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Leitsätze:
1) Sowohl das Gebot, Kursweisungen des Bergfahrers zu befolgen, als auch das Kursänderungsverbot bei unmittelbar bevorstehenden Begegnungen zählen zu den Grundregeln des Binnenschifffahrtsverkehrsrechtes.
2) Begegnen sich Berg- und Talfahrt, so müssen – von bestimmten Ausnahmen abgesehen – die Bergfahrer den Talfahrern den Weg weisen und die Talfahrer die Weisung befolgen, § 6.04 BinSchSO. Diese Regelung bezweckt, Klarheit für die Begegnungskurse zwischen Berg- und Talfahrt zu schaffen und damit die Sicherheit des Schiffsverkehrs zu erhöhen. Dieser Zweck legt es nahe, dass die Talfahrer auch eine nicht sachgemäße oder an sich zeitiger gebotene Kursweisung der Bergfahrer befolgen müssen.
3) Gemäß § 6.04 Nr. 5 BinSchStrO müssen (unbeschadet des § 6.05) die Talfahrer den Weg nehmen, den ihnen die Bergfahrer nach den Bestimmungen des § 6.04 weisen; sie müssen die Sichtzeichen nach Nr. 3 und die Schallzeichen nach Nr. 4 erwidern, die die Bergfahrer an sie gerichtet haben. Dies bedeutet, dass der Talfahrer nicht von sich aus dem Bergfahrer eine Weisung aufdrängen darf, indem er noch vor dem Bergfahrer selbst die blaue Tafel setzt. Allerdings führt nicht jeder Verstoß gegen diese Regeln zwingend zur (Mit-) Haftung des Talfahrers. Vielmehr kommt es entscheidend auf die Reaktion des Bergfahrers sowie die sonstigen Einzelfallumstände an, die schließlich zu einer Schädigung geführt haben.
Beschluss:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts – Schifffahrtsgericht – Mainz vom 20. April 2009 – 76 C 6/08 BSch – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme…
Tatbestand:
Die Klägerin ist Eigentümerin des Schubverbandes »X. 11/ X. 16« (im Folgenden SV »X.«), der, geführt vom Schiffsführer A., am 20.01.2007 gegen 4.45 Uhr aus der Schleuse Kostheim zu Berg ausfuhr. Oberhalb des Schleusenvorkanals befand sich zu diesem Zeitpunkt der zu Tal fahrende Koppelverband MS »Y. /Z.« ( im Folgenden KV »Y.«), dessen Eignerin, jedenfalls Ausrüsterin die Beklagte zu 2) ist und der vom Erstbeklagten verantwortlich geführt wurde. Der zu Tal fahrende KV »Y.« hatte eine blaue Flagge gesetzt und fuhr mit Funkellicht. Schiffsführer A. und der Erstbeklagte tauschten Funksprüche über die Art der Begegnung aus. Schiffsführer A. schlug eine Backbord/Backbord Begegnung vor, der Erstbeklagte eine Steuerbord/Steuerbord Begegnung. Schiffsführer A. setzte die blaue Flagge, bzw. Funkellicht.
Ein Bergfahrer, der die Schleusenkammer verlässt, unterfährt zunächst die unmittelbar oberhalb der Schleusenkammer gelegene Eisenbahnbrücke und am Ende des rund 500 m langen Schleusenkanals die Autobahnbrücke. Der Erstbeklagte stoppte den zu Tal fahrenden KV »Y.« in Höhe der Dalben auf, gab Maschine zurück und wartete auf das Passieren des Bergfahrers SV »X.«. Der mit 3.200 Tonnen beladene SV »X.« fuhr aus dem Schleusenvorkanal aus und richtete seinen Kurs nach Backbord. SV »X.« geriet an den Trenndamm und kam seitlich nicht mehr ab. Dabei ragte der Leichter »X. 11« mit ca. halber Länge aus dem Vorkanal heraus. Schiffsführer A. schob seinen Schubverband mit Maschinenkraft am Trenndamm entlang. Dabei kollidierte das Achterschiff mit einem am Pfeiler der Autobahnbrücke befindlichen Gerüst. Es kam zu weiteren Schäden, die Gegenstand eines Parallelprozesses (22 U 5/09 BSch) sind.
Mit am 20.04.2009 verkündeten Urteil… hat das Schifffahrtsgericht die auf Schadensersatzleistung in Höhe von 5.333,97 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, der die Beklagten entgegen treten.
Gründe:
Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden, sie hat jedoch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
Mit zutreffenden Erwägungen hat das Schifffahrtsgericht die Klage abgewiesen.
