiderung der Kursweisung angezeigt hat...

Dem Bergfahrer fällt kein Mitverschulden bei einer unrichtigen Maßnahme des letzten Augenblicks zur Last, wenn der Talfahrer eine auf genügende Distanz gegebene und erkannte Kursweisung nicht beachtet (vgl. Bemm/Kortendick, Rheinschiffahrtspolizeiverordnung 1983, Kommentar, 2. Auflage, Anmerkung 45 zu § 6.04). Auch der Schiffsführer von MS „Janna Maria" sagte im übrigen aus, er sei ,nicht mehr dazu gekommen, über Funk zu sprechen oder akustische Signale zu geben'. Abgesehen davon kann nicht angenommen werden, daß die Abgabe eines zusätzlichen Signals in jenem Moment, in dem die Schiffe nur noch 200 bis 250 m voneinander entfernt waren und die „Janna Maria" bereits ihren Steuerbordkurs eingeschlagen hatte, die Kollision noch hätte verhindern können ..."


Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1992- Nr.4 (Sammlung Seite 1360); ZfB 1992, 1360