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11 U 1017/07 BSch - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 20.12.2007
Aktenzeichen: 11 U 1017/07 BSch
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Ein Vertrag über den Transport eines Schubleichters durch ein Schubboot ist ein Frachtvertrag, der Schaden am Schubleichter ist ein Güterschaden gemäß § 425 I HGB.
2) Für Ansprüche aus einer Havarie in Österreich gilt zwischen zwei deutschen Unternehmen für einen Transportauftrag von Deutschland nach Ungarn ohne Rechtswahl deutsches Recht, für deliktische Ansprüche gegen den Schiffsführer gilt das Recht des Tatortes, vorliegend also das Recht der Republik Österreich.
3) Ein Kaskoversicherer ist ohne Abtretung nicht aktiv legitimiert für nichtversicherte Ansprüche seines Versicherungsnehmers gegen den Schädiger, die im Zusammenhang mit dem an sich versicherten Ereignis entstanden sind.

Vorinstanz: Schiffahrtsgericht Würzburg, Aktenzeichen 16 C 1802/06 BSch

Tatbestand:
Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus der am 16. August 2005 gegen 20.30 Uhr entstandenen Beschädigung des bei ihr versicherten und im Eigentum der Firma »M« stehenden Schubleichters »4« geltend.
Am 10. August 2005 erteilte die Firma »M« der Beklagten zu 1) mündlich den entgeltlichen Auftrag, den genannten Schubleichter von Deggendorf nach Ercsi zu verbringen. Die Beklagte zu 1) sandte am selben Tag eine den Auftrag bestätigende E-Mail an die Firma »M« auf deren Inhalt Bezug genommen wird (BI. 144 d. A.). Die Beklagte zu 1) ist Eignerin des Schubbootes »W«, in dessen Verband der Schubleichter der Firma »M« neben drei weiteren Schubleichtern aufgenommen wurde. Der Beklagte zu 2) war der Führer des Schubverbandes, als es durch dessen Kollision mit dem mittleren Pfeiler der Ostbahnbrücke in Wien zu den streitgegenständlichen Schäden kam. Zum Unfallzeitpunkt wies die Donau einen erhöhten Wasserstand auf, war aber noch für die Schifffahrt freigegeben. Der Beklagte zu 2) hatte, um die Ostbahnbrücke unterfahren zu können, das Steuerhaus des Schubbootes heruntergefahren und zwei Matrosen als Wahrschauposten auf die vorderen Barken geschickt. Trotz der Warnungen dieser Matrosen kam es zur Kollision. Der Firma »M« entstanden durch den Unfall Sachschäden in Höhe von 43.741,25 €, Sachverständigenkosten in Höhe von 900 € und Kosten der Verschlepppung des Schubleichters »4« zur Werft in Höhe von 2500 €, insgesamt also 47.141,25 € zuzüglich Anwaltskosten für die Aufforderung der Beklagten zur Zahlung bis 23. März 2006 in Höhe von 699,90. Die Firma trat ihre Ersatzansprüche gegen die Beklagten mit Ausnahme eines Teilbetrages von 7.500 € an die Klägerin ab. Mit ihren Ansprüchen in Höhe dieses Teilbetrages rechnete die Firma »M« gegen einen unstreitigen Zahlungsanspruch der Beklagten zu 1) gegen sie auf. Die Firma ermächtigte die Klägerin, auch insoweit im eigenen Namen gegen die Beklagten zu klagen.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass der Schaden am Schubleichter auf grobes Fehlverhalten des Beklagten zu 2) zurückzuführen sei und dass zwischen der Firma »M« und der Beklagten zu 1) ein Werkvertrag geschlossen worden sei. Allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) seien nicht einbezogen worden. Dort vorgesehene Haftungsbeschränkungen und Verjährungserleichterungen seien unwirksam.
Die Klägerin hat beantragt
die Beklagten zu 1. und 2. gesamtschuldnerisch haftend zu verurteilen, an die Klägerin 47.141,25 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 24.3.2006 sowie eine Gebühr in Höhe von 699,90 € gemäß Nr. 2400 W RVG zu zahlen, die Beklagte zu 1) sowohl persönlich haftend als auch bei Vermeidung der Zwangsvollstre-
ckung in das Schubboot »W«
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben gemeint, dass der Unfall nur auf einem leichten Fahrfehler des Beklagten zu 2) beruhe. In dem geschlossenen Frachtvertrag seien die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) (BI. 29 ff. d. A.) einbezogen worden. Es komme daher der dort ebenso wie im jedenfalls heranzuziehenden niederländischen Recht enthaltene Haftungsausschluss zum Tragen. Zudem seien eventuelle Forderungen verjährt.
Mit Endurteil vom 17.4.2007 hat das Amtsgericht – Schifffahrtsgericht – Würzburg die Klage abgewiesen, da der Unfall auf leichtes Verschulden des Beklagten zu 2) zurückzuführen sei, für das das anzuwendende niederländische Recht keine Haftung vorsehe. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen (BI. 148 ff. d.A.).
Gegen das Urteil des Schifffahrtsgerichts hat die Klägerin Berufung eingelegt.
Die Klägerin wendet sich weiter gegen die Annahme eines Frachtvertrages und der Einbeziehung der allgemeinen Geschäftsbedingungen. § 24 dieser allgemeinen Geschäftsbedingungen sei, wenn er zur Anwendung niederländischen Rechts führe, als für den Vertragspartner überraschend unwirksam. Zudem habe der Beklagte zu 2) den Unfall leichtfertig verursacht.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten zu 1. und 2. gesamtschuldnerisch haftend zu verurteilen, an die Klägerin 39.641,25 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 24.3.2006 sowie eine Gebühr in Höhe von 699,90 € gemäß Nr. 2400 W RVG zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Firma »M« aus dem Ereignis vom 16.8.2005 in Wien einen Schadensersatzanspruch in Höhe von weiteren 7.500 € gegen die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner erworben hat.
Die Beklagten beantragen.
den klägerischen Antrag in Nr. 1 als unbegründet zurückzuweisen und in Nr. 2 als unzulässig abzuweisen.
Die Beklagten bringen vor, die hier erfolgte Vereinbarung niederländischen Rechts sei üblich, so dass sie für den leichten Navigationsfehler des Beklagten zu 2) nicht hafteten. Außerdem berufen sie sich auf Verjährung und Haftungseinschränkungen gemäß den allgemeinen Geschäftsbedingungen. Diese Regelungen seien nach dem jedenfalls anzuwendenden österreichischen Recht wirksam.
Die Parteien haben die Zuständigkeit des Amtsgerichts – Schifffahrtsgericht – Würzburg schriftlich vereinbart.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet.
1. Unbegründet ist die Berufung hinsichtlich des nunmehr von der Klägerin gestellten Feststellungsantrags, da insoweit die Klage mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig und daher weiter abzuweisen ist.
Die Klägerin handelt insoweit in gewillkürter Prozessstandschaft, die ein eigenes schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Prozessführung im eigenen Namen voraussetzt (vgl. Zöller, 26. Auflage. vor § 50 ZPO Anm. 44 mit vielen Nachweisen). Ein solches schutzwürdiges Interesse liegt nicht vor. Auch die Klägerin hat trotz entsprechenden Hinweises im Verhandlungstermin vor dem Senat am 20.12.2007 hierzu keine Ausführungen gemacht (vgl. S. 2 der Sitzungsniederschrift, BI. 260 d. A.). Dass die Klägerin als Versicherung nicht auf sie übergegangene Ansprüche der Firma »M« geltend macht, liegt allein im hier nicht ausreichenden Interesse der Firma »M«
2. Begründet ist die Berufung, soweit die Klägerin die Beklagten im Umfang von Nr. 2 des obigen Tenors in Anspruch nimmt. Unbegründet ist sie, soweit die Klägerin vom Beklagten zu 2) höhere Zinsen als 4 %
verlangt.
2.1 Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) ergibt sich aus § 26 BinSchG, § 425 Abs. 1 HGB.
2. 1.1 Der zwischen der Firma »M« und der Beklagten zu 1) hinsichtlich des Transports des Schubleichters zustande gekommmene Vertrag unterliegt deutschem Recht. Eine Rechtswahl gemäß Art. 27 EGBGB haben die Vertragsparteien nicht getroffen. § 24 der von den Beklagten herangezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen enthält eine solche Rechtswahl nicht. Diese Klausel ist mit »Gerichtsstand« überschrieben und befasst sich in seinen ersten beiden Sätzen unzweifelhaft nur damit. Der folgende dritte Satz »Es gilt niederländisches Recht.« kann sich daher auch nur auf diesen Regelungsgegenstand beziehen. Der Vertrag wurde zwischen zwei in Deutschland ansässigen Unternehmen geschlossen, der Transport sollte von Deutschland nach Ungarn gehen. Die engste Verbindung besteht also zum deutschen Recht (Art. 28 Abs. 1, 2 u. 4 EGBGB).
2.1.2 Die Firma »M« und die Beklagte zu 1) haben einen Frachtvertrag im Sinne von § 407 Abs. 1 HGB geschlossen, da Gut im Sinne dieser Vorschrift alle Sachen sein können, die von einem Ort zum anderen gebracht werden sollen (Baumbach/Hopt, 32. Auflage, § 407 HGB Anm. 5), also auch ein Schubleichter. Dies führt zu einer Haftung der Klägerin für dessen Beschädigung durch den streitgegenständlichen Unfall gemäß § 425 Abs. 1 HGB. Zwar enthalten die von den Beklagten herangezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen Haftungsbegrenzungen und eine Verkürzung der Verjährungszeit. Diese Klauseln kommen aber bereits deshalb nicht zur Geltung, weil sie unstreitig nicht »einzeln ausgehandelt« wurden (§§ 449 Abs. 1 u. 2, 439 Abs. 4 HGB). Die Verjährungsfrist gemäß § 439 Abs.1 HGB ist aufgrund der im Juli 2006 erfolgten Klageerhebung noch nicht abgelaufen.
2.2 Der Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 2) ergibt sich aus §§ 1293, 1294, 1295 Abs. 1 des österreichischen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB).
2.2.1 Vertragliche Ansprüche der Firma »M« und damit der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 2) scheiden mangels vertraglicher Beziehung aus. Ansprüche aus unerlaubter Handlung unterliegen gemäß Art. 40 Abs. 1 S. 1 des deutschen EGBGB, § 48 österr. IPRG dem Recht des Handlungsortes. Dies ist Österreich, da dort durch den Unfall die Schadensursache gesetzt wurde.
2.2.2 Der Beklagte zu 2) hat sich gemäß §§ 1293, 1294, 1295 Abs. 1 österr. ABGB schadensersatzpflichtig gemacht, da er durch falsches Navigieren des Schubverbandes den Schaden fahrlässig herbeigeführt hat. Die einjährige Vejährungsfrist gemäß § 117 österr. BinSchG ist nicht verstrichen.
3. Die Beklagten sind der Klägerin zum Schadensersatz als Gesamtschuldner verpflichtet (§§ 421, 840 BGB, § 1302 österr. ABGB), soweit der entsprechende Anspruch der Firma »M« an die Klägerin abgetreten ist. Sie haben also von der Summe aus Sachschaden, Sachverständigen- und Verschleppungsskosten von 47.141,25 € den um 7.500 € verminderten Teil, also 39.641,25 € zu erstatten. Darüber hinaus schulden sie den Ersatz der Rechtsverfolgungskosten in der Form der Geschäftsgebühr in Höhe von 699,90 € gemäß Nr. 2300 u. Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 W RVG (vgl. BGH NJW 2007, 2049 f.). insgesamt also 40.341.15 €.
4. Die von den Beklagten geschuldete Verzinsung ist unterschiedlich. Hinsichtlich der Beklagten zu 1) ergibt sie sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Der Beklagte zu 2) jst gemäß §§ 1333 Abs. 1, 1334, 1000 Abs. 1 österr. ABGB lediglich zu einer Verzinsung in Höhe von 4% verpflichtet.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2009 - Nr.6 (Sammlung Seite 2024 f.); ZfB 2009, 2024 f.