Rechtsprechungsdatenbank
Leitsatz:
Der Absender bzw. Empfänger muss eine telefonische Voranmeldung der Lade- und Löschbereitschaft entsprechend einem Handelsbrauch in der deutschen Binnenschifffahrt als Meldetag gegen sich gelten lassen.
Urteil
des Amtsgerichts Mannheim
vom 21.06.2002
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
Im Mittelpunkt des vorbezeichneten Rechtsstreits über eine Liegegeldforderung wegen überlanger Löschzeit stand die strittige Frage, von welchem Zeitpunkt an Löschbereitschaft gegeben war.
Das Schiff (Tragfähigkeit: 2.384 t) des Klägers war am 24.08.01, einem Freitag, um 21.30 Uhr mit 2.100 t Hartweizen in Mannheim eingetroffen. Der Kläger führte den Transport im Auftrag einer Reederei aus, die ihrerseits als Unterfrachtführerin fungierte.
Die Entladung bei der Beklagten als der bestimmungsgemäßen Empfängerin begann erst am 26.08. um 19.00 Uhr und dauerte einschließlich der vorgeschriebenen Unterbrechungen bis Dienstag, den 28.08.01 um 5.30 Uhr.
Die Beklagte trägt vor, der Kläger habe sich erst am 25.08. löschbereit gemeldet mit der Folge, dass die Löschzeit erst am 26.08. um 6.00 Uhr begonnen habe. Im Übrigen sei zwischen ihr und dem Hauptfrachtführer noch die Anwendung der Verordnung über den Lade- und Löschtag sowie die Lade- und Löschzeiten in der Binnenschifffahrt vom 26.01.1994 vereinbart worden.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hatte der Kläger das Eintreffen seines Schiffes in zwei Telefonaten mit einer Angestellten der Beklagten für den 24.08.01, 21.00 Uhr angekündigt und den Löschbeginn für Samstag, den 24.08. um 6.00 Uhr verbindlich abgesprochen. Als er am Samstagmorgen sein Schiff zum Löschen vorlegen wollte, wurde ihm mitgeteilt, dass sich die Löschung des Schiffes aufgrund eines Defektes der Löschvorrichtung verschieben würde.
Das Gericht erkannte antragsgemäß wegen Überschreitung der Löschzeit um 25 Stunden auf Zahlung eines Liegegeldes in Höhe von € 2.317,- an den Kläger.
Das Gericht hat den Einwand der Beklagten, es sei noch die alte BinSchLV anzuwenden, mit dem Hinweis darauf, dass Vereinbarungen zwischen Absender und Dritten dem Kläger als Frachtführer nicht entgegengesetzt werden können, als unbeachtlich abgetan. In der zentralen Frage nach dem Beginn der Löschzeit sah es die telefonische Voranmeldung zwar nicht als Anzeige der Löschbereitschaft gem. § 1 Abs. 1 BinSchLV an. Es verwehrte dem Beklagten jedoch unter Hinweis auf einen jahrzehntelang gültigen Handelsbrauch in der Binnenschifffahrt, sich darauf zu berufen, dass die Meldung der Löschbereitschaft erst innerhalb der Geschäftszeiten der Beklagten hätte erfolgen können.
Ein solches Ansinnen erschien dem Gericht unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen als nachgerade treuwidrig gemäß § 242 BGB. Insofern hielt es der Beklagten die Vorteile entgegen, die jene als Empfängerin aus der ausgesprochen großen Flexibilität und Disponibilität der Schiffseigner/-Führer bezüglich der Liefertermine ziehen konnte. Unter diesen Umständen dürfe der Empfänger nicht noch zusätzliche Vorteile erwarten, wenn er seine Geschäftszeiten nicht den Betriebszeiten der Schiffseigner/-Führer anpasst und nicht zumindest einen „Nachtdienst" als Meldestelle für zu meldende Löschbereitschaften einrichtet. Das Gericht hob die Kenntnis der Beklagten vom Eintreffen des Klägers außerhalb der Geschäftszeiten hervor und wies auf die Möglichkeit der Beklagten hin, entweder mitzuteilen, bei welchem Vertreter der Kläger sich bei Eintreffen außerhalb der Geschäftszeiten melden konnte oder aber, wenn dies aus ökonomischen Gründen nicht gewollt gewesen sei, eine telefonische Voranmeldung als konstitutive Meldung für den Beginn der Löschzeit am nächsten Tag gegen sich gelten zu lassen. Da die Beklagte von der ersten Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe, müsse sie den Tag der telefonischen Voranmeldung als Meldetag gegen sich gelten lassen, mit der Folge, dass die Löscheit am darauffolgenden Tag um 6.00 Uhr begann. Dies habe im Übrigen auch der telefonischen Absprache entsprochen.
Anmerkung:
Das Urteil stärkt die Stellung der Binnenschiffer gegenüber der Verladerseite. Im Ergebnis bedeutet die Entscheidung des Amtsgerichts Mannheim, dass durch eine Voranmeldung eines Binnenschiffers das in § 1 BinSchLV vom 23. 11. 1999 normierte Erfordernis der ausdrücklichen Anzeige der Löschbereitschaft konkludent abbedungen wird. Dies wird die Verladerschaft in Zukunft weitaus stärker als bisher zwingen, genau zu disponieren.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2002 - Nr.11 (Sammlung Seite 1878); ZfB 2002, 1878