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1 U 78/71 - Oberlandesgericht (-)
Entscheidungsdatum: 28.11.1975
Aktenzeichen: 1 U 78/71
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: § 1 Abs. 2 Satz 2 WaStrG
Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Abteilung: -

Leitsätze:

1) Häfen sind Teil einer Bundeswasserstraße, soweit sie mit der Bundeswasserstraße eine morphologische Einheit bilden (wie sogenannte Strom-, Parallel-, Trapez- oder Dreieckshäfen).

2) § 1 Abs. 2 Satz 2 WaStrG stellt, soweit er Hafeneinfahrten betrifft, lediglich eine ergänzende Regelung dar, die nicht isoliert gesehen werden darf. Nicht alle Hafeneinfahrten sind von der Seewasserstraße ausgenommen, sondern nur solche, die zu einem Hafen führen, der nicht selbst Teil der Seewasserstraße ist.

Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg

vom 28. 11. 1975

Zum Tatbestand:

Die Beklagte hat dem Kläger Grundstücke des früheren Fährhafens F. verkauft. Die einzelnen Grundstücke sind im Vertrag katastermäßig bezeichnet. Weiter heißt es in § 1 Absatz 2 des Vertrages:
„Mitverkauft sind die aufstehenden Gebäude, wie die ehemalige Bahnhofsgaststätte, der Lokomotivschuppen usw. und alle Hafen- und Molenanlagen, auch soweit sie nicht im Grundbuch als Eigentum der Verkäuferin ausgewiesen sind."

Die Parteien streiten, ob die Beklagte auch verpflichtet ist, dem Kläger das Hafenbecken (Wasserparzelle 78) und die beiden Westmolen aufzulassen. Die Molen stehen auf der Wasserparzelle 78 und in der Seewasserstraße Ostsee.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist vom Oberlandesgericht als unbegründet zurückgewiesen worden.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Der Vertrag nennt im einzelnen die Grundstücke und Grundstücksteile, die veräußert werden sollten. Die Wasserparzelle findet sich nicht darunter. Die Annahme, dass diese Parzelle nicht habe verkauft werden sollen, liegt deshalb für einen verständigen Betrachter nahe; denn bei Grundstückskaufverträgen ist es im allgemeinen üblich, die Grundflächen, die Gegenstand des Vertrages sind, im einzelnen genau und vollständig zu bezeichnen. Das erscheint schon im Hinblick auf die gesetzliche Formvorschrift (§ 313 BGB) geboten.

Auch im Wege der Auslegung lässt sich eine Veräußerungspflicht der Beklagten nicht begründen. § 1 Abs. 2 des Vertrages hat, was den ersten Halbsatz anbelangt, klarstellende Funktion: Mitverkauft sind die auf den genannten Flurstücken stehenden Gebäude.

Die Wasserparzelle könnte, da an anderer Stelle des Vertrages nicht genannt, nur unter den zweiten Halbsatz des § 1 Abs. 2 fallen, nach dem alle Hafen- und Molenanlagen Mitverkauft sind, auch soweit sie nicht im Grundbuch als Eigentum der Verkäuferin ausgewiesen sind. Nach allgemeinem Sprachgebrauch sind Hafen- und Molenanlagen" künstlich geschaffene Anlagen, die dem Betrieb des Hafens dienen. Der Kläger vermengt die Begriffe in unzulässiger Weise, wenn er folgert, dass die Hafenbecken Bestandteil des Hafens sei und demzufolge das Hafenbecken eine Hafenanlage. Die Grundflächen, auf denen sich die Gewässer des Hafens befinden, lassen sich als Hafenanlagen allenfalls dann bezeichnen, wenn es sich um künstlich geschaffene Wasserbecken handelt, nicht aber dann, wenn natürliche Gewässer wie hier die offene See über bestimmten Grundflächen stehen.

Das Hafenbecken als Hafenanlage anzusehen, würde auch der erkennbaren Systematik des Kaufvertrages widersprechen. Was grundbuch- und katastermäßig genau zu bestimmen war, steht in § 1 Abs. 1 des Vertrages. Dort hätte deshalb auch die Wasserparzelle aufgeführt werden müssen, wenn sie Gegenstand des Vertrages hätte werden sollen.

