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204 S - 13/87 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 07.12.1987
Aktenzeichen: 204 S - 13/87
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Rheinschiffahrtsgerichte sind nicht befugt, Vergehen und Verbrechen wie z. B. Straftaten gegen umweltschützende Abfallbeseitigungsvorschriften im Sinne des § 326 des deutschen Strafgesetzbuches, zu ahnden.

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

Urteil

vom 7. Dezember 1987

(auf die Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 30. Juli 1986 - 4 Js 15284/83-19 Cs  -)

Tatbestand:

Der Angeklagte war am 15. August 1983 verantwortlicher Schiffsführer des Motortankschiffes "I" (Heimatort Dordrecht). Bei einer Kontrolle durch die Wasserschutzpolizei auf dem Rhein in Rüdesheim wurde festgestellt, dass sich im achteren Kofferdamm etwa 600 Liter Altöl befanden. Der Angeklagte hatte das Öl aus der Maschinenraumbilge in den Kofferdamm gepumpt, um zu verhindern, dass der Öl-Wasserstand in der Bilge zu hoch stieg und die Maschinenleistung beeinträchtigte. Zu diesem Vorgehen sah er sich veranlasst, da der Ölabschneider im Maschinenraum nicht funktionierte. Am 7. März 1984 erließ das Rheinschifffahrtsgericht Mainz auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen den Angeklagten einen Strafbefehl über eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je DM 50.— (DM 3.000. —) wegen vorsätzlicher unbefugter Lagerung von Abfällen, die nach Art:, Beschaffenheit und Menge geeignet sind, nachhaltig ein Gewässer zu verunreinigen (Vergehen nach § 326 Abs. 1 Nr. 3 des deutschen Strafgesetzbuches). Gegen diesen Strafbefehl legte der Angeklagte Einspruch ein. In der Hauptverhandlung vom 30. Juli 1986 verurteilte das Rheinschifffahrts¬gericht Mainz den Angeklagten wegen unbefugter Abfallbeseitigung gemäß § 326 Abs.- 1 Nr. 3 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40.-und auferlegte ihm die Auslagen des Verfahrens. Gegen dieses Urteil ließ der Angeklagte Berufung an die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt einlegen, wobei er die Zuständigkeit des Rheinschifffahrtsgerichts bestritt, da es sich nicht um eine Rheinschifffahrtssache im Sinne von Artikel 34 der Mannheimer Akte handle. Zudem stellt er in Abrede, gegen die Bestimmung von § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB verstoßen zu haben.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Angeklagten an die Berufungskammer der Zentralkommission, die form- und fristgerecht eingelegt wurde, ist zulässig.

II.

Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Mainz als Rheinschifffahrtsgericht ist für die Entscheidung der vorliegenden Strafsache nicht gegeben, da es sich nicht um eine Rheinschifffahrtssache im Sinne von Artikel 34 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte (Mannheimer Akte) handelt. Gemäß Artikel 34 der Mannheimer Akte sind die Rheinschifffahrtsgerichte in Strafsachen zur Untersuchung und Bestrafung aller Zuwiderhandlungen gegen die schifffahrts- und strompolizeilichen Vorschriften zuständig. Zwar bezieht sich diese Zuständigkeit nicht nur auf die von den Uferstaaten gemeinsam erlassenen polizeilichen Vorschriften. Jedoch beschränkt sie sich, wie die Berufungskammer unter anderem in ihrem Urteil vom 4. Januar 1984 - 4 Js 19994/82 - 19 Cs - festgestellt hat, nur auf die von der Mannheimer Akte früher als "Übertretungen" bezeichneten heutigen Bußgeldsachen und nicht auf Verbrechen und Vergehen. Dies ergibt sich schon auf Artikel 32 der Mannheimer Akte, der nur eine begrenzte Geldbusse vorsieht, ferner aus Ziff. 8 des Schluss-Protokolls zur Mannheimer Akte. Der in der Mannheimer Akte festgelegte Zuständigkeitsbereich der Rheinschifffahrtsgerichte kann nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts vom nationalen Gesetzgeber weder erweitert noch eingeschränkt werden. Soweit deshalb der deutsche Gesetzgeber in § 14 Abs.2 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen von Strafsachen spricht, bedeutet dies nicht eine Ausdehnung der Zuständigkeit der Rheinschifffahrtsgerichte auf die in der Bundesrepublik Deutschland nur noch als Strafsachen bezeichneten Verbrechen und Vergehen, sondern stellt nur eine Wiedergabe des historisch gewachsenen Begriffs "Strafsache" dar, wie er in der Mannheimer Akte gebraucht ist. Die Rheinschifffahrtsgerichte sind somit grundsätzlich nicht befugt, Verstöße gegen Vergehen und Verbrechen zu ahnden. Die dem Angeklagten vorgeworfene Tat stellt eine umweltgefährdende Abfallbeseitigung gemäss § 326 des deutschen Strafgesetzbuchs dar, die dort als Vergehen qualifiziert ist, für das auch bei fahrlässiger Begehung Freiheits¬strafe oder Geldstrafe angedroht ist. Das Rheinschifffahrtsgericht Mainz hat folglich ohne sachliche Zuständigkeit entschieden. Das angefochtene Urteil muss somit wegen mangelnder sachlicher Zuständigkeit der Vorinstanz aufgehoben werden.
Die Festsetzung der dem Angeklagten zu erstattenden Kosten wird dem Rheinschifffahrtsgericht Mainz übertragen.
 
Es wird deshalb für Recht erkannt:

1. Das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 30. Juli 1986, Aktenzeichen 4 Js 15284/83-19 Cs -, wird aufgehoben.

2. Die Festsetzung der dem Angeklagten für beide rheinschifffahrtsgerichtlichen Instanzen zu erstattenden Kosten wird dem Rheinschifffahrtsgericht Mainz übertragen.
 
Der Stellvertretende Gerichtskanzler
 
Der Vorsitzende