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2 U 36/73 - Oberlandesgericht (-)
Entscheidungsdatum: 01.11.1973
Aktenzeichen: 2 U 36/73
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: § 740 HGB, General Towage Conditions, § 742 HGB, § 748 HGB, § 607 HGB
Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Abteilung: -

Leitsätze:

1) Die §§ 740 ff. HGB sind bei selbständig schwimmfähigen Teilen von Schiffsbauwerken entsprechend anzuwenden.


2) Werden Kapitän und Besatzung aufgrund der allgemeinen Schleppbedingungen (Ziff. 2 General Towage Conditions) "Servants" des Charterers, so ist der Kapitän im Verhältnis zu diesem nicht Erfüllungsgehilfe der Reederei.

Urteil des Oberlandesgerichtes Bremen

vom 01.11.1973

Am 28.7.1969 schloss die der Bekl. als Konzernfirma nahestehende P.-GmbH als "Charterer" im Auftrag und für Rechnung der Bekl. mit der Kl. als Tugowner einen Schleppvertrag über den Transport einer Mittelschiffssektion durch den Schlepper "Fairplay XII". Danach sollte der der Kl. gehörende Schlepper "Fairplay XII" die Mittelschiffssektion (64 m Länge, 21 m Breite, 12 m Höhe) gegen einen Lohn von 15000 DM von Rotterdam nach Bremerhaven schleppen. Nach Ziff. 15 des Schleppvertrages wurden die "General Towage Conditions" Bestandteil des Vertrags. Am 11.11.1969 wurde der Bekl. ein Seefähigkeitszeugnis durch Lloyd's Register of Shipping für die Verschleppung der Mittelschiffssektion mit der Empfehlung erteilt, die Reise nur unter günstigen Wetterbedingungen durchzuführen. Am 14.11.1969 trat der Schleppzug, bestehend aus dem Schlepper "Fairplay XII" und der unbemannten Mittelschiffssektion, unter Führung des Kapitäns L. die Reise an. Der Wetterdienst des Kgl. Ndl. meteorologischen Instituts hatte bis zur Abfahrt südwestliche, südliche und südöstliche Winde mit Stärke 3-5 angekündigt. Abendmeldungen sagten eine Windverstärkung voraus. In den Morgenstunden des 15.11. 1969 frischte der Wind auf Stärke auf. Um 7.20 Uhr brach die Schleppleine südlich Texel-Feuerschiff. Hiervon unterrichtete der Kapitän die Kl. um 8.37 Uhr und erklärte auf deren Rückfrage um 9.30 Uhr, dass keinerlei Gefahr bestehe. Da der Anhang in Richtung des einzuhaltenden Kurses vertrieb, beabsichtigte der Kapitän, die Schleppverbindung bei Wetterbesserung wiederherzustellen. Dies geschah, nachdem ein Mann vom Schlepper auf den Anhang gesetzt worden war, am 16.11.1969 um 12.30 Uhr. Zu dieser Zeit befand sich der Schleppzug in einer Position ca. 25 sm nördlich Borkum-Riff-Feuerschiff (etwa 50 sm WSW Helgoland). Der Kapitän meldete der Kl. die Wiederherstellung der Schleppverbindung und kündigte das Eintreffen des Schleppzuges für Montag früh (17.11.) auf der Weser an. Inzwischen hatte sich der Wind gedreht. Er wehte nunmehr mit Stärken 7 und 8 aus Süden. Der Schleppzug wurde nach Norden vertrieben. Der Kapitän gab um 9.50 Uhr die Position mit 20-25 sm westlich Helgoland an und wies darauf hin, dass er wegenstarken Südsturmes (Stärke 8-9) die Weser nicht erreichen könne. Tatsächlich stand der Schleppzug weiter nördlich. Auf Befragen erklärte der Kapitän, dass er Helgoland erreichen könne, um dort unter Landschutz Wetterbesserung abzuwarten. Unterstützung durch einen weiteren Schlepper hielt er nicht für erforderlich.

Am 17.11.1969 gegen 11.50 Uhr brach die Schleppverbindung etwa 25 sm nordwestlich Helgoland zum zweiten Mal. Die Meldung vom erneuten Bruch der Schleppverbindung ging bei der Kl. um 13.35 Uhr ein. Beim Eingang der Meldung war infolge der Mittagspause von der Geschäftsleitung der Kl. niemand zu erreichen. Erst um 14.40 Uhr wurde der Kapitän um einen Anruf gebeten. Dieser unterrichtete die Kl. 10 Minuten später darüber, dass er z. Z. damit befasst sei, den Anhang wieder einzufangen, und drückte seine Überzeugung aus, dass ihm dies kurzfristig gelingen werde, da sich ein Mann auf dem Anhang befinde. Danach könne er Helgoland erreichen, zumal eine Winddrehung nach Nordwest vorausgesagt worden sei. Hiervon unterrichtete die Kl. die P.-GmbH, die ihrerseits die Bekl. um 16.50 Uhr über die Lage unterrichtete. Die Schleppverbindung wurde um 18.10 Uhr wiederhergestellt. Der Anhang war bei anhaltendem Südsturm etwa 25-30 sm nord-nordöstlich vertrieben.

Die Schleppverbindung brach um 20.55 Uhr zum dritten Mal. In der Zwischenzeit hatte der Wind auf WNW gedreht. Seine Stärke war unverändert (8 Bft.). Nunmehr vertrieb der Anhang auf die schleswig holsteinische Küste. Der Kapitän gab der Kl. Bei seinem letzten Anruf am 17.11.1969 um 21. 26 Uhr den Abstand zur Küste mit ca. 15 sm und die Driftgeschwindigkeit mit 4-5 Kn an und äußerte Zweifel, ob es möglich sein werde, den Anhang vor einer Strandung zu bewahren. Nach einer weiteren Drehung des Windes auf Nordwest passierten die Fahrzeuge um Mitternacht Tonne 8 des Elbe-Esbjerg-Weges. In den Morgenstunden des 18.11.1969 strandete die Mittelschiffssektion auf Amrum.

Die Kl. bemühte sich sodann mit ihren Schleppern "Fairplay XII", dem noch am Nachmittag des 17.11.1969 aus Rotterdam zur Unterstützung ausgelaufenen Schlepper "Fairplay XI" sowie den Schleppern "Fairplay II" und "XIV" um die Flottmachung der Mittelschiffssektion. Infolge ungünstiger Witterungs- und Wasserstandsverhältnisse hatten diese Bemühungen jedoch keinen Erfolg. Deshalb wurde von der Kl. die Bergungsfirma H., Hamburg, zur Unterstützung hinzugezogen, nachdem sie mit der Bekl. und deren Neubauversicherer (VBS) Kontakt aufgenommen hatte. Mit Schreiben vom 6.12.1969 bestätigte die Kl. dem VBS, dass sie entsprechend seiner Aufforderung, die Fa. H. zur Bergung auf der Basis "no cure - no pay" hinzugezogen habe. In seinem Antwortschreiben vom 18.12.1969 stellte der VBS richtig, dass er die Kl. nicht aufgefordert habe, eine leistungsfähige Bergungsfirma zu den Bergungsarbeiten hinzuzuziehen, sondern dass Kapitän B.  vom VBS bei seinem Informationsbesuch am 25.11.1969 lediglich empfohlen habe, weitere Hilfsmittel hinzuzuziehen. Dabei habe B. auf die Fa. H. hingewiesen. Unter Einsatz zusätzlichen Bergungsgeräts der Fa. H. gelang es, die Mittelschiffssektion am 1.1.1970 wieder flott zu machen und anschließend nach Bremerhaven zu schleppen. Mit der Klage nahm die Kl. die Bekl. zunächst auf Zahlung eines Bergelohns von 1 800 000 DM + 10 % MWSt, der sowohl ihren als auch den Leistungsanteil der Fa. H. an den Bergungsarbeiten einschloss, in Anspruch. Nachdem die Neubauversicherer der Mittelschiffssektion auf den Leistungsanteil der Fa. H. zwei Zahlungen von je 550 000 DM für die Bekl. erbracht und die Parteien sich darüber geeinigt hatten, dass für den Fall, dass der Kl. Berge- oder Hilfslohn zustehen sollte, der Leistungsanteil der Kl. 286 000 DM einschl. Mehrwertsteuer betrage, nahm die Kl. die Klage in Höhe von 1 694 000 DM zurück.

Ihren verbleibenden Anspruch auf Zahlung von Berge oder Hilfslohn in Höhe von 286 000 DM stützte die Kl. in erster Linie auf einen mit der Bekl. durch den VBS auf der Basis "no cure - no pay" geschlossenen Bergungsvertrag, hilfsweise auf die gesetzlichen Bestimmungen über Berge und Hilfslohn. Sie machte geltend, mit der Strandung der Mittelschiffssektion am 18.11.1969 gegen 3.00 Uhr früh sei der Schleppvertrag beendet gewesen. Wie sich aus Abs. 5 der "General Towage Conditions" ergebe, gehörten die nach der Strandung geleisteten Dienste nicht mehr zur Erfüllung des Schleppvertrages. Auch habe es sich im Hinblick auf das Verhältnis ihrer Aufwendungen zum Schlepplohn um außergewöhnliche Dienste i.S. von §§ 742 Abs. 3 HGB gehandelt.

Die Bekl. beantragte, die Klage abzuweisen. Sie erhob ferner Widerklage mit dem Antrag,

1. die Kl. und Widerbeklagte zu verurteilen, 572 351 DM nebst Zinsen zu zahlen;

2. die Kl. und Widerbeklagte zu verurteilen, weitere 1 100 000 DM nebst Zinsen zu zahlen;

3. wegen der Klagansprüche zu Ziff. 1. und 2. die Zwangsvollstreckung in den der Kl. und Widerbeklagten gehörenden Schlepper "Fairplay XII" zu dulden. Sie trug vor: Der Kl. stehe ein Anspruch auf Erstattung ihrer Abbringungsaufwendungen nicht zu. Einen Bergungsauftrag habe sie, die Bekl., nicht erteilt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Bergelohnanspruch seien nicht erfüllt, weil es sich bei der Mittelschiffssektion nicht um ein dem See-Erwerb dienendes notleidendes Schiff gehandelt habe. Würde man die §§ 740 ff. HGB anwenden, müsse der Anspruch der Kl. daran scheitern, dass ihre Aufwendungen durch ihr eigenes Fehlverhalten erforderlich geworden seien. Sie habe den Schleppvertrag schlecht erfüllt, insbesondere fielen der Geschäftsführung der Kl. schwere Versäumnisse zur Last, so dass sie sich nicht auf die Freizeichnung in den "General Towage Conditions" berufen könne. Maschinenleistung und Ausrüstung mit Schleppgeschirr des von der Hl. gestellten Schleppers seien für eine sichere Überführung der Mittelschiffssektion von Rotterdam nach Bremerhaven nicht ausreichend gewesen. Spätestens am Morgen des 17.11.1969 hätte die Kl. aus den Positionsangaben des Schleppzuges entnehmen müssen, dass "Fairplay XII" zu schwach gewesen sei, um die Verschleppung unter den gegebenen Wetterverhältnissen erfolgreich durchzuführen. Sie hätte deshalb einen weiteren Schlepper zur Unterstützung aussenden müssen. Dies sei nach dem zweiten Bruch der Schleppverbindung unerlässlich gewesen. Wenigstens habe die Kl. die Bekl. über die Situation unterrichten müssen, damit diese die gebotenen Maßnahmen hätte ergreifen können... Die Strandung mit den sich daraus ergebenden Schäden an der Mittelschiffssektion und den zu ihrer Abbringung erforderlichen Aufwendungen sei die Folge der Verletzung vertraglicher Pflichten der Kl. aus dem Schleppvertrag. Derartige Folgeschäden würden vom Haftungsausschluss in den "General Towage Conditions" ohnehin nicht erfaßt. Infolge ihres Fehlverhaltens müsse die Kl. ihr die an der Mittelschiffssektion entstandenen Schäden ersetzen und die für die Bekl. durch den VBS an die Fa. H. geleisteten Zahlungen erstatten. Das LG hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung der Bekl. blieb im Wesentlichen erfolglos.
Das LG hat der Kl. im Ergebnis mit Recht den mit der Klage beanspruchten Bergelohn zuerkannt.

Der Anspruch auf Bergelohn findet seine Stütze in dem entsprechend anwendbaren § 740 HGB. Nach dieser Vorschrift kann Berge- oder Hilfslohn beanspruchen, wer ein in Seenot befindliches Schiff in Besitz nimmt und in Sicherheit bringt, nachdem die Schiffsbesatzung die Verfügung darüber verloren hat, oder wer außer dem bezeichneten Fall ein Schiff aus Seenot rettet. Diese Voraussetzungen für einen Anspruch auf Berge- oder Hilfslohn hat die Kl. unstreitig erfüllt. Zwar gelten die §§ 740 ff. HGB nur für die dem Erwerb durch Seefahrt dienenden Schiffe, wie sich im Umkehrschluss aus Art. 7 EGHGB ergibt (vgl. RGZ 38, 85, 86; Prüßmann § 740 Anm. B 1; Schaps - Abraham § 740 Anm. 17; Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht 2. A. S. 410; a. A.: Schimming, Bergung und Hilfeleistung im Seerecht 1971 S. 13 ff.).

Um ein solches Schiff handelte es sich bei der Mittelschiffssektion nicht; sie war noch kein Schiff, sondern nur ein schwimmfähiger Stahlkörper, der erst in Zukunft für den Bau eines dem Erwerb durch Seefahrt dienenden Schiffes Verwendung finden sollte. Dennoch ist die entsprechende Anwendung der §§ 740 ff. HGB auf den Gefahren der See ausgesetzte Schiffsbauwerke und damit auch auf selbständig schwimmfähige Teile von Schiffsbauwerken geboten (dazu allgemein Prüßmann, Einf. zum 4. Buch, Anm. I A 1 c, cc, b. 18; Schaps -Abraham Bd. I, S. 230 Anm. 9). Für den Eigentümer des Schiffsbauwerks stehen die gleichen Vermögenswerte auf dem Spiel wie für den Reeder. Dem Schiffsbauwerk drohen in Seenot die gleichen Gefahren wie dem fertigen Schiff. Anstrengungen, Verdienste und Gefährdung der bei der Bergung tätigen Personen weisen keine rechtserheblichen Unterschiede auf, bergen sie nun ein von der Besatzung verlassenes Schiff oder ein unbemanntes Schiffsbauwerk. Deshalb ist es allein sachgerecht, die Vorschriften des HGB über Bergung und Hilfsleistung in Seenot auf das den Gefahren der See ausgesetzte Schiffsbauwerk, das dem Gesetzgeber des HGB wegen des damaligen Standes der Technik nicht in den Blick treten konnte, entsprechend anzuwenden. Davon gehen mit Recht auch die Parteien aus.

Durch den Schleppvertrag war die Kl. nicht verpflichtet, in Erfüllung desselben ihre Hilfeleistung kostenlos zu erbringen; denn nach Abs. 5 der GTC waren Hilfeleistungen im Strandungsfall nicht in dem Schleppentgelt eingeschlossen. Dasselbe folgt aus § 742 Abs. 3 HGB, wonach der Schlepper Berge- oder Hilfslohn nur beanspruchen kann, wenn er außergewöhnliche Dienste geleistet hat, die nicht als zur Erfüllung des Schleppvertrages gehörig angesehen werden können. Kein Zweifel besteht, dass die Kl. beim Abbringen der Mittelschiffssektion außergewöhnliche Dienste geleistet hat, wie schon aus einem Vergleich zwischen dem vereinbarten Schlepplohn und dem der Höhe nach unstreitigen Anspruch auf Berge- und Hilfslohn folgt. Danach schuldet die Bekl. einen Berge- und Hilfslohn von 286 000 DM einschließlich Mehrwertsteuer.

