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Leitsätze:
1) Die Grundsätze des § 852 BGB - Beginn der Verjährungsfrist mit Kenntnisnahme des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen - sind auch für den Ablauf der einjährigen Verjährungsfrist nach § 117 BSchG anwendbar.
2) Der Geschädigte hat vorhandene Möglichkeiten zur Feststellung von Namen und Adresse des Schiffseigners, Schädigers oder sonstigen Ersatzpflichtigen z. B. durch Einsichtnahme, in Register, Befragung zuständiger Behörden usw. auszuschöpfen, andernfalls die einjährige Verjährung mit dem Schluß des Jahres beginnt, in welchem die Forderung auf Schadensersatz, nämlich im Zeitpunkt des Schadenseintritts, fällig geworden ist.
Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
vom 21. September 1987
(Auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 25.11.1986 - 5 C 24/85 BSch -)
Tatbestand:
Das Motorschiff "R" der Beklagten hat am 21.10.1983 einen im Eigentum der Klägerin stehenden Dalben an der Umschlagstelle "Raab Karcher" in Grau-Rheindorf angefahren und nach der Behauptung der Klägerin dabei so stark beschädigt, das er gezogen und durch einen neuen ersetzt werden musste. Nach der weiteren Behauptung der Klägerin sollen durch den Ersatz des Dalbens Kosten in Höhe von DM. 47.000 entstanden sein, deren Erstattung mit der Klage verlangt wird.
Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sie hat darauf hingewiesen, dass die Verjährungsfrist nach § 117 BSchG ein Jahr betrage und mit dem Beginn des Jahres 1984 zu laufen begonnen habe. Bei der Klageerhebung im Mai 1985 sei also die eingeklagte Forderung verjährt gewesen.
Demgegenüber hat die Klägerin vorgetragen, sie habe erst am 1.2.1985 erfahren, dass die Beklagte die Eigentümerin des MS "R" sei und wer das Schiff beim Unfall geführt habe. Gemäß der Regel des § 852 I BGB habe sie also erst an dem genannten Tage die Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt. Diese Regel sei auch im Rahmen des § 117 BSchG anwendbar, sodass der Lauf der einjährigen Verjährungsfrist erst am 1.1.1986 begonnen habe.
Die Beklagte hat dazu vorgetragen, der § 117 BSch knüpfe den Beginn der Verjährungsfrist an den Eintritt der Fälligkeit der Forderung. Diese sei mit dem Unfall eingetreten.
Es haben beantragt:
Die Klägerin,
die Beklagte zu verurteilen, an sie DM. 47.000 nebst 4% Zinsen seit dem 30.10.1984 zu bezahlen.
Die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Nach seiner Ansicht ist die eingeklagte Forderung nicht verjährt und dem Grunde nach unbestritten.
Die Beklagte hat Berufung eingelegt.
Die Parteien wiederholen ihren Vortrag aus dem ersten Rechtszuge.
Es beantragen:
Die Beklagte,
nach ihrer im ersten Rechtszuge gestellten Anträgen zu erkennen.
Die Klägerin,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. In der Sache hat sie Erfolg, da die Klage an der Einrede der Verjährung scheitert.
Im Einzelnen hat die Berufungskammer erwogen.
1. Die im vorliegenden Falle maßgeblichen Verjährungsvorschriften des deutschen Rechts sind die §§ 117,118 BSchG. Nach § 117 beträgt die Verjährungsfrist ein Jahr. Nach § 118 beginnt sie mit dem Schluss des Jahres, in welchem die Forderung fällig geworden ist. Die Prüfung der erhobenen Verjährungseinrede hat deshalb mit der Feststellung zu beginnen, wenn die eingeklagte Forderung fällig geworden ist.
Es handelt sich um eine solche aus einer unerlaubten Handlung (Verschulden einer Person einer Schiffsbesatzung). Die Fälligkeit solcher Forderungen tritt mit ihrer Entstehung, die wiederum von dem Zeitpunkt der unerlaubten Handlung abhängt, ein, im vorliegenden Falle also mit dem 21.10.1983. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes ist dem deutschen Binnenschifffahrtsgesetz nicht zu entnehmen. Orientiert man sich nur an ihm, so ist also die eingeklagte Forderung am 21.10.1983 fällig geworden, obschon die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, wer der Eigner des schuldigen Schiffes und damit ihr Schuldner war.
2. Die Frage ist also, ob trotz dieser Ungewissheit die eingeklagte Forderung am 21.10.1983 fällig geworden ist. Die für das Gebiet der unerlaubten Handlungen maßgebliche Vorschrift des BGB, des §852, verneint diese Frage. Nach ihr verjährt der Anspruch auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens in drei Jahren von dem Zeitpunkt ab, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Nach der einhelligen Kommentierung dieser Vorschrift ist das dann der Fall, wenn der Geschädigte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage erheben kann, die bei verständiger Würdigung der vorgetragenen Tatsachen soviel Erfolgsaussicht hat, dass ihre Erhebung zumutbar ist. Diese Vorschrift spricht eine Selbstverständlichkeit aus. Weiß ich nicht, dass ich durch eine unerlaubte Handlung einen Schaden erlitten habe, oder weiß ich dies zwar, kenne aber der Schädiger nicht, so kann ich meine Forderung nicht geltend machen. Dies schließt es aus, nur zuzumuten, den Beginn der gesetzlichen Verjährungsfrist hinzunehmen. Dieser wird deshalb auf den Zeitpunkt hinausgeschoben, in dem ich Schaden und Schuldiger kenne. Nicht anders kann es aber sein, wenn der Beginn der Verjährungsfrist, wie im BSchG, an den Eintritt der Fälligkeit gebunden ist. Nur muss hier der Grundgedanke des § 852 BGB auf den Eintritt der Fälligkeit angewandt werden, d.h. die Fälligkeit kann solange nicht eintreten als Schaden oder Schädiger oder beides dem Geschädigten unbekannt sind. Denkt man so, so besteht für den Beginn der einjährigen Verjährung der BSchG die im § 852 BGB normierte Voraussetzung ebenfalls.
