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157 Z - 9/83 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 10.11.1983
Aktenzeichen: 157 Z - 9/83
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt

vom 10. November 1983

(Auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mannheim vom 25- November 1982 - C 5 /82 RhSch -)

Tatbestand:

Die Klägerin ist der Versicherer einer partie Mais, die sich an Bord des MS "V" befand, das am 14.2.80 abends gegen 20 Uhr nach einem Zusammenstoss mit dem MS "D" im nördlichen Vorhafen der Schleuse Marckolsheim gesunken ist. Die Klägerin hat den Wert des bei ihr versicherten Gutes ersetzt (13700.US Dollar + 4.510,20 SFr und verlangt nun Erstattung des von ihr gezahlten Betrages von den Beklagten, welche die Eigner des MS "D" sind. Die Beklagte zu 2) war außerdem zur Unfallzeit dessen Schiffsführer. Er hat nach Ansicht der Klägerin den Zusammenstoss schuldhaft herbeigeführt. Dieser ist aus der folgenden Situation heraus entstanden.
Das MS "D" und das TMS "N" waren am 14.2.80 gegen 20 Uhr in der Schleuse Marckolsheim talwärts geschleust worden. "N" verließ als erstes Schiff die Schleusenkammer, "D" folgte ihm. Es herrschte trotz der Dunkelheit gute Sicht.
Das MS "V" fuhr zu Berg auf die Schleusenkammer zu. Ihm folgte das TMS "G-G". Auf "V" brannte kein Funkellicht. Seine Führung wies also die Talfahrt auf einen Kurs zur Begegnung Backbord an Backbord. Diese verlief zwischen "V" und "N" glatt. Auf "D" brannte ebenfalls kein Funkellicht. Trotzdem wünschte seine Führung eine Begegnung mit "V" Steuerbord an Steuerbord. Darüber sprachen beide Schiffsführer über Sprechfunk. Beide Schiffe behielten aber ihre Kurse, die der verlangten beziehungsweise gewünschten Begegnung entsprachen, bei. Diese liefen aufeinander zu, sodass beide Schiffe zusammenstießen. Das MS "V" sank infolge des Zusammenstoßes und ging mit seiner aus Mais und Ananas-Konserven bestehenden Ladung verloren. Das MS "D" wurde beschädigt.
Die Klägerin wirft den Beklagten vor, der Beklagte zu 2) habe eine ihm gegebene Kursweisung nicht befolgt und dadurch den Schiffszusammenstoss herbeigeführt.
 
Die Beklagten werfen der Führung von "V" vor, unter Berücksichtigung der örtlichen Umstände keinen geeigneten Weg zur Vorbeifahrt freigelassen zu haben. Eine Begegnung Backbord an Backbord hätte nämlich den Beklagten zu 2) gezwungen, über einen rechtsrheinisch liegenden Grund zu fahren und die Gefahr auf sich zu nehmen, sein Schiff dort festzufahren oder zu beschädigen.

Es haben beantragt:

Die Klägerin,

die Beklagten zu verurteilen, und zwar außer dinglich haftend mit dem MS "D" im Rahmen des Binnenschifffahrtsgesetzes auch persönlich haftend, an die Klägerin 13.700 US Dollar und 4.510,25 SFr - evtl. die entsprechenden Beträge in Deutscher Mark nach dem am Zahlungstage gültigen Kurs - nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 1.5.1980 zu bezahlen.

Die Beklagten,

die Klage abzuweisen.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Verklarungsakten H 1/80 BSch des Schifffahrtsgerichts Mannheim beigezogen und sodann die Klage zu " einem Drittel dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die weitergehende Klage ist abgewiesen worden. Zur Begründung des Urteils ist ausgeführt worden.
Der Schiffsführer B. von "V" habe bei der Wahl seines Kurses die im Revier vorhandene, vom Wasserkraftwerk der Schleuse Marckolsheim ausgehende Querströmung nicht berücksichtigt, die zum badischen Ufer hin ziehe. "V" sei von dieser Strömung in den Kurs von "D" getragen worden. Die Führung von "V" habe also "D" unter Berücksichtigung der örtlichen Umstände keinen geeigneten Weg zur Vorbeifahrt freigelassen und dadurch gegen § 6.04 RSchPVO verstoßen.
Der Führung von "D" sei der folgende Verstoß gegen § 1.04 RSchPVO vorzuwerfen. Sie habe es versäumt, angesichts der entstehenden Kollisionsgefahr ihr Schiff nach Steuerbord abfallen zu lassen, was trotz eines rechtsrheinisch liegenden Grundes gefahrlos möglich gewesen wäre. Das Verschulden der Führung von "V" überwiege so sehr, dass die Klage nur zu 1/3 dem Grunde nach gerechtfertigt sei.
Beide Parteien haben gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Sie wiederholen ihren Vortrag aus dem ersten Rechtszuge und nehmen zu den Ausführungen des Rheinschifffahrtsgerichtes Stellung.

