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Urteil des Amtsgerichts – Schiffahrtsgericht St. Goar
vom 31.01.2005
2010 Js 4676/04.4 DsBSch
Gründe:
I. Der Angeklagte K ist Schiffsführer und war Eigner von TMS H. Er lebt mit einer Lebensgefährtin zusammen, mit der er zwei Kinder im Alter von vier und sieben Jahren hat. Sein Verdienst beträgt derzeit nach Abzug der Verbindlichkeiten ca. 1.500,00 Euro netto im Monat.
Der Angeklagte S ist türkischer Staatsbürger und angestellter Schiffsführer. Nach Arbeitslosigkeit hat er seit Anfang Februar 2005 wieder eine Anstellung gefunden, bei der er 1.600,00 Euro netto monatlich verdient. Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder im Alter von fünf und sieben Jahren. Er hat in den Niederlanden ein Haus erworben. Auf die auch dadurch verursachten Schulden zahlt er monatlich 1.400,00 Euro zurück. Seine Ehefrau verfügt über ein eigenes Einkommen.
Beide Angeklagte sind strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten.
II. Am 16. Oktober 2003 fuhren die Angeklagten mit dem mit 2000 t Heizöl und auf 2,80 m (gemittelt) abgeladenem TMS H auf der Mosel zu Berg. Der Angeklagte K hatte das Schiff am 13. Oktober 2003 in Rotterdam beladen, wobei der überwiegende Teil der Ladung in die vorderen sowie hinteren Tanks geladen war, weil das Schiff bei gleichmäßiger Beladung in der Mitte "durchhing". Darüber hinaus wollte der Angeklagte K durch stärkeres Beladen der vorderen Laderäume eine Beschädigung von Ruder und Propeller bei Aufnahme der Fahrt vermeiden. Dabei nahm der Angeklagte bewusst in Kauf, dass bei der Leckage eines der vorderen Tanks Öl würde austreten können.
TMS H wurde in der Betriebsform "B" geführt. Als Schiffsführer waren nur die beiden Angeklagten an Bord, die einander abwechselten. Bei St. Aldegund übernahm der Angeklagte S, der zuvor noch niemals ein Schiff auf der Mosel geführt hat, das Ruder. Der Angeklagte und Schiffseigentümer K, dem dieses bekannt war, hatte wegen des guten Wetters hiergegen keine Bedenken. Auch der Umstand, dass TMS H auf 2,80 m abgeladen war, obgleich auf der Mosel lediglich eine Fahrrinnentiefe von 3,00 m garantiert ist, waren für den Angeklagten K kein Grund zur Besorgnis, zumal er sein Schiff immer entsprechend lud, wenn Niedrigwasser auf dem Rhein nicht eine noch geringere Beladung erforderte. Gleichwohl geriet TMS H bei Strom¬kilometer 93,6 im Bereich der Fähre P auf Grund, als es von einem Passagierschiff, das nur wenige 100 m nach dem Überholvorgang anlegte, überholt wurde. Die Angeklagten meldeten die Grundberührung der zuständigen Stelle nicht, vergewisserten sich aber bei der nächsten Schleusung davon, dass kein Öl aus dem Einhüllenschiff austrat. Auf der weiteren Fahrt geriet das Tankmotorschiff, das noch immer der Angeklagte S führte, bei der Begegnung mit einem Talfahrer im Raum Brauneberg auf Grund. Auch hiernach war zunächst kein Ladungsaustritt erkennbar. Erst als in den frühen Morgenstunden des 16. Oktober 2003 im Hafen Trier mit dem Löschen begonnen war, zeigte sich eine Leckage. Bis zu den Mittagsstunden traten ca. 500 bis 600 1 Heizöl aus und verunreinigten das Hafenwasser. Die Feuerwehr schlängelte den Ölfilm ein, so dass dieser weitgehend abgesaugt werden konnte. Der Angeklagte K nahm das Öl-Wassergemisch zur Entsorgung an Bord.
III. Diese Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Bekundungen der Angeklagten, der Aussagen der Zeugen PHK E und H sowie den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. S. Hiernach kann nicht als erwiesen angesehen werden, dass TMS H von vornherein zu stark abgeladen war, einen kopflastigen Trimm hatte oder infolge eines Fahrfehlers des Angeklagten S Leckage erlitten hat. Allerdings haben die Angeklagten eingestanden, die Grundberührung nicht gemeldet zu haben und um die Beladung des Tankers gewusst zu haben.
