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Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
vom 20. März 1989
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 22. März 1988 - 5 C 69/87 BSch -)
Tatbestand:
Die Klägerin ist Eignerin des Motorschiffs "G" (2639 ts, 95 x 11,40 m, 2 x 880 PS). Sie nimmt den Beklagten, den Eigner des Motorschiffs "T" (3151 ts, 100 x 11,40 m, 2 x 880 PS) auf Schadensersatz wegen eines Schiffsunfalls in Anspruch, der sich am 2.10.1986 gegen 8 Uhr auf dem Rhein im Bereich von Stromkilometer 798 ereignet hat, wo der Strom - zu Tal gesehen - in einer Linkskurve verläuft. Das MS "G" befand sich mit dem vorgespannten Schubleichter "E" (2816 ts, 76 x 11,40 m) auf der Bergfahrt. Beide Schiffe waren mit Kohle beladen und hatten einen Tiefgang von 1,91 bzw. 1,94 m. Zu Tal kam das vom Beklagten selbst geführte, mit 2100 ts Brammen und Coils beladene MS "T", das einen Tiefgang von 2,90 m hatte. Wegen starken Nebels herrschte schlechte Sicht. Der Schubverband und das MS "T" fuhren daher nach Radar. Die persönlichen und technischen Voraussetzungen für die Radarfahrt waren beiderseits gegeben. Bei der Begegnung kam es zu einer Kollision zwischen MS "T" und dem Schubverband, bei der der Leichter "E" und das MS "T" beschädigt wurden. Die am Leichter "E" entstandenen Schäden sind von der Klägerin reguliert, die Schadensersatzansprüche von dem Eigner des Leichters an sie abgetreten worden. Nach dem Unfall hat der Beklagte sein Schiff zu neuen Reisen ausgesandt.
Die Klägerin hat behauptet:
Auf seiner Bergfahrt habe sich der Schubverband "G"/"E" unter Angabe seiner jeweiligen Position regelmäßig - zuletzt etwa in Höhe von Stromkilometer 798,5 - über Kanal 10 gemeldet, ohne jedoch eine Antwort zu erhalten.
Als der Schubverband in einem seitlichen Abstand von ca 40 m den ersten (untersten) der bei Stromkilometer 798,5-798,0 und 797,5 linksrheinisch ziemlich weit aus dem Ufer liegenden Wahrschaupontons erreicht habe, habe er querab des obersten Wahrschaupontons (km 797,5) auf dem Radarschirm ein Echo ausgemacht, das er wegen dessen linksrheinischer Lage für einen kurzen Augenblick für das Echo eines Stilliegers gehalten habe. Allerdings habe Schiffsführer G. von MS "G" infolge der Bewegung des Echos alsbald erkannt, dass es sich um einen Talfahrer handeln müsse, der sich später als das MS "T" herausgestellt habe.
Daraufhin habe MS "G", das schon vorher wegen aufdrehender Fahrzeuge habe zurückschlagen müssen und noch nicht viel Fahrt gemacht habe, die Maschinenleistung reduziert und zwei Achtungssignale sowie ein Steuerbord¬signal gegeben. In dieser Zeit habe der Abstand zu dem entgegenkommenden Talfahrer noch etwa 600 m betragen. Als der Abstand sich auf ca 300 m verringert habe, habe MS "T" seinen Kurs plötzlich nach Steuerbord gerichtet und über Kanal 10 gemeldet: "Ich bin ein Talfahrer, Backbord an Backbord".
Daraufhin habe Schiffsführer G. die Maschine sofort auf vollan-voraus gestellt und versucht, so weit wie möglich nach Steuerbord auszuweichen. Gleichwohl habe er nicht vermeiden können, dass MS "T" mit seinem Backbordvorschiff gegen die vordere Ecke des Schubleichters "E" gestoßen sei. Im Zeitpunkt der Kollision habe der Talfahrer eine Steuerbordschräglage von etwa 45° gehabt, während der Schubverband "G"/"E" infolge des Steuerbordrudermanövers bereits eine leichte Steuerbordschräglage gehabt habe, nachdem der Verband wegen des linksrheinischen Buhnenfeldes und der relativ starken Stromkrümmung zunächst zwangsläufig etwas nach Backbord gelegen habe, da ein 171 m langer Schubverband einen Grund nicht parallel zur Uferlinie umfahren könne (Beweis : Sachverständigengutachten).