Es beantragen:

Die Klägerin,

die Klage im vollen Umfange dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagten,

die Klage in vollem Umfange abzuweisen und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
 

Entscheidungsgründe:

Beide Berufungen sind formell nicht zu beanstanden.
In der Sache hat diejenige der Klägerin Erfolg, während diejenige der Beklagten erfolglos ist.

Die Berufungskammer hat im Einzelnen erwogen:

1. Dem Rheinschifffahrtsgericht hat leider eine wichtige Erkenntnisgrundlage nicht zur Verfügung gestanden, denn es erwähnt sie mit keinem Wort. Es handelt sich dabei um die Akten der Brigade Fluviale de Neuf-Brisach. Sie enthalten Vernehmungsprotokolle derjenigen Personen, die den Ablauf der Ereignisse wahrgenommen haben. Die Vernehmungen sind teils am Unfallabend, teils am folgenden Morgen durchgeführt worden. Alle Vernommenen haben also die Ereignisse aus frischer Erinnerung geschildert.
Es ist unstreitig, dass das MS "V" als Bergfahrer dem zu Tal fahrenden MS "D" Kurs zur Begegnung Backbord an Backbord gewiesen hat. Die Berufungskammer hält als erwiesen, dass demgegenüber der Führer des MS "D" eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord wünschte, weil er be¬fürchtete, bei einer Backbordbegegnung zu nahe an einem an der rechts¬rheinischen Seite (in Stromrichtung) des bergwärts liegenden Vorhafens der. Schleuse Markolsheim liegenden "Grund" zu geraten und dort mit seinem beladenen Schiff Schwierigkeiten zu bekommen. Die erwähnten Protokolle zeigen, dass der Schiffsführer von "D" versucht hat, die von ihm gewünschte Begegnung durch die Beibehaltung seines darauf angelegten Kurses zu erzwingen. In diesem Verstoß gegen § 6.04 RSchPVO liegt nach Ansicht der Berufungskammer die alleinige Ursache der Havarie, über deren Folgen zu befinden ist. Nach dieser Norm bestimmt der Bergfahrer die Art der Begegnung. Der Talfahrer muss dieser Bestimmung gemäß fahren. Tut er das nicht, so wird er von einer Verantwortung für einen mit seinem Verhalten zusammenhängenden Unfall nur frei, wenn er beweist dass ihm kein geeigneter Weg zur Vorbeifahrt gelassen wurde. Dieser Beweis ist nicht geführt worden.

2. Diese Feststellung wird wie folgt begründet Erhellend ist in diesem Zusammenhange ein Gespräch, dass zwischen den Führern der später zusammengestoßenen Schiffe kurze Zeit vor dem Zusammenstoss über Sprechfunk geführt worden ist. Es hat nach der Aussage des Schiffsführers Herrmann vom TMS "N", welches unmittelbar vor dem MS "D" die Schleusen verlassen hatte und anschließend dem MS "V" glatt Backbord an Backbord begegnet war, den folgenden Verlauf genommen:
Frage des Führers von "D" an den Führer von "V" "Was machst du da?"
Antwort: "Du hast genug Platz zur Vorbeifahrt".
Entgegnung von "D": "Du siehst doch gut, dass ich dort nicht vorbeifahren kann; es gibt Strömung und an der rechten Seite ist nicht genug Wasser."
Etwas später von "D":  "Man macht Steuerbord-Steuerbord."

Das gleiche Gespräch hat der Zeuge Be., der Schiffsführer des TMS "G-G", das hinter "V" zu Berg fuhr, wie folgt geschildert:
 
Der Führer von "V" hat denjenigen von "D" gefragt, was er machen wolle. Dieser hat erwidert:
"Ich muss nach links halten, denn ich brauche 2,80 m Wassertiefe um nicht zu riskieren, mich mit der Sandbank der Insel festzufahren."
Darauf hat der Führer von "V" geantwortet:
"Ich versuche nach Backbord zu halten:" Daraufhin sagte der Führer von "D:
"Mein Gott, muss das denn so sein; das wird nicht gehen."

