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128 B - 5/81 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 26.05.1981
Aktenzeichen: 128 B - 5/81
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: § 10.01 Nr. 1 a RSchPVO
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 26. Mai 1981

(Auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mainz vom 1. Oktober 1980 - 11 Js 6207/80 - 19 OWi -)

Zum Tatbestand:

Das vom Betroffenen geführte MS "H" fuhr am 12. Februar 1980 gegen 15.20 Uhr auf der Höhe von Mainz zu Berg. Der Wasserstand des Rheins überstieg die Hochwassermarke I bei einem Stand des Mainzer Pegels von 545 cm. Das Schiff des Betroffenen fuhr ausserhalb des mittleren Stromdrittels und passierte die Eisenbahnbrücke Mainz-Nord unter dem linksrheinischen Brückenbogen in einem Abstand von etwa 60 m vom linken Rheinufer. Aus diesem Anlass erging gegen den Betroffenen ein Bussgeldbescheid über DM 104,-  wegen eines Verstosses gegen § 10.01 Nr. 1 a RSchPVO, der die Bergfahrt zwischen Basel und der Spyck'schen Fähre anweist, sich bei Hochwasserständen zwischen den Marken I und 11 im mittleren Stromdrittel zu hallten. Der Betroffene hat Einspruch eingelegt, der dazu führte, dass die Geldbusse durch Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mainz vom 1.10.1980 auf DM 150,-erhöht wurde. Die Entscheidung stützt sich auf die Aussagen der Beamten der Wasserschutzpolizei L. und He. und verwirft die ihnen entgegenstehende Bekundung des Matrosen R. vom MS "H" mit der Begründung, er habe sich in dem Bestreben, den Betroffenen zu  entlasten, in Widersprüche verwickelt und  schliesslich keine genauen Angaben machen können. Der Betroffene hat Berufung bei der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt eingelegt. Er behauptet, sich in Höhe von Wiesbaden-Bichrich unter Deck begeben zu haben, um das Schiffstagebuch zu führen und die Toilette aufzusuchen. Das Ruder habe er dem Matrosen R. mit dem ausdrücklichen Hinweis übergeben, die bei Hochwasser geltenden Fahrregeln zu beachten. Der Matrose habe diese Weisung nicht befolgt. Als er schliesslich ihn, den Betroffenen, an Deck geschellt habe, sei eine Korrektur des falschen Kurses nicht mehr möglich gewesen. Ihn treffe kein Verschulden.

Die Berufung ist formell nicht zu beanstanden, obschon die für ihre Begründung durch Art. 37 §3 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte festgesetzte Frist von 4 Wochen nach erfolgter Berufung nicht gewahrt ist. Dieser Mangel beruht nämlich auf Umständen, die der Betroffene bzw. sein Verteidiger nicht zu vertreten haben. Nach den Akten ist der Tenor des Urteils des Rheinschiffahrtsgerichts in der Sitzung vom 1.10.1980 verkündet worden. Die Berufung konnte deshalb, wie geschehen, durch Schriftsatz vom 2.10.1980 eingelegt werden.

Ihre Begründung war erst möglich, nachdem die Begründung des Urteils vorlag. Das war aber erst am 3.11.1980 der Fall, da an diesem Tag das begründete Urteil, das am 22.10.1980 zur Geschäftsstelle des Rheinschiffahrtsgerichtes gelangt war, dem Verteidiger des Betroffenen zugestellt worden ist. Dieser hat noch am 3.11.1980 die Berufungsbegründung abgesandt, die am 5.11.1980 bei dem Rheinschiffahrtsgericht eintraf. Das war so früh wie nach den Umständen möglich.

In der Sache hat die Berufungskammer die vom Rheinschiffahrtsgericht durchgeführte Beweisaufnahme teilweise dadurch wiederholt, dass sie die Zeugen He. und L. gehört hat. Sie ist aufgrund dieser Vernehmung zu der Ansicht gekommen, dass der Betroffene aus den folgenden Gründe freizusprechen ist.

Er hat sich stets mit dem Argument verteidigt, von seinem das Steuer des Schiffes führenden Matrosen erst so spät ins Ruderhaus geschellt worden zu sein,dass er den falschen Kurs seines Schiffes nicht mehr habe verändern können. Die Berufungskammer muss von der Richtigkeit dieser Einlassung ausgehen, da sie durch die Aussagen der von ihr gehörten Zeugen nicht widerlegt wird. Die Zeugen haben die Frage, wie weit das Schiff des Betroffenen, von der Eisenbahnbrücke Mainz-Nord entfernt war, als ihre Beobachtungen begannen, unterschiedlich beantwortet. Der Zeuge He. hat die Entfernung auf 400-500 m geschätzt, während die Schätzung des Zeugen L., der das Boot der Wasserschutzpolizei führte, bei etwa 200 m  liegt. Zugungsten des Betroffenen muss von der Richtigkeit dieser letzten Schätzung ausgegangen werden.

Das bedeutet,der Entscheidung ist die Feststellung zugrunde zu legen, dass der Betroffene erst ins Ruderhaus kam als sein Schiff etwa 200 m von der Eisenbahnbrücke entfernt war, denn früher ist er dort mit Sicherheit nicht gesehen worden. Auf eine solche Entfernung konnte aber der Kurs seines Schiffes, der nach den Aussagen der von der Berufungskammer gehörten Zeugen eindeutig auf das linksrheinische Brückenjoch und nicht nur auf dessen Strompfeiler gerichtet war, nicht mehr in das mittlere Brückenjoch verlegt werden. Ein solcher Versuch des Betroffenen hätte dessen Schiff, fast in einer Querlage gebracht und fast in voller Breite der Wirkung der Strömung ausgesetzt. Das hätte dazu führen können, dass es nicht steuerbar gewesen und deshalb verfallen wäre. Einer solchen Gefahr dürfte es nicht ausgesetzt werden Die Berufungskammer bemerkt, dass ihrer Ansicht nach die gleiche Gefahr bestanden, hätte, wenn das Schiff, als der Betroffene ins Ruderhaus kam, etwa 300 m von der Brücke entfernt gewesen wäre, wie man aus der Aussage des Zeugen He.  entnehmen könnte, wenn man unvermeidbare Ungenauigkeiten von Entfernungsschätzungen auf dem Wasser berücksichtigt. Der Betroffene ist aus den dargelegten Grinden auch dann entlastet, wenn man nur die Aussagen der von der Berufungskammer gehörten Zeugen der Entscheidung zugrunde legt. Auf die Richtigkeit der Einlassung des Betroffenen und der Aussage seines Matrosen vor dem Rheinschiffahrtsgericht kommt es nicht an. Nach beiden erschien der Betroffene erst im Ruderhaus, als sein Schiff fast unter der Eisenbahnbrücke war. Es kann offen bleiben ob diese Erklärungen richtig sind.
 
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Betroffenen wird das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mainz vorn 1.10.1980 dahin abgeändert, dass der Betroffene von dem Vorwurf, dem § 10.01 Nr. la zuwidergehandelt zu  haben, freigesprochen wird.

Er hat keine Kosten zu tragen. Die ihm entstandenen Kosten seiner Verteidigung sind zu ersetzen.

Die Festsetzung der Kosten erfolgt durch das Rheinschiffahrtsgericht Mainz unter Berücksichtigung von Artikel 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte.
 
Der Stellvertretende Gerichtskanzler:                               Der Vorsitzende: 

(gez.) A. BOUR                                                              (gez.) P. QUANJARD