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Leitsätze:
1) Die Electricite de France (E.d.F.) hatte zwar die aufgrund einer Konzession errichteten Schleusenanlagen dem französischen Staat kostenlos als Eigentum zu übertragen, jedoch nach Ablauf der Konzession für die Wartung und Erhaltung der Anlagen Sorge zu tragen. Infolgedessen ist die E.d.F. auch parteifähig und berechtigt, Ansprüche auf Wiederinstandsetzung der Anlagen im Falle ihrer Beschädigung im Klagewege zu verfolgen.
2) Zur schuldhaften Anfahrung einer Dalbe bei starkem Wind.
Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
vom 28. Oktober 1980
(Rheinschifffahrtsgericht Straßburg)
Zum Tatbestand:
Der Beklagte als Eigner und Schiffsführer des MS D fuhr am 24. Januar 1978 gegen 17.30 Uhr bei einem Anlegemanöver im oberen Vorhafen der Schleusen Kembs eine Dalbe an, die dadurch beschädigt wurde. Der Beklagte fuhr am nächsten Morgen weiter, ohne die zuständigen Behörden über den Unfall zu unterrichten. Erst bei einer Routinekontrolle der Wasserschutzpolizei Neu-Breisach, der die Schäden am Schiffsrumpf aufgefallen waren, hat der zu einer Erklärung aufgeforderte Beklagte zugegeben, die Dalbe angefahren zu haben.
Die Klägerin - Electricite de France - verlangt aufgrund des geschilderten, insoweit unstreitigen Tatbestandes Schadensersatz in Höhe von 51.120 F., - eine Summe, die in einem kontradiktarischen Gutachten vom 2. März 1978 unter Beteiligung eines Vertreters der Versicherungs-Gesellschaft der D und dem Binnenschifffahrtssachverständigen S., Vertreter der Klägerin, festgestellt worden war. Ferner wurden 2.585,- F. Gutachterkosten und 4.000,- F. als Schadensersatz zur Erstattung der Kosten eingeklagt, die nicht in die Gerichtskosten eingehen (Art. 700 der Neuen frz. Zivilprozeßordnung).
Der Beklagte bestreitet eine Zahlungspflicht gegenüber der Klägerin, die keine Aktivlegitimation habe. Diese habe lediglich die Konzession für die Bauarbeiten an der Staustufe Kembs vom französischen Staat gemäß Abkommen vom 7. Juli 1926 erhalten, der daher als Eigner der Anlagen das alleinige Klagerecht habe. Die Dalbe habe auch keinen Schaden in dem behaupteten Umfang erlitten und sei nur leicht verbogen worden. Die Berührung der Dalbe sei nicht auf ein falsches Anlegemanöver, sondern auf den besonders starken Sturm und eine Windboe zurückzuführen, durch die das Schiff gegen die Dalbe geworfen sei. Auf das Festmachemanöver habe nicht verzichtet werden können, ohne die Sicherheit des Schiffsverkehrs und der gesamten Anlagen während des Sturms zu gefährden. Da er - der Beklagte - nicht für den Schaden verantwortlich sei, müßten ihm die seinerseits entstandenen Honorare und Auslagen in Höhe von 5.000 F. im Sinne des Art. 700 ZPO ersetzt werden.
Der Beklagte wurde vom Rheinschiffahrtsgericht antragsgemäß verurteilt. Seine Berufung wurde von der Berufungskammer der Rheinzentralkommission zurückgewiesen, die Verurteilung gemäß Art. 700 ZPO sogar auf 8.000,- F. erhöht.
Aus den Entscheidungsgründen:
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Gemäß Artikel 31 der Neuen Zivilprozeßordnung sind alle diejenigen klageberechtigt, die ein legitimes Interesse an der Durchsetzung oder Ablehung einer Forderung haben, vorbehaltlich der Fälle, in denen das Gesetz das Recht, vor Gericht zu klagen, ausschließlich den Personen vorbehält, die sie für die Forderung oder Zurückweisung oder für die Verteidigung bestimmter Interessen bezeichnet.