Beide Aussagen unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt. Nach derjenigen des Zeugen Be. hat der Schiffsführer von "V" seinen Kollegen von "D" schließlich den Versuch einer Begegnung Steuerbord an Steuerbord durch die Erklärung zugesagt, er werde versuchen, nach Backbord zu halten. Das ist geschehen, nachdem der Schiffsführer von "D" die mit einer anderen Begegnung für ihn verbundenen Schwierigkeiten geschildert hatte. Die Berufungskammer ist aber davon überzeugt, dass eine solche Erklärung von "V" nicht abgegeben worden ist. Dafür spricht einmal die Aussage des Zeugen Be. selbst. Die angebliche Erklärung des Führers von "V" passt nämlich nicht zu der Antwort, die man auf "D" darauf gegeben haben soll. Es ist nicht verständlich, warum man sich dort über die Zusage, nach Backbord zu halten, durch die Erklärung beschwerte, ob das denn so sein müsse, das werde nicht gehen. Der angekündigte Versuch entsprach ja dem Wunsche der Führung von "D" über die Art der Begegnung. Die Beschwerde wäre nur zu verstehen, wenn einer Kurs¬verlegung nach Steuerbord angekündigt worden wäre.
Weiter ist zu beachten, dass außer dem Zeugen Be. niemand die erörterte Erklärung der Führung von "V" gehört hat, insbesondere nicht der Schiffsführer von "D". Dieser hätte sie nach der Überzeugung der Berufungskammer aber nicht überhört, wenn sie gegeben worden wäre, denn sie war für: ihn besonders wichtig und vor allem die unmittelbare Antwort auf seinen Wunsch nach einer Begegnung Steuerbord an Steuerbord. Gerade der letzte Umstand schließt ihr Überhören aus. Hinzu kommt, dass nach der Aussage des Schiffsführers E. von "D" auch der Kurs von "V" der erörterten Erklärung nicht entsprochen hat. Er hat nämlich gesagt, "V" habe bei der Annäherung seinen Kurs beibehalten, wenn das Schiff dabei auch teils ein wenig nach Backbord, teils ein wenig nach Steuerbord abgewichen sei. Der generelle Kurs sei aber der gleiche geblieben. Wenn die von ihm geschilderten kleinen Abweichungen von diesem Kurs den Schiffsführer von "D" zu der Frage veranlasst haben : "Steuerbord-Steuerbord oder Backbord-Backbord", so ist diese Frage nicht verständlich, denn der Generalkurs von "V" in Verbindung mit der unstreitigen Tatsache, dass auf diesem Schiff kein Funkellicht leuchtete, zeigte, dass eine Begegnung Backbord an Backbord verlangt wurde. Auch diese Frage spricht deshalb für das Beharren des Schiffsführers von "D" auf der von ihm gewünschten Begegnung Steuerbord an Steuerbord. Dafür sprechen auch alle anderen Aussagen vor der Brigade fluviale de Neuf-Brisach, wenn man die erörterte Erklärung des Zeugen Be. als nicht bewiesen ansieht. Sie sind dann ganz einheitlich und können dahin zusammengefasst werden, dass die Führung von "D" auf eine Steuerbordbegegnung drängte, die man auf "V" ablehnte, weil eine Backbordbegegnung möglich sei.
 

3. Die Berufungskammer bemerkt der Vollständigkeit halber, dass die Aussagen der im Verklarungsverfahren vom Schifffahrtsgericht Mannheim vernommenen Personen das gleiche Bild vermitteln. Soweit hier Personen vernommen worden sind, die auch vor der Brigade fluviale de Neuf Brisach ausgesagt haben, stimmen die Erklärungen inhaltlich überein mit dem Unterschiede, dass der gleiche Sachverhalt, vor allem das entscheidende Gespräch über Sprechfunk, vor der Brigade fluviale wesentlich bestimmter und präziser als im Verklarungsverfahren geschildert worden ist. Hier hat sich die frische Erinnerung an die Ereignisse ausgewirkt, während im Zeitpunkt des Verklarungsverfahrens, obschon auch dieses kurze Zeit nach dem Unfall durchgeführt worden ist, die Erinnerung weniger frisch war. Die in diesem Verfahren zusätzlich gehörten Zeugen haben keine neuen Beobachtungen aussagen können. Die Zeugin Frau B. wusste über den Verlauf der Ereignisse nichts. Der Zeuge K., Matrose auf "D", hat etwa dieselbe Erklärung wie sein Schiffsführer abgegeben. Sie ist, was die Entscheidenden Ereignisse angeht, wenig präzise.

