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174 S - 7/85 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 18.04.1985
Aktenzeichen: 174 S - 7/85
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Bei einer nach dem deutschen Strafgesetzbuch als Vergehen ausgewiesenen Tat, wie z. B. einer umweltgefährdeten Abfallbeseitigung gemäß § 326 StGB, handelt es sich nicht um eine Rheinschiffahrtssache, die daher nicht von Rheinschiffahrtsgerichten entschieden werden kann.

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

Urteil

vom 18. April 1985

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 4. Januar 1984 - 4 Js 19994/82 - 19 Cs -)

Tatbestand:

Der Angeklagte war am 6.9.1982 als Ablöser verantwortlicher Schiffsführer des Motortankschiffes "B" (Heimatort Marktheidenfeld). Er befand sich als Ablöser 5 Tage an Bord des Fahrzeugs. Bei einer Kontrolle durch die Wasserschutzpolizei in Gernsheim soll sich im Ölabscheider des Schiffes auf einer Flüssigkeitsschicht eine 3,5 cm dicke Schicht Altöl befunden haben. Somit habe die Gefahr bestanden, dass bei einem etwaigen Lenzen der Maschinenraumbilge, womit bei einer Fahrt auf dem Rhein stets zu rechnen sei, das im Ölabscheider befindliche Öl in den Fluss gelangt und dabei eine erhebliche Wasserverunreinigung entstanden wäre.

Am 17. Februar 1983 erließ das Rheinschifffahrtsgericht Mainz auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen den Angeklagten einen Strafbefehl über eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je DM 60,- (DM 1.200,-) wegen fahrlässiger Lagerung von Abfällen, die nach Art, Beschaffenheit und Menge geeignet waren, nachhaltig ein Gewässer zu verunreinigen (Vergehen nach § 326 I Nr. 3, Abs. IV des deutschen Strafgesetzbuches).

Gegen diesen Strafbefehl legte der Angeklagte Einspruch ein. In der Hauptverhandlung am 4.1.1984 verurteilte das Rheinschifffahrtsgericht Mainz den Angeklagten wegen fahrlässiger umweltgefährdender Abfallbeseitigung unter Auferlegung der Auslagen des Verfahrens zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je DM 60,-.

Gegen dieses Urteil ließ der Angeklagte Berufung an die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt einlegen, wobei er die Zuständigkeit des Rheinschifffahrtsgerichts bestritt, da es sich um eine Binnenschifffahrtssache handle und außerdem in Abrede stellte, dass die im Urteil zugrunde gelegte Ölschicht in dem Ölabscheider gemessen wurde.
 
Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Angeklagten gegen das seinem Verteidiger ausweislich des schriftlichen Empfangsbekenntnisses am 13.2.1984 zugestellte Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 4.1.1984 ist form- und fristgerecht eingelegt, denn sie kam gemäß Artikel 37 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte innerhalb der Frist von 30 Tagen beim Gericht erster Instanz ein und wurde auch fristgerecht begründet.

II.

Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Mainz als Rheinschifffahrtsgericht für die Entscheidung der vorliegenden Strafsache ist nicht gegeben, da es sich bei dieser Strafsache nicht um eine Rheinschifffahrtssache im Sinne des Artikels 34 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte (Mannheimer Akte) handelt.

Wie die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt bereits früher ausgeführt hat, sind nach Artikel 34 der Mannheimer Akte die Rheinschifffahrtsgerichte in Strafsachen zuständig zur Untersuchung und Bestrafung aller Zuwiderhandlungen gegen die für den Rhein geltenden schifffahrts- und strompolizeilichen Vorschriften. Dieser in der Mannheimer Akte festgelegte Zuständigkeitsbereich der Rheinschifffahrtsgerichte kann von dem nationalen Gesetzgeber nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts einseitig weder erweitert noch eingeengt werden. Soweit deshalb der deutsche Gesetzgeber in § 14 Abs. 2 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen von Strafsachen spricht, bedeutet dies nicht eine Ausdehnung der Zuständigkeit der Rheinschifffahrtsgerichte auf die in der Bundesrepublik Deutschland nur noch als Strafsachen bezeichnete Verbrechen und Vergehen sondern stellt nur eine Wiedergabe des historisch gewachsenen Begriffs "Strafsache" dar, wie er in der Mannheimer Akte gebraucht ist. Dass von der Mannheimer Akte nur die früher als "Übertretungen bezeichneten jetzigen Bußgeldsachen, nicht aber auch Verbrechen und Vergehen erfasst werden sollen, ergibt sich schon aus Artikel 32 der Akte, der nur eine begrenzte Geldbusse vorsieht, während im Deutschen Strafgesetzbuch für die neuerdings der schifffahrtsgerichtlichen (nicht rheinschifffahrtsgerichtlichen) Zuständigkeit unterworfenen Straftaten, die in der Verletzung schifffahrtspolizeilicher Vorschriften ihren Schwerpunkt haben, Freiheitsstrafe oder unbegrenzte Geldstrafe angedroht werden; ferner aus Ziffer 8 des Schluss-Protokolles zur Mannheimer Akte, der folgenden Wortlaut hat : "Der Bevollmächtigte für Frankreich bemerkte, dass nach der Auffassung seiner Regierung durch die Bestimmung dieses Artikels (d.h. Art. 32) die Befugnis der Uferstaaten, Übertretungen polizeilicher Vorschriften, die in den gemeinsam erlassenen Verordnungen nicht erwähnt seien, unter Strafe zu stellen, nicht beschränkt werde. Die übrigen Bevollmächtigten erachteten diese Auffassung für zutreffend."

Die in der Anklage bezeichnete Tat ist nur zu sehen als eine umweltgefährdende Abfallbeseitigung gemäß § 326 des Deutschen Strafgesetzbuches, die dort als Vergehen ausgewiesen ist, für das auch bei fahrlässiger Begehung Freiheitsstrafe oder Geldstrafe angedroht ist. Sie fällt somit nicht unter den von der Mannheimer Akte festgelegten Zuständigkeitsbereich der Rheinschifffahrtsgerichte. Das Rheinschifffahrtsgericht Mainz hat deshalb ohne sachliche Zuständigkeit entschieden.

Das vom Rheinschifffahrtsgericht erlassene Urteil kann somit keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Die Festsetzung der dem Angeklagten zu erstattenden Kosten wird dem Rheinschifffahrtsgericht Mainz übertragen.

Es wird deshalb für Recht erkannt:

1. Das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 4.1.1984, Aktenzeichen 4 Js 19992/82-19 Cs-wird aufgehoben.

2. Die Festsetzung der dem Angeklagten für beide rheinschifffahrtsgerichtlichen Instanzen zu erstattenden Kosten wird dem Rheinschifffahrtsgericht Mainz übertragen.