Nach Ansicht der Berufungskammer ist diese Berufungsweise notwendig. Sie wahrt in diesem Punkte die Einheitlichkeit der Verjährungsregelung im deutschen Recht der unerlaubten Handlungen, indem sie einen selbstverständlichen Grundsatz, der in einer Norm dieser Regelung seinen Ausdruck gefunden hat, auf vergleichbare andere Normen überträgt, in deren Wortlaut er nicht zum Ausdruck kommt.
3. Nach den voraufgegangenen Darlegungen sind für die Entscheidung die folgenden Umstände wichtig.
a) Die vom Rheinschiffahrtsgericht durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass der zuständige Sachbearbeiter der Klägerin schon am 22.10.1983 den Namen des Schiffes kannte, welches den Dalben der Klägerin angefahren hatte.
b) Mit Hilfe dieser Kenntnis hätte die Klägerin Namen und Adresse der Eignerin des Schiffes in Kürze erfahren können, wenn sie die folgenden Möglichkeiten genutzt hätte. Sie hatte bei den Rheinuferstaaten, die Binnenschiffsregister führen, nachfragen können, ob dort das MS "R" eingetragen und wer dessen Eigner sei. Sie hätte bei den deutschen Wasserschutzpolizeidienststellen sich nach der Eignerin des genannten Schiffes erkündigen können. Die Berufungskammer ist sicher, dass die Klägerin auf einem dieser beiden Wege in Kürze, d.h. noch im Jahr 1983, erfahren hätte, wer die Eignerin von "R" war.
c) Vom Geschädigten muss erwartet werden, dass er solche Möglichkeiten, sich Kenntnis von der Person eines Schiffseigners zu verschaffen, dessen Schiff ihm Schaden zugefügt hat, ausnutzt. Tut er das nicht, so muss er sich die Kenntnis zurechnen lassen, die er sich mühelos hätte verschaffen können. Kenntnis von Name und Anschrift eines Schädigers kann dann nicht verneint werden, wenn der Geschädigte diese Tatsachen zwar nicht kennt, er sich diese Kenntnis aber mühelos und ohne Kostenaufwand hätte verschaffen können (BGHRJW 55, 706).
Im vorliegenden Falle hätte sich die Klägerin die Kenntnis der Eignerin des MS "R" in der Zeit vom 22.10. bis 31.12.83 verschaffen können, wenn sie die geschilderten Möglichkeiten genutzt hätte. Statt dies zu tun, hat sie sich nach ihrem eigenen Vortrag darauf verlassen, dass die Wasserschutzpolizei nach dem Schiff "fahndete" in der Erwartung, bei dieser Aktion werde auch der Eigentümer ermittelt werden. Deshalb blieb sie passiv. Im Gegensatz zur Klägerin und auch zum Rheinschifffahrtsgericht ist die Berufungskammer der Ansicht, dass diese auf Passivität des Geschädigten beruhende Unkenntnis der Person des Schädigers den Eintritt der Fälligkeit der Forderung auf Schadenersatz nicht hinausschiebt. Die Klägerin konnte sich nicht darauf verlassen, dass die Wasserschutzpolizei eine Aufgabe für sie erfüllen werde, die sie selbst zu erfüllen hatte. Die Fälligkeit der Forderung der Klägerin ist also noch im Jahre 1983 eingetreten.
d) Daran ändert der Umstand nichts, dass die Beklagte sich nicht als Schädiger bei der Klägerin gemeldet hat, obschon auch sie von dem Schadensereignis durch den Havariebericht des Kapitäns von "R" bald Kenntnis erhielt. Eine Rechtspflicht des Schädigers, sich beim Geschädigten zu melden, besteht nicht. Die Nichtmeldung des Schädigers kann allerdings die Bemühungen des Geschädigten erschweren und verzögern, den Schädiger zu finden. Ist dem so, so wirkt sie sich zum Nachteil des Schädigers dahin aus, dass der Eintritt der Fälligkeit der Forderung auf Schadenersatz und damit im vorliegenden Falle der Beginn der Verjährung hinausgeschoben wird. Eine weitere Bedeutung hat das Schweigen des Schädigers im Zusammenhang mit der Verjährung nicht.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 25.11.1986 wie folgt abgeändert:
Die Klägerin wird mit der Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreites in beiden Instanzen.
2. Die Festsetzung der Kosten unter Berücksichtigung von Artikel 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort.