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2 Ss 85/71 - Oberlandesgericht (-)
Entscheidungsdatum: 03.12.1971
Aktenzeichen: 2 Ss 85/71
Entscheidungsart: Beschluss
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Abteilung: -

Leitsätze:

1) Zur Zulässigkeit der Berechnung von Abschluss- und Spediteurprovisionen. Die Erhebung bzw. die Zahlung Entgelts für Sonderleistungen stellt eine unzulässige Abweichung vom Festentgelt dar, wenn eine Gegenleistung des Empfängers dieses Entgelts fehlt oder der wirtschaftliche Wert der Sonderleistung der Höhe der Zahlung nicht entspricht. Eine dahingehende Beurteilung setzt voraus, dass die Sonderleistung feststellbar ist und in ihrem Verhältnis zum Entgelt bewertet werden kann.


2) Branchenkundige Gewerbetreibende müssen mit dem Sinn und Zweck eines Gesetzes, das sich an sie richtet, vertraut sein. Wer ständig Transportgeschäfte durchführt, ist verpflichtet, sich über die Tarifbestimmungen von berufener Stelle unterrichten zu lassen und auf ihre Einhaltung zu achten.

Beschluss

des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg

vom 3. Dezember 1971


Zum Tatbestand:

Zur Tatzeit (1. 1.-30. 4. 1969) waren im Bereich des Frachtenausschusses Hamburg eine Abfertigungsprovision von 4 % (FTB D 341/3), eine Spediteurprovision von 3 und eine Abschlussprovision von 5 % (die letzten beiden nach FTB D 812/22) zulässig. Es war damals noch nicht besonders zum Ausdruck gebracht, w e m die Provisionen zustehen. Die betroffene Firma B führte als Hauptfrachtführerin Transporte im Auftrag der Speditionsfirma C durch, und zwar mit Schiffsraum verschiedener Schiffseigner, die zum Teil ihre Gesellschafter waren. Es wird der Firma B und ihrem Geschäftsführer vorgeworfen, über die zulässigen Provisionszahlungen hinaus Provisionen verlangt bzw. weitergeleitet zu haben. So hatten die Schiffseigner außer der Abfertigungsprovision von 4 % an die Fa. B und der Spediteurprovision von 30/o an die Fa. C weiterhin an Fa. B eine Abschlussprovision von 50/o, und eine weitere Provision von 50/0 für „Sonderleistungen“ zu zahlen. Der Fa. B wird vorgeworfen, die Abschlussprovision von Fa. C abgeführt und die weitere Provision unabhängig von Art und Umfang der Sonderleistungen durch prozentualen Abzug von der Fahrt einbehalten zu haben.
Nach Einlegung des Einspruches gegen die von der VdSD Hamburg festgesetzten Geldbußen hatte das Amtsgericht die Geldbußen im Wesentlichen bestätigt. Die hiergegen eingelegten Rechtsbeschwerden wurden vom Oberlandesgericht als unbegründet verworfen.

 Aus den Entscheidungsgründen:

Die Frachtenausschüsse haben die Aufgabe, außer den Transportsätzen auch die zulässigen Provisionen für Nebenleistungen zu bestimmen. Die Betroffenen übersehen diesen notwendigen Zusammenhang zwischen Entgelt und Leistung. Die Festsetzung einer Abfertigungsprovision von 4 % bestimmt neben dar Höhe des Entgelts den Berechtigten insoweit, als er die Abfertigung durchführen muss. Dem Spediteur steht die Spediteurprovision von 3 % dafür zu, dass er die in § 407 HGB beschriebene Tätigkeit entfaltet. dass nur den auf diese Weise bezeichneten Empfängern und nicht anderen am Beförderungsgeschäft beteiligten Personen diese Provisionen zugestanden werden dürfen, folgt aus § 21 BiSchVG, der materiellen Rechtsgrundlage für die Festsetzungsbeschlüsse der Frachtenausschüsse (wird ausgeführt).
Für die Abschlussprovision kann jedoch nichts anderes als für die oben genannten Provisionen gelten. Sie steht nach ihrem Wortlaut nur demjenigen zu, der dem zahlungspflichtigen Schiffseigner zum Ausschluss des Beförderungsvertrages verhilft ... (wird ausgeführt). Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Firma C. ebenfalls beim Abschluss des Beförderungsvertrages mitgewirkt hat. Soweit das zutrifft, fällt ihre Tätigkeit nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen in den Pflichtenkreis, den sie in ihrer Eigenschaft als Spediteur übernommen hatte und wofür sie mit der Spediteurprovision entlohnt wurde. Dagegen können die Betroffenen auch nichts einwenden, die Firma C. erhalte die Abschlussprovision für die Beziehungen zur abladenden Industrie; denn ohne diese Beziehungen zu ihren Auftraggebern konnte die Firma C. auch nicht als Spediteur tätig werden (wird ausgeführt).
Der Hinweis der Betroffenen, die Firma B. erhalte dann zwei Provisionen, nämlich Abfertigungsprovision und Abschussprovision, rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil die Firma B. die für die Entstehung beider Provisionen vorausgesetzte Tätigkeit entfaltet ..
Unerheblich ist schließlich, dass die Schiffseigner durch die Zusendung der Abschlussprovision an die Firma C. nicht stärker belastet werden, als wenn die Firma B. sie behalten würde. Entscheidend ist nicht, woher die Betroffenen die Mittel nehmen, um an die Firma C. eine Abschlussprovision zahlen zu können. Es kommt ausschließlich darauf an, dass diese Provision der Firma C. ohne entsprechende Gegenleistung nicht zugestanden werden darf und die trotzdem vorgenommene Verrechnung deshalb eine tarifwidrige Frachtkürzung darstellt (BGH LM GuKG Nr. 36).