Für die Beklagte war es bei Vertragsschluss erkennbar, dass es dem Kläger darum zu tun war, den Hafen in seiner Gesamtheit als eine betriebsfähige Einheit zu erwerben. Dies kann jedoch nicht dazu führen, dem Kläger einen Anspruch auf Übereignung der Wasserparzelle zuzubilligen. Diese Konsequenz wäre allenfalls dann in Erwägung zu ziehen, wenn eine Nutzung des Hafens durch den Kläger anders als durch Erwerb des Eigentums an der Wasserparzelle nicht zu sichern gewesen wäre. So lag die Sache jedoch nicht. Rechtlich und tatsächlich war und ist es jedenfalls möglich, das Gewässer des Hafens auch aufgrund einer öffentlich rechtlichen Gestattung zu nutzen. Der Kläger war deshalb nicht unbedingt auf den Erwerb des Eigentums an der Wasserparzelle angewiesen. Auch war es des Klägers Sache, sich bei Vertragsschluss darüber Klarheit zu verschaffen, in welcher Weise er sich die Nutzungsmöglichkeit an der Wasserfläche sichern konnte. Dabei musste er in Rechnung stellen, dass die Begründung und Übertragung privater Rechte an Gewässern, die Teil der offenen See oder einer Seewasserstraße waren, rechtlich schwierig oder unmöglich sein konnte.

Die größere der beiden Westmolen liegt auf der Grundfläche der Wasserparzelle 78. Sie kann nicht Gegenstand besonderer Rechte sein (§ 93 f. BGB). Da der Hafen zumindest zur Zeit seiner Errichtung als eine auf Dauer angelegte Einrichtung angesehen wurde, verbietet sich die Annahme, dass die Mole nur zu vorübergehendem Zweck mit dem darunter liegenden Grund und Boden verbunden worden war (§ 95 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Die zweite seewärts gelegene Westmole kann von der Beklagten nicht aufgelassen werden, weil sie Teil einer Seewasserstraße ist, an der Eigentumsrechte Privater nicht begründet werden dürfen.

Seewasserstraßen sind die Flächen der Küstenlinie bei mittlerem Hochwasser oder der seewärtigen Begrenzung der Binnenwasserstraßen und der seewärtigen Begrenzung des Küstenmeeres (§ 1 Abs. 2 Satz 1 des Bundeswasserstraßengesetzes - WaStrG - vom 2. April 1968). In diesem Bereich liegt die Mole, deren Auflassung der Kläger verlangt. § 1 Abs. 2 Satz 1 WaStrG muss auch hier beachtet werden, obwohl der Kaufvertrag zwischen den Parteien vor Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen worden ist. Die bis dahin zwischen Bund und Ländern umstrittene Frage, ob die Seewasserstraße von der Küstenlinie bei mittlerem Hochwasser bis zur Grenze der Drei-Meilen-Zone reicht oder darunter nur die einzelnen Fahrrinnen zu verstehen sind (vgl. Friesecke, Kommentar zum WaStrG, § 1 Rdn. 12 m. w. N.), ist vom Gesetzgeber mit der angeführten Bestimmung entschieden und damit rück-wirkend bestimmt, in welchem Umfang das Eigentum an den See¬wasserstraßen vom Deutschen Reich auf den Bund übergegangen ist (vgl. Mintzel, Kommentar zum WaStrG, 1969, § 1 Anm. 4 B und C 1). Davon abgesehen ist bei der Entscheidung, ob die Beklagte zur Auflassung der Mole verpflichtet ist und eine dahingehende Verurteilung ausgesprochen werden kann, auf den gegenwärtigen Rechtszustand abzustellen; ein nachfolgendes dauerndes Unvermögen zur Übereignung beseitigt den Anspruch auf Erfüllung.

Auf die Vorschrift des § 1 Abs. 2 WaStrG kann der Kläger sich nicht berufen. Nach dieser Vorschrift gehören Hafeneinfahrten, die von Leitdämmen und Molen ein- oder beidseitig begrenzt sind, nicht zu den Seewasserstraßen. Die hier interessierende Westmole kann zwar als Teil einer solchen Hafeneinfahrt angesehen werden, muss aber gleichwohl zur Seewasserstraße gerechnet werden.

Ob § 1 Abs. 2 Satz 2 WaStrG hier, wie die Beklagte meint, schon deshalb keine Anwendung finden kann, weil der Hafen des Klägers ein Privathafen ist, erscheint allerdings zweifelhaft. Der Wortlaut der Bestimmung gibt keinen Anhalt für eine solche enge Auslegung (wird ausgeführt).

§ 1 Abs. 2 Satz 2 WaStrG findet hier keine Anwendung, weil der vom Kläger erworbene Hafen selbst Teil der Seewasserstraße ist. § 1 Abs. 2 Satz 2 WaStrG stellt, soweit er Hafeneinfahrten betrifft, lediglich eine ergänzende Regelung dar, die nicht isoliert gesehen werden darf. Nicht alle Hafeneinfahrten der beschriebenen Art sind von der Seewasserstraße ausgenommen, sondern nur solche, die zu einem Hafen führen, der nicht selbst Teil der’ Seewasserstraße ist; denn es wäre sinnwidrig, einen Hafen der Seewasserstraße zuzurechnen, die dazugehörige Hafeneinfahrt davon aber auszunehmen.
Häfen können, wie aus § 45 Abs. 4 Satz 1 WaStrG hervorgeht, Teil einer Bundeswasserstraße sein. Sie haben einen solchen Rechtsstatus, soweit sie mit der Bundeswasserstraße eine morphologische Einheit bilden (wie sogenannte Strom-, Parallel-, Trapez- oder Dreieckshäfen). Ausgenommen von dem gesetzlichen Übergang des Eigentums auf das Reich und damit später auf den Bund sind nur solche Verkehrs- und Umschlagshäfen, die einen besonderen Gewässerteil darstellen, indem sie zur Wasserstraße sichtbar ein abgegrenztes Wasserbecken bilden (vgl. Friesecke a. a. O. § 45 Rdn. 5 m. N.). Die zuletzt genannten Voraussetzungen sind für den vom Kläger erworbenen Hafen nicht gegeben. Wie aus den vorgelegten Plänen hervorgeht, stellt der Hafen eine Erweiterung der Seestraße dar, die, ungefähr ein Rechteck bildend, zwar auch über die Strandlinie ins Land geht, aber zur Seeseite offen ist, und, lediglich seitwärts - an der Ost- und Westseite - durch die in die See geführten Molen geschützt wird. Der Hafen bildet danach mit dem Gewässer des Fehrmanns und seine einheitliche Wassermasse, die mit der See in ununterbrochenem Zusammenhang steht, nicht anders, als wenn es sich um eine natürliche Einbuchtung, lediglich durch seitliche Molen ausgebaut und geschützt, handeln würde. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. RG PrVBI, Band 34, Seite 895 ff., und PrVBI, Band 34, Seite 897 ff.) muss der Hafen und damit auch die dazugehörige westliche Außenmole zur Seewasserstraße gerechnet werden.

Seewasserstraßen sind Bundeswasserstraßen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 WaStrG) und damit Eigentum des Bundes (vgl. Friesecke a. a. O. Einleitung vor § 1 Rdn. 19 ff.). Die Verfügungsbefugnis über dieses Eigentum steht nicht der Beklagten, einem Sondervermögen des Bundes, zu, sondern der zuständigen Stelle der Bundeswasserstraßenverwaltung, hier im Rechtsstreit der Wasser- und Schifffahrtsdirektion K.
Der Beklagten ist es daher unmöglich, ohne Zustimmung der Wasser- und Schifffahrtsdirektion K. die verlangte Auflassung rechtswirksam zu erklären. Es erscheint jedoch ausgeschlossen, dass sie diese Zustimmung wird erlangen können. Ob eine Übereignung von Teilen einer Bundeswasserstraße auf Private rechtlich überhaupt zulässig ist, kann hier dahinstehen. Wenn überhaupt, so kann eine solche Übereignung jedenfalls nur dann vorgenommen werden, wenn sie die Rechte des jeweiligen Landes aus § 1 Abs. 3 WaStrG nicht berührt und die Verwaltungsaufgaben des Bundes hierdurch nicht beeinträchtigt werden können. Zumindest die zuletzt genannte Voraussetzung wird von der zuständigen Wasser- und Schifffahrtsdirektion K. verneint.

Diese Entscheidung ist im vorliegenden Streitfall als gegeben hinzunehmen. Es handelt sich der Sache nach um eine Verwaltungsentscheidung, die allein in der Zuständigkeit der Wasser- und Schifffahrtsdirektion K. liegt. Das erkennende Gericht kann als Zivilgericht diese Entscheidung nicht nachprüfen.

Die rechtswirksame Übereignung der äußeren Westmole ist danach der Beklagten auf Dauer unmöglich.

Ihre Verurteilung zur Auflassung dieser Mole kann deshalb nicht ausgesprochen werden, weil bei feststehendem Unvermögen der Schuldner nicht zu etwas verurteilt werden kann, das zu leisten er außerstande ist (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 30. Aufl., § 275, Anm. 8).