Das Berufungsvorbringen zeigt weder begründet Rechtsfehler noch konkrete Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Richtigkeit der vom Schifffahrtsgericht getroffenen Feststellungen begründen könnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
1. Der Klägerin steht kein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1.04, 6.04 BinSchSO, § 3 BinSchG zu.
Eine Haftung der Beklagten ergibt sich nicht aus der »Vorgeschichte« der vom Schiffsführer A. erteilten Kursweisung für die Begegnung der beiden Verbände.
a) Begegnen sich Berg- und Talfahrt, so müssen – von bestimmten, vorliegend nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen – die Bergfahrer den Talfahrern den Weg weisen und die Talfahrer die Weisung befolgen, § 6.04 BinSchSO. Diese Regelung bezweckt, Klarheit für die Begegnungskurse zwischen Berg- und Talfahrt zu schaffen und damit die Sicherheit des Schiffsverkehrs zu erhöhen. Dieser Zweck legt es nahe, dass die Talfahrer auch eine nicht sachgemäße oder an sich zeitiger gebotene Kursweisung der Bergfahrer befolgen müssen (BGH NJW-RR 1989, 473 m.w.N.; OLG – SOG – Karlsruhe, Urt. v. 21.12.1999 – U 2/99 BSch – sowie OLG – RhSchOG – Karlsruhe, Urt. v. 25.06.2004 – 23 U 2/04 RhSch -). Sowohl das Gebot, Kursweisungen des Bergfahrers zu befolgen, als auch das Kursänderungsverbot bei unmittelbar bevorstehenden Begegnungen zählen zu den Grundregeln des Binnenschifffahrtsverkehrsrechts (vgl. BGH VersR 1967, 451).
Dem Talfahrer kann vorliegend nicht zum Vorwurf gemacht werden, er habe den ihm gewiesenen Weg nicht genommen. Fraglich ist allein, ob es ihm zum haftungsbegründenden Schuldvorwurf gereicht, dass er auf die Willensbildung des Bergfahrers hinsichtlich des zu wählenden Begegnungskurses Einfluss genommen hat.
Gemäß § 6.04 Nr. 5 BinSchStrO müssen (unbeschadet des § 6.05) die Talfahrer den Weg nehmen, den ihnen die Bergfahrer nach den Bestimmungen des § 6.04 weisen; sie müssen die Sichtzeichen nach Nr. 3 und die Schallzeichen nach Nr. 4 erwidern, die die Bergfahrer an sie gerichtet haben. Dies bedeutet – und darin ist der Berufungsklägerin im Grundsatz Recht zu geben –, dass der Talfahrer nicht von sich aus dem Bergfahrer eine Weisung aufdrängen darf, indem er noch vor dem Bergfahrer selbst die blaue Tafel setzt (OLG – SOG – Karlruhe, Urt. v. 5.12.2001 – U 2/01 BSch -). Allerdings führt nicht jeder Verstoß gegen diese Regeln zwingend zur (Mit-) Haftung des Talfahrers. Vielmehr kommt es entscheidend auf die Reaktion des Bergfahrers sowie die sonstigen Einzelfallumstände an, die schließlich zu einer Schädigung geführt haben.
b) Die Schiffsführung des talfahrenden Koppelverbandes hätte danach in der vorliegenden Situation darauf verzichten müssen, der Schiffsführung des bergfahrenden Schubverbandes durch Wort, Zeichen und Kurs mitzuteilen, dass sie eine Steuerbord/Steuerbord Begegnung wünsche. Bei der Abwägung gemäß § 92 c BinSchG hat jedoch das Verhalten des Talfahrers als nur gering zu wertendes Verschulden gegenüber dem Verschulden des bergfahrenden Schubverbandes völlig zurücktreten. Dies gilt um so mehr, als in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Schifffahrtsobergerichte immer wieder betont wird, dass bei Kollisionen zwischen Berg- und Talfahrern besonders die hohe Verantwortung des Bergfahrers zu Buche schlägt, die sich aus seiner Verpflichtung ergibt, der Talfahrt einen geeigneten Weg frei zu lassen (vgl. z.B. BGH VersR 1963, 825, 826; BK ZKR ZfB 1992, 1354; SOG Köln ZfB 1991, 434; SOG Karlsruhe, Urteil vom 21.12.1999 – U 2/99 BSch m.w.N.).
Rechtsfehlerfrei gelangt das Schifffahrtsgericht aufgrund der getroffenen Feststellungen zu der Überzeugung, dass der verantwortliche Schiffsführer A. des bergfahrenden Schubverbandes durchaus die Möglichkeit hatte, auf seinem Weisungsrecht zu bestehen und nicht dem Wunsch des Talfahrers zu entsprechen. Indem er nachgab und sich dazu entschied, die Steuerbord/Steuerbord Begegnung anzuweisen, musste er selbst dafür sorgen, dass dies unter Beachtung der örtlichen Verhältnisse nautisch ohne Fremd- und Eigenbeschädigung erfolgen würde. Dies ist ihm nicht gelungen. Zu einer Kollision zwischen Bergfahrer und Talfahrer kam es nicht. Die Schäden am SV »X.l« (und am Gerüst am Brückenpfeiler auf dem Trenndamm sowie an den Wasserprobenentnahmestationen) sind indessen ausschließlich darauf zurückzuführen, dass SV »X.« durch einen Fahrfehler seiner Schiffsführung bei der Ausfahrt aus dem Schleusenkanal an den Kopf des Trenndamms im Schleusenvorhafen gestoßen ist. Für diese fehlerhaften Manöver haften allein Schiffseigner und Schiffsführer des bergfahrenden SV »X.«.
Die Schiffsführung des Talfahrers hat hingegen – wie das Schifffahrtsgericht zutreffend ausführt – den Vorschriften über das Begegnen in engem Fahrwasser (§ 6.07 BinSchSO) genügt, indem sie den Verband in Höhe der Dalben aufstoppte und die Vorbeifahrt des Bergfahrers abwartete.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2010 - Nr.3 (Sammlung Seite 2075 f.); ZfB 2010, 2075 f.