Dieser Betrag kann weder herabgesetzt noch versagt werden... Nach § 748 HGB kann der Berge- oder Hilfslohnanspruch u. a. herabgesetzt oder ganz versagt werden, wenn Berger oder Retter die Notwendigkeit der Bergung oder Hilfeleistung durch ihre Schuld herbeigeführt haben. Hier käme ein der Kl. zurechenbares Verschulden des Kapitäns L. oder ein eigenes Verschulden der Kl. in Betracht. Beides liegt nicht vor.

Was zunächst ein etwaiges Verschulden des Kapitäns L. anlangt, so könnte es der Kl. nicht zugerechnet werden. Nach Abs. 2 der GTC wurden Kapitän und BesatzungBedienstete der Bekl. und deren Weisungen unterstellt. Unterstand aber L. während der Schleppfahrt den Weisungen der Bekl., so war er im Verhältnis zur Bekl. nicht Erfüllungsgehilfe der Kl. (vgl. BGH v. 14. 7. 1970 VersR 70, 934 ; v. 22. 5. 1968 LM Nr. 40 zu § 535 = MDR 68, 918 = BB 68, 809= VersR 68, 779 ; HansOLG Hamburg MDR 70, 56; Palandt/Heinrichs § 278 Anm. 3 b), so dass sich die Kl. sein etwaiges Verschulden nicht zurechnen zu lassen braucht. Das wird in Abs. 3 GTC ausdrücklich klargestellt.

Die Ansicht der Bekl., die Klausel, nach der Kapitän und Besatzung auf der Schleppreise "servants" des Charterers werden, solle nur für den Fall gelten, dass das Schleppobjekt bemannt ist und die nautische Führung beim Schleppobjekt liege, findet weder im Wortlaut der GTC eine Stütze, noch ist eine derartige Auslegung gegen den eindeutigen Wortlaut möglich. Die unterschiedlichen Einwirkungsmöglichkeiten im Verlauf der Schleppreise legen die von der Bekl. für richtig gehaltene Auslegung nicht einmal nahe. Zwar liegt es auf der Hand, dass bei Verschleppen eines bemannten Objekts der Kapitän des geschleppten Schiffes dem Geschehen näher steht und deshalb dem Schlepper in jeder Lage die von ihm für erforderlich gehaltenen Anweisungen erteilen kann. Diese Verhältnisse verschieben sich beim Verschleppen eines unbemannten Objekts aber keineswegs zugunsten der Kl. Sie ist vom Geschehen auf See gleich weit entfernt wie die Bekl. Deshalb kann die Bekl. die ihr im Vertrag eingeräumte Weisungsbefugnis unter denselben Bedingungen ausüben, unter denen auch die Kl. sie nur ausüben könnte. Die Bekl. kann der Kl. nicht anlasten, dass sie von den ihr vertraglich eingeräumten Weisungsrechten gegenüber dem Kapitän keinen Gebrauch gemacht hat. Jedenfalls steht ihre Behauptung, kein Schleppunternehmer würde dem Auftraggeber das Recht zugestehen, dem Schleppkapitän Weisungen hinsichtlichseines nautischen Verhaltens zu erteilen, weder mit ihrer eigenen Auffassung, nach der bei Verschleppungen von bemannten Objekten die nautische Führung beim Objekt liegt, noch mit der vertraglich eindeutigen Regelung im Einklang... Der danach in den GTC vereinbarte Haftungsausschluss hält der richterlichen Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen am Maßstab der §§ 138, 242 BGB stand. Die Bekl. wurde damit weder überrascht, noch wurden die Grundsätze der Vertragsgerechtigkeit verletzt. Einen typischen, alle Fälle des Schleppens erfassenden Schleppvertrag gibt es nicht. Schleppverträge können Werk-, Frachtoder Dienstverträge sein. Den Parteien steht es frei, den Schleppvertrag - mit den im Folgenden zu erörternden Einschränkungen einem dieser Vertragstypen zu unterstellen (vgl. BGH vom 13.3.1956 -I ZR 132/54 NJW 56, 1065). Die Freiheit der Vertragsgestaltung hat es mit sich gebracht, dass die Schleppunternehmer an der deutschen Nordseeküste nahezu einheitlich in ihren Bedingungen den Schleppvertrag dem Recht des Dienstvertrages unterstellen (vgl. dazu Schaps - Abraham Anm. 24 vor § 556 S. 274). Dabei zeichnen sie sich seit Jahrzehnten durch den Absätzen 2 und 3 GTC entsprechende Klauseln von der Haftung für ein Verschulden des Kapitäns frei (s. schon RGZ 86, 424, 429, behandelnd einen Fall aus dem Jahre 1912). Angesichts der jahrzehntelangen übereinstimmenden Vertragsgestaltung durch die Schleppunternehmer an der deutschen Nordseeküste kann keine Rede davon sein, dass die Bekl., die mit Schifffahrtsbräuchen vertraut ist, durch die geradezu typische Freizeichnungsklausel überrascht worden wäre.

