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Leitsatz:
Nach erteilter und erwiderter Kursweisung gemäß § 6.04 RheinSchPVO ist der Bergfahrer nicht mehr verpflichtet, den entgegenkommenden Talfahrer ständig zu beobachten. Er darf davon ausgehen, daß sich der Talfahrer so verhält, wie er es mit der Erwiderung der Kursweisung angezeigt hat.
Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
vom 29. Mai 1989
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 7. Juni 1988 - 5 C 34/87 BSch -)
Tatbestand:
Die Beklagten und Berufungskläger sind Eigentümer des Motorschiffs "JM". Die Berufungsbeklagte und Klägerin ist Eigentümerin - zumindest Ausrüsterin - des Motortankschiffs "V". MS "JM" ist 999 Tonnen groß, 73,06 Meter lang, 8,20 Meter breit und mit einer Maschine von 500 PS ausgerüstet. Zur Unfallzeit hatte MS "JM" mit seiner Ladung von 638 Tonnen Steine einen Tiefgang von 1,92 Meter. MTS "V" ist 784 Tonnen groß, 77 Meter lang, 7,02 Meter breit und mit einer Maschine von 371 PS ausgerüstet. Zur Unfallzeit hatte es mit seiner Ladung von 377 Tonnen Natriumhydroxid einen Tiefgang von 1,80 Meter.
In der Nacht vom 9. Oktober 1985, gegen 24.00 Uhr, kam es bei Rhein-km 726,3, Ortslage Stürzelberg, zum Zusammenstoss der beiden genannten Fahrzeuge. Das zu Tal fahrende MS "JM" stieß mit seinem Steven gegen das Steuerbordvorschiff des zu Berg fahrenden MTS "V". Beide Schiffe wurden beschädigt. Das Ruder von MS "JM" wurde vom Schiffseigentümer K. geführt. Seine Ehefrau saß neben ihm im Steuerhaus. Das Ruder von MTS "V" wurde vom Matrosen L. geführt; der Schiffsführer J. saß neben ihm im Steuerhaus.
Es war dunkle Nacht mit klarer Feuersicht. Die Führer beider Fahrzeuge fuhren nach Sicht, hatten jedoch das Radargerät als zusätzliche Navigationshilfe eingeschaltet.
Zur Unfallzeit legte der Schubverband "FW" mit SL "H" an der linksrheinischen Verladestelle Stürzelberg an. Die Strombreite beträgt an der Unfallstelle circa 230 Meter, Der Rhein führte zur Unfallzeit Niedrigwasser.
Die Beklagten haben nach dem Unfall das MS "JM" zu neuen Reisen ausgesandt.
Die Klägerin hat behauptet:
MTS "V" habe etwa in Höhe der Fähre Himmelgeist den Übergang nach rechtsrheinisch gemacht und das Funkellicht eingeschaltet. Dabei sei es dem mit selbem Kurs rechtsrheinisch mit Funkellicht fahrenden MS "F" in einem Abstand von etwa 400 Meter gefolgt. Die Geschwindigkeit habe etwa 10 km/Stunde betragen und der Abstand aus dem rechtsrheinischen Ufer 100 bis 120 Meter. An den linksrheinisch liegenden Verladeanlagen der Firma Lehnkering in Stürzelberg sei ein Koppelverband damit beschäftigt gewesen, festzumachen. Mit dem Vorschiff sei der Koppelverband bereits an Land beigewesen; mit dem Heck sei er jedoch noch weiter vom linksrheinischen Ufer abgelegen. Zu Tal sei das MS "JM" gekommen. MS "JM" habe ebenfalls das Funkellicht eingeschaltet gehabt und sei dem MS "F" in einem seitlichen Abstand von etwa 30 Meter Steuerbord an Steuerbord begegnet. Danach habe MS "JM" plötzlich und unerwartet das Funkellicht ausgeschaltet und seinen Kurs nach Steuerbord gerichtet. Zur Abgabe akustischer Signale habe MTS "V" keine Zeit mehr gehabt. MTS "V" habe seinen Kurs noch so weit wie möglich nach Backbord gerichtet und mit der Maschine zurückgeschlagen; es habe aber nicht mehr verhindert werden können, dass MS "JM" mit seinem Steven gegen das Steuerbordvorschiff von MTS "V" gestoßen sei.
