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Leitsatz:
Eine Verletzung der nach § 1.04 RheinSchPVO gebotenen allgemeinen Sorgfaltspflicht kann nicht als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 6.5.1991
218 B - 5/91
(Rheinschiffahrtsgericht Mainz)
Zum Tatbestand:
Der Betroffene war Schiffsführer des Motorschiffes „L", mit dem er am Vormittag des 13.12.1985 unterhalb von Mannheim zu Tal fuhr. Am Ruder stand sein Matrose „Z", der das Schiffsführerpatent hatte. Der Betroffene war ebenfalls im Steuerhaus. Es herrschte schlechte Sicht. Das Schiff wurde deshalb nach Radar geführt, obwohl weder der Betroffene, noch sein Matrose das Radarschifferzeugnis besaßen. Als Bergfahrer kam ihnen das Motorschiff „D" entgegen. Zwischen beiden Schiffen wurde über Sprechfunk eine Begegnung Backbord an Backbord vereinbart, ohne daß man sich zunächst im Radarbild sah. Trotz dieser Absprache kam es zum Zusammenstoß, weil beide Schiffe ihre Kurse nach Backbord bzw. Steuerbord so verlegten, daß sie gegeneinander liefen. Jedes Schiff wirft dem anderen vor, seinen Kurs zuerst geändert und die Kursänderung des anderen dadurch erzwungen zu haben. Gegen den Betroffenen erging zunächst ein Bußgeldbescheid über 500,-- DM wegen Fahrens nach Radar ohne entsprechendes Patent und wegen einiger Verstöße gegen Bestimmungen der Rheinschiffahrtspolizeiverordnung. Auf seinen Einspruch hin wurde die Geldbuße vom Rheinschiffahrtsgericht auf 400,-- DM ermäßigt, wobei als Verstöße des Betroffenen nur noch die Fahrt nach Radar ohne Radarschifferzeugnis und die Verletzung der allgemeinen nautischen Sorgfaltspflicht festgestellt wurden. Diese Verletzung wurde darin gesehen, daß sein Kurs als Talfahrer in demjenigen der Bergfahrt gelegen habe. Der Betroffene hat Berufung eingelegt, mit der er nur rügt, daß er wegen Verletzung der allgemeinen nautischen Sorgfaltspflicht mit einem Bußgeld belegt wurde. Die Berufungskammer hat das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts abgeändert und gegen den Betroffenen wegen Führens eines Schiffes in Radarfahrt, ohne das erforderliche Radarschifferzeugnis zu besitzen, eine Geldbuße von 300,-- DM festgesetzt.
Aus den Entscheidungsgründen:
„1. In dem Bußgeldbescheid vom 21. 3. 1986 wurde Zuwiderhandlung gegen § 1.04 RheinSchPVO i. V. mit Artikel 5 Absatz 1 Nr. 1 EVO zur RheinSchPVO, Artikel 6 VO zur Erteilung von Radarschifferzeugnissen i. V. mit Artikel 5 dieser VO, § 6.32 Nr. 4a und Nr. 14.5 RheinSchPVO festgestellt. Das Rheinschiffahrtsgericht hat den Betroffenen wegen Verstoßes gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht in Tateinheit mit Führen eines Schiffes in Radarfahrt, ohne das erforderliche Radarschifferzeugnis zu besitzen, gemäß § 1.04 RheinSchPVO i. V. mit Artikel 5 Absatz 1 Nr. 1 EVO zur RheinSchPVO, Artikel 6 VO zur Erteilung von Radarschifferzeugnissen i. V. mit § 1 dieser VO, § 19 OWiG verurteilt.
2. Dieses Urteil ist insoweit fehlerhaft, als die festgesetzte Geldbuße von DM 400 auch auf einen Verstoß des Betroffenen gegen § 1.04 RheinSchPVO gestützt wird. Diese Vorschrift ist seit dem 1.10.1983 nicht mehr bußgeldbewehrt. Im Gegensatz zu Artikel 5 (Absatz 2 Nr. 3) EVO zur RheinSchPVO vom 15.6.1981(BGBl. 1497) führt die EV v. 16.8.1983 (BGBl. 1 1145) zu der am 1.10.1983 in Kraft getretenen Neufassung der RheinSchPVO Verstöße gegen § 1.04 RheinSchPVO nicht mehr als Ordnungswidrigkeit auf. Die vom Rheinschiffahrtsgericht verhängte Geldbuße hat also insoweit keine Rechtsgrundlage, als sie auf einen Verstoß des Betroffenen gegen § 1.04 RheinSchPVO gestützt ist.
3. Zu büßen ist der Betroffene deshalb nur wegen Führens eines Schiffes in Radarfahrt, I ohne das erforderliche Radarschifferzeugnis zu besitzen. Das erkennt der Betroffene auch an. Eine Geldbuße von DM 300 erscheint der Berufungskammer angemessen. Sie trägt einerseits dem Umstand Rechnung, daß das Führen eines Schiffes in Radarfahrt, ohne das erforderliche Radarschifferzeugnis zu besitzen, als sehr verantwortungslos angesehen werden muß. Auf der anderen Seite berücksichtigt sie, daß die vom Rheinschiffahrtsgericht Mainz festgesetzte Geldbuße zum Teil ohne Rechtsgrundlage erfolgt ist. Dabei kann dahingestellt werden, ob eine solche Rechtsgrundlage bestanden hat, denn der Betroffene ist auf eine solche nicht hingewiesen worden....“