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Leitsatz:
Grundsätzlich unterliegen Bewirtung und Unterhaltung während einer Schifffahrt auf einem Personenbeförderungsschiff gemeinsam mit der eigentlichen Transportleistung dem ermäßigten Steuersatz für Beförderungsleistungen von Personen mit Schiffen. Dies gilt ausnahmsweise nicht, wenn die Veranstaltung so angelegt ist, dass der Schwerpunkt nicht auf der Ortsveränderung, der eigentlichen Beförderung liegt, sondern auf den Annehmlichkeiten eines besonderen Schiffes oder außergewöhnliche Darbietungen an Bord.
Urteil des Finanzgerichtes Nürnberg
Az.: 2 K 854/10
vom 27. März 2012
(nicht rechtskräftig)
Tatbestand:
Streitig ist, ob der ermäßigte Steuersatz für die Beförderungen von Personen mit Schiffen gem. § 12 Abs. 2 Nr. 10.) UStG auch auf die im Rahmen von Schifffahrten erbrachten Restaurations- und Unterhaltungsleistungen (sog. Kombifahrten) anzuwenden ist.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gegenstand des Unternehmens ist die Beförderung von Personen mit Personenschiffen sowie alle sonst hiermit in Verbindung zu bringende Tätigkeiten wie Restaurant- und Kioskbetrieb, Reisebürotätigkeiten sowie Güterbeförderung. Für die Streitjahre 2005 bis 2007 reichte sie am 13.10.2006, am 20.06.2007 und am 15.10.2008 Umsatzsteuererklärungen ein, die nach Zustimmung Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstanden (§§ 168, 164 AO).
Vom 04.11.2008 bis 05.05.2009 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Hierbei stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin in den Streitjahren sog. Kombifahrten (z.B. Frühstücks-, Brunch-, Bayerische Abend- und Sylvesterabendfahrten) angeboten hatte, die die Fahrt, das Essen und ein bestimmtes Programm zu einem Gesamtpreis umfassten. Während die Klägerin die Umsätze in vollem Umfang dem ermäßigten Steuersatz (7 %) gem. § 12 Abs. 2 Nr. 10. a) UStG unterwarf, vertrat der Prüfer die Auffassung, dass mehrere selbständige Hauptleistungen vorlägen. Er gliederte daher die Umsätze aus Verpflegungs- und Unterhaltungsleistungen von 7 % auf 16 % bzw. 19 % entsprechend der vom Steuerberater erklärten Zahlen um. Wegen der Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 28.05.2009 verwiesen. Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und setzte mit nach 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheiden vom 01.07.2009 die Umsatzsteuer für 2005 auf €, für 2006 auf € und für 2007 auf ... € fest.
Hiergegen hat die Klägerin Einspruch eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dass bei den sog. Kombifahrten ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang vorliege, der nicht in Beförderungs- und sonstige Leistungen aufzuteilen sei.
Das Finanzamt wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 11.05.2010 als unbegründet zurück. Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt, die Umsatzsteuerbescheide vom 01.07.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.05.2010 aufzuheben und die Umsatzsteuer 2005 um €, die Umsatzsteuer 2006 ... € und die Umsatzsteuer 2007 um ... € niedriger festzusetzen.
Zur Begründung trägt sie vor:
Sie biete mit ihren drei Ausflugsschiffen ... verschiedene Tagesausflugsfahrten nach einem festen Fahrplan im Raum Regensburg an. Im Rahmen der sog. Kombifahrten biete sie Fahrten an, die von vornherein die Fahrt, ein bestimmtes Programm, das Essen und die Musik zu einem Gesamtpreis beinhalteten, Auf die Fahrpläne für die Jahre 2005 2007 werde verwiesen.
Die Kombifahrten unterfielen dem ermäßigten Steuersatz, weil es sich um fest eingeplante Fahrten mit einer Beförderung als Haupt- und den Restaurations- und Unterhaltungsleistungen als Nebenleistung handele, die objektiv eine wirtschaftliche Einheit bildeten und planmäßig durchgeführt würden, Es werde auf die entsprechende Regelung für die Kabinenschifffahrt verwiesen, die einheitlich für Beförderungs-, Übernachtungs- und Verpflegungsumsätze den ermäßigtem Steuersatz von 7 % gem. § 12 Abs, 2 Nr. 10. a) UStG vorsehe (vgl, Verfügung des BMF vom 29.08.2008 IV B 9-S 7244/07/10001), Unterbringung und Verpflegung seien als Nebenleistung anzusehen, wenn sie zur planmäßigen Durchführung der Hauptleistung erforderlich seien, Dies gelte nicht ausschließlich für Pauschalreisen mit Kabinenschiffen auf Binnenwasserstraßen, Auch die Kabinenschifffahrt biete inzwischen Tagesfahrten mit Verpflegung und Unterhaltung an. Dies führe unweigerlich zu einer Konkurrenzsituation zwischen Kabinenschiff- und Tagesausflugsschifffahrt ...
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt es vor:
Die Verpflegung an Bord stelle keine Nebenleistung dar, denn sie sei für den Fahrgast weder nebensächlich noch werde sie, anders als bei mehrtägigen Reisen, üblicherweise auf Schiffen angeboten. Vielmehr seien die Schiffsfahrt und die Restaurationsleistungen jeweils als eigenständige Leistungen im Rahmen eines Leistungspakets anzusehen. Die einzelnen Komponenten würden zusammengebracht, ohne dass sie ihren eigenständigen Wert für den Verbraucher verlören. Prägend für die Fahrt seien nicht allein die Beförderung und die Beförderungsstrecke, sondern auch die Annehmlichkeiten und Darbietungen auf dem Schiff. Bei einer Silvesterabendfahrt beispielsweise trete die Personenbeförderung völlig in den Hintergrund. Die Verpflegungsleistung stelle danach für den Leistungsempfänger einen eigenen Zweck dar und diene nicht nur dazu, eine Schiffsfahrt von 2 bis 4 Stunden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Allein die einem Leistungsempfänger aufgezwungene rechtsgeschäftliche Koppelung mehrerer Leistungen führe nicht zur Annahme einer einheitlichen Leistung.
Die Tagesausflugsschifffahrt sei nicht vergleichbar mit der Kabinenschifffahrt, bei der die Personenbeförderung im Vordergrund stehe und die Verpflegung und Unterkunft nicht die Art der Personenbeförderung, sondern nur die Umstände, unter denen sie durchgeführt würde, beeinflusse ...
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat Erfolg. Der ermäßigte Steuersatz für Beförderungsleistungen von Personen mit Schiffen ist auch auf die im Rahmen von sog. Kombifahrten erbrachten Restaurations- und Unterhaltungsleistungen anzuwenden, weil eine einheitliche Beförderungsleistung vorliegt.
1. Gem. § 112 Abs. 2 Nr. 10. a) UStG in der Fassung des § 128 Abs. 4 UStG unterliegen die Beförderungen von Personen mit Schiffen dem ermäßigten Steuersatz von 7 %.
Befördern ist die räumliche Fortbewegung von Personen oder Gegenständen, wobei die Art des Beförderungsmittels nicht von Bedeutung ist. Die Tatsache der Beförderung durch ein dafür geeignetes Fahrzeug entfällt nicht, wenn das Motiv nicht in dem wirtschaftlichen Nutzen einer Beförderung zu sehen ist, sondern in der sportlichen Betätigung oder in anderen Gründen der Freizeitgestaltung (BFH-Beschlüsse vom 08.12.1983 V S 13/83, UR 1984, 122 und vom 28.09.1987 V B 106/86, BFH/NV 1988, 339).
Bei einem Umsatz, der ein Leistungsbündel darstellt, ist nach der Rechtsprechung des EUGH für die Frage, ob mehrere zusammenhängende Leistungen als eine Gesamtleistung zu behandeln sind, eine Gesamtbetrachtung erforderlich. In der Regel ist zwar jede Leistung als eigene selbständige Leistung anzusehen. Eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darf aber im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems auch nicht künstlich aufgespalten werden. Deshalb ist das Wesen bzw. sind die charakteristischen Merkmale des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige gegenüber dem Leistungsempfänger mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist (z.B. BFH-Urteile vom 17.04.2008 V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712 und vom 10.02.2010 XI R 49/07, BStBI. 11 2010, 1109 m.w.N.).
Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen darstellen, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. z.B. EuGHUrteil vom 25.02.1999 C-349/96, Card Protection Plan Ud. (CPP), Sig. 1999, 1-973, UR 1999, 254; BFH-Urteile vom 11.11.2004 V R 30104, BStBI. 11 2005, 802). Für eine einheitliche Leistung kann sprechen, wenn der Leistende gegenüber seinem Kunden eine aus mehreren Teilen zusammengesetzte Dienstleistung gegen Zahlung eines Gesamtpreises erbringt (BFH-Urteil vom 10.02.2010 XI R 49/07 a.a.O.) bzw. die Leistungen aufgrund einer einzigen Vertragsgrundlage erbracht werden (vgl. BFH-Urteil vom 08.09.2011 V R 5/10, BFH/NV 2012, 523 und BFH-Beschluss vom 26.04.2010 VB 3/10, BFH/NV 2010, 1664, m.w.N.). 2. Nach der erforderlichen Gesamtbetrachtung aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers stellen die von der Klägerin im Zusammenhang mit der Beförderung erbrachten sonstigen Leistungen Nebenleistungen dar, die das Schicksal der Hauptleistung teilen. Die Verpflegungs- und Unterhaltungsleistungen stellen Annehmlichkeiten dar, die ermöglichen, die Schiffsfahrten unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Bei den Kombifahrten der Klägerin werden die Schiffsfahrten nicht derart mit Verpflegungs- und Unterhaltungsleistungen zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang verbunden, dass eine Leistung eigener Art vorläge. Hinsichtlich der Pauschalreise auf einem Schiff mit Unterkunft und Verpflegung hat der BFH bereits entschieden, dass kein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang in diesem Sinne vorliegt (BFH-Urteil vom 01.08.1996 V R 58/94, BStBI. 11 1997, 160). Das Gleiche gilt für die von der Klägerin angebotenen Kombifahrten, denn auch hier treten die einzelnen Leistungen nicht so hinter dem Ganzen zurück, dass ein selbständiges Drittes im Sinne eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs entsteht. Es liegen entgegen der Auffassung des Finanzamts aber auch keine selbständigen Hauptleistungen vor. Vielmehr ist aus Sicht des Reisenden die Beförderung als die Hauptleistung zu beurteilen, die durch Verpflegungs- und Unterhaltungsleistungen ergänzt wird. Der Leistungsempfänger bezahlt aufgrund einer einheitlichen Vertragsgrundlage den Gesamtpreis in erster Linie für die Fortbewegung auf dem Schiff über eine bestimmte, vorab ausgewählte Strecke. Wertmäßig entfällt nach den Unterlagen in der Regel ca. 2/3 des Gesamtpreises auf die Beförderungsleistung. Die weiteren Leistungen im Wert von ca. 1/3 runden das Fahrerlebnis lediglich ab. Würde es dem Kunden entscheidend auf die Verpflegungsund Unterhaltungsleistungen ankommen, könnte er diese einfacher, billiger und möglicherweise besser an Land in Anspruch nehmen. Die zusätzlichen Leistungen haben für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern stellen regelmäßig das Mittel dar, um die Beförderungsleistung unter optimalen Bedingungen zu nutzen. Nach der Rechtsprechung ist die Beurteilung als Beförderungsleistung nicht deswegen ausgeschlossen, weil dem Kunden während der Beförderung zusätzliche Annehmlichkeiten geboten werden und ihm ein angenehmes Reiseerlebnis verschafft wird (BFHUrteil vom 02.03.2011 XI R 25/09, BStBI. 11 2011, 737). Ein Ausnahmefall, in dem der Leistungsempfänger wegen der Annehmlichkeiten eines besonderen Schiffs oder wegen außergewöhnlicher Darbietungen auf dem Schiff keinen Wert auf die Beförderung und die Beförderungsstrecke legt (vgl. BFHUrteil vom 01.08.1996 V R 58/94 a.a.O.) ist bei den von der Klägerin angebotenen Kombifahrten nicht gegeben. Dies gilt auch für die Silvesterabendfahrt, bei der das Fahrerlebnis gegenüber den sonstigen Leistungen noch überwiegt.
Die Restaurations- und Unterhaltungsleistungen sind im Verhältnis zu der Beförderung nebensächlich, weil der Kunde die Fahrt hauptsächlich wegen der Beförderung bucht und nicht wegen der zusätzlich angebotenen Leistungen. Diese ergänzen die Hauptleistung und dienen der besseren Vermarktung der Schiffsfahrten. Nicht entscheidend abgestellt werden kann im Streitfall auf die Dauer der Fahrt und die Notwendigkeit der zusätzlichen Leistungen für die Erbringung der Beförderungsleistung. Bei einer zwei bis vierstündigen Schiffsfahrt mag die Verpflegung und Unterhaltung zwar nicht zwingend erforderlich sein. Dennoch runden sie die Beförderungsleistung ab und verschaffen dem Kunden eine angenehmere Fahrt.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2013 - Nr.1 (Sammlung Seite 2216 f.); ZfB 2013, 2216 f.