Die Klägerin habe durch den Zusammenstoss einen erheblichen Schaden erlitten, der von den Beklagten zu ersetzen sei. Die Höhe des Schadens, die bei Klageinreichung noch mit 154’872.55 hfl. beziffert worden war, wurde im Verlaufe des Verfahrens vor dem Rheinschifffahrtsgericht auf 154’746.91 hfl. reduziert.
Es haben beantragt:
Die Klägerin,
die Beklagten gesamtschuldnerisch haftend zu verurteilen, und zwar außer dinglich haftend mit dem MS "JM" im Rahmen des Binnenschifffahrtsgesetzes auch persönlich haftend an die Klägerin 154’746.91 hfl. nebst 4% Zinsen seit dem 15. September 1986 - evtl. den entsprechenden Betrag in Deutscher Mark nach dem am Zahlungstage gültigen Kurs - zu zahlen.
Die Beklagten,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben die Behauptungen der Klägerin bestritten und vorgetragen:
Als sich MS "JM" in Strommitte befindlich der späteren Unfallstelle genähert habe, habe der beklagte Ehemann linksrheinisch an der Verladestelle der Firma Lehnkering einen mit dem Kopf an Land schräg im Strom liegenden Schubverband gesehen. Auf dessen Höhe sei MS "F" mit Blinklicht zu Berg gefahren. Diesem Schiff sei MS "JM" ebenfalls mit Funkellicht begegnet. Weiter unterhalb sei das MTS "V" in einem mehr nach linksrheinisch versetzten Kurs zu Berg gekommen und habe kein Blinklicht gezeigt. Der beklagte Ehemann habe sich daraufhin auf eine Begegnung mit "F" Steuerbord an Steuerbord und mit "V" Backbord an Backbord eingerichtet. Deshalb habe er bei der Begegnung mit "F" das Knipperlicht ausgeschaltet und nach Steuerbord gehalten. Dann habe auch das bergfahrende MTS "V" überraschend eine Kursänderung nach Backbord vorgenommen, so dass die Kollision nicht zu vermeiden gewesen sei. Erst im Augenblick der Anfahrung habe auf MTS "V" das Blinklicht gebrannt.
Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Rudergänger L. angesichts der Einengung des Fahrwassers und eines Kurswechsels des MS "F" überfordert gewesen sei und falsch reagiert habe.
Selbst wenn eine Haftung der Interessenten des MS "JM" in Betracht komme, so sei jedenfalls von einem erheblichen Mitverschulden des Rudergängers L. auszugehen. Er sei nach Radar gefahren, ohne die dafür erforderliche Erfahrung zu haben. Die Fahrregeln für die Radarfahrt seien nicht beachtet worden, die unbedingt notwendigen Durchsagen über Kanal 10 seien unterlassen worden. Wenn er das Ausschalten des Blinklichtes auf MS "JM" gar nicht und den Steuerbordkurs dieses Schiffes erst in einem Abstand von 200 bis 250 Meter erkannt habe, habe er das Revier nicht ausreichend aufmerksam beobachtet. Bei rechtzeitiger Wahrschau durch ein Kurssignal oder eine Warnung über Kanal 10 hätte der Unfall verhindert werden können.