Die Zahlung der Abschlussprovision an die Firma C. ist somit eine unzulässige unmittelbare Abweichung von den verordneten Festentgelten.

Hinsichtlich der beanstandeten Provision von 5 % für Bereederungskosten (Sonderleistungen) machen die Betroffenen in erster Linie, geltend, dass mit dieser Zahlung nicht von den festgesetzten Entgelten abgewichen werde. Sie könnten daher nur durch das Umgehungsverbot des § 31 Abs. 1 BiSchVG betroffen werden.
Dieses sei jedoch nicht strafbewehrt, da es von § 36 Abs. 1 BiSchVG nicht erfasst werde.

Den Betroffenen ist darin beizupflichten, dass es sich hier um Leistungen handelt, die nicht unter § 21 BiSchVG fallen. Ihre Vergütung unterliegt daher grundsätzlich der Parteivereinbarung. Auch diese Vereinbarung kann jedoch unzulässig sein, wenn sie einer Umgehung des festgesetzten Entgelts gleichkommt (§ 31 Abs. 1 BiSchVG). Das ist nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen der Fall. Eine derartige Umgehung des festgesetzten Entgelts kann bestraft oder als Ordnungswidrigkeit geahndet werden

Nach § 36 BiSchVG begeht eine Zuwiderhandlung im Sinne des Wirtschaftsstrafgesetzes, wer Verträge über Verkehrsleistungen im Sinne des § 21 Abs. 1 BiSchVG in Abweichung von den nach den §§ 29, 30 und 43 BiSchVG festgesetzten Entgelten abschließt. Daraus, dass hier § 31 Abs 1 BiSchVG nicht genannt wird, folgt nichts für den Standpunkt der Betroffenen.

Zwar fehlt in § 36 BiSchVG ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass auch die in § 31 Abs. 1 BiSchVG genannten Zuwendungen und Zahlungen, die einer Umgehung des festgesetzten Entgelts gleichkommen, unter das Wirtschaftsstrafgesetz fallen. Daraus kann. jedoch nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber nur unmittelbar vereinbarte Abweichungen von den für Fracht- und Nebenleistungen zulässigen Entgelten unter Strafe stellen wollte, nicht dagegen die mit dem gleichen Ziel und demselben wirtschaftlichen Erfolg vereinbarte Umgehung des Tarifs durch besondere Zahlungen und Zuwendungen.
So hat sich auch im Güterkraftverkehrsrecht die Auffassung durchgesetzt, dass das vergleichbare Umgehungsverbot der §§ 98 Nr. 1, 22 Abs. 2 GüKG, denen § 36 BiSchVG angepasst werden sollte (BT-Drucksache V/2494 S. 37), 4afrsbn n ist und seine Verletzung strafrechtliche Folgen nach sich ziehen kann (Hein-Eichhoff-Pukall-Krien GüKVH 1968 2. Bd. § 93 Anm. 4; Balfanz, Der Wirtschaftskommentator, Teil C Wirtschaftsrecht 1 Güterkraftverkehrsgesetz Anm.2 zu § 93; Streit in BB 1964; 1027, 1029). Gegen die Anwendung dieser Bestimmung haben die Oberlandesgerichte Düsseldorf, Stuttgart und Hamm (BB 1964, 1026) keine Bedenken erhoben. Sie können hier schließlich zugunsten der notwendigen Durchsetzbarkeit der verordneten Festentgelte gegenüber allen am Binnenschiffsverkehr beteiligten Marktpartnern deshalb zurückgestellt werden, weil sich das Umgehungsverbot nicht an jedermann, sondern in erster Linie an branchenkundige Gewerbetreibende richtet, von denen erwartet werden kann, dass sie mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes vertraut sind und dementsprechend ihr Verhalten einrichten können.
Die Betroffenen haben mit den Hausschiffern - abgesehen von den übrigen grundsätzlich zulässigen Provisionen - eine um gekürzte Fracht vereinbart. Diese Kürzung wird als Verrechnung mit dem Anspruch der Betroffenen auf Zahlung von 5 % der Fracht für Sonderleistungen begründet. Eine unzulässige Abweichung vom Festentgelt würde vorliegen, wenn eine Gegenleistung der Betroffenen fehlt; dasselbe gilt aber auch dar n, wenn ihr wirtschaftlicher Wert der Höhe der Zahlung nicht entspricht. Sonst würde der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, die Einhaltung der Tarife zu sichern (BT-Drucksache V/2404), nicht erreicht werden können. Deshalb verlangt der Bundesgerichtshof in entsprechender Fällen, die nach denn Güterkraftverkehrsgesetz zu beurteilen sind, dass die Leistung des Zuwendenden (hier Hausschiffer) die Leistung des Empfängers nicht in unangemessener Weise übersteigen darf (NJW 1960, 1057 Ls c). Eine dahingehende Beurteilung setzt voraus, dass die Leistung des Empfängers feststellbar ist und in ihrem Verhältnis zum Provisionssatz bewertet werden kann. Das ist hier jedoch aufgrund der zwischen den Beteiligten gewählten Vertragsgestaltung nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht möglich
Das Amtsgericht hat nämlich festgestellt, dass das von den Betroffenen gewählte Verfahren, mit welchem den Hausschiffern über die Inanspruchnahme der Provision von 50/0 für Sonderleistungen Rechnung gelegt wird, nicht erkennen lässt, ob mit ihr unmittelbare Nebenleistungen im Sinne des § 21 Abs. 1 BiSchVG oder Sonderleistungen abgegolten werden. Die Betroffenen ermitteln den Verwaltungsaufwand für Sonderleistungen nach unkontrollierbaren Prozentsätzen vom gesamten Verwaltungsaufwand. So kann nicht überprüft werden, ob mit der Provision für Sonderleistungen Aufwendungen der Betroffenen B. abgedeckt werden, die bereits durch die ihr nach § 21 Abs. 1 BiSchVG zustehenden Provisionen für Nebenleistungen bezahlt sind. Dieser entscheidende Gesichtspunkt wird in den von den Betroffenen vorgelegten Rechtsgutachten übersehen.
Nun hat das Amtsgericht allerdings auch nicht positiv feststellen können, dass mit dem Entgelt von 5 % für Sonderleistungen ganz oder zum Teil Nebenleistungen im Sinne des § 21 Abs. 1 BiSchVG abgegolten werden Es genügt jedoch, dass das aufgrund der von den Betroffenen gewählten Vertragsgestaltung möglich ist. Die Betroffene B kann sich nämlich als Beteiligte „eines Vertrages über eine Verkehrsleistung im Sinne des § 21 Abs. 1 BiSchVG“ zur Rechtfertigung der Frachtkürzung (5%) nicht auf eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung (über Sonderleistungen) berufen, die „zur Umgehung der Bestimmung des Gesetzes und der aufgrund des Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung geeignet“ ist. (§ 42a BschVO). Mit dieser gesetzlichen Bestimmung sollen Vertragsgestaltungen bekämpft werden. (vgl. BT-Drucksache V/3414), welche die sichere Beurteilung ausschließen, ob mit ihnen die verordneten Festentgelte eingehalten werden. Deshalb hat das Amtsgericht den Betroffenen mit Recht schon diese fehlende Beurteilungsmöglichkeit zum Vorwurf gemacht.
Den Betroffenen mag zugegeben werden, dass eine Berechnung der Sonderleistungen für jeden einzelnen Schiffseigner nach dem Umfang seiner Leistungsanforderung nicht möglich ist. Gleichwohl ergibt sich die Umgehung des Tarifs durch die Erhebung der Provision für Sonderleistungen aus ihrem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der festgestellten Tarifabweichung.

Der angefochtene Beschluss lässt auch insoweit keinen Rechtsfehler erkennen, als dem Betroffenen A. vorgeworfen worden ist, die festgestellte Ordnungswidrigkeit fahrlässig begangen zu haben. Wer ständig Transportgeschäfte durchführt, ist verpflichtet, sich über die Tarifbestimmungen zu unterrichten und auf ihre Einhaltung zu achten. Im Zweifelsfalle muss er sich an berufener Stelle, insbesondere bei der zuständigen Überwachungsbehörde erkundigen. Diese Pflicht zur Erkundigung entfällt nur dann, wenn die Umstände keinen verständlichen Anlass zu der Annahme bieten, dass einschlägige Vorschriften verletzt werden könnten (Hein-Eichhuff-Pukall- Krien aa0, Anm. 13 zu § 98 und die dort zitierte Rechtsprechung der Oberlandesgerichte).