4. Das Rheinschifffahrtsgericht ist der Ansicht, der Schiffsführer von "V" habe entgegen § 6.04 RSchPVO dem Talfahrer "D" unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse keinen geeigneten Weg zur Vorbeifahrt freigelassen. Er habe bei der Festlegung seines Kurses die vom mit der Schleuse Marckolsheim verbundenen Wasserkraftwerk ausgehende Strömung nicht berücksichtigt und sei deshalb von ihr in die Kurslinie von "D" getragen worden. Diese Ansicht kann die Berufungskammer nicht übernehmen.
Das Rheinschifffahrtsgericht begründet sie einmal mit der unstreitigen Tatsache, dass der Kurs des MS "V" nicht so nahe am linksrheinischen (französischen) Ufer lag wie der des ihm folgenden TMS "G-G". Dieser Umstand zwingt aber nicht zu dem Schluss, dem MS "D" sei kein geeigneter Weg zur Vorbeifahrt an "V" geblieben. Die unterschiedlichen Kurslinien der beiden Bergfahrer schließen nicht aus, dass die Talfahrt sie beide gefahrlos an der Backbordseite passieren konnte. Das zeigt auch die Aussage des Schiffsführers Be. von "G-G" im Verklarungsverfahren. Sie enthält nach Ansicht der Berufungskammer nichts, was die Feststellung tragen könnte, "V" habe "D" keinen geeigneten Weg zur Vorbeifahrt an seiner Backbordseite gelassen. Der Zeuge hat im Gegenteil den Kurs von "V" mit der Erklärung gerechtfertigt "Der Eine fährt eben weiter drüben und der Andere etwas weiter rüber". Auch die von ihm gefertigte und bei seiner Vernehmung im Verklarungsverfahren vorgelegte Skizze ergibt nicht, dass "D" "V" nicht gefahrlos an der Backbordseite passieren konnte. Sie zeigt lediglich, dass die Kurse beider Schiffe direkt aufeinander zuliefen. Das wiederum war aber die Folge des bereits festgestellten Tatsache, dass "D" entgegen der ihm erteilten Kursweisung auf einer Begegnung Steuerbord an Steuerbord bestand und einen entsprechenden Kurs fuhr.
Seine oben genannte Ansicht stützt das Rheinschifffahrtsgericht weiter auf die Erklärung des Zeugen Be. im Verklarungsverfahren, für ihn habe es so ausgesehen; als sei "V" durch die vom Kraftwerk ausgehende Querströmung zum badischen Ufer hin versetzt worden. Diese Erklärung hat aber nicht die besondere Bedeutung, welche das Rheinschifffahrtsgericht ihr beigemessen hat. Sie gibt nur einen flüchtigen Eindruck wieder, den der Zeuge in der Dunkelheit, in welcher die Ereignisse abliefen, gewonnen hatte, und den er nicht begründen konnte. Ein solcher Eindruck allein kann keine Grundlage von Feststellungen sein.
Die Kollisionsstelle und der Winkel, in dem die beiden Schiffe zusammen-gestoßen sind, sind auch nach der Ansicht des Rheinschifffahrtsgerichtes nicht sicher feststellbar. Schon deshalb ist aus beiden Faktoren keine Schlussfolgerung auf den Weg möglich, den der Kurs von "V" dem Talfahrer "D" ließ.

5. Solche Schlussfolgerungen können dagegen aus dem Schlussbericht der Brigade fluviale de Neuf-Brisach vom 26.2.80 gezogen werden. Er enthält die folgenden Feststellungen:

a) Es sei keineswegs notwendig, völlig linksrheinisch zu fahren, um den Grund (haut-fond) der Rheininsel zu vermeiden.

b) Die Brigade fluviale habe dort auf 25 m Entfernung vom Ufer -  mit einer Sonde eine Wassertiefe von 3,10 m festgestellt, wobei der kritischste Punkt bei 2,90 m gelegen habe.

c) Zwei Schiffe könnten sich sowohl im Schleusenvorhafen, als auch im anschließenden zum Rhein hinführenden Kanal mit einem Zwischenraum von 10 m begegnen.

d) Häufig wählten zu Tal fahrende Schiffe beim Verlassen der Schleuse Marckolsheim den Weg am linken Ufer,  um die vom Wasserkraftwerk kommende Strömung zu benutzen, allerdings nur, wenn die Bergfahrer ihnen eine Steuerbordbegegnung zugestanden hätten.
Diese Feststellungen zeigen, dass die vom MS "V" gewiesene Begegnung Backbord an Backbord möglich war. Die Furcht der Führung des MS "D", bei einer solchen Begegnung Schwierigkeiten in der Nähe eines rechtsrheinisch liegenden Grundes zu bekommen, war völlig unbegründet, denn das Schiff war auf 2,52 m abgeladen und am kritischsten Punkt des Grundes war 2,90 m Wasser.
Wenn die Führung von "D" auf eine Steuerbordbegegnung drängte, einen entsprechenden Kurs fuhr und auf den Schiffsführer von "V" einsprach, die gewünschte Begegnung zu bewilligen, so geschah das deshalb weil eine Steuerbordbegegnung für sie bequemer, nicht aber, weil eine Backbordbegegnung wegen Fehlens eines geeigneten Weges unmöglich war.