Die Beklagten haben gegen die Klagforderung mit ihrem eigenen Schaden, den sie mit 27’597.46 DM näher beziffert haben, hilfsweise aufgerechnet.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Verklarungsakte J. - 5 II 27/85 - des Schifffahrtsgerichtes Duisburg-Ruhrort beigezogen.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Klage gutgeheißen und zur Begründung folgendes ausgeführt:
Die Aussagen der Besatzungsmitglieder des MTS "V" seien mit den Aussagen der Besatzungsmitglieder des MS "JM" nicht zu vereinbaren. Den Aussagen der Besatzungsmitglieder des MTS "V" komme jedoch erhöhte Glaubwürdigkeit zu, weil sie von den Aussagen eines neutralen Zeugen bestätigt worden seien. Dieser Zeuge, K., Schiffsführer auf dem MS "F", habe bestätigt, das Fahrzeug MTS "V" in seinem Kielwasser und mit Blinklicht zu Berg fahren gesehen zu haben. Es sei zwar zuzugeben, dass der Zeuge K. die letzte Phase, die zum Unfall führte, nicht selber gesehen habe. Die Beobachtungen des Zeugen hätten aber in einer solchen zeitlichen und räumlichen Nähe zum späteren Unfallgeschehen gestanden, dass angenommen werden dürfe, der Kurs und die Zeichengebung von MTS "V" seien im Moment des Unfalls gleich gewesen, wie sie der Zeuge kurz vorher beobachtet habe. Es könne auch nicht angenommen werden, dass der Matrose L. wegen Überforderung einen Fehler begangen habe. L. habe selber eine 8-jährige Erfahrung in der Schifffahrt; überdies müsse berücksichtigt werden, dass der Schiffsführer J. neben L. im Steuerhaus gesessen sei.
Auch ein Mitverschulden der Klägerin sei nicht anzunehmen. Dass L. kein Radarpatent besitze, genüge noch nicht, der Besatzung der "V" ein Mitverschulden am Unfall anzulasten. L. habe mit gutem Grund die Gelegenheit wahren dürfen, bei klarer Sicht und in Anwesenheit seines Schiffsführers den Umgang mit dem Radargerät zu lernen; zudem seien keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass das Radarbild falsch ausgewertet worden sei. Der Besatzung von MTS "V" könne auch kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass keine akustischen Signale gegeben und keine Durchsage auf Kanal 10 gemacht worden sei. Wenn der Kurs einmal festliege und wenn die Begegnung mit einem Vordermann ordnungsgemäß und entsprechend der Kurseinweisung stattgefunden habe, gebiete die nautische Sorgfaltspflicht nicht eine ständige, lückenlose Beobachtung des anderen Schiffes. Im übrigen hätte ein akustisches Signal oder eine Durchsage auf Kanal 10 den Unfall nicht mehr verhindern oder nennenswert mildern können; auch der Schiffsführer des MS "JM" habe ja ausgesagt, er sei nicht mehr dazu gekommen, über Funk zu sprechen oder akustische Signale zu geben.
Die Beklagten haben Berufung eingelegt.
In der Berufungsbegründung wird von den Beklagten darauf hingewiesen, dass ihre Darstellung des tatsächlichen Geschehens die wahrscheinlichere sei als diejenige der. Klägerin. Im Rahmen der Beweiswürdigung sei auf die Gesetze der Wahrscheinlichkeit Rücksicht zu nehmen. Es komme dazu, dass der Zeuge K. den Unfall selber nicht gesehen habe und dass in den Aussagen des Zeugen K. und der Besatzungsmitglieder des MTS "V" gravierende Widersprüche festzustellen seien. In Anbetracht dieser Widersprüche könne der Zeuge K. nicht als unbeteiligt angesehen werden. In jedem Fall aber müsse ein Mitverschulden der Besatzung von MTS "V" angenommen werden.
Die Berufungskläger und Beklagten beantragen,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen und der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
2. Der Bergfahrer hat das Kursweisungsrecht. Will er den Talfahrer an Steuerbord vorbeifahren lassen, hat er dies nachts mit einem weißen hellen Funkellicht anzuzeigen; will er den Talfahrer an Backbord vorbeifahren lassen, gibt er kein Zeichen.
Da die Klägerin den Schadenersatz verlangt, hat sie den Beweis zu führen, dass die Besatzung des MS "JM" eine erteilte Weisung missachtete. Die Klägerin trägt somit die Beweislast dafür, dass auf dem zu Berg fahrenden MTS "V" das Funkellicht eingeschaltet war.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat diesen Beweis als erbracht angesehen. Es hat entscheidend auf die Aussagen des Zeugen K. abgestellt, die sich im Wesentlichen mit der Aussage der Zeugen J. und L. decken. Die Berufungskammer hat keinen Anlass, in der Beweiswürdigung von der Vorinstanz abzuweichen.
In der Berufungsbegründung wird geltend gemacht, die genannten Zeugenaussagen seien im Widerspruch zu den Erfahrungswerten und den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit. Es sei nämlich keinesfalls unwahrscheinlich, dass das MTS "V" vor dem Unfall den Übergang gegen das linksrheinische Ufer hin habe machen wollen. Auch das vor dem MTS "V" fahrende Schiff, MS "F", habe ja vor der Unfallstelle nach linksrheinisch wechseln wollen und habe dann seinen Kurs lediglich wegen des noch weiter vorne an der linksrheinischen Verladestelle anlegenden Koppelverbandes wieder nach rechtsrheinisch zurückgewechselt. Es sei also nicht unwahrscheinlich, dass das MTS "V" hinter dem MS "F" einen nach linksrheinisch versetzten Kurs gefahren sei. Das der Besatzung des MS "JM" vom Rheinschifffahrtsgericht vorgeworfene Verhalten sei demgegenüber vollständig unverständlich. Solches unverständliches Verhalten dürfe im Rahmen der Beweiswürdigung nicht angenommen werden. Den Angaben der Beklagten, die "in sich geschlossen und verständlich" seien, müsse der Vorzug gegeben werden.
Die Beklagten übersehen bei diesem Argument, dass auch ihre eigenen Angaben von der Voraussetzung ausgehen, dass ein Besatzungsmitglied des Fahrzeuges der Gegenpartei sich unverständlich verhalten hat. So ließen die Beklagten in ihrer Rechtsschrift vom 25. September 1987 ausführen, das MTS "V" habe "überraschend aus seiner Richtung eine Kursänderung nach Backbord" vorgenommen; die Reaktion des Matrosen L. sei "mit großer Wahrscheinlichkeit" darauf zurückzuführen, dass er in einer "schwierigen Lage überfordert" gewesen sei. Den Beklagten gelang es allerdings nicht, den Nachweis dafür zu erbringen, dass eine solche Überforderung tatsächlich vorgelegen habe, wie das Rheinschifffahrts-gericht in Berücksichtigung der langjährigen Erfahrung des Matrosen zu Recht festgehalten hat. Auch die Version der Beklagten geht also von einem Verhalten aus, das als "unverständlich" bezeichnet werden müsste und den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit nicht entspricht. Es ist deshalb nicht möglich, den Beweis für die Tatsachen-Darstellung der Klägerin schon deshalb als gescheitert anzusehen, weil diese Darstellung unwahrscheinlicher ist als diejenige der Beklagten.
In der Berufungsbegründung wird sodann versucht, die Aussagen des Zeugen K. in Zweifel zu ziehen:
- Die Beobachtung des Zeugen sollen nach der Darlegung der Beklagten in einem Zeitpunkt gemacht worden sein, in dem für diesen das zu Tal fahrende MS "JM" noch gar nicht in Sicht gewesen sei. Da die Sicht circa 1500 Meter betrage, müsse der Zeuge in einem zeitlich lange vor dem Unfall liegenden Moment nach rückwärts geschaut haben.
Die Berufungskammer ist der Meinung, dass diese Annahme der Beklagten nicht richtig sein kann, wie sich aus anderen Äußerungen des Zeugen K. klar ergibt. Der Zeuge sagte aus, er habe sich umgeschaut, als er mit seinem "Heck auf Höhe des Hecks des Koppelverbandes" war. Als ihn das MS "JM" passierte, sei er mit seinem Heck "etwa 20 Meter oberhalb des Hecks des Koppelverbandes gewesen". Aus diesen Äußerungen ergibt sich, dass sich der Zeuge kurz vor den für den Unfall wesentlichen kritischen Momenten nach hinten umgeschaut hat.
- In der Berufungsbegründung wird ferner darauf hingewiesen, dass die befragten Zeugen den Kursverlauf der "F" widersprüchlich geschildert hätten. Schiffsführer J. habe ausgesagt, die "F" habe oberhalb des anlegenden Schubverbandes eine Kursänderung nach linksrheinisch hin vorgenommen. Der Matrose L. habe diesen Kurswechsel auch wahrgenommen, ihn jedoch bereits unterhalb des
anlegenden Schubverbandes als wieder rückgängig gemacht beschrieben.
Wenn sich die beiden Hauptbeteiligten in ihren Erinnerungen in derartige Widersprüche zueinander und zu den Aussagen des Zeugen K. gegeben hätten, so müsse der Schluss gezogen werden, dass auch die Erinnerungen und Schätzungen des Zeugen K. nicht als zuverlässig anzusehen seien.
Die Berufungskammer hält indessen fest, dass die Beschreibung des Kursverlaufes der "F" durch den Zeugen K. mit der Schilderung, wie sie der Matrose L. zu Protokoll gegeben hat, übereinstimmt. Diese Schilderungen sind auch übereinstimmend mit den Schilderungen, wie sie von den Ehegatten K. zu Protokoll gegeben wurden. Nach allen diesen Aussagen begegnete die "F" der "JM" oberhalb des anlegenden Schubverbandes, ohne in jenem Bereich eine Kursänderung nach linksrheinisch hin vorzunehmen. Offenbar hat sich also der Schiffsführer J. in seinen Erinnerungen in einem Detail getäuscht oder missverständlich ausgedrückt. Daraus auf eine Unzuverlässigkeit des Zeugen K. zu schließen, geht nicht an. Der Berufungsbegründung kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie die "F" als "rochierendes Schiff" bezeichnet und daraus Schlüsse auf die Unzuverlässigkeit der Aussagen des Zeugen K. ziehen will.
Die von den Beklagten in der Berufungsbegründung geltend gemachten "gravierenden Widersprüche" reduzieren sich gemäß den obigen Darlegungen auf eine Unklarheit in der Aussage des Zeugen K. und auf eine offensichtlich falsche Detailschilderung in der protokollierten Aussage des Schiffsführers J.. Die Meinung der Beklagten, dass aus den von ihr geschilderten Widersprüchen auf eine Befangenheit des Zeugen K. geschlossen werden müsse, ist daher unhaltbar. Die Aussagen des Zeugen entsprechen den Aussagen des Matrosen L. vollständig und den Aussagen des Schiffsführers J. in den wesentlichen Teilen. Es ist daher vom Rheinschifffahrtsgericht zu Recht auf diese Zeugenaussagen abgestellt worden.
3. Auch in ihrem Eventualantrag hat die Berufung keinen Erfolg. Ein für den Unfall kausales Mitverschulden der Klägerin ist nicht anzunehmen.
Zu recht hat das Rheinschifffahrtsgericht darauf hingewiesen, dass der Besatzung der "V" wegen der Einschaltung und Benützung des Radargerätes kein Mitverschulden am Unfall anzulasten sei. Es bleibt somit die einzige Frage, ob der Matrose L. zur Abgabe eines Schallsignals oder zu einer Warnung über Kanal 10 verpflichtet war und ob er wegen der Unterlassung einer solchen Maßnahme als mitschuldig bezeichnet werden muss.
