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167 B - 6/84 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 22.11.1984
Aktenzeichen: 167 B - 6/84
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Zum Beweiskraftmangel widersprechender Zeugenaussagen der Besatzungen von zwei an einer Kollision beteiligten Schiffen.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 22. November 1984

(Rheinschiffahrtsgericht Mainz)

Zum Tatbestand:

Bei einer Backbordbegegnung fuhr das dem Betroffenen gehörende und von ihm geführte MS M dem zu Tal fahrenden MS H bei Rhein-km 467,5 gegen 23.30 Uhr bei klarer, guter Sicht backbords in die Seite und beschädigte es erheblich.

Der Betroffene wurde wegen Falschsteuerung seines Schiffes und Verstoßes gegen §§ 6.03 Abs. 3 und 1.04 RhSchPolVO zu einer Geldbuße von 300,-- DM verurteilt. Das Amtsgericht stellte fest, daß der Zusammenstoß mit dem plötzlich nach Backbord ausscherenden Bergfahrer von MS H nicht mehr durch Herumreißen des Ruders habe verhindert werden können. Aus dem Eingeständnis des Betroffenen, daß ein Fehler im Rudersystem seines Schiffes nicht aufgetreten sei, sei ein Verschulden des Führers des MS M abzuleiten.

Der Betroffene hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, die zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zum Freispruch des Betroffenen durch die Berufungskammer der Rheinzentralkommission geführt hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

„....

Er (der Betroffene) sieht die Havarieursache darin, daß der Unfall sich in einer Stromkrümmung ereignet habe, in deren Hang das MS H gefallen sei. Dadurch sei es in den Kurs seines Schiffes geraten. Er habe zwar dessen Ruder nach Steuerbord gelegt, den Zusammenstoß dadurch aber nicht vermeiden können. Die Berufung ist formell nicht zu beanstanden. In der Sache hat sie aus den folgenden Gründen Erfolg:
Auch die Berufungskammer hält nicht für sicher, daß der Betroffene die Erklärung abgegeben hat, die automatische Ruderbedienung seines Schiffes habe versagt. Sie nimmt zur Kenntnis, daß er ein solches Versagen leugnet. Daraus kann aber mit dem Rheinschiffahrtsgericht nicht gefolgert werden, die Havarie sei die Folge eines Navigationsfehlers des Betroffenen. Es steht nämlich auch nicht fest, daß dessen Schiff vor der Kollision plötzlich auf das MS H zugefahren ist. Das ist lediglich die Behauptung der Besatzung dieses Schiffes, der diejenige des Betroffenen entgegensteht, MS H sei nach Backbord in den Hang gefallen und in den Kurs seines Schiffes geraten. Es kann nicht sicher festgestellt werden, welche der beiden Behauptungen richtig ist. Sie stammen alle von Personen, die an dem Ausgange des Verfahrens interessiert sind und können durch dieses Interesse beeinflußt sein. Deshalb ist bei ihrer Wertung Vorsicht geboten mit dem Ergebnis, daß eine der beiden Darstellungen nur dann als richtig angesehen werden kann, wenn sie durch andere Umstände zweifelfrei bestätigt wird. Eine solche Bestätigung fehlt im vorliegenden Falle. Die Beschädigungen des MS H lassen sichere Schlüsse auf die der Havarie voraufgegangenen Ereignisse nicht zu. Die Aussage des Zeugen K. betrifft nicht die zur Kollision führende Begegnung, sondern eine frühere, an der MS H beteiligt war. Von ihr aus sind keine Rückschlüsse auf den Kurs dieses Schiffes bei der umstrittenen Begegnung möglich. Die Verhängung einer Geldbuße gegen den Betroffenen ist aus den dargelegten Gründen nicht gerechtfertigt.
...“