Nach der Kollision habe der Schubverband dann inwendig der beiden unteren Wahrschaupontons gelegen, während MS "T" ungefähr in Fahrwassermitte zunächst kopfvor geankert und anschließend nach Backbord herumgefallen sei. Um mit seinem Achterschiff nicht gegen das Backbordachterschiff von MS "G" zu stoßen habe der Beklagte dessen Schiffsführer noch auffordern müssen, vollan-voraus zumachen.
Hieraus folge, dass die Kollision nicht rechtsrheinisch habe stattfinden können, da MS "T" in diesem Falle bei seiner Länge von 100 m hätte herumfallen können, ohne das außerhalb des Fahrwassers liegende MS "G" zu gefährden. Zudem hätte das Vorschiff von MS "T" sich dann zwangsläufig zwischen den rechtsrheinischen Kribben festfahren müssen. Ihren Schaden aus abgetretenem und eigenem Recht hat die Klägerin einschließlich der Expertise- und Interventionskosten auf 108169,80 hfl beziffert.
Es haben beantragt:
Die Klägerin,
den Beklagten zu verurteilen - und zwar dinglich haftend mit dem MS "T", im Rahmen des Binnenschifffahrtsgesetzes auch persönlich haftend an sie 108169,80 hfl - evtl. den entsprechenden Betrag in Deutscher Mark nach dem am Zahlungstag geltenden Kurs - nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1987 zu zahlen, vorab aber über den Grund des Anspruchs zu entscheiden.
Der Beklagte,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Behauptungen der Klägerin bestritten und vorgetragen: MS "T" habe sich rechtsrheinisch im normalen Kurs gehalten und sei mehreren Bergfahrern problemlos Backbord an Backbord begegnet. Als das Motorschiff sich der Einmündung des Emscherkanals genähert habe, habe er - der Beklagte - in einer Entfernung von etwa 1400 m das Echo eines Schubverbandes erkannt, der verhältnismäßig breit gefahren sei und sich später als "G"/"E" herausgestellt habe. Er - der Beklagte -habe sich mit Ortsangabe über Kanal 10 als Talfahrer gemeldet und eine Begegnung Backbord an Backbord verlangt, ohne eine Antwort zu erhalten. Der Kurs von MS "T" habe ziemlich nahe an den rechtsrheinisch befindlichen roten Tonnen gelegen.
Nachdem der Kurs des Schubverbandes bedrohlich geworden sei, habe er - der Beklagte - seine Durchsage mehrfach wiederholt, den Bergfahrer auf seinen gefährlichen Kurs hingewiesen und aufgefordert, seinen Steuerbordwall anzuhalten.
Der Schubverband habe schließlich eine Schräglage von 45° aus seiner Fahrtrichtung nach Backbord erlangt und sei gegen die Backbordseite des Vorschiffes von MS "T" geraten, um dann an der Backbordseite des Motorschiffes bis zum Steuerhaus vorbeizuschrammen. Im Augenblick der Kollision habe sich MS "T" etwa 10 m von der roten Tonne auf der Kribbe bei km 798 entfernt befunden.
Nach der Anfahrung sei MS "T" mit dem Vorschiff in die rechts¬rheinischen Kribben gelaufen und habe in Höhe des Bugstrahltunnels Grund¬berührung erlitten. Es habe dann Achteranker setzen müssen, um sich anschließend auf dem Steuerbordvorderanker herumfallen zu lassen. In diesem Zusammenhang sei der Schiffsführer von MS "G" gebeten worden voraus ¬zumachen, weil sein Motorschiff sich nicht inwendig der Wahrschaupontons befunden und daher noch im Drehkreis von MS "T" gelegen habe. Zur Bestätigung seiner Sachdarstellung hat der Beklagte Lichtbilder von den an MS "T" und am Leichter "E" entstandenen Schäden überreicht, die nach seiner Auffassung dafür sprächen, dass der Leichter mit seinem Vorschiff an dem in gestreckter Lage befindlichen MS "T" vorbeigeschrammt sei (Beweis : Sachverständigengutachten). Wegen des Unfalls, der Gegenstand dieses Rechtsstreits ist, ist ein Ermittlungsverfahren bei der Wasserschutzpolizeistation Duisburg und ein Verklarungsverfahren bei dem Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort durchgeführt worden, in dem die am Unfall beteiligten Schiffsführer sowie weitere Zeugen vernommen worden sind. Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Akten der vorgenannten Verfahren (SU-Nr. 61/86 und 5 II 10/86) beigezogen und die Klage abgewiesen. Es ist aufgrund des Ergebnisses der im Verklarungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass der Unfall auf einem nautischen Fehlverhalten der Schiffs¬führung des Schubverbandes "G"/"E" beruhe, während es für ein Mitverschulden des Beklagten keine hinreichenden Anhaltspunkte gebe.
