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2 Ss (OWi 320/70) - Oberlandesgericht (-)
Entscheidungsdatum: 21.07.1970
Aktenzeichen: 2 Ss (OWi 320/70)
Entscheidungsart: Beschluss
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Abteilung: -

Leitsätze:

1) Ein Verlader, der eigene Güter teils mit eigenen Schiffen teils mit fremden Schiffen befördern lässt, ist niemals Frachtführer und kann daher keinen Provisionsanspruch erheben. Ein Verlader kann nicht gleichzeitig Frachtzahler und Hauptfrachtführer sein.

2) Auf einen entschuldbaren Verbotsirrtum bezüglich der Berechtigung eines Provisionsanspruches kann sich nur derjenige berufen, der nachweist, dass er sich nach der Rechtslage erkundigt hat. Auf eine irrige Auffassung kann sich nur berufen, wer seiner Erkundigungspflicht überhaupt nachgekommen ist.

Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf

vom 21. Juli 1970

Aus den Gründen:

Die WSD Duisburg hatte gegen den Prokurist V. der Verladefirma J. in X einen Bußgeldbescheid von 1500 DM wegen eines fahrlässigen Frachtverstoßes erlassen, weil V. von fremden Schiffen, die beim Transport der der Firma 1. gehörenden Güter eingeschaltet wurden, Provision gefordert und erhalten hatte.
Der Bußgeldbescheid wurde vom Amtsgericht Duisburg Ruhrort aufgehoben. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hatte Erfolg. Die Sache wurde zur neuen Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Im Einzelnen führt das Oberlandesgericht aus:

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist der Amtsrichter zutreffend davon ausgegangen, dass objektiv eine Zuwiderhandlung gegen die vorgenannten Vorschriften vorliegt. Da die Firma J. ihre eigenen Produkte teils mit eigenen Schiffen und zum anderen Teil mit fremden Schiffen transportieren ließ, war sie in keinem Falle Frachtführer, konnte also mit der teilweisen Vergabe von Frachtaufträgen an fremde Schiffseigner auch nicht die Stellung eines Hauptfrachtführers erlangen und als solcher Anspruch auf eine Vermittlerprovision erheben. Das ergibt sich klar und eindeutig aus der Fassung der Vorschrift des § 425 HGB. Danach ist Frachtführer nur, wer es gewerbsmäßig übernimmt, die Beförderung von Gütern ... auszuführen, m.a.W. wer die Ausführung der Beförderung von einem anderen und für diesen übernimmt. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor, denn der Verlader kann nicht gleichzeitig Frachtzahler und Hauptfrachtführer sein, wie es hier der Fall war. Im übrigen fehlt es aber auch an der Gewerbsmäßigkeit, denn in den hier zu beurteilenden Fällen war Zweck und Ziel der Tätigkeit allein der Transport der eigenen Produkte unter Inanspruchnahme fremden Schiffsraums.
Dagegen halten die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses zur inneren Tatseite einer rechtlichen Oberprüfung nicht stand.
Wie sich aus § 78 Abs. 1 OWiG ergibt, bestimmt das Gericht zwar den Umfang der Beweisaufnahme, ist hierbei aber gehalten, den Sachverhalt von Amts wegen und unter Benutzen aller ihm möglichen Beweismittel aufzuklären. Dieser ihm obliegenden Aufklärungspflicht ist der Amtsrichter nicht in gehöriger Weise nachgekommen. Der Betroffene hat sich dahin eingelassen, dass ihm nicht bekannt gewesen sei, mit der Einhaltung einer Provision den oben genannten Vorschriften zuwiderzuhandeln. Damit hat er sich auf das Vorliegen eines Verbotsirrtums berufen, der seine Schuld ausräumen würde, wenn er unverschuldet wäre.
Angesichts dieser Einlassung hätte der Amtsrichter zunächst prüfen müssen, ob sich der Betroffene tatsächlich in dem von ihm behaupteten Verbotsirrtum befunden hat. Diese Frage hat der Amtsrichter bejaht, ohne den Sachverhalt in dieser Richtung weiter aufzuklären. Zu einer weiteren dahingehenden Aufklärung drängte aber der Umstand, dass die hier zuständige Verwaltungsbehörde, die Wasser- und Schifffahrtsdirektion, In ihrer Entgegnung vom 31. 10. 1969 (BI. 19, 20 d. A.) auf den Einspruch des Betroffenen vorgetragen hat, dass die Firma anlässlich der Betriebsprüfung vom 23. 6. 1969, die auch zur Einleitung des Bußgeldverfahrens geführt hat, nicht bestritten habe, kein Frachtführer im Sinne des § 425 HGB zu sein. Der Amtsrichter hätte also feststellen müssen, wer die Betriebsprüfung durchgeführt hat, und diesen Prüfer zu der hier bedeutsamen Frage hören müssen. In der unterbliebenen dahingehenden weiteren Sachaufklärung liegt sonach ein Verfahrensverstoß gegen § 78 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 244 Abs. 2 StPO, auf dem nach Sachlage der angefochtene Beschluss auch beruhen kann.
Aber auch soweit der Amtsrichter den vom Betroffenen behaupteten Verbotsirrtum als gegeben angesehen hat, sind seine Ausführungen zur Frage, ob dieser unverschuldet ist, nicht frei von Rechtsirrtum. Der Amtsrichter geht dabei davon aus, der Betroffene habe sich zwar nach der bestehenden Rechtslage erkundigen müssen, hätte aber, wenn er dies getan hätte, ohnehin keine eindeutige Auskunft erhalten können, weil die Rechtslage auch in Fachkreisen noch als ungeklärt angesehen werde. Damit verkennt der Amtsrichter das Wesen und den Umfang der hier gebotenen Erkundigungspflicht. Auf eine irrige Auffassung der maßgebenden Auskunftsstelle kann sich nämlich nur der mit Erfolg berufen, der seiner Erkundigungspflicht überhaupt nachgekommen ist. Wer es aber pflichtwidrig unterlässt, die ihm zuzumutenden Erkundigungen einzuholen, kann sich nicht auf einen unverschuldeten Verbotsirrtum berufen, gleichgültig welche Auskunft er erhalten hätte (BGH St 21, 19. 21)."