6. In diesem Zusammenhange ist auch zu beachten, dass das TMS "N", das unmittelbar vor "D" die Schleuse Marckolsheim zur Fortsetzung der Talfahrt verlassen hatte, dem MS "V" glatt Backbord an Backbord begegnet ist. Allerdings war dieses Schiff leer und brauchte deshalb den genannten Grund weniger zu fürchten als das beladene MS "D". Die glatte Begegnung "V - N" zeigt aber trotzdem, dass generell für eine Backbordbegegnung hinreichend Raum war. Ihr konnte, wie bereits
dargelegt, auch "D" voll nützen, da ihm trotz seiner Abladung der erwähnte Grund nicht gefährlich werden konnte. Das Schiff konnte sogar nach der Havarie noch über Backbord aufdrehen. Dabei musste zumindest sein besonders tief liegendes Heck über den genannten Grund fahren, wobei es diesen nur so leicht berührte, dass das Aufdrehmanöver nicht beeinträchtigt wurde. Schließlich weist die Berufungskammer darauf hin, dass auch das Rheinschifffahrtsgericht dem Schiffsführer von "D" vorgeworfen hat, nach erkennen der Kollisionsgefahr nicht weiter zum rechtsrheinischen Ufer hin ausgewichen zu sein, was gefahrlos möglich gewesen sei. War aber dieses Manöver angesichts der Kollisionsgefahr glatt möglich, so kann die Lage vor dem Eintritt der Unfallgefahr keine andere gewesen sein, denn diese Gefahr veränderte den Raum für eine Backbordbegegnung nicht. Die erörterte Feststellung des Rheinschifffahrtsgerichtes schließt also dessen weitere, die Führung von "V" habe "D" keinen geeigneten Raum für eine Begegnung Backbord an Backbord gelassen, aus.

7. Zusammenfassend stellt die Berufungskammer fest:

Die alleinige Ursache der umstrittenen Havarie liegt darin, dass die Führung des MS "D" entgegen ihrer durch § 6.04 RSchPVO begründeten Pflicht die Weisung des MS "V", ihm an seiner Backbordseite zu begegnen, missachtet hat. Die vom Bergfahrer verlangte Begegnung war möglich, da hinreichend Raum dafür vorhanden war. Die Führung von "D" wollte/aber die für sie einfachere Begegnung an der Steuerbordseite von "V". Sie hat versucht, diese Begegnung dadurch zu erzwingen, dass sie den darauf angelegten Kurs ihres Schiffes beibehielt und außerdem über Sprechfunk die Führung von "V" zu veranlassen versuchte, darauf einzugehen. So kam es, dass die Kurse beider Schiffe aufeinander zuliefen und ein Zusammenstoss erfolgte. Die Führung von "V" durfte darauf vertrauen, dass ihre ordnungsgemäße Kursweisung, deren Änderung sie über Sprechfunk abgelehnt hatte, befolgt würde und deshalb den der Kursweisung entsprechenden Kurs ihres Schiffes beibehalten.
Was die Höhe der geltend gemachten Forderungen angeht, bemerkt die Berufungskammer, dass im Verfahren über den Grund keine Notwendigkeit besteht, dazu Stellung zu nehmen, ob mit Rücksicht auf die eingeschränkte Haftung nach dem Binnenschifffahrtsgesetz alle Forderungen begründet sind. Darüber wird im Verfahren über die Höhe zu befinden sein.

Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:

1) Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.11.1982 verkündete Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mannheim wird zurückgewiesen.

2) Auf die Berufung der Klägerin wird das genannte Urteil dahin abgeändert, dass die Klage im vollen Umfange dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt wird mit der Maßgabe, dass die Beklagten sowohl dinglich mit dem MS "D" als auch persönlich im Rahmen des Binnenschifffahrtsgesetzes haften.

3) Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

4) Zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Anspruchs und über die Kosten der I. Instanz wird der Rechtsstreit an das Rheinschifffahrtsgericht Mannheim zurückverwiesen.

5) Es setzt auch die Kosten des Berufungsverfahrens unter Berücksichtigung des Artikels 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte fest.

Der Stellvertretende Gerichtskanzler:                                               Der Vorsitzende:
 
(gez.) A. BOUR                                                                               (gez.) MISCHLICH