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115 BZ - 5/80 - 116 BZ - 6/80 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 10.06.1980
Aktenzeichen: 115 BZ - 5/80 - 116 BZ - 6/80
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

Urteil

vom 10. Juni 1980
 
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts - Bezirksgericht Rotterdam vom 23. Februar 1979 - 2651/76 und 2270/78 -)

Tatbestand:

Der Rechtsstreit betrifft sowohl in der Hauptsache als auch in der Regressklage einen mehrfachen Zusammenstoss, der sich am 5. November 1969 gegen 03.15 Uhr auf dem Waal ungefähr auf der Höhe von Km 942 zwischen folgenden drei Schiffen ereignet hat:

1. dem damals der Mawag gehörenden mit 330 Tonnen Bitumen beladenen MTS "JM" (607 t, 57,65 m x 8,23; Tiefgang 1,90 m; 600 PS).

2. dem damals der Vereenigde Tankreederij gehörenden und mit 600 Tonnen Melasse beladenen MTS "A" (810 t, 71,27 m x 7,50; 2 x 250 PS),

3. dem mit 809 Tonnen Erz beladenen MS "AF" (1289 t, 80 m x 9,20, Tiefgang 1,90 m).

Beim Zusammenstoss hat jedes dieser Schiffe Schaden erlitten.
Im Zeitpunkt des Zusammenstosses war es dunkel, die Sicht war aber dennoch gut. Ein starker Nordwestwind wehte. Die Strömung betrug ungefähr 1 km/Std., der Wasserstand war sehr niedrig; der Strom war an der Stelle des Zusammenstosses zwischen den Kribbenlinien etwa 300 m breit. Stromaufwärts in der Nähe des südlichen Ufers befanden sich oberhalb der dort vor Anker liegenden "JM" noch einige vor Anker liegende Schiffe. Talfahrende Schiffe waren nicht vorhanden. Mit Schriftsatz vom 31. Mai 1976 hat die Mawag es, beim Rheinschifffahrtsgericht beantragt, die VT zu verurteilen, an die Mawag einen Betrag von DM 106.928,60 und an die Viktoria die Summe von DM 73.482,87 zu zahlen, und zwar jeweils zuzüglich Zinsen und Kosten. Dazu haben sie vorgetragen, dass die "A" die Schuld an dem Zusammenstoss trage, so dass die VT als Eignerin des Schiffes für den Schaden an der "JM" haftbar sei, dass dieser Schaden sich auf DM 180.4ll,47 belaufe, zuzüglich Zinsen, und dass VIKTORIA als Kasko-Versicherer der "JM" einen Teil des Schadens in Höhe von DM 73.482,87 an die Mawag, damalige Eignerin des Schiffes, bezahlt hat, die ihr ihre Rechte in der Höhe dieses Betrages abgetreten hat. Die VT hat die Forderung mit der Behauptung bestritten, dass der "JM" und/oder der "AF" die volle Schuld am Zusammenstoss zuzurechnen sei. Außerdem hat sie die behaupteten Schadensziffern wie auch die Abtretung bestritten und sich darauf berufen, dass die Haftung der "A" auf fl 113.483,72 beschränkt sei. Gleichzeitig hat die VT den SBV nach Zustimmung des Rheinschifffahrtsgerichtes mit Schriftsatz vom 8. Mai 1978 auf Regress verklagt und beantragt den SBV zu verurteilen, an die VT den gesamten Betrag oder aber wenigstens einen dem Verschulden der "A" entsprechenden Teilbetrag zu zahlen; wenn er zu dessen Zahlung auf die Klage der Mawag c.s. hin verurteilt werden würde. Dazu hat die VT vorgetragen, dass "JM" und/oder "AF" die volle Schuld am Zusammenstoss trügen. Die Regressforderung wird vom Rechtsanwalt mit der Begründung bestritten, dass die "JM" und die "A" die volle Schuld am Zusammenstoss tragen. Bevor das Hauptverfahren in dieser Klage eingeleitet wurde, wurden auf Ersuchen der Mawag c.s. 9 Zeugen vorläufig gehört, das heißt 7 Besatzungsmitglieder der drei betreffenden Schiffe und zwei Polizeibeamte, die das Protokoll mit den eidesstattlichen Erklärungen erstellt haben. 
 
Mit seinem oben erwähnten Urteil vom 23. Februar 1979 hat das Rheinschifffahrtsgericht in der Hauptsache und in der Regressklage vor einer weiteren Entscheidung das Erscheinen der Parteien angeordnet, um bezüglich des Schadensbetrags zu einer Einigung zu kommen.

