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Leitsatz:
Zur Frage, ob und inwieweit ein Schiffsführer gegenüber dem Vorwurf eines Verstoßes gegen Vorschriften über Fahrzeiten gerechtfertigt ist, wenn er gemäß Order seiner Reederei einen bestimmten Termin zur Vorlage des Schiffes am Lade- oder Löschplatz nur unter Überschreitung der erlaubten Höchstfahrzeiten einhalten kann, andernfalls er, wie angedroht, alle Folgekosten der Nichteinhaltung des Termins tragen muß.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 6. Februar 1986
(Rheinschiffahrtsgericht Mannheim)
Zum Tatbestand:
Der Betroffene war als Schiffsführer des MS „N" durch Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts zu einer Geldbuße von 50,- DM wegen Verstoßes gegen § 14.03 Nr. 1 RheinSchPV sowie zu einer Geldbuße von 250,- DM wegen Verstoßes gegen § 1.19 RheinSchPV und § 14.03 Nr. 2 RheinSchUO verurteilt worden, weil bei einer Kontrolle am 12.5. 1984, 1.15 Uhr, auf der Bergfahrt bei Rhein-km 431 festgestellt wurde, daß die Fahrt des Schiffes in der Betriebsform A, das sich seit dem 2.5.1984 auf einer Reise von Brunsbüttel nach Weil befand, am 11.5.1984, 6.00 Uhr, in Kamp angetreten, die Höchstfahrzeit damit 3 1/4 Stunden überschritten war. Die Wasserschutzpolizei verbot deshalb die Weiterfahrt des Schiffes, was der Betroffene jedoch mißachtete.
Seine Berufung an die Berufungskammer begründete. der Betroffene damit, daß er die Höchstfahrzeit habe überschreiten müssen, um gemäß Order seiner Reederei am 14.5.1984 in Weil löschen zu können; andernfalls habe er gemäß Androhung seiner Firma alle Folgekosten der Terminversäumung tragen müssen. Außerdem seien durch seine Aufmerksamkeit während der Nachtfahrt 2 Diebe gefaßt worden, die versucht hätten, ein gestohlenes Kraftfahrzeug im Rhein zu versenken. Die Berufung wurde kostenpflichtig zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
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Die Einlassungen entlasten den Betroffenen nicht.
Die zweite ist sichtlich ohne jede Bedeutung, da begangene Ordnungswidrigkeiten nicht dadurch aufgehoben werden, daß der Täter bei ihrer Begehung zur Aufklärung einer Straftat beitragen kann. Die Ordnungswidrigkeit wurde ja nicht um dieser Aufklärung willen begangen.
Was die erste Einlassung angeht, so ist rechtlich die folgende Konfliktsituation denkbar. Eine Reederei verlangt von einem Schiffsführer die Einhaltung eines Löschtermins, der nur eingehalten werden kann, wenn vorgeschriebene Höchstfahrzeiten überschritten und vorgeschriebene Ruhezeiten nicht eingehalten werden. Der Schiffsführer steht also vor der Wahl, entweder eine Anordnung seiner Reederei oder ordnungspolizeiliche Vorschriften zu mißachten. Entscheidet er sich für die zweite Alternative, so kann fraglich sein, wer hier mit Bußgeld zu belegen ist, der Schiffsführer oder die hinter ihm stehende Reederei, die sein Verhalten möglicherweise erzwungen hat. Diese Frage bedarf im vorliegenden Falle keiner Entscheidung, denn der Betroffene befand sich nicht in der geschilderten Lage. Er hatte seine Fahrt am 2.5.84 um 15.00 Uhr in Brunsbüttel angetreten. Seine Reederei hat ohne seinen Widerspruch erklärt, Ziel und Löschzeit seien ihm bei Reiseantritt genannt worden. Der Betroffene hatte also seine Reise so einzuteilen, daß die ihm genannte Löschzeit ohne Verletzung von Vorschriften über Ruhezeiten und Höchstfahrzeiten eingehalten werden konnte. Glaubte er, dies nicht zu können, so hätte er seine Reederei hierauf hinzuweisen. Einen solchen Hinweis will der Betroffene aber erst gegeben haben, als er während der Reise bei einem Zwischenaufenthalt in Duisburg auf die Notwendigkeit, den Löschtermin einzuhalten, hingewiesen wurde. Daraus ist zu folgern, daß er bei Antritt der Reise keine Bedenken hatte, den Löschtermin einzuhalten, daß ihm diese vielmehr erst in Duisburg kamen. Außerdem fällt die Überschreitung der Höchstfahrzeit in den Schlußabschnitt der langen Reise des Betroffenen. Beide genannten Faktoren zwingen zu dem Schluß, daß der Betroffene sich selbst dadurch in Schwierigkeiten brachte, daß er seine Reise nicht von Anfang an so einteilte, daß er rechtzeitig ans Ziel gelangen konnte. Er gibt auch zu, er habe „gemütlich" fahren wollen, da er Verwandte aus Amerika an Bord gehabt habe, mit denen er auch an Land habe gehen wollen. Dieser Umstand erklärt nach Ansicht der Berufungskammer die mißlungene Reiseeinteilung, die dem Betroffenen zum Schluß nur noch die Wahl ließ, Höchstfahrzeiten zu überschreiten, um rechtzeitig ans Ziel zu kommen. Hierfür ist er verantwortlich, so daß die angefochtene Bußgeldfestsetzung mit Recht erfolgt ist.
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