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138 P - 13/81 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 03.11.1981
Aktenzeichen: 138 P - 13/81
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: Art. 6.3 EMRK
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Nach Art. 6.3a) der Europäischen Menschenrechtskonvention hat jeder Beschuldigte das Recht, in einer für ihn verständlichen Sprache über Art und Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für Rheinschiffahrt

vom 3. November 1981

(Auf Berufung gegen das Versäumnisurteil des Rheinschiffahrtsgerichts Strassburg vom 27. Oktober 1980 -1E1891/80 -)

I. Tatbestand:

Der Berufungskläger wird beschuldigt, in Verletzung von § 1.15 Absatz 3 RhSchPVO einer Zuwiderhandlung gegen Art. 32 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte, am 21. September 1979 im Petroleumhafen Strassburg, jedenfalls im Zuständigkeitsbereich des Rheinschiffahrtsgerichts Strassburg, Oelrückstände jeder Art, auch wenn sie mit Wasser vermischt waren, in die Wasserstrasse geworfen, gegossen oder sonst wie eingeleitet zu haben. Mit Zustellung vom 11. Juli 1980, (mit der die Anklage verbunden war), die in französischer Sprache abgefasst war und am 6. August 1980 in seinem Wohnsitz (Bundesrepublik Deutschland) über seine Mutter bewirkt wurde, erhielt er eine Vorladung zur Verhandlung am 27. Oktober 1980 beim Rheinschifffahrtsgericht Strassburg. Mit Versäumnisurteil hat das Rheinschiffahrtsgericht Strassburg den Beschuldigten Berufungskläger der des vorgenannten Verstosses für schuldig befunden wurde zu einer Geldbusse von 1000 Francs und zu sämtlichen Gerichtskosten verurteilt und eine Mindesthaftstrafe verhängt.

Dieses Urteil wurde am 16. Dezember 1980 mittels Zustellungsurkunde an Personen ohne bekannten Wohnsitz in Frankreich durch einfache Übergabe einer Kopie dieser Urkunde und des Urteils an den Staatsanwalt des Obergerichts Strassburg zugestellt.

Durch Antrag vom 31. März 1981, der dem Rheinschiffahrtsgericht Strassburg und dem Staatsanwalt durch Zustellungsurkunde vom 2. April 1981 zugestellt wurde, hat der Beschuldigte-Berufungskläger Berufung gegen dieses Urteil eingelegt.
 
Diese Anträge enthalten die ausdrückliche Erklärung, dass die Berufung bei der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt in Strassburg eingelegt wird, sowie den einzigen Berufungsgrund, nämlich die Ungültigkeit des Urteils vom 27. Oktober 1980, weil der Beschuldigte-Berufungskläger nicht ordnungsgemäss zur Verhandlung vom 27. Oktober 1980 geladen worden sei, denn die Vorladung vom 11. August 1980 sei gemäss der Europäischem Menschenrechtskonvention in einer für ihn verständlichen Sprache bewirkt worden, so dass der Beschuldigte-Berufungskläger der nicht über die gegen ihn erhobene Beschuldigung in Kenntnis gesetzt war, nicht bei der Verhandlung erschienen sei.

Mit Antrag vom 15. Mai 1981 erklärte der Staatsanwalt, dass er der Zentralkommission die Entscheidung überlassen wolle.

II. Entscheidungsgründe:

1. -   Die Berufung ist formgerecht eingelegt worden und somit zulässig!
2. -   Die Berufung ist begründet.

Unbestritten ist, dass die am 6. August 1980 durch Urkunde vom 11. Juli 1980 bewirkte Vorladung im Wohnsitz des Beschuldigten-Berufungsklägers in französischer Sprache ohne deutsche Übersetzung abgefasst war.

Der Beschuldigte-Berufungskläger, der deutscher Staatsangehörigkeit ist, behauptet, die französische Sprache nicht zu verstehen, und der Staatsanwalt ist nicht in der Lage,den Gegenbeweis zu erbringen. Art. 6.3 a) der Europäischen Menschenrechtskonvention bestimmt, dass jeder Angeklagte das Recht hat, in möglichst kurzer Frist in einer für ihn verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden.

Die Berufungskammer hat diese Regel in ständiger Rechtsprechung mehrmals angewandt (Urteile vom 24. Januar 1979 in den Sachen LASCH 106 p-9/79., POTTMANN 107 P-10/79 und WINTER 101 P-8/79 vom 24.1.79.).

Im vorliegenden Fall ist Art, 6.3 a) der Menschenrechtskonvention nicht eingehalten worden, denn der Beschuldigte-Berufungskläger ist nicht in einer für ihn verständlichen Sprache über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt worden.

Das in Verstoss gegen die genannte Konvention gefällte und mit Berufung belegte Versäumnisurteil ist somit aufzuheben.
 
- erklärt die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt die Berufung des Beschuldigten E., O. für zulässig,

- erklärt sie für begründet,

- hebt das Versäumnisurteil des Rheinschiffahrtsgerichts Strassburg vom 27. Oktober 1980 auf,

- erklärt, dass die Feststellung der Kosten für das Berufungsverfahren gemäss Art. 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte durch das Rheinschiffahrtsgericht STRASSBURG erfolgt.