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11 0 443/82 - Landgericht (-)
Entscheidungsdatum: 21.02.1984
Aktenzeichen: 11 0 443/82
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Landgericht Duisburg
Abteilung: -

Leitsätze:

1) Affäre Abwrackprämienbetrug

2) Zivilrechtlich erfolgreiche Klage der Bundesrepublik Deutschland gegen den Haupttäter und verschiedene Beteiligte auf Rückzahlung der betrügerisch erlangten Abwrackprämien -

3) Das Rechtsschutzinteresse der Klägerin wird bejaht, die Verjährung der erhobenen Ansprüche verneint.

Urteil des Landgerichts Duisburg

vom 21. Februar 1984

Zum Tatbestand:

Die Klägerin hatte bereits Rückforderungsbescheide über die gesamten zur Debatte stehenden, unrechtmäßig beantragten und ausgezahlten Abwrackprämien erlassen und außerdem ein Urteil des Landgerichts Duisburg vom 6.4.1982 - 110 317/81 - auf Rückzahlung von 5 Mill. DM erwirkt (s. ZfB 1982, 361/362). Nunmehr hat sie eine weitere Klage vor dem ordentlichen Gericht wegen des Restbetrages von 12800902,- DM gegen den Hauptverantwortlichen - Beklagter zu 1) - bezüglich dieser Gesamtsumme sowie hinsichtlich verschiedener Teilbeträge gegen gesamtschuldnerisch mithaftende Beteiligte, nämlich gegen dessen Ehefrau - Beklagte zu 2) und Sohn - Beklagter zu 3) - sowie zwei in engster Geschäftsbeziehung stehende, in Belgien und der Schweiz ansässige Firmen - Beklagte zu 4) und 5) - erhoben.
Die Klägerin hat u. a. geltend gemacht, dass der Beklagte zu 1) im Zusammenwirken mit dem damaligen Angestellten M. der WSD West (früher Duisburg) von Oktober 1977 bis Februar 1979 für 105 Schiffe Anträge auf Zahlung von Abwrackprämien unter Beifügung gefälschter Abwrackbescheinigungen, Schiffsregisterauszüge und Löschungsbescheinigungen gestellt habe. Den anderen Beklagten wird, soweit sie in einigen Fällen die Anträge unterzeichnet haben, Kenntnis von der Fälschung der beigefügten Unterlagen, zum Teil sogar selbst durchgeführte Fälschung von Dokumenten, vorgeworfen.
Die Beklagten sind der Ansicht, dass die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig sei, soweit die Klägerin schon Rückforderungsbescheide nach Maßgabe des Binnenschiffsverkehrsgesetzes erlassen habe. Außerdem erheben sie die Einrede der Verjährung, da die Klägerin schon im Juni 1979 von den Fälschungen Kenntnis gehabt habe.
Durch Teilurteil wurden der Beklagte zu 1) zur Zahlung der Gesamtsumme von 12800902,- DM, die Beklagten zu 4) und 5), jeweils gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 1), zur Zahlung von 1050796,- DM bzw. 178530,- DM nebst Zinsen verurteilt. Die übrigen Entscheidungen wurden dem Schlußurteil vorbehalten. Das Teilurteil ist rechtskräftig.

Aus den Entscheidungsgründen:

„...
I. Die Klage ist zulässig. Der Klägerin fehlt, wie die Kammer bereits in ihrem Zwischenurteil vom 6. Oktober 1981 im Vorprozess 11 0 317/81 ausgesprochen hat, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, nicht etwa deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil rechtskräftige Rückforderungsbescheide ergangen sind. Die Vollstreckung gegen die Beklagten muss im Ausland stattfinden und aus Verwaltungsakten deutscher Behörden ist die Vollstreckung weder in Belgien noch in der Schweiz möglich.
Das Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, das deutsch-belgische Abkommen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Juni 1958 und das deutschschweizerische Abkommen, über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen vom 2. November 1929 beziehen sich, was schon aus dem Titel der Abkommen deutlich wird, auf Zivilrechtsverhältnisse und nicht auf öffentliche Rechtsverhältnisse. Die in den Abkommen angesprochenen Urkunden, die auch in den Vertragsstaaten für vollstreckbar erklärt werden können, sind dementsprechend solche, in denen sich in zivilrechtlichen Angelegenheiten der Schuldner der Vollstreckung unterworfen hat. Die Vollstreckung aus einseitigen staatlichen Verwaltungsakten ist damit nicht gemeint. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, den die Klägerin durch Verwaltungsakt festgesetzt hat, gehört zum Gebiet des öffentlichen Rechts (BGH in NJW 1979, 642; in DÖV 1972, 313).


