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Leitsätze:
Jedenfalls bei einem Blutalkoholgehalt eines Schiffsführers von deutlich über drei Promille ist eine relative Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 316 StGB hinreichend bewiesen, ohne dass es auf Auffälligkeiten in der Schiffsführung wie »hartes Anlegen« und Fahren von »Schlangenlinien« ankommt. Anders als im Straßenverkehr gibt es im Schiffahrtsrecht feste Grenzwerte für die Feststellung absoluter Fahruntüchtigkeit nicht.
An sich darf eine Blutprobe ohne oder nach - möglicherweise wegen zu hoher Alkoholisierung - unwirksamer Einwilligung des Beschuldigten nur durch einen Richter angeordent werden; lehnt der Richter eine solche Entscheidung ab, so können die Ermittlungsbehörden (also die Staatsanwaltschaft) im Rahmen ihrer Eilfallkompetenz nach § 81 a II StPO die Entnahme einer Blutprobe selbst rechtswirksam anordnen.
Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes
vom 13. März 2013
Az.: 2 SS 3/13 (5/13)
Anmerkung der Redaktion:
Die juristische Dogmatik führt manchmal zu verblüffenden Konsequenzen:
Der verurteilte Schiffsführer hatte an einem wahrscheinlich kalten Oktobermorgen im Fahrstand seiner Fähre so viel Rotwein getrunken, dass er die beachtliche Alkohlkonzentration von fast vier Promille im Blut aufwies. In diesem Zustand war er ganz offensichtlich noch in der Lage, das Fährschiff Memel über den Nordostseekanal zu führen. Nur der Kurs und die Anlegemanöver wichen ein wenig vom Üblichen ab, wobei es erstaunlich ist, dass man auf der an sich verhältnismäßig kurzen Strecke über den Nordostseekanal tatsächlich Schlangenlinien fahren kann.
Der offensichtlich trinkfeste Schiffsführer war damit einverstanden, dass ihm nach einem Atemalkoholtest eine Blutprobe entnommen wird. Dazu ist grundsätzlich eine Einwilligung des Verdächtigen erforderlich, anderenfalls muss der Richter die zwangsweise Entnahme einer Blutprobe anordnen. Die Staatsanwaltschaft und die Polizei dürfen dies im Normalfall nicht. Abgesehen von den strafprozessualen Fragen hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zwei bemerkenswerte Feststellungen getroffen:
Es ist - so das Gericht - zunächst durchaus denkbar, dass ein Schiffsführer mit einem Blutalkohol von fast vier Promille noch in der Lage ist sein Schiff zu führen - jedenfalls ist er nicht absolut fahruntüchtig. Ob er aber in diesem Zustand noch in der Lage ist, über seine körperliche Unversehrtheit selbst und rechtswirksam zu entscheiden, ist nicht sicher. Zugunsten des Schiffsführers muss man also davon ausgehen, dass er in dubio pro reo noch fahrtüchtig ist, aber nicht mehr in der Lage, wirksam in eine Blutentnahme einzuwilligen. Rechtsanwalt
Dr. Martin Fischer, Frankfurt am Main
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2014 - Nr. 9 (Sammlung Seite 2313); ZfB 2021, 2313