Darauf hat das Rheinschifffahrtsgericht, soweit es für die Berufung von Bedeutung ist, ausgeführt:

1. Alle drei Parteien waren bei der vorläufigen Zeugenvernehmung anwesend, so dass die bei dieser Gelegenheit abgegebenen Zeugenaussagen dieselbe Beweiskraft haben, als wären sie auf die übliche Weise während des Prozesses abgegeben worden. Auf Grund dieser Zeugenaussagen steht für das Gericht, in Verbindung mit den Protokollen der Rheinschifffahrtspolizei vom 5. Dezember 1969, folgender Hergang fest:

Zur besagten Stunde und Stelle fuhr die "AF" ungefähr 100 bis 120 m aus den südlichen Kribbenlinien stromaufwärts, Hinter diesem Schiff fuhr die "A" mit etwas höherer Geschwindigkeit als die "AF". Als die "A" sich der "AF" etwa auf 500 m genähert hatte, setzte sie das Oberhollicht am Bug, das an Bord der "AF" auch wahrgenommen wurde. Zu gleicher Zeit entdeckte man auf der "A" auf dem Radarschirm in einer Entfernung von 1 km voraus am südlichen Ufer mehrere stilliegende Schiffe. Talfahrer waren zu diesem Zeitpunkt nicht vorhanden. Den vor Anker liegenden Schiffen am nächsten befand sich die "JM", die quer im Strom mit dem Achterschiff zwischen den Kribben und mit dem Vorschiff weit im Fahrwasser lag. Sie hatte nur den Buganker gesetzt, nicht aber den Heckanker. Als sich die "A" der "AF" bis auf kurze Entfernung genähert hatte, hat man auf der "AF" den Motor gedrosselt. Die "A" begann, die "AF" an Steuerbord zu überholen und zwar mit einem seitlichen Abstand der laut Aussage des Steuermannes der "AF" 20 m und laut Aussage des Steuermanns der "A" 40 m betrug. Der vom Schiffsführer der "AF" vor dem Untersuchungsrichter angegebene Abstand von 30 m wird vom Gericht als in etwa zutreffend betrachtete Schallzeichen sind nicht abgegeben worden. Als das Vorschiff der "A" auf gleicher Höhe mit dem Heck der "AF" lag, wich die "AF" leicht nach Backbord aus, worauf der Schiffsführer das Ruder nach Steuerbord warf. Die "A" gab ebenfalls etwas Steuerbordruder. Darauf wurde die "AF" mit dem Vorschiff zum Vorschiff der "A" gezogen. Die "A" stellte den Steuerbordmotor ab. Der Steuermann der "AF" aber stellte den Motor seines Schiffes auf volle Kraft voraus, worauf die "AF" mit dem Steuerbordvorschiff gegen die Backbordseite der "A" stieß und zwar auf der Höhe des vorderen Mittelpollers der 20 m vom Vorschiff entfernt ist« Die "AF", die einen Augenblick praktisch auf der "A" aufsaß, wurde mit dieser nach Steuerbord abgedrängt; der Spiegel des Backbordachterschiffes der "A" berührte die Achterpoller von "AF". Auf der "A" hatte man inzwischen beide Motoren voll auf zurück gesetzt und das Ruder voll nach Backbord gedrehte Aber das Schiff hatte bereits seine Manövrierfähigkeit verloren; es scherte voll nach Steuerbord aus und stieß mit dem Vordersteven zunächst gegen das Backbordvorschiff der "JM", dann nochmals gegen ihre Backbordseite etwa 20 m weiter hinten.

2.  Aus diesen feststehenden Tatsachen leitet das Gericht ab, dass alle drei Schiffe ein Verschulden an dem Zusammenstoss trifft, da alle Betroffenen wussten oder hätten wissen müssen, dass der Wasserstand damals sehr niedrig war (auch war keines der drei Schiffe voll beladen) und das sowohl beim Fahrer als auch beim Stilliegen hätten berücksichtigen müssen.

3.  Was die "A" und die "AF" angeht, an Bord dieser Schiffe hatte man wissen müssen, dass je niedriger der Wasserstand je größer die Gefahr der Sogbildung ist. Sie hätten dieser Gesetzmäßigkeit, die gerade den Schiffern bekannt sein muss, bei der Fahrt Rechnung tragen müssen. Außerdem hatte man, wenn schon ein solcher Sog entstanden ist, hierauf richtig reagieren müssen. Die Motoren hatten abgestellt und nicht auf voll voraus, sondern vielmehr auf zurück gestellt werden müssen. Das bedeutet in diesem Fall, dass die "A" ein Überholmanöver nur dann hätte sicher ausführen können, wenn dafür ein angemessener seitlicher Abstand zu "AF" eingehalten worden wäre.