Die Klägerin hat Berufung eingelegt.
Beide Parteien wiederholen und ergänzen ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszuge und nehmen zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung. Die Klägerin rügt die Beweiswürdigung des Rheinschifffahrtsgerichts, weil dieses die Darstellung des Unfallgeschehens durch die Besatzungsangehörigen des MS "T" aufgrund der Aussagen von Zeugen als bestätigt angesehen hat, welche die Vorgänge lediglich als so genannte "Ohrenzeugen" kurzfristig über den Sprechfunk hätten verfolgen können.
Demgegenüber hätten die Wasserschutzpolizei und die Bußgeldstelle der Wasser- und Schifffahrtsdirektion West in Münster ( A 5 - 311.3/133-88) die Auffassung vertreten, dass keinem der Beteiligten ein schuldhaftes Verhalten nachgewiesen werden könne. Bei richtiger Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme hätte nicht verkannt werden dürfen, dass der Darstellung des Unfallhergangs durch den Beklagten keinesfalls gefolgt werden könne, weil dessen Erinnerungs- und Orientierungsvermögen sich als außerordentlich fragwürdig erwiesen habe. Das gelte u. a. für seine Ortsangabe "Götterswickerhamm", die Beobachtungen über 2 im Revier befindliche Spitze und die Aussage über die rechtsrheinisch liegenden Tonnen. Wäre MS "T" - so meint die Klägerin - im Zeitpunkt des Unfalls tatsächlich so dicht am Ufer gewesen, wie seine Interessenten es wahrhaben wollten, so wäre es vom Schubverband "G"/"E" mit seiner gesamten Länge auf die rechtsrheinische Uferböschung gedrückt worden und wäre von dort nie wieder aus eigener Kraft freigekommen (Beweis : Sachver¬ständigengutachten) .
Im Übrigen ergebe sich zumindest ein Mitverschulden des Beklagten an dem Zustandekommen der Havarie selbst dann, wenn man seiner Darstellung über den Hergang des Unfalls folgen wollte.
Obwohl der Beklagte das Echo des Schubverbandes auf eine Entfernung von 1400 m bemerkt habe und der Bergfahrer auf eine Entfernung von 1200 m auf seine Durchsage nicht geantwortet haben solle, stattdessen aber angeblich immer mehr auf MS "T" zugekommen sei, habe der Beklagte weder ein Radartonsignal gegeben noch seine Geschwindigkeit rechtzeitig reduziert oder Bug zu Tal angehalten.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den im ersten Rechtszuge gestellten Anträgen zu erkennen, d.h. die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären.
Der Beklage beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Er hält für erwiesen, dass das hart rechtsrheinisch zu Tal fahrende MS "T" durch den Schubverband angefahren worden ist, nachdem dieser infolge fehlerhafter Navigation in der Krümmung des Stromes nach Backbord verfallen war.
Das Schadensbild belege auch, dass die Darstellung der Schiffsführung des Schubverbandes nicht richtig sein könne. Wäre diese richtig - so meint der Beklagte - so hätte der Schubverband nicht an der Backbordseite von MS "T" vorbeischrammen können, sondern hätte das Motorschiff mit ganz anderen Schadensfolgen in seiner Mitte treffen müssen (Beweis : Sachverständigengutachten).
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin konnte in der Sache keinen Erfolg haben.