Infolgedessen muß Electricite de France, die verantwortlich für die Wartung und Erhaltung der in Konzession überlassenen Anlagen Sorge zu tragen hat, die Möglichkeit eingeräumt werden, Klage zu führen, die die Erhaltung der genannten Anlagen und somit ihre Wiederinstandsetzung bei Beschädigungen durch Dritte zum Gegenstand haben.
"Wenn sich aus dem Abkommen vom 7. Juli 1926 über die Konzession der Ausbauarbeiten an der Schleuse Kembs und vor allem aus den Artikeln 2 und 37 des Lastenheftes ergibt, daß zu dem Immobilienanteil der Konzession die Schleusen und ihre Umleitungen gehören, die dem französischen Staat nach Ablauf der Konzession kostenlos und frei von jeglicher Kostenbelastung zu übergeben sind, so hat Electricite de France vom französischen Staat doch das Recht erhalten, die für die Belange der Konzession errichteten Anlagen zum Eigengewinn zu betreiben, und ist beauftragt worden, für die Erhaltung all dessen verantwortlich Sorge zu tragen, was Gegenstand der Konzession bildet. Dies könne übrigens gar nicht anders sein, da nach Art. 10 des Lastenheftes der Konzession vorgesehen ist, daß die aufgrund der Konzession aufgestellten Anlagen, Maschinen und Geräte aus gutem Material hergestellt, fachmännisch aufgestellt und vom Konzessionär und auf seine Kosten in gutem Zustand zu erhalten sind.
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Unter diesen Umständen ist die Einrede der Unzulässigkeit des Beklagten und Berufungsklägers zurückzuweisen.
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Es steht fest, daß das dem Beklagten gehörende und von diesem geführte Rheinmotorschiff „D" eine Dalbe in dem oberen Vorhafen der Schleusen Kembs, genauer gesagt die erste der rechtsrheinischen Dalben vom Oberstrom her, angefahren hat.
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Aus den am 25. Januar 1980 getroffenen Feststellungen geht hervor, daß die Witterungsverhältnisse im Zeitpunkt des Unfalls (24. Januar) wie folgt beschrieben werden können: „Sturm (starker Wind)".
Zunächst macht schon allein das Ausmaß der Schäden am Motorschiff deutlich, daß der Aufprall heftig gewesen ist und seine Stärke wohl eine schwere Beschädigung der Dalbe hervorrufen konnte. Im Gutachten heißt es, daß der Riß in der Außenwand darauf schließen lasse, daß das Schiff auf eine Dalbe aufgelaufen ist. Aus diesem Bericht geht übrigens hervor, daß Herr K., der mit der Überprüfung des eingetauchten Dalbenteils beauftragt war, unter Wasser weder eine Beschädigung der Dalbe noch eine Aushöhlung um den Dalbenfuß herum, der von Kies und großen Kieselsteinen umgeben war, feststellen konnte. Hieraus läßt sich ableiten, dass der Schaden, dessen Wiedergutmachung gefordert wird, wirklich die Folge des von der D verursachten Aufpralls ist.
Wenn auch feststeht, daß zur Unfallszeit ein starker Wind wehte, so muß zugegeben werden, daß der Schiffsführer der D bei der Führung des Fahrzeugs noch achtsamer hätte sein müssen als sonst. Hierzu muß angemerkt werden, daß der Wetterdienst des Verkehrsministeriums bestätigt, daß die durchschnittliche Windgeschwindigkeit während einer Meßzeit von 10 Minuten am 24. Januar 1978 bei ungefähr 17 m/sec., d. h. 61 km/h, lag. Man kann daher nicht von „Sturm" sprechen, da dieses Wort auf der Beaufort-Skala Winde der Stärke 10, das heißt mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 24,5 m/sec. oder mehr, bezeichnet.
