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Leitsätze:
1) Unterschiedliche Begriffsbestimmung für die Verpflichtung zur Unterhaltung von Wasserstraßen und für die Verkehrssicherungspflicht.
2) Grenzen der zumutbaren Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflicht.
Urteil des Kammergerichts - Schiffahrtsobergericht
vom 23. September 1976
12 U 1545/76
(Schifffahrtsgericht Charlottenburg)
Zum Tatbestand:
Das bei der Klägerin versicherte Motorschiff „U" hatte eine Ladung Eisen im Borsighafen, einem Teil des Tegeler Sees im Norden von Berlin, zu löschen. Es machte nach Darstellung der Klägerin zunächst am nördlichen Teil der Kaimauer, einem von der Beklagten an ihre Nebenintervenientin verpachteten Gelände fest, erfuhr dort aber, daß die Löschung an dem von der Beklagten selbst benutzten südlichen Teil der Kai-Anlage stattfinden solle. Da das Schiff wegen einer Dalbenreihe nicht wenden konnte, fuhr es rückwärts an die Löschstelle heran. Als es sich dem Kran bis auf 1-1,5 m genähert hatte, gerieten 2 zusammengeschraubte Autoreifen in die Ruderanlage, die beschädigt wurde.
Die Klägerin verlangt Ersatz des erstatteten Schadens von über 4000,- DM. Ihr ist als Nebenintervenient der Senator für Bau- und Wohnungswesen in Berlin, in seiner Eigenschaft als Treuhänder für das Vermögen der ehemaligen Reichswasserstraßen, beigetreten.
Die Beklagte und ihre Nebenintervenientin bestreiten ihre Haftung, die vielmehr der Nebenintervenient der Klägerin oder die Stadt Berlin zu tragen hätten.
Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Nebenintervenienten der Klägerin wurde zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Die Berufung des Nebenintervenienten der Klägerin ist zulässig. Da der Beitritt des Nebenintervenienten mit der Einlegung eines Rechtsmittels verbunden werden kann (vgl. § 70 ZPO), ergibt sich schon aus dem Gesetz, daß der Nebenintervenient für die von ihm unterstützte Partei ein Rechtsmittel einlegen kann, wenn diese - die Partei - durch das Urteil beschwert ist (vgl. Stein/Jonas/ Grunsky, ZPO, 19. Aufl., § 511 Anm. 1112; Baumbach/Lauterbach u.a., ZPO, 34. Aufl., § 511 Anm. 2). Soweit das OLG Köln einen anderen Standpunkt vertreten sollte (vgl. OLG Köln in NJW 1975, 2108), könnte dieser Ansicht aus den angeführten Gründen nicht gefolgt werden.
Die Berufung des Nebenintervenienten der Klägerin ist aber unbegründet, weil die Beklagte für den an dem Motorschiff „U" eingetretenen Schaden aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt haftet.
Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob der Nebenintervenient auf Seiten der Klägerin, und damit der Senator für B. und W. indB. oder die Nebenintervenientin der Beklagten für eine weitere - natürliche oder juristische - Person entweder für die Unterhaltung des Borsighafens zuständig ist oder ob den Genannten aus irgendeinem Grunde die Verkehrssicherungspflicht trifft. Es sei in diesem Zusammenhang lediglich darauf hingewiesen, daß die Gleichsetzung der Unterhaltungslast (§ 29 Wasserhaushaltsgesetz - WHG -) mit der Verkehrssicherungspflicht (vgl. hierzu BGH in VRS Bd. 20, S. 162 und in VersR 1975, 799 = VRS Bd. 49, S. 161, 162) ebensowenig zwingend ist wie die Gleichsetzung des Umfanges der Unterhaltungspflicht, insbesondere der Erhaltung der Schiffbarkeit (vgl. § 28 WHG), mit der entsprechenden Verpflichtung nach § 8 des Bundeswasserstraßengesetzes (vgl. hierzu Sieder/Zeitler, Kommentar zum WHG, § 29 Rand-Nr. 20).
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Der Umfang der Unterhaltungspflicht ergibt sich aus § 28 WHG und § 40 BWG. Sie erfordert die Erhaltung eines ordnungsmäßigen Zustandes im Sinne einer Erhaltung der Schiffbarkeit. Hierzu gehören insbesondere die Räumung und Festlegung des Gewässerbettes, die Freihaltung, der Schutz und die Unterhaltung der Ufer und die Erhaltung eines ordnungsmäßigen Zustandes für die Feststoff- und Eisabfuhr sowie für die Wasser-, Feststoff- und Eisrückhaltung entsprechend den jeweiligen wasserwirtschaftlichen Bedürfnissen; ist ein Gewässer ganz oder teilweise ausgebaut, so ist dieser Zustand grundsätzlich zu erhalten.