Für die Entscheidung dieses Rechtsstreits, in dem die Interessenten des Schubverbandes "G"/"E" ihren Schadensersatzanspruch verfolgen, kann es dahinstehen, ob das Ergebnis der Beweisaufnahme - wie das Rhein¬schifffahrtsgericht meint - die Feststellung rechtfertigt, dass die hier streitige Kollision durch ein nautisches Fehlverhalten der Führung des Schubverbandes verursacht worden ist, denn jedenfalls hat die Klägerin den ihr obliegenden Beweis für ein unfallursächliches Verschulden des Beklagten nicht zu erbringen vermocht.
1. Im Unfallrevier ist die geregelte Begegnung vorgeschrieben (§ 9.02 Nr. 1b RhSchPVO). Danach müssen die Berg- und Talfahrer beim Begegnen ihren Kurs so weit nach Steuerbord richten, dass die Vorbeifahrt ohne Gefahr Backbord an Backbord stattfinden kann (§ 9.02 Nr. 2 RhSchPVO).
2. Die Darstellung der Klägerin nach der der Beklagte unter Verstoß gegen diese Vorschrift und die Vorschrift der §§ 6.03 Nr. 3 und 1.04 RhSchPVO linksrheinisch zu Tal gefahren ist und erst etwa 300 m vor dem entgegenkommenden Schubverband seinen Kurs plötzlich nach Steuerbord gerichtet und gleichzeitig über Kanal 10 eine Begegnung Backbord an Backbord verlangt hat, so dass die Führung des in einem seitlichen Abstand von etwa 40 m zu den linksrheinisch befindlichen Wahrschaupontons zu Berg fahrenden Schubverbandes ungeachtet einer Steuerbordausweichbewegung die Kollision nicht mehr habe vermeiden können, wird allerdings von der im Verklarungsverfahren vernommenen Besatzung des MS "G", dem Schiffsführer G. und dem Matrosen Mahler übereinstimmend bestätigt.
Beide Zeugen haben ferner ausgesagt, dass sich Schiffsführer G. jeweils unter Positionsangabe über Kanal 10 als zu Berg fahrender Verband gemeldet habe, ohne auf diese Durchsagen und von MS "G" abgegebene akustische Signale eine Antwort zu erhalten.
3. Dieser Darstellung des Unfallhergangs durch die Besatzung des Schubverbandes stehen jedoch die Bekundungen der Besatzungsangehörigen des MS "T" unvereinbar gegenüber.
So hat der im Verklarungsverfahren als Zeuge vernommene Beklagte eine detaillierte Darstellung des Unfallhergangs gegeben, die seinem Vorbringen im vorliegenden Verfahren entspricht.
Die Unfallbeschreibung des Beklagten ist von seinem Matrosen Meertens - soweit er zu dem Unfallablauf befragt worden ist - bestätigt worden.
Auch dieser Zeuge hat im Verklarungsverfahren bekundet, dass der Beklagte über Kanal 10 wiederholt eine Begegnung Backbord an Backbord verlangt und den Bergfahrer aufgefordert habe, nach Steuerbord zu halten. Gleichwohl sei der Schubverband - wie auch die im Steuerhaus sitzende Ehefrau des Zeugen bestätigt hat - in Schräglage auf MS "T" zugekommen, das sich im Zeitpunkt der Kollision etwa 10 m seitlich der rechtsrheinisch liegenden roten Tonne befunden habe.
4. Schließen somit die von den Besatzungsangehörigen der an der Kollision beteiligten Fahrzeuge gegebenen Darstellungen des Unfallgeschehens einander aus und sind vorliegend keine unbeteiligten Zeugen vorhanden, welche die Schiffsbewegungen vor und nach der Kollision aus eigener Anschauung beobachten konnten, so ist das Rheinschifffahrtsgericht zu Recht der Frage nachgegangen, ob und inwieweit aus den Aussagen einer Reihe von Zeugen über die von ihnen gehörten Durchsagen im Sprechfunkverkehr eine Bestätigung der Unfalldarstellung der einen oder anderen Partei gefunden werden kann.
5. Insoweit hat die Beweisaufnahme ergeben, dass die Behauptung des Beklagten über die von ihm über Kanal 10 gemachten Durchsagen in ihrem wesentlichen Kern von allen unbeteiligten Zeugen bestätigt worden ist, während eine Durchsage des Schubverbandes von keinem dieser Zeugen gehört worden ist.
