Rechtsprechungsdatenbank
Leitsatz:
Bei Schiffsansammlungen infolge einer Schiffahrtssperre darf die Weiterreise nicht vor Freigabe durch die Wasserschutzpolizei angetreten werden. Ein Schiffsführer, der im Falle einer vorübergehenden Schiffahrtssperre auf polizeiliche Anordnungen warten muß, aber sein Sprechfunkgerät abschaltet oder so leise einstellt, daß er nichts hört, handelt fahrlässig und verstößt gegen die Vorschrift des § 1.19 RhSchPoIVO.
Urteil der Berufungsskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 24. März 1982
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Sachverhalt:
Der Betroffene mußte mit seinem, von ihm selbst geführten MS bei Rhein-km 767,5 wegen einer Schiffahrtssperre vorübergehend stilliegen. Ohne Freigabe durch die Wasserschutzpolizei begann er nach zweistündiger Wartezeit mit dem Wenden zu Tal zwecks Fortsetzung der Reise. Die polizeiliche Aufforderung, das Manöver abzubrechen und das Schiff wieder stillzulegen, beachtete er nicht, was er mit der Befürchtung begründete, daß andere Schiffe ebenso zu Tal wenden und dabei auf Kollisionskurs mit seinem Schiff kommen würden, wenn dessen Manöver abgebrochen werde.
Gegen den darauf gegen ihn erlassenen Bußgeldbescheid über 100,- DM erhob er Einspruch, der jedoch vom Rheinschiffahrtsgericht abschlägig beschieden wurde. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung wurde von der Berufungskammer der Rheinzentralkommission zurückgewiesen.
Aus den Gründen:
Die Einlassung des Betroffenen, mit der er seinen objektiv gegebenen Verstoß gegen § 1.19 RSchPVO rechtfertigen oder entschuldigen will, muß in vollem Umfange als nicht glaubwürdig zurückgewiesen werden. Es ist jedem Rheinschiffer bekannt, daß Schiffsansammlungen, die mit einer vorübergehenden Sperrung des Stromes für den durchgehenden Verkehr notwendigerweise verbunden sind, von der Strompolizei in den Uferstaaten dadurch nach Aufhebung der Sperre aufgelöst werden, daß nacheinander jedem einzelnen Schiff die Weiterreise freigegeben wird. Diese Freigabe kann über Kanal 10, über Megaphon oder dadurch erfolgen, daß ein Polizeiboot an das betreffende Schiff heranfährt und dabei die entsprechende Erklärung abgegeben wird. Nur so kann verhindert werden, daß nach Aufhebung der Stromsperre die stilliegenden Schiff? in dem Bestreben nach möglichst schneller Fortsetzung der Fahrt fast gleichzeitig aufbrechen, und daß dabei eine unfallträchtige Unordnung entsteht. Dem Betroffenen kann nicht entgangen sein, daß sich ein Polizeiboot in der Nähe seines Liegeplatzes befand. Die Aufgabe seiner Besatzung konnte erkennbar nur darin bestehen, eine geordnete Unterbrechung der Fahrt während der Stromsperre und ihre geordnete Wiederaufnahme nach deren Aufhebung zu gewährleisten. Schon die geschilderten Umstände mußten dem Betroffenen sagen, daß er seine Fahrt nur nach Freigabe durch die Wasserschutzpolizei fortsetzen durfte, weil dies die ständige Regelung war. Hinzu kommt, daß nach den Aussagen der Polizeibeamten G. und K. die Regelung im konkreten Fall so angeordnet worden war. Wenn der Betroffene nichts davon gehört hat, so lag das daran, daß er sein Sprechfunkgerät abgeschaltet hatte beziehungsweise daß seine Ehefrau es so leise eingestellt hatte, daß sie nichts hören konnte. Das war angesichts einer Situation, in der auf polizeiliche Anordnungen gewartet werden mußte, eine Fahrlässigkeit, auf die der Betroffene sich nicht zu seiner Entlastung berufen kann. Schon diese Begründung reicht aus, um den Verstoß gegen § 1.19 RSchPVO festzustellen.
Außerdem kann dem Betroffenen auch die Erklärung nicht abgenommen werden, er habe der Aufforderung der Wasserschutzpolizei, sein Wendemanöver abzubrechen, nicht folgen können. Zur Begründung argumentiert er nämlich nicht mit einer wirklich gegebenen, sondern mit einer von ihm unterstellten Gefahr. Sie soll darin bestanden haben, daß auch andere stilliegende Schiffe mit dem Wenden zu Tal hätten beginnen und dabei auf Kollisionskurs mit einem das gleiche Manöver abbrechenden Schiff hätten kommen können. In Wirklichkeit hat kein einziges Schiff außer demjenigen des Betroffenen versucht, ohne polizeiliche Freigabe die Weiterfahrt anzutreten. Der Betroffene hätte also sein Wendemanöver gefahrlos abbrechen können.
...“