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17 Z - 3/73 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 14.06.1973
Aktenzeichen: 17 Z - 3/73
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

Urteil

vom 14. Juni 1973

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 15. September 1972 -5C 166/71 BSch - )

Zum Tatbestand:

Die Klägerin -Berufungsklägerin und Berufungsbeklagte- ist Eignerin des Schubmotorschiffes "H" (Länge:   85 m; Breite:   9,50 m; Tragfähigkeit: 1386 tons; 1000 PS) sowie des Schubleichters "LAG 93" (Länge:   70 m; Breite: 9,50 m). Die Beklagte Ziffer 1 -Berufungsbeklagte und Berufungsklägerin- ist Eigentümerin des Küstenmotorschiffes "M" (Länge: 65 m; Breite: 10,30 m; Tragfähigkeit: 980 Ladetonnen (425,5 BRT); 1000 PS), das am Unfalltage von dem Beklagten Ziffer 2 verantwortlich geführt wurde. Am 28. Januar 1970 gegen 21,30 Uhr befand sich das leere MS "H" mit dem auf Backbordseite längsseits gekoppelten, ebenfalls leeren Leichter "L" auf dem Rhein oberhalb der Baerler Brücke bei Nachtdunkelheit aber guter Sicht auf Talfahrt. Zu Berg kam das mit 936 tons Roheisen beladene und 3,50 m tiefgehende KMS "M". Bei der Annäherung beider Fahrzeuge war das Revier oberhalb der Baerler Brücke wie folgt belegt: Auf der linken Fahrwasserseite bewegte sich im Brückenbereich ein Schleppzug, bestehend aus dem Schleppboot "F VIII" mit dem beladenen Schleppkahn "HE" im Anhang zu Berg. Dieser Schleppzug wurde auf seiner Backbordseite von dem KMS "M" überholt. Oberhalb des "F VIII"-Schleppzuges fuhr ebenfalls auf der linken Fahrwasserseite, und zwar im unteren Bereich des Schubleichterliegeplatzes (Rhein-km 783,000 - 784,000), das Schubboot "B I " mit einem vorgespannten Leichter zu Berg. Knapp oberhalb dieses "B I "-Schubverbandes, aber an der rechten Fahrwassergrenze, bewegte sich ein einzelnes Motorschiff bergwärts. Vor dem zu Tal kommenden Schubverband des leeren MS "H", bei dem der gleichfalls leere Leichter "L" auf Backbordseite angekoppelt war, fuhr ein einzelnes Schubboot zu Tal, das auf Höhe des Schubleichterliegeplatzes und noch oberhalb des zu Berg kommenden "B I "-Schubverbandes über backbord aufdrehte. Der Schubverband des MS "H" begegnete dem rechtsrheinisch einzeln zu Berg kommenden Motorschiff steuerbord über steuerbord, wobei auf beiden Fahrzeugen das Funkellicht eingeschaltet war. Etwa auf Höhe des "B I "-Verbandes wurde auf MS "H" das Funkellicht gelöscht. Schon vorher hatte sich der Schiffsführer des MS "H" über Sprechfunk mit dem Schiffsführer des SB "B I" darüber verständigt, dass die Begegnung dieser beiden Verbände backbord über backbord erfolgen solle. Bei diesem Funkgespräch wurde der Schiffsführer des MS "H" von der Führung des SB "Braunkohle 1" darauf hingewiesen, dass es in der Baerler Brücke wegen durchfahrender Schiffe sehr eng sei. Kurz darauf stieß einige hundert Meter oberhalb der Brücke der Schubverband des MS "H", und zwar der auf Backbordseite angekoppelte Leichter "L" mit dem in der Zwischenzeit nach backbord abgegangenen KMS "M" zusammen, wobei beide Fahrzeuge nicht unerheblich beschädigt wurden. Die Klägerin hat vor dem Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen:
Das KMS "M" sei zunächst linksrheinisch zu Berg gefahren, ohne das Funkellicht eingeschaltet zu haben. Dementsprechend habe man sich auf MS "H" auf eine Backbord- über Backbordbegegnung mit diesem Bergfahrer eingerichtet. Völlig überraschend sei jedoch auf eine Entfernung von etwa 400 m auf KMS "M" plötzlich das Funkellicht eingeschaltet und gleichzeitig Kurs nach backbord genommen worden. Auch auf MS "H" habe man daraufhin das Funkellicht eingeschaltet, jedoch sofort feststellen müssen, dass auf KMS "M" das Funkellicht inzwischen wieder gelöscht worden sei. Auch auf MS "H" habe man daraufhin das Funkellicht wieder ausgeschaltet und Steuerbordruder gegeben. Als die Fahrzeuge kaum auf neuen Kurs gekommen seien, sei auf KMS "M" wieder Funkellicht gezeigt worden. Daraufhin habe man auch auf MS "H" das Funkellicht wiederum eingeschaltet und Backbord-Ruder gegeben. Die Fahrzeuge hätten sich inzwischen jedoch so weitgehend genähert gehabt, dass ein Ausweichen nicht mehr möglich gewesen sei. Etwa in Strommitte sei dann der Zusammenstoss erfolgt.

Die Klägerin macht einen Schaden in Höhe von DM 12.049,92 geltend und hat vor dem Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin DM 12.049,92 nebst 4 %  Zinsen seit dem 28. Februar 1971 zu bezahlen, und zwar die Beklagte Ziffer 1 außer dinglich mit dem KMS "M" im Rahmen des § 114 BSchG auch persönlich haftend.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise ihnen nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden.

Die Beklagten haben zur Begründung ihres Antrags vorgebracht:

Das MS "M" habe sich von Anfang an weitgehend rechtsrheinisch gehalten und den rechten Brückenpfeiler der Baerler Brücke im Abstand von 20 bis 25 m passiert. Danach sei es so  weit nach backbord gegangen, dass der rechtsrheinische Brückenpfeiler etwa in Kiellinie hinter KMS "M" gelegen habe. Schon auf eine Entfernung von etwa 1000 m, als man den zu Tal kommenden Schubverband des MS "H" zum ersten Mal bemerkt habe, sei auf KMS "M" das Funkellicht eingeschaltet worden. Dieses Funkellicht sei ununterbrochen bis zum späteren Unfall in Tätigkeit gewesen. Obwohl für eine Steuerbord- über Steuerbordbegegnung genügend Raum zur Verfügung gestanden hat, sei von  dem Schubverband des MS "H" hart Steuerbordkurs genommen worden» Es habe ausgesehen, als ob der Schubverband aufdrehen wollte. Auf KMS "M" habe man sofort die Maschine gestoppt und auf rückwärts umgesteuert. KMS "M" habe dann in gestreckter Lage und ohne Vorausgang in einem Abstand von etwa 65 m vom rechten Ufer stillgelegen, als es von dem Schubverband und zwar mit dem backbordseitigen Schubleichter angefahren worden sei. Nach Vernehmung des Schiffsführers B. von SK "HE" als Zeuge  und nach Heranziehung der Akten des auf Antrag des Lotsen Br. von KMS "M" durchgeführten Verklarungsverfahrens, in dem außer dem Antragsteller und den Schiffsführern der beiden unfallbeteiligten Fahrzeuge (Lotse Br. von KMS "M", Schiffsführer S. von KMS "M", Schiffsführer N. von MS "H") noch Schiffsführer O. von SB "B I", Zweitschiffsführer H. von MS "H" und Maschinist Ma. von KMS "M" als Zeugen vernommen worden sind, hat das Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort am 15. September 1972 folgendes Urteil erlassen.