II. Die Klage ist hinsichtlich des Erstbeklagten und der Beklagten zu 4) und 5) auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts und nach dem Ergebnis der bisher durchgeführten Beweisaufnahme entscheidungsreif. Die Klage ist insoweit in vollem Umfang begründet.
a) Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 1) wegen aller ausgezahlten Abwrackprämien einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB.

Der Erstbeklagte hat durch die Einreichung der Anträge mit gefälschten Unterlagen im Zusammenwirken mit M. den Tatbestand des § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt, weil die Anträge, wie der Beklagte wusste, unrichtige Angaben übersubventionserhebliche Tatsachen enthielten. Er hat dadurch die für die Bewilligung der Abwrackprämien zuständige Behörde, die WSD-West, damals mit Sitz in Duisburg, über das Vorliegen der subventionserheblichen Tatsachen getäuscht.
Solche Tatsachen waren hier gemäß § 3 der Verordnung vom 8. Januar 1969 (BGBI. 1969 1 Seite 17) u. a. die erfolgte Abwrackung der Schiffe, für die eine Prämie beantragt wurde.
Der urkundliche Nachweis dieses Abwrackvorgangs war die Anspruchsvoraussetzung für die Bewilligung der beantragten Abwrackprämie. Die bei allen Anträgen vorgelegten Abwrackbescheinigungen der Firma B. und Z. neben dem Testat des Hafenkapitäns waren unstreitig sämtlich gefälscht und das war ebenfalls unstreitig dem Erstbeklagten bekannt. Er hat die gefälschten Dokumente selbst besorgt.
Der Tatbestand des Subventionsbetruges gemäß § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist damit verwirklicht. Der Beklagte kann sich mit Erfolg nicht darauf berufen, er habe angenommen, die WSD-West akzeptiere auch gefälschte Dokumente als Beweismittel. In subjektiver Hinsicht genügt gemäß § 264 Abs. 3 StGB Leichtfertigkeit. Wie die Kammer bereits im Urteil vom 6. April 19821) im Vorprozess ausgeführt hat, musste sich dem Erstbeklagten seine unlautere Handlungsweise geradezu aufdrängen, weil es auch für einen benachbarten Ausländer nicht zweifelhaft sein kann, dass Mitarbeiter deutscher Behörden bei pflichtgemäßem Handeln ihrer eigenen Behörde keine gefälschten Urkunden vorlegen und sich auch von Antragstellern kein Entgelt zahlen lassen.
Es kommt auch nicht darauf an, ob die Schiffe tatsächlich die angegebenen Merkmale aufgewiesen haben und irgendwo irgendwann abgewrackt worden sind.
Der Beklagte hat die ausgezahlten Abwrackprämien betrügerisch erschlichen, weil er in keinem einzigen Fall den ordnungsgemäßen Nachweis der Abwrackung durch die verlangten Urkunden geführt hat und weil dieser Urkundennachweis Anspruchsvoraussetzung für die Prämie war. Einen Antragsteller, der diesen Nachweis nicht geführt hat, steht nach der gesetzlichen Regelung die Abwrackprämie nicht zu.
Der Erstbeklagte ist im Gesamtumfang der zu Unrecht ausgezahlten Abwrackprämien in Höhe von 12800902,- DM der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet.
Die Einrede der Verjährung greift nicht durch. Die Verjährungsfrist beträgt nach § 852 BGB drei Jahre.
Sie beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat. Dabei müssen die bekannten Tatsachen derart sein, dass auf sie gestützt wenigstens Feststellungsklage erhoben werden kann. Die Klage gegen den Erstbeklagten ist am 19. Juli 1982 beim Landgericht Duisburg eingegangen und hat, da sie alsbald zugestellt worden ist, mit diesem Tage die Verjährung unterbrochen. Am 19. Juli 1979 hatte die Klägerin, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, von dem eingetretenen Schadensfall jedoch überhaupt noch keine Kenntnis, sondern nur vage Anhaltspunkte dafür, dass möglicherweise irgendetwas mit den vom Beklagten zu 1) vorgelegten Prämienanträgen nicht stimmen könnte.
Wie die Zeugen H., S., St. und M. übereinstimmend und glaubhaft, durch die Akten der WSD-West lückenlos belegt, bekundet haben, konnte erst bei dem Besuch von Beamten der WSD-West beim Schiffsregister in Straßburg in der Zeit vom 12. bis 15. November 1979 festgestellt werden, dass vorgelegte Auszüge aus dem Schiffsregister Straßburg gefälscht waren. Bis dahin gab es lediglich Verwunderung über die Anzahl der insgesamt angeblich abgewrackten Schiffe und Mutmaßungen anderer Reedereien in Form vertraulicher Hinweise, dass möglicherweise gefälschte Unterlagen vorgelegt worden seien. Die Fälschung der Abwrackbescheinigungen gar ist erst im Zuge der staatsanwaltlichen Ermittlungen zutage getreten.
Es kann nicht zweifelhaft sein, dass die Klägerin nicht auf Grund von Gerüchten und bis dahin nicht bestätigten Vermutungen, dass auch irgendwelche Unterlagen gefälscht seien, eine Klage erheben konnte. Der frühest mögliche Zeitpunkt für den Beginn der Verjährung ist daher der 14. November 1979, der Tag, an dem die Fälschung der Straßburger Registerauszüge verifiziert wurde, und das kann sich auch nur auf die Schiffe beziehen, bei denen tatsächlich solche Unterlagen vorgelegt wurden. Gegenüber dem Erstbeklagten war die Verjährung also längst unterbrochen, bevor die Verjährungsfrist ablaufen konnte.
Die geforderten gesetzlichen Rechtshängigkeitszinsen stehen der Klägerin zu.


b) Die Beklagte zu 4) ist der Klägerin in den Fällen Nr. 5, 11, 12 und 19 mit einem Gesamtschadensbetrag von 1 050 796,- DM nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 30 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Sie haftet nach § 30 BGB für die unerlaubten Handlungen des Erstbeklagten, ihres Generalbevollmächtigten ebenso wie dieser. Da der Erstbeklagte durch Einreichung der Subventionsanträge und Herstellung der gefälschten Dokumente einen Subventionsbetrug begangen hat, wie ausgeführt, ist die Beklagte zu 4) demgemäß für den entstandenen Schaden auch verantwortlich. Wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, ergibt sich die Haftung der Beklagten zu 4) ebenso wie nach deutschem Recht aus den Artikeln 1382 und 1383 des burgerlijk wetboek in Belgien.
Auch die Beklagte zu 4) kann sich nicht auf Verjährung berufen
...


c) Die Beklagte zu 5) ist der Klägerin im Fall 8 wegen des Schiffes „NAPHTA 9" mit einem Schadensbetrag von 178 530,- DM ebenfalls nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 30 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Auch sie haftet nach § 30 BGB aus den gleichen Gründen wie die Beklagte zu 4) für die unerlaubte Handlung des Erstbeklagten als ihren Generalbevollmächtigten. Dieser hat auch im Falle des Schiffes „NAPHTA 9" eine gefälschte Abwrackbescheinigung erstellt und vorlegen lassen und sich dadurch des Subventionsbetruges schuldig gemacht. Auch hier hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass die Haftung der Beklagten zu 5) für das Verhalten des Erstbeklagten auch nach schweizerischem Recht gemäß Artikel 55 Abs. 2 des Zivilgesetzbuches begründet ist.
...
Hinsichtlich der Beklagten zu 2) und 3) ist der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif. Die Kostenentscheidung muss deshalb auch dem Schlußurteil vorbehalten bleiben.
...“