Jedenfalls kann der Beklagte bei der am Unfalltage verzeichneten Windgeschwindigkeit nicht behaupten, daß es sich um einen außergewöhnlich starken Sturm handelte, vor allem weil der Unfall der D der einzige war, der an diesem Tag verzeichnet wurde. Es besteht somit Anlaß, wie der erste Richter zu schließen, daß die Windböe nicht plötzlich aufgetreten ist. Der Schiffsführer kann also nicht ernstlich behaupten, daß er durch ein unvorhersehbares und nicht zu bewältigendes Ereignis überrascht worden ist. Er kann daher nicht höhere Gewalt oder einen Zufall geltend machen. Es muß infolgedessen davon ausgegangen werden, daß der Unfall allein durch die Fahrlässigkeit des Beklagten versursacht worden ist. Diese Auffassung wird übrigens auch vom eigenen Versicherer vertreten, der in einem Schreiben vom 25. Juli 1978 an Electricitö de France, in dem er das Vorliegen eines nautischen Verschuldens nicht bestreitet, sich ausdrücklich dazu verpflichtet, den Schaden zu erstatten, sofern er die Gewißheit erlange, daß dieser Schaden auch wirklich von der D verursacht worden ist.
Unter diesen Umständen besteht auch kein Anlaß dazu, die Besatzungsmitglieder der D zu hören, deren Zeugenaussagen unzuverlässig wären, vor allem weil diese Besatzung sich am Verstoß des Schiffsführers mitschuldig gemacht hat, der es wissentlich unterlassen hat, den zuständigen Behörden den Unfall zu melden.
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Nach Art. 700 der Neuen Zivilprozeßordnung kann der Richter eine Partei dazu verurteilen, von der Gegenpartei vorgestreckte und nicht in die Gerichtskosten eingehende Beträge zu erstatten. Der Richter kann dies sogar auch ohne daß ein Verschulden festgestellt wird, tun, wenn es ihm ungerecht erscheint, dieser Gegenpartei sämtliche Honorare und sonstigen Kosten, die sie zu begleichen hatte und die keine eigentlichen Gerichtskosten sind, aufzuerlegen. Hier besteht ein freies richterliches Ermessen, insbesondere was den Begriff der Gerechtigkeit angeht, der bei der Diskussion über die Zurechenbarkeit der genannten Kosten von Bedeutung ist.
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Zur Führung dieses Prozesses hatte sich Electricite de France in erster Instanz und in der Berufungsinstanz durch Straßburger Anwälte vertreten lassen, deren Auftreten Kosten verursacht. Es wäre ungerecht, Electricite de France die volle Höhe der Honorare und sonstigen Kosten tragen zu lassen, die sie auslegen mußte und die keine eigentlichen Gerichtskosten sind. Die Berufungskammer leitet das Recht, den Beklagten gemäß Art. 700 der Neuen Zivilprozeßordnung für beide Instanzen zur Zahlung eines Betrages von 8000 Francs an Electricite de France zu verurteilen, aus ihrem freien richterlichen Ermessen ab, ohne daß das Vorhandensein eines Verschulden festzustellen ist.
Der Beklagte hat auf der Grundlage von Art. 700 der Neuen Zivilprozeßordnung ja auch beantragt, ihm einen Betrag von 5000 Francs in Erstattung der Kosten und Auslagen zu gewähren, die ihm aufzuerlegen nicht gerecht wäre.
Die Verurteilung von Electricite de France, die er aus diesem Grunde fordert, ist jedoch auf sein eigenes Verhalten zurückzuführen. Gemäß des vorgenannten Art. 700 hat er keinen Anspruch auf einen Betrag. Einem solchen Antrag ist also nicht stattzugeben.
Mit seinem Urteil vom 11. Februar 1980 hat das Rheinschifffahrtsgericht Straßburg dem Beklagten gestattet, sich seiner Schuld ab 1. März 1980 durch monatliche Ratenzahlungen in Höhe von 6000 Francs zu entledigen.
Der Beklagte hat schon allein mit dem von ihm eingelegten Berufungsverfahren durch Verzögerungsmanöver eine zusätzliche Frist herausgeholt. Es besteht kein Anlaß dazu, ihm die ursprünglich vom Vorderrichtervorgesehenen Zahlungsfristen einzuräumen.
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