So hat Schiffsführer K. von dem im Hafen Walsum-Süd liegenden MS "Volharding" bekundet, dass sich das MS "T" mit der Ortsangabe "Götterswickerhamm" als Talfahrer gemeldet und für die Bergfahrt eine Begegnung Backbord an Backbord verlangt habe. Diese Durchsage sei ein bis zweimal wiederholt worden, ohne dass eine Antwort gekommen sei. Sodann habe sich der Talfahrer wiederum gemeldet und vom Bergfahrer verlangt, dass er seinen Steuerbordwall anhalte; er - der Talfahrer -sei schon ganz nahe an den roten Tonnen und könne nicht weiter nach Steuerbord beigehen.
Diese Aussage entspricht in ihren wesentlichen Punkten auch den Bekundungen der im Steuerhaus von MS "V" befindlichen Ehefrau des Zeugen sowie des Schiffsführers T. vom MS "Casablanca", der die Durchsagen des Beklagten während des Verholens seines Schiffes im Südhafen gehört hat.
Der Schiffsführer van Velzen vom in Walsum liegenden MS "M" , der die Durchsagen von MS "T" dem ihm bekannten Beklagten zuordnen konnte, weil er ihn an seiner Stimmen erkannt hat, hat ebenfalls gehört, dass der Beklagte sich mit der Ortsangabe "Götterswickerhamm" gemeldet, von der Bergfahrt eine Begegnung Backbord an Backbord verlangt und dann wiederholt darauf hingewiesen hat, dass er schon ganz nahe an den roten Tonnen sei und nicht weiter nach Steuerbord ausweichen könne. Die letztere Durchsage hat auch die Ehefrau des Zeugen ihren Bekundungen zufolge vom Bett aus mitgehört und den Eindruck gewonnen, dass diese Durchsage "ziemlich panisch" geklungen habe. Schließlich hat auch Schiffsführer St. vom unterhalb Götterswickerhamm linksrheinisch vor Anker liegenden MS "L" bekundet, dass sich MS "T" zuvor aus dem Hafen Walsum kommend gemeldet habe; später habe er dann gehört, wie sich MS "T" erneut mit dem Ruf gemeldet habe "B. (Nachbar), Du siehst doch, dass ich längs den roten Tonnen zu Tal fahre". Diese Durchsage, die mit sehr ähnlichen Wortlaut auch in einem wenige Tage nach dem Unfall, nämlich am 8.10.1986 in niederländischer Sprache abgefassten Havariebericht des Zeugen T. erwähnt wird, sei dann nochmals in Panik wiederholt worden. Vom Schubverband "G"/"E" hat auch dieser Zeuge keine Durchsagen gehört.
6. Spricht demnach alles dafür, dass der Beklagte - soweit der Sprechfunkverkehr in Frage steht - eine zutreffende Schilderung der Vorgänge gegeben hat, während die von der Klägerin behaupteten Durchsagen des Schubverbandes von keinem der unbeteiligten Zeugen gehört worden sind, so
ist jedenfalls die Feststellung gerechtfertigt, dass auch hinsichtlich der Darstellung des Unfallgeschehens in seiner Gesamtheit, den Angaben der Besatzungsangehörigen des Schubverbandes keinesfalls der Vorzug gegenüber den Aussagen des Beklagten und seines Matrosen M. gegeben werden kann.
Dies gilt umso mehr, als die Möglichkeit, dass der zunächst in einer - sei es auch leichten - Backbordschräglage und mit reduzierter Geschwindigkeit die Stromkrümmung durchfahrende Schubverband von der Strömung zum rechten Ufer hin abgedrängt worden ist, näher liegt, als dass der Beklagte entgegen der geltenden Verkehrsregelung linksrheinisch zu Tal gefahren ist, um dann, unmittelbar vor der Begegnung mit der Bergfahrt das Ufer zu wechseln.