Gemäß den Bestimmungen der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung müssen die Talfahrer "den Weg nehmen, den ihnen die Bergfahrer ... weisen; sie müssen die Sichtzeichen erwidern, die die Bergfahrer an sie gerichtet haben" (§ 6.04 Ziff. 5). Es ist unbestritten, dass die "JM" ihr eigenes Funkellicht eingeschaltet hatte, während sie Steuerbord an Steuerbord der "F" begegnete. Die Ehefrau K. will das Funkellicht erst ausgeschaltet haben, als sie mit ihrem "Achterschiff etwa auf Höhe des Achterschiffes" der "F" fuhr. In diesem Moment - wie überhaupt während der Begegnung mit der "F" - konnte dem Funkellicht keine Bedeutung mehr als Erwiderung der Kursweisung der "F" zukommen; das eingeschaltete Funkellicht durfte daher von der Besatzung der "V" als Erwiderung ihrer Kursweisung verstanden werden. Zu Recht hat das Rheinschifffahrtsgericht betont, dass in einem solchen Falle - nach erteilter und erwiderter Kursweisung - der Bergfahrer nicht mehr verpflichtet ist, den entgegenkommenden Talfahrer ständig und lückenlos zu beobachten. Er darf davon ausgehen, dass sich der Talfahrer so verhält, wie er es mit der Erwiderung der Kursweisung angezeigt hat. Aus diesem Grunde kann dem Matrosen L. kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er sich nicht genau daran erinnern konnte, wann die "JM" ihr Blinklicht ausschaltete. Nach der Aussage von L. hat die "JM" ihren Steuerbordkurs erst eingeschlagen, als sie sich noch "etwa 200 bis 250 m von unserem Schiff entfernt" befand.
Ob dies zutrifft oder ob die "JM" sofort nach der Begegnung mit der "F" (die ihrerseits etwa 400 m oberhalb der "V" gefahren sein soll) den Kurswechsel eingeschlagen hat, kann offen bleiben, da - wie erwähnt - dem Matrosen L. auch dann kein Vorwurf gemacht werden kann, wenn er den schon vorher eingeschlagenen Kurswechsel der "JM" erst bemerkte, als sich diese noch 200 bis 250 m von seinem Schiff entfernt befand. In diesem Moment aber waren sich die beiden Fahrzeuge schon derart nahe, dass die Unterlassung der Abgabe eines Schallsignals oder einer Warnung über Kanal 10 dem Bergfahrer nicht mehr als Mitverschulden angelastet werden kann. Dem Bergfahrer fällt kein Mitverschulden bei einer unrichtigen Maßnahme des letzten Augenblicks zur Last, wenn der Talfahrer eine auf genügende Distanz gegebene und erkannte Kursweisung nicht beachtet (vgl. Bemm/Kortendick, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung 1983, Kommentar, 2. Auflage, Anmerkung 45 zu § 6.04). Auch der Schiffsführer K. sagte im Übrigen aus, er sei "nicht mehr dazu gekommen, über Funk zu sprechen oder akustische Signale zu geben". Abgesehen davon kann nicht angenommen werden, dass die Abgabe eines zusätzlichen Signals in jenem Moment, in dem die Schiffe nur noch 200 bis 250 m von einander entfernt waren und die "JM" bereits ihren Steuerbordkurs eingeschlagen hatte, die Kollision noch hätte verhindern können. Selbst wenn man also dem Matrosen L. einen Vorwurf aus der Unterlassung machen wollte, könnte dieses Verschulden nicht als kausale Ursache für den entstandenen Schaden bezeichnet werden.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 7. Juni 1988 wird zurückgewiesen. Das genannte Urteil wird bestätigt.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
3. Die Festsetzung der Kosten unter Berücksichtigung von Artikel 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort.