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18 CS 21/10 BSch - Amtsgericht (Schiffahrtsgericht)
Entscheidungsdatum: 01.04.2011
Aktenzeichen: 18 CS 21/10 BSch
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Amtsgericht Duisburg-Ruhrort
Abteilung: Schiffahrtsgericht

Leitsätze:

Eine lediglich minimale Beeinträchtigung eines Gewässers ist keine Gewässerverunreinigung; maßgeblich für das Maß der Beeinträchtigung sind Größe und Tiefe des Gewässers, Wasserführung, Geschwindigkeit des fließenden Gewässers sowie Menge und Konzentration des eingeleiteten Stoffes.

Ein Indiz für das Gefährdungspotenzial des eingebrachten Stoffes kann die Einstufung des Stoffes in eine Wassergefährdungsklasse nach der Verwaltungsvorschrift wassergefährdender Stoffe (VwVwS) vom 17. Mai 1999, Bundesanzeiger 98a, geändert am 27. Juli 2005, Bundesanzeiger 142a sein. Dabei ist nicht abzustellen auf die chemische Beschaffenheit des Produktes, sondern auf die - gegebenenfalls zu errechnenden - Konzentration der wassergefährdenden Stoffe, die sich in der Flüssigkeit befinden, die schließlich in das Fließgewässer gelangt, also das gegebenenfalls beim Abspülen eines Stoffes mit Wasser vom Deck des Schiffes entstehende Gemisch. Weiter abzustellen ist auf das Maß der Verdünnung des eingebrachten Stoffes durch das fließende Gewässer.


Urteil des Schifffahrtsgericht Duisburg- Ruhrort

vom 01. April 2011

Az.: 18 CS 21/10 BSch - 112 JS 31/10 -

rechtskräftig

Gründe:...

II. Mit Strafbefehl des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom ... wird den Angeklagten vorgeworfen, eine vorsätzliche Gewässerverunreinigung begangen zu haben.
Der Angeklagte A habe als verantwortlicher Schiffsführer und die Angeklagten B und C hätten als Matrosen - handelnd auf Anweisung des Schiffsführers - eine Gewässerverunreinigung begangen.
Die Angeklagten seien auf dem Tankmotorschiff »Joery P« mit der amtlichen Schiffsnummer ... gefahren. Am ... hätten sie sich auf der Talfahrt auf dem Rhein befunden. Hier habe der Angeklagte A die beiden anderen angewiesen, das Deck des Tankmotorschiffes, welches normale Verschmutzungen wie Staub und schmutziges Wasser aufgewiesen habe, mit dem Reiniger »P3-A« der Firma Henkel zu reinigen. Bei dem Reiniger habe es sich um einen reizenden und gesundheitsschädlichen Reiniger der Wassergefährdungsklasse 2 gehandelt. Dies habe der Angeklagte A auch gewusst. Entsprechend dieser Anweisung hätten die Angeklagten B und C dann am ... auf der Fahrt von Karlsruhe bis Duisburg das Deck des Tankmotorschiffes gereinigt, wobei der Reiniger in einem Mischungsverhältnis von 1:10 verdünnt gewesen sei.
Im Folgenden seien die Reste des Reinigers mittels eines Wasserschlauches von Deck über Bord in den Rhein gespritzt worden. Hierdurch sei der Rhein auf der Strecke von Karlsruhe nach Duisburg verunreinigt worden.
Noch an Deck befindliche Reste des Reinigers seien am ... durch den einsetzenden Regen losgespült worden und seien so in dem Hafen 1 der Firma BP in Gelsenkirchen in den Rhein-Herne-Kanal gelangt, wo das Tankmotorschiff »Joery P« zum Löschen festgemacht habe, und habe dort zwischen dem backbordseitigen Vorschiffsbereich des TMS und der schräg verlaufenden Spundwand das Gewässer in einem Ausmaß von 10 m2 verschmutzt.

III. Aufgrund der Beweisaufnahme sind die Angeklagten von dem Vorwurf der vorsätzlichen Gewässerverunreinigung freizusprechen.
Eine Gewässerverunreinigung liegt vor, wenn unbefugt ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigenschaften nachteilig verändert werden, wobei Größe und Tiefe des Gewässers, Wasserführung, Geschwindigkeit des fließenden Gewässers sowie Menge und Konzentration des eingeleiteten Stoffes beachtet werden müssen. Lediglich minimale Beeinträchtigungen eines Gewässers sind unbeachtlich (BGH, NSTZ 91, 282). Eine solche nachteilige Veränderung konnte hier nicht festgestellt werden.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Angeklagte A die beiden anderen Mitangeklagten anwies, das Deck im Laufe des ... mit dem Reiniger der Firma Henkel »P3-A« zu reinigen. Entsprechend dieser Anweisung verwendeten sie etwa 4 Eimer zu je 10 Liter und brachten in jedes etwa einen »Schuss« des Reinigers ein. Während der gesamten Putzaktion liefen zwei Schläuche, die normalerweise dazu benutzt werden, Ballastwasser aufzunehmen. Die Schläuche haben einen Durchsatz von etwa 60 Kubikmeter in der Stunde. Diese Schläuche liefen die ganze Zeit. Mit dem Wasser, es handelte sich hierbei um Rheinwasser, wurde der durch die Putzaktion entstandene Schaum in den Rhein gespritzt.
Die Angeklagten B und C haben über eine Strecke von 120 Stromkilometern - auf der Strecke von Bingen nach Dormagen- und einer Dauer von 8 Stunden etwa 4 Eimer, also insgesamt 40 Liter Putzwasser verwendet, in denen sich maximal 2,5 Liter Reiniger befanden. Demnach befanden sich etwa 6,25 % Reiniger in dem Putzwasser. Dies steht fest aufgrund der Tatsache, dass an Bord des Schiffes lediglich ein einziger Kanister des Reinigers gefunden wurde. Der Kanister umfasst 10 Liter, er war zu ¼ geleert. Es ist nicht nachweisbar, dass die Angeklagten mehr verwendet haben.
Das Putzwasser aus den Eimern wurde mit zwei Schläuchen, die jeweils einen Durchsatz von 60 m3/h haben, in den Rhein gespült. Bei einer solchen Verdünnung liegt eine Gewässerverunreinigung nicht vor.
Dies zum einen im Hinblick auf die Tatsache, dass nur eine geringe Menge von 2,5 Litern Reiniger auf eine Strecke von 120 Stromkilometern in den Rhein gelangt sind, so dass aufgrund der Größe des Gewässers und der Fließgeschwindigkeit nur von einer minimalen Beeinträchtigung auszugehen ist. Zum anderen ist auch im Hinblick auf die Konzentration des eingeleiteten Stoffes keine Gewässerverunreinigung gegeben. Nach dem Gutachten des Sachverständigen S, dessen Ausführungen sich das Gericht aus eigener Überzeugung anschließt, enthält der Reiniger als gefährliche Inhaltsstoffe 5 % Fettalkohol und 20 % Benzolsulfonsäure. Bei einer Verdünnung von 1+ 10 ergebe sich ein Gehalt von 0,45 % bzw. 1,8 % an Stoffen der Wasser- gefährdungsklasse 2. Somit ergebe sich ein Gesamtgehalt von 2,25 % an Stoffen der WGK 2. Dies führt nach Anhang 4 VwVws nur noch zu einer Einstufung in die WGK 1. Nach VwVws sind Gemische nicht wassergefährdend, wenn der Gehalt an Komponenten der WGK 2 geringer als 0,2 % ist.
Im Hinblick auf die Abspritzung des Decks mit den Schläuchen, die einen Durchsatz von 60 m3 in der Stunde haben, also 16 Liter/Sekunde, kann den Angeklagten nicht nachgewiesen werden, dass der aufgebrachte Reiniger, der einen Gesamtgehalt von 2,25 % an Stoffen der WGK 2 enthielt, nach dem Abspritzen noch über 0,2 % lag. Dies insbesondere deshalb, weil während der gesamten Putzaktion die Schläuche liefen und das Putzwasser somit weiter erheblich verdünnt wurde.
Auch von einem etwaigen Vorwurf einer Gewässerverunreinigung im Hafenbecken am ... im Rhein-Herne-Kanal waren die Angeklagten freizusprechen. Der Zeuge D bekundete, es habe kein Bezug zwischen der vorhandenen Gewässerverunreinigung im Hafenbecken zwischen Backbordwand und Spundwand und der glitschigen Spur auf Deck hergestellt werden können. Es bestand keine Veranlassung an der in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Aussage des Zeugen zu zweifeln. Ein Nachweis der Verursachung der Verunreinigung im Hafenbecken konnte zu Lasten der Angeklagten nicht erfolgen.  

 

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2011 - Nr.11 (Sammlung Seite 2153 f.); ZfB 2011, 2153 f.