4.  Der "A" ist somit der Vorwurf zu machen, dass sie "AF" steuerbord überholen wollte, obwohl diese nur etwa 100-120 m außerhalb der südlichen Kribbenlinie fuhr, und dass auf dem verfügbaren Fahrinnenteil auf dieser Stromseite Schiffe vor Anker lagen, die sich quergestellt hatten. Die "A" hätte mit dem Überholmanöver warten müssen, bis sie an allen auf dem Radarschirm bereits ausgemachten vor Anker liegenden Schiffen vorbeigefahren ist. Stattdessen hat dieses Schiff "AF" zu überholen begonnen, ohne sich vorher hinreichend zu vergewissern, ob die Fahrrinne bei dem übrigen Schiffsverkehr und dem sehr niedrigen Wasserstand genügend. Platz dazu bot, und ohne vorher festzustellen, ob dieses Manöver ohne Gefahr für den übrigen Schiffsverkehr ausgeführt werden konnte.

5.  Die "AF" hat ebenfalls Fehler gemacht. Obwohl man auf diesem Schiff das Überholzeichen der "A" schon auf eine Entfernung von 500 m wahrgenommen hatte, hat man die ganze Zeit über nicht auf das Herannahen dieses Schiffes geachtet. Die "AF" hatte die Pflicht, dazu beizutragen, dass das Überholmanöver der "A" gefahrlos ausgeführt werden konnte. Dazu hätte die "AF" rechtzeitig nach backbord ausweichen können, um den seitlichen Abstand zur "A" zu vergrößern. Platz hierfür war vorhanden, und das Manöver hätte gefahrlos durchgeführt werden können, denn Talverkehr gab es nicht. "AF" hat dies jedoch unterlassen.

6. Außerdem hat die "AF" noch einen weiteren Schifffahrtsfehler begangen, als sie die Maschinen bei den ersten Sogerscheinungen nie abstoppte, sondern auf voll voraus stellte, wodurch die Druckunterschiede im Wasser um die Schiffe herum und somit die Sogkraft noch erhöht wurden.

7. Die "A" wirft der "AF" außerdem vor, dass diese beim Überholen der "A" ihren Kurs nach Steuerbord änderte, ohne dies vorher durch Zeichen anzukündigen, wodurch die "A" zwischen der "AF" und der "JM" eingeklemmt wurde. Dieser Vorwurf ist nicht begründet. Es ist nicht bewiesen, dass die "AF" freiwillig nach Steuerbord aufgedreht hat; im Gegenteil man kann davon ausgehen, dass dieses Schiff aufgrund des Sogs nach Steuerbord abgedrängt wurde.

8. Das Verschulden, dass der "JM" zuzurechnen ist, besteht darin, dass man auch auf diesem Schiff nicht den sehr niedrigen Wasserstand und die sich möglicherweise daraus ergebenden Folgen berücksichtigt hat. In diesem Fall handelte es sich um die Flutströmung, die anders als gewöhnlich verlief. Bei dem starken Nordwestwind hätte die "JM" nicht nur den Buganker, sondern auch einen Hechanker setzen müssen. Dadurch wäre verhindert worden, dass sie sich bei der Flutströmung querstellte. Die Schiffer und Matrosen der "JM" haben zwar die Schräglage bestritten, aber da diese beiden Zeugen im Zeitpunkt der Kollision schliefen und erst danach auf Deck gingen, kann ihren Aussagen hierzu keine Bedeutung beigemessen werden.

9. Das Gericht vertritt die Auffassung, dass der Kausalzusammenhang zwischen dem vorschriftswidrigen Stilliegen der "JM" und dem Zusammenstoss darin besteht, dass die "A" aufgrund dieses unvorschriftsmäßigen Stilliegens gezwungen war, weiter aus der Kribbenlinie herauszufahren, und somit näher an der "AF" vorbeifahren musste, als es bei einem vorschriftsmäßigen Stilliegen der "JM" der Fall gewesen wäre.

10. In Anbetracht der Schwere des Verschuldens, das jedem der drei Schiffe anzulasten ist, hält das Gericht eine Schuldaufteilung zwischen "A", "AF" und "JM" im Verhältnis von 5: 3: 2 für zutreffend. Jede der drei Parteien hat bei der Berufungskammer Berufung gegen dieses Urteil eingelegt. Die Mawag c.s. und die VT halten an ihren erstinstanzlichen Anträgen fest und haben dieses Urteil, in verschiedenen Punkten beanstandet, die nachstehend ausgeführt werden, Sie haben die Aufhebung des Urteils beantragt, soweit da ein Verschulden der "JM" und "A" angenommen wird. Der SBV hat die Aufhebung des angefochtenen Urteils, das auf die Regressklage hin gefällt wurde, beantragt. Der von dieser Partei in der Berufung vertretene Standpunkt wird von der Berufungskammer wie folgt zusammengefasst:

a) Der SBV ist vom Bundesminister für Verkehr mit Wirkung vom 30. April 1972 - also mehr als 6 Jahre vor der gerichtlichen Vorladung - gemäß Paragraph 20 des Gesetzes über den Gewerblichen Binnenschiffsverkehr vom 1. Oktober 1953 aufgelöst worden; er besteht somit nicht mehr.

b) Erst nach der Verkündung des angefochtenen Urteils vom 23. Februar 1979 haben die Liquidatoren des SBV zufällig erstmals vernommen, dass die VT gegen SBV eine Regressklage angestrengt hat und das besagte Verfahren abgeschlossen ist; weder der SBV noch seine Liquidatoren haben jemals einem niederländischen Rechtsanwalt die Vollmacht erteilt, den SBV bei den vorläufigen Zeugenvernehmungen zu vertreten oder einen Wohnsitz in der Niederlanden anzugeben, oder einen Rechtsanwalt beauftragt, ihn im Prozess vor dem Rheinschifffahrtsgericht zu vertreten.

c) Der SBV war nie Eigner, "Ausrüster" oder Reeder der "AF" und stand auch sonst in keinerlei Beziehung zu diesem Schiff. Sein gesetzlich festgelegter Aufgabenbereich verbietet es ihm, Schiffe zu besitzen; seine Aufgabe beschränkt sich auf die Frachtaufteilung. Das von jeder Partei erhobene Vorbringen wird jeweils von den anderen Parteien bestritten.
 
Entscheidungsgründe:

Die drei Berufungen wurden fristgerecht gemäß den Formvorschriften der Revidierten Rheinschifffahrtsakte eingelegt.
Die Berufungskammer vertritt folgenden Standpunkt in Bezug auf die Berufung, die der SBV gegen das auf die Regressklage gefällte Urteil eingelegt hat. Die wichtigsten Argumente des SBV sind in seiner Berufungsschrift unter b) zusammengefasst, wo es heißt, dass die Zustellung vom 8. Mai 1978, mit der der SBV auf Ersuchen der VT vorgeladen wurde, nicht im richtigen Wohnsitz und somit nicht rechtsgültig bewirkt wurde. Dazu führt die Berufungskammer folgendes aus:

1. Nach Art. 40 Absatz 3 der revidierten Rheinschifffahrtsakte müssen Vorladungen und Zustellungen an Personen, welche in einem der Rheinuferstaaten ein bekannten Wohnsitz haben, im letzteren bewirkt werden. Was den SBV anbetrifft, so liegt dieser Wohnsitz in Duisburg-Ruhrort. Von dieser Vorschrift kann abgewichen werden, wenn die Personen, für die die Vorladung oder Zustellung bestimmt ist, damit einverstanden sind, dass diese an einem anderen, von ihnen erwählten Wohnsitz bewirkt wird. Diese Wahl hat nach Art. 15 des 1, Zivilgesetzbuches schriftlich zu erfolgen.
In der Zustellung der genannten Vorladung zum Regressverfahren heißt es, dass sie bewirkt worden ist "an den Schifferbetriebsverband, der Rechtsperson nach dem bundesdeutschen Recht, niedergelassen in Duisburg-Ruhrort (Bundesrepublik Deutschland), der seinen Wohnsitz ausdrücklich in Dordrecht, Boomstraat Nr. 31 im Büro des Rechtsanwalts Dr. B. daselbst erwählt hat. Ich habe meine Zustellung und Aussagen in diesem ausdrücklich erwählten Wohnsitz vorgenommen und Herrn V., Angestellter des Rechtsanwaltsbüros, eine Kopie hiervon überlassen". Der SBV hat bestritten, der VT seine Zustimmung für die Bewirkung dieser Ladung an einen anderen als an den nach Art. 40 Abs. 3 vorgesehenen Wohnsitz gegeben zu haben, und da die VT eine solche Zustimmung auch nicht behauptet hat, muss davon ausgegangen werden, dass die Streitverkündung nicht vorschriftsmäßig erfolgt ist. Sie ist daher nichtig.
Gemäß Art. 94 der ZPO, der für die ergänzende Anwendung von Art. 30 der Verfahrensordnung der Berufungskammer in Betracht kommt, kann der Richter, wenn der Berufungsbeklagte auf eine nichtige Vorladung dennoch erscheint und deren Nichtigkeit geltend macht, diese Einrede zurückweisen, falls für den Berufungsbeklagten kein Anlass besteht, sie zu erheben. „ Dieser Fall liegt hier jedoch nicht vor. SBV hat in der Berufung immer bestritten, dass der für ihn in erster Instanz aufgetretene Rechtsanwalt von ihm Vollmacht dazu erhalten hat, was von VT nicht bestritten worden ist. Das bedeutet, dass der SBV gemäß Artikel 272 in Verbindung mit Art. 269 der ZPO nicht in der ersten Instanz im Regressverfahren erschienen ist. Das Erscheinen des SBV im Berufungsverfahren hebt die Nichtigkeit nicht auf. Dadurch dass SBV in der ersten Instanz bei der nichtigen Klage nicht erschienen ist, hat er eine Instanz verloren; nur das rechtfertigt die Einrede der Nichtigkeit. 

2. Die obigen Erwägungen führen zu dem Schluss, dass das hinsichtlich der Regressklage angefochtene Urteil aufgehoben werden muss, dass die Vorladung in der bezüglich der Regressklage darüber hinaus für nichtig erklärt werden muss, dass das vom SBV in der Berufung gemachte Vorbringen nicht mehr erörtert zu werden braucht und dass die Kosten für die vom SBV eingelegte Berufung der VT auferlegt werden müssen. Da der SBV nicht in der ersten Instanz erschienen ist, hat er für diese Instanz keine Kosten zu tragen.
Da die Aspekte der Schuldfrage, die in der Hauptsache bzw. in der Regresssache aufgeworfen wurden, vom Rheinschifffahrtsgericht nicht getrennt, sondern zusammen geprüft wurden, hat die Aufhebung des angefochtenen Urteils bezüglich der Regressklage zur Folge, dass dieses Urteil auch im übrigen nicht aufrechterhalten werden kann.

3. Die Nichtigkeit der Regressklage veranlasst die Berufungskammer, nur in der Hauptsache zu entscheiden, die die Schuldaufteilung zwischen der "JM" und der "A" betrifft. Hier liegt jedoch eine Kollision vor, an der mehr als zwei Schiffe beteiligt sind und - wie sich nachstehend herausstellen wird - an dem jedes der Schiffe in gewisser Weise für den der anderen Schiffen dabei verursachten Schaden verantwortlich ist. Gemäß Art. 939 und 940 des Handelsgesetzbuches kann in einem solchen Fall die Haftung eines Eigners gegenüber Eignern der anderen Schiffe den Schuldanteil dieses Schiffes nicht überschreiten. In Verbindung damit kann die Berufungskammer bei der Beurteilung des Schuldverhaltens zwischen der "JM". und der "A" nicht den Schuldanteil der "AF" außer Betracht lassen, wenn auch der Eigner nicht von der Berufung betroffen ist.

4. Das Rheinschifffahrtsgericht hat in seinem Urteil unter 1) betreffend den Hergang der Kollision mehrere Fakten und Umstände als feststehend angenommen. Gegen diese Feststellung haben die Mawag c.s. und die VT keine Einwände erhoben, vorbehaltlich der nachfolgenden Ausführungen. Mit diesen Vorbehalten geht die Berufungskammer auch in der Berufung von den Fakten und Umständen aus.

5. Die Mawag c.s. bestreitet in erster Linie die Feststellung des Rheinschifffahrtsgerichts, dass die "JM". im Zeitpunkt der Kollision schräg im Strom vor Anker lag, das Achterschiff in den Kribben, das Vorschiff in die Fahrrinne hineinragend. Nach Ansicht der Mawag c.s. ist das nicht festgestellt worden. Dieser Einwand muss zurückgewiesen werden. Bei seiner Feststellung, dass die "JM" quer im Strom gelegen hat, stützt sich das Rheinschifffahrtsgericht auf die Aussagen der Zeugen M. (Schiffer auf der "A"), D. (Rudergänger auf der "A") F. (Schiffer auf der "AF") und R. (Rudergänger auf der "AF"). Diese Aussagen wurden noch durch die als Zeugen verhörten Polizeibeamten N. und K. bestätigt. Nach den Aussagen dieser Zeugen, die eine große Erfahrung in der Binnenschifffahrt haben und den Strom an dieser Stelle sehr gut kennen, stellen sich die Schiffe, die an dieser Stelle und bei niedrigem Wasserstand nur einen Buganker gesetzt haben, infolge der Flutströmung, wie sie im Zeitpunkt der Kollision gegeben war, schräg.

Bei diesem Beweismaterial messen weder die Berufungskammer noch das Rheinschifffahrtsgericht den Aussagen der Zeugen B. und Rm. (Schiffer bzw. Matrose an Bord der "JM") Bedeutung bei, die daran festhalten, dass dieses Schiff im Zeitpunkt der Kollision mit gesetztem Buganker gerade im Strom lag, Kopf nach stromauf, obgleich sie zu diesem Zeitpunkt gerade schliefen.
Schließlich versucht die Mawag c.s. zu beweisen, dass selbst wenn die "JM" quer gelegen hatte, dies nicht zur Verursachung der Kollision beigetragen hat und kein Verschulden dieses Schiffes vorliegt. Denn die "JM" lag nach Aussage der Mawag c.s. weit unterhalb der Motorschiffe M/S Erasmussingel und M/S Statensingel, die ganz in der Nahe und oberhalb dieses Schiffes lagen. Die vor Anker liegenden Schiffe seien gut sichtbar gewesen und an Bord der "A" rechtzeitig auf dem Radarschirm ausgemacht worden; außerdem stehe auch gar nicht fest, dass die Kollision nicht stattgefunden hätte, wenn die "JM" gerade in der Fahrrinne gelegen hatte, da die "A" aufgrund der Sogwirkung nach der Kollision mit der "AF" ohnehin nach Steuerbord gezogen worden sei» Die Kolli¬sion sei, nach Darstellung der Mawag c.s., ausschließlich auf die Fahrweise der "A" zurückzuführen, die die "AF" nicht an Steuerbord hätte überholen dürfen, wo dies nicht möglich war, sowie auf die Fahrweise der "AF", die es unterlassen habe, das Überholmanöver der "A" zu erleichtern.
Auch diese Darstellung kann nicht als zutreffend angesehen werden. Die "AF" fuhr etwa 100 bis 120 m seitlich aus der südlichen Kribbenlinie heraus von dem so für ein Überholmanöver an der Steuerbordseite dieses Schiffes zur Verfügung stehenden Raum nahm die 57,65 m lange "JM", die eine leichte Schräglage in der Fahrrinne hatte, einen wesentlichen Teil in Anspruch« Aber aufgrund der durch den niedrigen Wasserstand erhöhten Soggefahr war der ver¬bleibende Abstand nur unzureichend, um der "A" eine gefahrlose Vorbeifahrt an "AF" auf der Steuerbordseite zu ermöglichen. Die Mawag c.s. gibt das übrigens auch zu, wenn sie sagt, dass die "A" falsch gefahren ist, als sie die "AF" Steuerbord überholte, dort wo es nicht möglich war. Die Berufungskammer ist auch der Auffassung, dass die "JM" gegen Art. 67 der seinerzeit geltenden Rheinschifffahrtspolizeiverordnung verstoßen hat, weil sie die Schifffahrt durch ihr unvorschriftsmäßiges Stilliegen behindert hat.
Zwischen der Art und Weise, vor Anker zu liegen, und der Kollision besteht ein kausaler Zusammenhang. Dadurch hat die "JM" eine Situation geschaffen, die zusammen mit dem Überholmanöver der "A" zur Kollision geführt hat. Die Berufungskammer hält es für unwahrscheinlich, dass die "A" mit "JM" zusammengefahren wäre, wenn das letztgenannte Schiff vorschriftsmäßig vor Anker gelegen hätte. Dann wäre nämlich der verfügbare Raum zwischen der "AF" und der "JM" wesentlich größer gewesen und hätte auch bei dem ungünstigen Wasserstandvöllig ausgereicht, um ungehindert zwischen beiden Schiffen hindurch zufahren. In diesem Zusammenhang muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Stelle, an der die "A" mit "JM" zuerst zusammenfuhr, sich weit vorne an dem Vorschiff befand, also dort, wo das Schiff am weitesten in die Fahrrinne hineinragte. 

Dies ändert nichts an der Tatsache, dass die "A" - die auf ihrem Radarschirm rechtzeitig festgestellt hatte, dass die "JM" durch ihre Schräglage einen für das Überholmanöver zur Verfügung stehenden Raum in Anspruch nahm - durch und bei der Durchführung ihrer Entscheidung, die "AF" an Steuerbord zu überholen, das falsche Stilliegen der "JM" nicht hinreichend berücksichtigt hat» Beide Fehler zusammen haben zur Kollision geführt.
Der kausale Zusammenhang zwischen der Weise, in der "JM" stillag, und der Kollision kann auch nicht durch den Umstand aufgelöst werden, dass sich stromaufwärts von diesem Schiff noch andere querliegende Schiffe befanden, die - die Berufungskammer kann das außer acht lassen - in Abwesenheit der "JM" der "A" sicherlich für eine ungehinderte Durchfahrt im Wege gewesen wären.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen vertritt die Berufungskammer sowie das Rheinschifffahrtsgericht die Auffassung, dass die Kollision auch durch die "JM" mitverschuldet worden ist.
Die VT stellt sich auf den Standpunkt, dass die "A" keine Schuld an der Kollision trifft. Sie führt den Ursprung der Kollision allein auf die Fahrweise der "AF" sowie auf die Schräglage der "JM" zurück und ficht das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts an, wonach die "A" die "AF" zu Unrecht an Steuerbord überholt hat, statt dieses Manöver erst nach der Vorbeifahrt an den zeitig auf dem Radarschirm ausgemachten schräg liegenden Schiffen durchzuführen. Nach Ansicht der VT sei trotz der Schräglage der "JM" und der übrigen Schiffe für "A" genügend Platz vorhanden gewesen, ihre Vorbeifahrt gefahrlos durchzuführen, wenn die "AF" ihren Kurs beibehalten oder sich backbord gehalten und das Überholmanöver durch Herabsetzen ihrer Geschwindigkeit erleichtert hätte. Laut der VT seien die Kollisionen dadurch verursacht worden, dass die "AF" statt dessen ihre Maschinen auf volle Kraft voraus gestellt und sich Steuerbord gehalten hat.
Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. Wie bereits vorstehend gezeigt, wäre für eine gefahrlose Vorbeifahrt an "AF" auf der Steuerbordseite genügend Platz vorhanden gewesen, wenn die "JM" nicht einen großen Teil dieses Platzes in Anspruch genommen hätte. Auch der niedrige Wasserstand hätte die "A" davon abhalten müssen, an dieser Stelle ein Überholmanöver an Steuerbord vorzunehmen. Bezüglich der Ausführungen der VT zur Kursänderung der "AF" nach Steuerbord vertritt die Berufungskammer folgenden Standpunkt.
Nach Aussagen der Zeugen M., D. und Kh. (Schiffer bzw. Steuermann und Matrose der "A") schlug die "AF", als das Vorschiff der "A" sich dem Achterschiff der "AF" genähert hatte, einen Steuerbordkurs ein und drückte die "A" dadurch zu weit nach Steuerbord. Diese Version der Ereignisse kommt der Berufungskammer unwahrscheinlich vor. Sie wird auch nicht durch das übrige Beweismaterial bekräftigt und sagt nichts darüber aus, warum die "AF" unter diesen Umständen ein so unverständliches und gefährliches Manöver durchgeführt hat. Die Zeugen F. und R. (Schiffer und Steuermann der "AF") geben eine nuanciertere und nach Auffassung der Berufungskammer plausiblere Version vom Hergang der Geschehnisse. Nach Aussagen dieser Zeugen hat sich folgendes abgespielt ; vor dem Überholmanöver der "A" hat die "AF" ihren Motor etwas gedrosselt; als dann das Vorschiff der "A" auf Höhe des Achterschiffs der "AF" gekommen war, wurde dieses Achterschiff zur "A" hingezogen und das Vorschiff drehte nach Backbord; um dies aufzufangen, gab der Steuermann R. leicht Steuerbordkurs, worauf das Vorschiff der "AF" zur "A" hingezogen wurde; es gelang nicht, diese Bewegung durch das Ruder zu korrigieren, da die "AF" durch das Drosseln der Motoren nicht mehr genug Druck auf dem Ruder hatte; um frei zu kommen, gab R. im letzten Augenblick volle Kraft voraus, aber ohne Erfolg; fast im gleichen Augenblick fuhren die beiden Schiffe ineinander. Mehr in Übereinstimmung mit dieser Version war der Standpunkt der VT in ihrer letzten Argumentation. Zu den Erwägungen des Rheinschifffahrtsgerichts (in seinem Urteil unter 7), dass nicht geklärt sei, ob die "AF" freiwillig nach Steuerbord ausgewichen ist, und dass vielmehr angenommen werden müsse, dass das Schiff infolge des Sogs nach Steuerbord gezogen wurde, bemerkte die VT insbesondere, dass diese Erwägungen "an sich wahrscheinlich nicht unrichtig sind", dass aber die "AF" diese Sogwirkung hatte bedenken und durch geeignete Rudermanöver ein Abdrehen nach Steuerbord hätte vermeiden müssen. Wie das Rheinschifffahrtsgericht geht auch die Berufungskammer davon aus, dass es sich beim Ausscheren der "AF" nach Steuerbord nicht um ein isoliert zu betrachtendes Manöver des Schiffes handelt, sondern um einen Teil der - übrigens erfolglos gebliebenen- Bemühungen des Steuermanns der "AF", die überholende "A" in einer durch Sogerscheinungen gekennzeichneten Situation freizufahren.
Diese Situation ist durch die "A" hervorgerufen worden, die es hätte vermeiden müssen, an "AF" so nahe vorbeizufahren, dass die vorbeschriebenen Schwierigkeiten entstanden. Die "A" kann sich dann auch nicht unter Berufung auf Art. 42 Abs. 1 letzter Satz der derzeit geltenden Rheinschifffahrtspolizeiverordnung über das überholte Schiff rechtfertigen, während sie selbst gegen die Vorschriften von Art. 37 Abs. 1 und von Art. 42 Abs. 1 verstoßen hat. Da das Überholen an dieser Stelle außergewöhnlich gefährlich war und der Unterschied, der Geschwindigkeit beider Schiffe nur gering war, hätte das Überholmanöver ohne weiteres zurückgestellt werden können. Die Berufungskammer rechnet der "A" dieses Verschulden schwer an. Es wiegt schwerer als die Verschulden der anderen beiden betroffenen Schiffe.
Der Umstand, dass die "A" falsch gefahren ist, bedeutet nicht, dass die "AF" schuldlos ist. An Bord dieses Schiffes wusste man rechtzeitig, das die "A", die ihr Überhollicht zeitig gesetzt hatte, die "AF" überholen wollte. Als dem Steuermann dieses Schiffes klar wurde, dass die "A" an Steuerbord vorbeifahren wollte, hat er zurecht die Geschwindigkeit herabgesetzt. Die anderen rechtzeitig ausgemachten schrägliegenden Schiffe und der sehr niedrige Wasserstand hätten jedoch Grund genug für ihn sein müssen, das Überholmanöver der "A" durch Kurswechsel nach Backbord zu erleichtern, noch bevor die "A" das in Art. 43 Abs. 2 Buchstabe b) der derzeit geltenden Rheinschifffahrtspolizeiverordnung genannte Zeichen gesetzt hat. Für einen solchen Kurswechsel wäre genug Platz vorhanden gewesen. Die Möglichkeit, "A" überholen zu lassen, wäre somit sichergestellt gewesen.
Die vorstehenden Erwägungen führen zu dem Schluss, dass das Rheinschifffahrtsgericht zu Recht ein Mitverschulden der drei an der Kollision beteiligten Schiffe festgestellt hat. Die feststehenden Tatsachen und Umstände erlauben es der Berufungskammer nicht, zu einem anderen Verhältnis der Schuldaufteilung zu kommen als das Rheinschifffahrtsgericht. Das bedeutet, dass die Schuldanteile der "JM" und der "A" auf 20 % bzw. 50 % festgesetzt werden müssen und dass, obgleich - wie unter 2) oben erwogen - das angefochtene Urteil auch in der Hauptsache nicht aufrechterhalten werden kann, soweit sowohl die Berufung der Mawag c.s. als auch die Berufung der VT unbegründet sind.
Mithin erkennt die Berufungskammer für Recht:
Die Berufung des Schifferbetriebsverbandes gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Rotterdam vom 23. Februar 1979 ist begründet, und dieses Urteil wird sowohl in der Haupt¬sache als auch in der Regressklage aufgehoben.
Die Vorladung vom 8. Mai 1978 bezüglich der auf Ersuchen der Vereenigde Tankreederij angestrengten Regressklage gegen den Schifferbetriebsverband wird nunmehr für nichtig erklärte
Die Berufung der Mawag und Viktoria sowie die Berufung der Vereenigde Tankreederij werden als unbegründet zurückgewiesen. Die Schuldanteile der "JM" und der "A" werden auf 20 % bzw. 50 % festgesetzt.
Die Kosten der Berufung der Mawag und Viktoria gehen zu Lasten dieser Parteien, die Kosten der Berufung der Vereenigde Tankreederij und die der Berufung des Schifferbetriebsverbandes gehen zu Lasten der Vereenigde Tankreederij.
Die Feststellung dieser Kosten erfolgt gemäß Artikel 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte durch das Rheinschifffahrtsgericht Rotterdam.
Das Verfahren in der Hauptsache wird an das Rheinschifffahrtsgericht zurückgewiesen, um den Parteien in der Hauptsache die Gelegenheit zu geben, bezüglich des Schadenumfangs weiter
zu verhandeln.

Der Gerichtskanzler:     Der Vorsitzende:

(gez.) R. Doerflinger     (gez.) P. Quanjard