Die auf Veranlassung der Kl. in den Vertrag aufgenommenen GTC verletzen auch nicht durch unangemessene Klauseln die Grundsätze der Vertragsgerechtigkeit. Weil es einen typischen Schleppvertrag nicht gibt, die Rechtsnatur des Schleppvertrages je nach den Verhältnissen im Einzelfall vielmehr unterschiedlich sein kann, wird jeweils nur ein relativ kleiner Kernbereich ausgemacht werden können, den das Gesetz unabdingbar oder aber in einer Weise regelt, dass vor dem Geltungsanspruch der gesetzlichen Regelung eine Klausel der Geschäftsbedingungen nicht bestehen kann. Zu diesem Kernbereich ist hier zuvörderst zu rechnen die Haftung der Kl. für anfängliche See- und Schlepptüchtigkeit der "Fairplay XII" (BGH NJW 56, 1065). In dieser Richtung erhebt die Bekl. keine Vorwürfe mehr. Was aber die Freizeichnung von einem Verschulden des Kapitäns anlangt, so hat die Kl. die Grenzen angemessener Vertragsgestaltung nicht überschritten. Kapitän L. war kein leitender, nämlich ein solcher Angestellter der Kl., der in ihrem Betrieb Unternehmerfunktion gehabt hätte. Deshalb war die Kl. nicht gehindert, sich von der Haftung für sein Verschulden freizuzeichnen (BGH NJW 56, 1066; RG Hans RGZ1931 B Nr. 163). Überdies entspricht die Freizeichnung für nautisches Verschulden dem gesetzlichen Leitbild des Frachtvertrages (§ 607 Abs. 2 HGB). Schließlich kann auch die durch die Wahl des Vertragstyps und die Freizeichnung von der Haftung für ein Verschulden der Schlepperbesatzung bedingte Risikoverteilung nicht als unangemessen erachtet werden. Der Schleppunternehmer beherrscht die Risiken einer Seereise weit weniger als der Verfrachter beim üblichen Frachtvertrag, weil seine Obhut gelockert ist und sich deshalb die Gefahren der See erheblich stärker auswirken. Die erhöhte Gefährdung des Schleppobjekts ist offenbar der Grund dafür, dass die Schleppunternehmer schon seit Jahrzehnten das Risiko des Erfolgs der Schleppreise nicht zu übernehmen bereit sind. Dem konnte die Bekl. Rechnung tragen, einmal durch eine Bauplanung, die das Verschleppen von Schiffssektionen über die offene See jedenfalls im Herbst ausschloss, zum anderen durch ausreichende Versicherung gegen die Gefahren der Schleppreise, die die Bekl. überdies auch vertragsgemäß (Nr. 3 S. 2 des Schleppvertrages vom 28.7.1969) genommen hat. Aber auch die Kl. selbst hat die Notwendigkeit der Bergung nicht durch Schuld ihrer Organe herbeigeführt (wird näher dargelegt).

Der Anspruch auf Zahlung von 260 000 DM Berge- und Hilfslohn zuzüglich 10 % Umsatzsteuer, der der Höhe nach unstreitig ist, ist demnach begründet.

Die Widerklage ist unbegründet, da der Bekl. Schadenersatzansprüche gegen die Kl. nicht zustehen.