Die Verkehrssicherungspflicht beruht auf § 823 BGB: Für Wasserstraßen- und Hafenanlagen gilt wie für Wege und Plätze der Grundsatz, daß derjenige, der dort einen Verkehr eröffnet hat oder andauern läßt, für eine Gefahrenlage verantwortlich ist, die bei ordnungswidrigem Zustand der Verkehrsanlage entsteht. Er hat dafür zu sorgen, daß sich die Anlagen im verkehrssicheren Zustand befinden, und er haftet für Schäden, die einem Benutzer der Anlagen aus deren ordnungswidriger Beschaffenheit entstehen, wenn er aus Mangel an der im Verkehr zu erfordernden Sorgfalt (vgl. § 276 BGB) verabsäumt hat, die Gefahrenquelle zu beheben, für die Zeit bis zu ihrer Beseitigung aber den Verkehr warnend auf die Gefahr hinzuweisen und gegebenenfalls den Gefahrenbereich zu sperren (vgl. BGH in VRS Bd. 20, S. 162).
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Weder aufgrund der Unterhaltungs- noch aufgrund der Verkehrssicherungspflicht wäre die Beklagte gehalten gewesen, jederzeit dafür Sorge zu tragen, daß das Gewässer frei von jeglichen Hindernissen ist. Eine solche Verpflichtung könnte mit zumutbaren Mitteln nicht erfüllt werden. Weder dem Unterhaltungs- noch dem Verkehrssicherungspflichtigen obliegt es, täglich oder stündlich das seiner Sicherungspflicht unterstehende Gewässer an jeder Stelle auf feste oder schwimmende Hindernisse zu untersuchen. Die Verkehrssicherungspflicht insbesondere erstreckt sich nicht auf plötzlich auftretende Hindernisse, mit denen nicht zu rechnen war. Ein solches Hindernis stellte aber ein aus Autoreifen gebildeter Fender dar, der auf dem Boden des Gewässers liegt oder in diesem schwimmt, wenn nicht der Pflichtige mit seinem Auftreten hätte rechnen müssen. Das könnte bei der Beklagten dann der Fall gewesen sein, wenn sie die Autoreifen an ihrer Löschanlage angebracht hätte; dann wäre sie gegebenenfalls verpflichtet gewesen, auf die Vollständigkeit zu achten und nach etwa verloren gegangenen Autoreifen zu suchen. Entsprechendes könnte gelten, wenn die Beklagte bemerkt hätte, daß entweder an der ihrer Nebenintervenientin verpachteten Kai-Mauer als Fender angebrachte Autoreifen fehlen oder wenn sie vor dem ihrer Verwaltung unterliegenden Anlagen derartige Hindernisse in dem Wasser hätte schwimmen sehen. Denn in allen diesen Fällen hätte sie - je nach den Umständen - die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen, sich also fahrlässig verhalten (vgl. § 276 Abs. 1 BGB), wenn sie dann nicht alsbald für die Beseitigung gesorgt hätte.
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Ein derartiges schuldhaftes Verhalten der Beklagten haben die Klägerin und ihr Nebenintervenient aber nicht dargelegt. Sie haben zwar behauptet, daß zum Zeitpunkt des Unfalls drei bis vier Paare der Autoreifen an den Kai-Mauern gefehlt hätten. Sie haben aber nicht angegeben, um welche Stellen der Kai-Mauer es sich gehandelt hat, insbesondere ist ihrem Vorbringen nicht zu entnehmen, daß die Fender (Autoreifen) auf dem der Verwaltung der Beklagten unterstehenden Gelände gefehlt hätten.
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Eine weitergehende Verpflichtung der Beklagten, sich auch jederzeit über den Zustand des verpachteten Geländes und etwa von ihm für die Schiffahrt ausgehender Gefahren zu unterrichten, kann jedenfalls in dem hier zu entscheidenden Fall nicht angenommen werden, weil das die Grenzen des Zumutbaren für den Verkehrssicherungspflichtigen überschreiten würde. Ob für gewichtigere Fälle, etwa eines teilweisen Einsturzes der Kai-Mauer, etwas anderes gilt, braucht in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht entschieden zu werden.
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