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105.011.771/01 - Gerichtshof (Berufungsinstanz Moselschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 28.04.2009
Aktenzeichen: 105.011.771/01
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Gerichtshof Rotterdam
Abteilung: Berufungsinstanz Moselschiffahrt

Leitsatz:

Zur Berechnung der Höchsthaftungssumme nach CLNI wird bei Motorschiffen neben der Tragfähigkeit und der Leistungdes oder der Hauptmotoren die Stärke eines Bugstrahlruders auch dann nicht mitgerechnet, wenn dieses 360 ° d rehbar  istund technisch nicht nur zum Manövrieren, sondern auch zur Vorausfahrt des Schiffes eingesetzt werden könnte.

Urteil des Gerechtshof's-Gravenhage, Den Haag

vom 28. April 2009

(Vorinstanz: Rechtsbank Rotterdam, Aktenzeichen
105.011.771/01)

Zusammenfassung der Urteilsgründe:

Der Hof in Den Haag hat sich ausführlich mit der Frage beschäftigt, wie die Höchsthaftungssumme nach CLNI, vorliegend Artikel 8:1065 Bürgerliches Gesetzbuch der Niederlande »BW« und des »KB« (Königlicher Beschluss) vom 29. November 1996 (entspricht §§ 5 f und 5 e BinSchG in Deutschland) zu berechnen ist. Zu berechnen war die Höchsthaftungssumme für MS »Lissa Hopper« (ex: »Waalwijk«), das neben zwei Hauptmaschinen von je 400 kW mit einem aktiven Bugruder von 320 kW ausgerüstet ist, das um 360 ° drehbar ist. Der Hof in den Haag hat entschieden, dass dieses aktive Bugruder bei der Berechnung der Höchsthaftungssumme nicht zu berücksichtigen ist, und dies im wesentlichen mit folgenden Argumenten begründet:


Zunächst analysiert der Hof den Wortlaut des CLNI. Er stellt fest, dass der Wortlaut des Vertrages (»machines de propulsion« / »Antriebsmaschinen« / »voortbewegingswerktuigen «) zunächst nur Maschinen erfasst, die die Antriebskraft für die normale, bestimmungsgemäße Fortbewegung eines Schiffes liefern. Dafür seien Bugstrahlruder grundsätzlich nicht bestimmt. Der Hof verweist dazu auf v. Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5. Auflage BinSchG, § 5e, RN 6. Das Attest des MS »Lissa Hop-per« zähle die Bugschraube nicht zu den Fortbewegungseinrichtungen, sondern allein die zwei Hauptmotoren. In den Herstellerinformationen werde ausgeführt, dass die Bugschrauben in der Lage seien, das Schiff »mit großer Geschwindigkeit von steuerbord nach backbord zu steuern«. Der Schiffsführer des MS »Lissa Hopper« habe erklärt, dass nur im absoluten Notfall die Bugschraube als Antriebsmittel für die Vorausfahrt gebraucht werde. Vor diesem Hintergrund kommt der Hof zu der Überzeugung, dass das Bugstrahlruder nicht für die Vorausfahrt, sondern allein für das Manövrieren des Schiffes eingesetzt werde.
Historisch und teleologisch befasst sich der Hof mit der Frage, ob sich die Höhe der Höchsthaftungssumme nur am Wert des Schiffes oder auch - unter Berücksichtigung der Antriebskraft - an der vom Schiff ausgehenden Gefährdung orientiere. Letzteres werde in der Literatur durchaus diskutiert, der Hof verweist auf Korioth, die Neuregelung der Haftungsbeschränkung in der Binnenschifffahrt - unter besonderer Berücksichtigung des gerichtlichen Verteilungsverfahrens, Duisburg, 1984, Seite 166, der auf den Aspekt der Gefahrerhöhung hinweist. Dem hält der Hof entgegen, dass die Ausrüstung mit einem Bugstrahlruder zu einer besseren Manövrierbarkeit des Schiffes und damit zu einer Gefahrenminderung nicht -erhöhung beitrage.
Der Hof verweist weiter darauf, dass beim Zustandekommen des CLNI-Vertrages sehr starke Bugstrahlmotoren wie der des MS»Lissa Hopper« noch nicht verbreitet waren und sich die Vertragsparteien daher mit dieser Frage nicht beschäftigt hätten. Im Übrigen sei bekannt, dass Vorlage des CLNI- Vertrages der Vertrag von London von 1976 über die Haftungsbegrenzung in der Seeschifffahrt sei. Dort sei Grundlage allein die Wasserverdrängung, Anhaltspunkte dafür, dass der Wert des Schiffes Maßstab für die Berechnung sein solle, seien nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund sei eine extensive Auslegung des Begriffes Voortbewegingswerktuigen nicht indiziert. Mit diesen Argumenten kommt der Hof zu folgender Entscheidung: »Het voorgaande leidt tot de conclusie dat onderhavige boegschroef geen voortbewegingswerktuig is in de zin van het CLNIverdrag en dus ook niet in de zin van het KB van 29 november 1996 en dat het vermogen van de motor die deze boegschroef aandrijft daarom niet meetelt voor de berekening van de hoogte van het bedrag van de beperkte aansprakelijkheid.«
(Das Vorstehende führt zu dem Ergebnis, dass vorliegende Bugschraube kein Fortbewegungsmittel im Sinne des CLNI-Vertrages und auch nicht des KB vom 29. November 1996 ist und dass die Kraft dieses Motors, der die Bugschraube antreibt, daher bei der Berechnung der Höhe des Betrages für die beschränkte Haftung nicht mitzählt).

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2009 - Nr.11 (Sammlung Seite 2048); ZfB 2009, 2048