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100 P - 3/79 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 06.11.1979
Aktenzeichen: 100 P - 3/79
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Straffreiheit eines Lotsen wegen Beschädigung einer Brücke, wenn er erst unmittelbar vor der Durchfahrt der Brücken­öffnung bemerkt, daß die Ruderanlage seines Schiffes nicht anspricht.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 6. November 1979 

(Rheinschiffahrtsgericht Strasbourg)

Zum Tatbestand:

Das auf der Talfahrt befindliche MS G fuhr in einer Februarnacht gegen 3.40 Uhr das rechtsrheinische Joch der Militärbrücke Drusenheim-Greffern an und rammte so­dann am linken Ufer bei km 318 die im Bau befindliche Zu­fahrtsrampe einer Motorfähre. Das Rheinschiffahrtsgericht hat den Lotsen, der das MS führte, wegen Verstoßes gegen § 1.04 RhSchPVO zu einer Geldbuße von 600 Francs verurteilt, weil die Nachtfahrt zu Tal wegen starker Strömung gefährlich gewesen sei und der Betroffene sich nicht vorher vergewissert habe, ob das Fahr­zeug die erforderlichen nautischen Eigenschaften besaß, ins­besondere sich die Rudereinrichtungen in einwandfreiem Zu­stand befanden. Der Betroffene hat im Berufungsverfahren geltend gemacht, daß die Ursache der Beschädigung der Brücke auf die aus der Anbringung eines zusätzlichen Jochs resultierende Redu­zierung der Schiffahrtsöffnung zurückzuführen sei.

Die Berufungskammer hat das erstinstanzliche Urteil aufge­hoben und den Betroffenen freigesprochen.

Aus den Gründen:

„..."

Der Betroffene, der durch Bekanntmachung an die Schiffahrt Nr. 75/71 vom 17. September 1971 über die geänderte Breite der Schiffahrtsöffnung informiert war, hatte sich aufgrund der nach § 1.04 bestehenden Wasserstraße zu richten und hätte die übri­gens auf dem eingeschalteten Radarschirm sichtbare Schiffahrts­anlage nicht anfahren dürfen.

Der Betroffene konnte allerdings entsprechend seiner eigenen Angaben dadurch überrascht worden sein, daß seine Ruderanlage nicht sofort ansprach, als er sich anschickte, durch die Schiffahrts­öffnung zu fahren.

Bei ihren Ermittlungen nach dem Unfall hat die Wasserschutzpoli­zei festgestellt, daß die Ruderanlage beschädigt und insbesondere ein Steuerbordruderblatt verlorengegangen war, was die Behaup­tung des Betroffenen glaubhaft macht.

Nichts berechtigt zu der Annahme, daß der betroffene Lotse bei sorgfältiger Aufmerksamkeit das Versagen der Ruderanlage seines Schiffes, das er schon früher geführt hatte, nicht erst bei der Durchfahrt in der Nähe der beschädigten Brücke hätte feststellen müssen.

Die Berufungskammer kann auch nicht feststellen, daß der Betrof­fene im letzten Augenblick noch andere Maßnahmen treffen konnte, um den Unfall zu vermeiden.

Die beschriebenen Umstände erlauben somit nicht die Tatsachen festzustellen, die der Anklage zugrunde liegen. Infolgedessen muß der Betroffene freigesprochen werden.

...“