IV. Die Angeklagten haben sich beide der fahrlässigen unbefugten Verunreinigung des Gewässers schuldig gemacht: Sie haben es pflichtwidrig unterlassen, dafür Sorge zu tragen, dass Ladungsaustritt vermieden wurde. Beide wussten, dass TMS H, ein Einhüllenschiff, während der Bergfahrt auf der Mosel jedenfalls zwei Mal Grundberührung gehabt hat. Sie rechneten mit einer Leckage ohne Vorkehrungen zu treffen, die einen Ladungsaustritt verhindert oder jedenfalls verringert hätten. Hierzu wären Vorsichtsmaßnahmen schon unmittelbar nach der Leckage, aber auch ein Umpumpen der vorderen Ladetanks geeignet-gewesen. Auch wenn die Bestimmungen der ADNR keine entsprechenden Vorschriften enthalten, muss beiden Angeklagten bekannt gewesen sein, dass Ladungsaustritt schon dann vermieden wird, wenn der Druck in den Tanks geringfügig niedriger ist als der des umgebenden Wassers. Dies ist der Tankschifffahrt seit langem bekannt und muss auch dem Angeklagten S, der gerade sein Patent erworben hatte, bekannt gewesen sein. Dass der Angeklagte Klingenstijn um diese physikalischen Gesetzmäßigkeiten wusste, stellt er nicht in Abrede, zumal der Sachverständige Dipl.-Ing. S diesem Angeklagten schon anläßlich eines früheren Schiffsunfalles seine Forderungen unterbreitet hatte und darauf hingewiesen hatte, dass ein gleichmäßiges Beladen des Schiffs geeignet sei, Ölaustritt zu vermeiden. Dem Angeklagten K ist darüber hinaus vorzuwerfen, die entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen nicht schon bei der Beladung des Schiffes beachtet zu haben: TMS H ist als ein Einhüllenschiff in besonderem, Maße für Ladungsaustritt gefährdet. Es war bei einem garantierten Wasserstand von 3,00 m auf 2,80 m abgeladen. Der Angeklagte musste deshalb mit einer Grundberührung auf dem jedenfalls stellenweise in der Mosel anstehenden Fels und somit einer Leckage rechnen. Er hätte deshalb die ihm schon zu einem früheren Zeitpunkt von dem Sachverständigen Dipl.-Ing. S vorgegebenen Regeln zur Befüllung der Tanks beachten müssen, auch wenn diese nicht Eingang in das Regelwerk des ADNR gefunden haben und eine etwas geringere Beladung des Schiffes notwendig gewesen wäre. Die seit vielen Jahren in der Tankschifffahrt bekannte Forderung des Sachverständigen Dipl.-Ing. S ist einleuchtend und nachvollziehbar (vgl. OLG Köln Urteil vom 6. März 1992, AZ 3-4/91). Sie ist jedenfalls auch dann zumutbar, wenn, wie hier, besondere Gefahrenmomente die Besorgnis rechtfertigen, es könne infolge Grundberührung zu einem Leck in der Außenhaut des Schiffes kommen. Schließlich war TMS H auf der hier infrage stehenden Reise zwei Mal gerakt und dies schon deshalb, weil es von einem Fahrgastschiff, das schon wenige 100 m später anlegte, überholt wurde und einem Talfahrer begegnet.
V. Der Strafrahmen des § 324 Abs. 3 StGB sieht Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren sowie Geldstrafe vor. Bezüglich des Angeklagten S hat das Gericht vor allem berücksichtigt, dass sich der Angeklagte lediglich als Ablöser neben dem Schiffseigentümer auf TMS H befand und für das Beladen des Schiffes nicht verantwortlich gewesen ist. Da der Angeklagte zudem strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist und vor Gericht den Eindruck eines verantwortungsvollen Schiffsführers hinterließ, konnte es auch im Hinblick auf die gering zu erachtende Schwere der Schuld bei einer
Geldstrafe von 10 Tagessätzen, deren Höhe entsprechend dem Einkommen des Angeklagten mit 10,00 Euro bemessen wurde, verbleiben. Zwar verfügt der Angeklagte über ein Einkommen von 1.600,00 Euro netto monatlich. Er hat sich aber im Interesse seiner Familie stark verschuldet, was zu berücksichtigen war.
Die Schuld des Angeklagten K ist indes wesentlich höher zu bewerten. Er war als Schiffsführer und Eigentümer von TMS H doppelt verantwortlich. Er war es auch, der TMS H in Rotterdam in Kenntnis der Tatsache, dass schädliche Folgen auf die Umwelt jedenfalls durch entsprechende Beladung des Schiffes vermieden werden könnten, beladen hat. Er nahm bewusst Risiken für die Umwelt in Kauf, um einen höheren Profit zu erzielen. Demgegenüber treten die Umstände, dass der Angeklagte bislang nicht vorbestraft gewesen ist und, auch sein Geständnis bei der Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen hat, weitgehend zurück. Lediglich der Umstand, dass eine Umweltbelastung größeren Ausmasses hat vermieden werden können, steht der Verhängung einer noch höheren Strafe entgegen.
Unter Abwägung dieser Gesichtspunkte hielt das Gericht eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen für angemessen. Die Höhe der Tagessätze wurde entsprechend dem Einkommen des Angeklagten mit 30,00 Eurobemessen.
Weiterhin waren den Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens gemäß § 465 StPO aufzuerlegen.