7. Die Versuche der Berufung, die Glaubwürdigkeit des Beklagten und die Zuverlässigkeit seiner Angaben in Frage zu stellen, sowie aufzuzeigen, dass der Unfall sich so, wie es die Besatzung von MS "T" geschildert habe, nicht zugetragen haben könne, vermögen die Berufungskammer nicht zu überzeugen.
a) Zwar ist es richtig, dass die Fahrweise des MS "T" nicht notwendig den Durchsagen über Kanal 10 entsprochen haben muss. Dafür, dass der Beklagte bei seinen Durchsagen, insbesondere aber bei seinen wiederholten eindringlichen Aufforderungen an die Bergfahrt, nach Steuerbord zu halten, weil er sich selbst bereits in unmittelbarer Nähe der roten Tonnen befinde, einen von MS "T" in Wirklichkeit nicht eingehaltenen Kurs vorgetäuscht hat, fehlt es jedoch an jeglichem Anhaltspunkt.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin vermag die Berufungskammer der vom Beklagten über Kanal 10 übermittelten Ortsangabe "Götterswickerhamm" nicht zu entnehmen, dass er offenbar die Orientierung verloren und nicht gewusst habe, wo er sich befinde. Zwar ist es richtig, dass die Ortsangabe "Stapp" (km 797,6) genauer gewesen wäre, indessen folgt aus der an die weiter unterhalb befindliche Bergfahrt gerichtete, im Groben zutreffenden Ortsangabe "Götterswickerhamm" (km 800,2) nicht, dass der Beklagte sich über seinen Standort nicht im Klaren gewesen ist.
c) Die Angaben des Beklagten, nach denen sich hinter ihm 2 Spitze befunden hätten, die bereits in Orsoy aufgedreht haben sollen, steht nicht in notwendigem Widerspruch zu den Bekundungen der Zeugen G. und Mahler von MS "G", denen zufolge zwei französische Spitze sich vor MS "T" befunden und direkt vor dem Schubverband aufgedreht hätten, da die Identität der vom Beklagten und von der Besatzung des Schubverbandes genannten Fahrzeuge nicht feststeht.
d) Auch die Tatsache, dass sich zwischen den Stromkilometern 797 und 798 keine roten Tonnen befinden, stellt die Richtigkeit der Durchsage des Beklagten, er befinde sich in unmittelbarer Nähe der roten Tonnen nicht in Frage. Insoweit wird nämlich in der Berufungserwiderung mit Recht darauf hingewiesen, dass der Beklagte, der im Zeitpunkt der Kollision die rote Tonne bei km 798 an seiner Steuerbordseite hatte, nur die von den in üblichem Abstand ausgelegten Tonnen gebildete Strichlinie gemeint haben kann.
e) Die Schlüsse, welche die Klägerin aus den Schadensbildern zieht, erscheinen - wie das Rheinschifffahrtsgericht zutreffend hervorhebt -spekulativ.
Das Schadensbild mag zwar geeignet sein, den Aufprallwinkel der kollidierten Fahrzeuge exakt festzustellen, sagt aber naturgemäß nichts darüber aus, welchen Kurs, sie vor der Anfahrung eingehalten haben.
Die von der Klägerin durch Sachverständigengutachten zu Beweis gestellte Behauptung, MS "T" wäre, wenn es sich im Unfallzeitpunkt dicht an den roten Tonnen befunden hätte, vom Schubverband auf die rechtsrheinische Uferböschung gedrückt worden und von dort nicht mehr aus eigener Kraft freigekommen überzeugt nicht, denn MS "T" ist nach den eigenen Angaben des Schiffsführers G. von MS "G" "nicht praktisch in der Querlage, sondern mit einer leichten Steuerbordlage" des Schubverbandes "erwischt" worden, weil Schiffsführer G. sein Ruder vor dem Zusammenprall nach Steuerbord gelegt hatte, wie dies auch vom Matrosen Mahler von MS "G" bestätigt wird.
So ist es auch zu erklären, dass der Schubverband nicht ins rechte Ufer gelaufen ist und MS "T" - wie Mahler weiter bekundet hat, "praktisch bis hinten hin" - also offenbar streifend - aufgerissen wurde.
Im Übrigen ist nach den Feststellungen in der Schadenstaxe vom 1.12.1986 (Seite 11 unten) ungeachtet des von dem Experten der Klägerin gemachten Vorbehalts, zumindest nicht auszuschließen, dass MS "T" infolge der Kollision an seinem Steuerbordvorschiff Grundberührung erlitten hat.
f) Soweit die Klägerin aus den Schiffsbewegungen nach der Kollision, insbesondere aus der Tatsache, dass MS "T" mit seinem Achterschiff nach Backbord herumgefallen ist, ohne sich am rechten Ufer festzufahren und ohne mit seinem Achterschiff an der Backbordseite des Schubverbandes "entlang zufegen" folgert, dass die Kollision sich nicht rechtsrheinisch zugetragen haben kann, vermögen
ihre Darlegungen ebenfalls nicht zu überzeugen. Dem Beklagten ist nicht zu widerlegen, dass er - wie er im Verklarungsverfahren bekundet hat - nach der Kollision zunächst voll zurückgeschlagen hat.
Wenn er beim Herumfallen die Führung des bereits linksrheinisch liegenden Schubverbandes aufgefordert hat, vollan voranzumachen, um eine Anfahrung mit dem Achterschiff zu vermeiden, so ist dies kein schlüssiges Indiz dafür, dass MS "T" seine Drehbewegung nicht vom rechten Ufer aus begonnen hat, sondern kann auch daran liegen, dass der Schubverband - wie der Beklagte behauptet - noch nicht vollends zwischen den am linken Ufer befindlichen Wahrschaupontons gelegen hat. Das könnte u.U. auch der Formulierung in der Aussage des Schiffsführers G. von MS "G" entnommen werden, nach der er mit seinem Verband "praktisch" zwischen die Wahrschaupontons gegangen sei.
8. Soweit die Klägerin schließlich hilfsweise unter Zugrundelegung der Sachdarstellung des Beklagten, zumindest eine Mitschuld der Führung von MS "T" für erwiesen hält, vermag die Berufungskammer ihr ebenfalls nicht zu folgen.
Nachdem der entgegenkommende "ziemlich breit fahrende" Schubverband in einer Entfernung von etwa 1400 m auf dem Radarschirm des Beklagten aufgetaucht war, konnte er zunächst darauf vertrauen, dass dieser der im Unfallrevier geltenden Verkehrsregelung entsprechend nach Steuerbord beigehen werde.
Sobald die Lage bedrohlicher wurde, hat der Beklagte - wie es auch die unbeteiligten Zeugen bestätigt haben - im Einklang mit der Übung in der Radarfahrt - den Bergfahrer über Kanal 10 eindringlich aufgefordert, nach Steuerbord beizugehen. Dass er selbst nicht weiter nach Steuerbod beigehen konnte, ist ihm nicht zu widerlegen.
Unter diesen Umständen kann dem Beklagten weder angelastet werden, dass er bei seiner Talfahrt in unmittelbarer Nähe der Tonnenstrichlinie seine Geschwindigkeit nicht drastisch reduziert noch das Risiko eines Anhaltens Bug zu Tal (§ 6.32 Nr. 4b RhSchPVO) auf sich genommen hat, um nicht rechtsrheinisch auf Grund zu laufen oder beim Zurückschlagen gegen den Schubverband zu verfallen.
Im Übrigen ergibt die Aussage des Beklagten im Verklarungsverfahren, dass er jedenfalls in der letzten Unfallphase mit herabgesetzter Geschwindigkeit gefahren ist.
Die Unterlassung der Abgabe eines Dreitonzeichens (§ 6.32 Nr. 4a RhSchPVO) hat sich vorliegend nicht unfallursächlich auswirken können, nachdem die Führung des Schubverbandes das entgegenkommende MS "T" - wie der Matrose Mahler von MS "G" bestätigt hat - in einer Entfernung von etwa 1100 m auf dem Radarschirm erkannt hatte und imstande war, die Bewegungen und Durchsagen des Talfahrers laufend zu verfolgen.
9. Ist nach alledem eine fehlerhafte Navigation der Führung von MS "T" nicht erwiesen und fehlt es auch an hinreichend sicheren Anhaltspunkten für die Feststellung, dass der Beklagte ihm zumutbare und geeignete Maßnahmen zur Abwendung der Kollision schuldhaft unterlassen hat, so ist die Klage vom Rheinschifffahrtsgericht zu Recht abgewiesen worden.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. März 1988 verkündete Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Festsetzung der Kosten erfolgt entsprechend Artikel 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte durch das Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort.