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1 HK O 137/08 - Landgericht (-)
Entscheidungsdatum: 14.05.2009
Aktenzeichen: 1 HK O 137/08
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Landgericht Aschaffenburg
Abteilung: -

Urteil des Landgerichts Aschaffenburg

vom 14.05.2009

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Rahmen einer Klage um die Höhe der Vergütung für eine im Wege der Binnenschifffahrt durchgeführte Fracht sowie im Wege der Widerklage um die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen wegen  eingetretener Verzögerungen.
Die Klägerin ist eine Reedere, sie führt Binnenschifffahrtstransporte auf den  europäischen Wasserstraßen durch. Die Beklagte ist ein Transportunternehmen mit Sitz  in Bremen. Die Beklagte  hatte den Transport von 16 Tanks für die Errichtung einer Brauerei in Craiova in Rumänien zu besorgen. Im Einzelnen waren 10 große Tanks (ZKT) und 6 kleinere Drucktanks (DT) betroffen.

Nach  einer Vorabanfrage des Zeugen S, Mitarbeiter der Beklagten, gegenüber Frau H, Mitarbeiterin der Klägerin, übermittelte der Zeuge L am 14.12.2007 an die Klägerin den Auftrag für das Projekt »Gura Vaii/Craiova/Rumänien, wobei u. a. folgende Daten festgehalten wurden:
»Transport ex FOB Bürgstadt bis frei Ankunft  Gura  Vaii/Rumänien  (Unterhalb Schleuse ET 1) von Sendung: 10 ZKT  je  20.824 mm  x  6.450 mm  x 6.611 mm, je 30 to und 4 DT je 15.000 mm x 5.030 mm x 5.020 mm, je 14 to 2 DT je 13.000 mm  x  4.150 mm  x  4.300 mm,  je 12 to
Übernahmeadresse: … Bürgstadt/Main
Übernahmedatum: in KW 03/2008 = 5 ZKT In KW 04/2008 = 5 ZKT In KW OS/2008 = 4 + 2 DT.
Vereinbarter Preis: Pauschal € 223.500,00  für obengenannte Sendung «.

Auf die anschließende Bitte um schriftliche Auftragsbestätigung wurde von den Mitarbeiterinnen der Klägerin H und R unter dem 18.12.2007 der erteilte Transportauftrag im Sinne eines Schiffstransports wie folgt bestätigt:
Transportgut: (wie oben dargestellt) Ladestelle Z, Bürgstadt
Löschstelle: Gura Vaii (unterhalb Schleuse ET 1) (genaue  Löschstelle geben Sie  uns bitte bekannt!)
Ab geladen Binnenschiff Bürgstadt bis frei Ankunft Binnenschiff Gura Vaii
GÖZ: inklusive CBRB 58.00 €/100 I, darüber 0,8 % je angef. 0,50 €
MKA: inklusive
KWZ: inklusive
Laden/Löschen: 1/1 Tag/Schiff
Liegegeld: 800,00 € Tag/Schiff
HW, Eis u. ä.: ½ Liegegeldrate
Transportversicherung: exklusive
Rechtsbasis: CMNI
Sonstiges: vorbehaltlich geeigneter Wasserstände (Brückenpassagen, etc.)
Frachtvereinbarung: €  223.500,00  pauschal netto
Zahlungsbedingungen: 14 Tage nach Rechnungserhalt ­ohne Abzug
Transportplanung: Einsatz Schubverband »C« mit Schubleichtern und zusätzlichem Motorschiff Übernahmeplanung ab KW 03/08 Termin­ und Feinabstimmung folgt.

Der Transport  erfolgt  vorbehaltlich  freier und unbehinderter Schifffahrt auf allen zu passierenden Wasserstraßen. Es gelten die Konnossements­  und Übernahmebedingungen der am Transport beteiligten Reederei. Evtl. erforderliches Staumaterial ist von Ihnen zur Verfügung zu stellen.
Die 3. KW 2008 begann am Montag, 14. Januar 2008, die 4. KW am Montag, 21.1.2008, die 5. KW am Montag, 28.1.2008.
Wegen der  angekündigten Termin­ und Feinabstimmung forderte die Beklagte  in der Folgezeit eine konkrete Transportterminplanung an.
Ihre Frachtkosten  stellte die Klägerin mit Schreiben vom 19.3.2008 mit 265.995,00 € in Rechnung.

Sie  machte  zudem  mit  Rechnung  vom 19.3.2008  Mehrfracht  in  Höhe  von 22.500,00 € netto entsprechend 26.775,00 € brutto geltend. Weiterhin verlangte sie ebenfalls mit Schreiben  vom 19.3.2008 eine Gas­Öl­Zuschlag in Höhe von 22.096,00 € netto entsprechend 26.294,24 €. Die Beträge  ergeben  zusammen den Klagebetrag in Höhe von 319.034,24 €.
Die Klägerin trägt vor, die geltend gemachten Frachtkosten entsprächen der getroffenen Vereinbarung.

Pauschal sei ein Betrag von 223.500,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart worden.
Hinzu komme ein sogenannter Gas­ÖI­Zuschlag,  der  von  der  Höhe  des Gas­Öl­Preises  abhängig  gemacht worden  sei. Überschreite der Gas­Öl­Preis ein bestimmtes Niveau, so werde die Fracht dementsprechend erhöht. Im vorliegenden Fall sei vereinbart gewesen, dass ab einem Gas­ÖI­Preis von 58,00 € pro 100 ltr jede Erhöhung  des Gas­ÖI­Preises  um  0,50 €  zu jeweils  8 %  Erhöhung  der  vereinbarten Fracht führe. Weiterhin sei vereinbart worden, dass jeder Liegetag mit 800 € pro Tag und Schiff abgerechnet werden möge.
Konkret  sei  es  so gewesen, dass durch spätere Abrede der Löschort von Gura Vaii nach Bechet in Rumänien geändert worden sei; dafür sei eine Mehrfracht pro Schiff in Höhe  von  4.500,00 €  vereinbart worden. Insgesamt  hätten  fünf Schiffe  in Bechet statt in Gura Vaii gelöscht.

Die Klägerin beantragt daher,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 324.746,24 € nebst Zinsen  in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 319.034,24 € seit dem 17. Juni 2008, Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.994,40 € und weitere 5.712,­ € nebst Zinsen hieraus  in Höhe von 8 Prozentpunkten seit der jeweiligen Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage  abzuweisen.
Die Beklagte führt zur Klage aus, die Klägerin  schildere die Vereinbarungen  zwischen den Parteien zutreffend.
Die  Transportvergütung  in  Höhe  von 223.500,­ € müsse  allerdings  als Bruttopreis  inkl. Mehrwertsteuer  verstanden werden.

Bei der Berechnung der geltend gemachten Gasölzuschläge beziehe sich die Klägerin jedoch auf den konkreten Zeitpunkt der Verladung der Schiffe  und  verschweige, dass diese  Ladetermine  keinesfalls dem von der Beklagten als Auftraggeberin vorgegebenen sowie von der Klägerin bestätigten Zeitplan entsprochen hätten.

Die Klägerin habe sämtliche Verzögerungen selbst  zu  vertreten;  sie  habe  schuldhaft gegen  ihre elementaren Vertragspflichten als Frachtführerin  verstoßen. Als Fixkostenspediteurin habe sie sich bezüglich ihrer vertraglichen Rechte und Pflichten nach § 459 Satz 1 HGB wie eine Frachtführerin behandeln zu lassen. Zudem seien Aspekte  eines gravierenden Organisationsverschuldens  festzustellen, die der Klägerin zuzurechnen und vorzuwerfen seien.

Im Ergebnis könnten der Klägerin die begehrten Gasölzuschläge allenfalls zu den Gasölpreisen in der 3., 4. bis zur 5. Kalenderwoche  zustehen;  die Gasölpreise hätten sich  in diesem Zeitraum zwischen 58,66 € und 60,43 € bewegt. Die von der Klägerin willkürlich  festgelegten  individuellen Frachtbeiträge  für  die  einzelnen Schiffe  seien mit  der Gesamtpauschalfrachtvereinbarung allerdings nicht in Einklang zu bringen. Was die Gasölzuschläge anbelange,  sei die Klage deshalb per  se abweisungsreif.

Aufgrund der auf die katastrophale Disposition der Klägerin und den Einsatz untauglicher Schiffe zurückzuführende Verspätung entstanden der Beklagten enorme Mehrkosten; diese wurden als Schadensersatz geltend gemacht. Nach § 459 HGB i. V. m. Art. 16 Abs. 1 CMNI haftet der Frachtführer für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung der Güter in der Zeit von der Übernahme  zur Beförderung bis  zur Ablieferung oder durch Überschreitung der Lieferfrist entstehe, sofern er nicht beweise, dass der Schaden durch Umstände verursacht worden ist, die ein sorgfältiger Frachtführer  nicht  hätte  vermeiden  und  deren Folgen er nicht hätte abwenden können. Die Klägerin habe die Anlieferung der Tanks auf dem Gelände der Brauerei  in Craiova in  der  10./11.  Kalenderwoche  2008  geschuldet. Der Transport von Bürgstadt bis Gura Vaii per Binnenschiff dauere  im Regelfall 14 Tage. Die dargelegte Notwendigkeit der Änderung des  Löschhafens  sei durch die von der Klägerin zu vertretende Verzögerung der Verladung bedingt.

Im Ergebnis hafte die Klägerin nach § 459 Satz 1 HGB in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 5 CMNI.

Insgesamt sei der Beklagten durch die von der Klägerin zu vertretende Verspätung ein Gesamtschaden in Höhe von 258.200,00 € entstanden, der sich im Einzelnen wie folgt errechne:
Vorzeitige Entladung in Bechet 71.400,00 €
Zusatzkosten Kräne Trailer  63.100 €
Erhöhung des Kontraktpreises 35.200,00 €
Verspätungsschaden Z (= Kunde der Bekl. d. Red.)  88.500,00 €

Die Beklagte beantragt  im Wege der Widerklage,
die Klägerin  zu  verurteilen,  258.200,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.

Die Klägerin und Widerbeklagte beantragt, die Widerklage  kostenpflichtig  abzuweisen.
Die Klägerin und Widerbeklagte erläutert, für die im Wege der Widerklage erhobenen Ansprüche  ergebe  sich  keine  Anspruchsgrundlage. Vertraglich sei ein fester Ladetermin nicht vereinbart; auch hinsichtlich eines Löschtermins gebe es keine Vereinbarung. Hingewiesen sei lediglich auf eine Übernahmeplanung ab KW 03/08.
Schäden würden in vier verschiedenen Kategorien geltend gemacht, nämlich Entladekosten in Bechet, Zusatzkosten für Kräne, Vertragsstrafe des Vertragspartners und Verspätungsschaden des Vertragspartners. Der Transportauftrag sei jedoch vertragsgerecht durchgeführt worden. Das Transportrecht kenne keine Ansprüche des Absenders, die damit begründet werden könnten, dass ein Schiff nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Beladen vorgelegt wird.

Der Absender, d. h. die Beklagte, habe lediglich ein weitgehendes Kündigungsrecht bzw. ein Weisungsrecht, das als Äquivalent für die Dispositionsfreiheit des Frachtführers  angesehen  werden  müssten.  Eine ausdrückliche Festlegung des Ladetermins sei nicht erfolgt. Entsprechendes gelte für die Festlegung eines Löschtermins.
Nach Absprache im Rahmen der Übernahmeplanung seien insgesamt fünf Schiffe in der Zeit vom 13. bis zum 26. Februar 2008 in Bürgstadt zur Beladung vorgelegt worden.  Die  Beladung  habe  die  Beklagte durchgeführt, wie dies in Art. 3 Abs. 2 CMNI bzw. § 412 Abs. 1 HGB gesetzlich vorgesehen sei.

Die Umleitung  nach Bechet  ca.  250  km unterhalb von Gura Vaii, sei von der Beklagten  im Sinne  ihres Weisungsrechts  nach Art. 14 CMNI  / § 418 Abs. 1 Satz 2 HGB angeordnet worden. Die Klägerin habe sich deshalb das Recht  auf Frachtanpassung für den Mehraufwand ausdrücklich vorbehalten. Die Klägerin habe mit der Vorlegung der Schiffe  zum  Löschen  in Bechet  die Weisung der Beklagten erfüllt.

Aus den Entscheidungsgründen:

I.  Die zulässige Klage ist in der Sache zum überwiegenden Teil begründet. Aufgrund der Vertragsbeziehung zwischen den Parteien  hat die Klägerin  einen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Pauschalvergütung  in Höhe  von  265.965,­ € sowie auf der Basis einer Weisung nach § 418 HGB einen Anspruch auf eine angemessene Mehrfrachtvergütung in Höhe von 26.775,­ €.
Ein Anspruch auf einen Gasölzuschlag  in Höhe von 26.294,24 € sowie ein Liegegeld in Höhe  von  5.712,­­ € besteht dagegen nicht.

1. Maßgeblicher Ausgangspunkt  für die wesentlichen  Entscheidungsgesichtspunkte  sowohl  hinsichtlich der Klageforderung als auch hinsichtlich der Widerklageforderung  ist  die  Frage,  welche vertraglichen  Verpflichtungen  zwischen den Parteien  in allen Einzelheiten vereinbart worden sind.
Im Schreiben  vom  14.12.2007  sieht das Gericht daher den Antrag der Beklagten auf Abschluss eines Transportvertrags im Sinne des § 145 BGB, den die Beklagte mit der  Maßgabe  der  im  Schreiben  vom 18.12.2007 geäußerten Einzelheiten  nach §§ 147 Absatz 1, 150 Absatz 2 BGB angenommen hat.

2.  Die  vertragliche  Gestaltung  vom 18.12.2007/08.01.2008  hat  für die Vergütungspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin folgende Konsequenzen:

a)  Dass ausweislich der Vereinbarung vom 18.12.2007/08.01.2008 ein Nettobetrag von 222.500.­ € zu zahlen ist und diesem eine 19 %­Umsatzsteuer in Höhe von 42,370,€ hinzuzurechnen  ist,  insgesamt  also  eine Grundvergütung von 265,370,­ € fällig geworden  ist, bedarf  nach Auffassung des Gerichts keiner weiteren umfassenden Erläuterungen. Die Bedeutung eines Hinweises auf Netto­und Bruttopreise  ist  im Geschäftsleben allgemein bekannt.  Ihm  kommt  auch  im kaufmännischen Rechtsverkehr die Bedeutung  zu, dass  sich Bruttopreise  inklusive Mehrwertsteuer verstehen, bei der Ausweisung von Nettopreisen aber noch die aktuell geltende Umsatz­bzw. Mehrwertsteuer hinzuzurechnen ist. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass einem Transportpreis »pauschal netto« im Transport­und Speditionswesen in anderer Weise Rechnung zu tragen wäre.

b)  Trotz der grundsätzlichen Vereinbarung einer Position  »GÖZ«  kann die Forderung nach  einem  Mehrbetrag  in  Höhe  von 22.096,00 € nach Auffassung des Gerichts im Zuge einer Vertragsauslegung auf Grund­lage des Rechtsgedankens der §§ 138, 242 BGB jedoch nicht anerkannt werden.
Die Beklagte hat sich mit dem Schreiben vom 14.12.2007 mit der Vorstellung eines fixen Pauschalpreises an die Klägerin ge­wandt. Sie hat dabei auch feste Übernahmetermine  im Bereich  zwischen der KW 03/08 und der KW 05/08 bezogen auf eine feste  Übernahmereihenfolge  (5 ZKT /5 ZKT/4 + 2 DT) angefordert. Die Beklagte  hat  diese  Vorgaben  erkennbar  nicht übernommen, aber doch den Einsatz eines Schubverbands mit Schubleichtern  und einem  zusätzlichen Motorschiff bei  einer Übernahmeplanung ab KW 03/08 in Aussicht gestellt. Dass weder der konkrete Einsatz von Schiffen  noch die  tatsächlichen Übernahmetermine mit diesen Vorgaben  in Einklang zu bringen sind, lässt sich der dargestellten Übersicht  oben  ohne  weiteres  entnehmen.
In Bezug auf den GÖZ würde die Anerkennung eines Gasölzuschlags bedeuten, dass die Klägerin nicht nur unter dem Blickwinkel einer Haftung für Übernahme bzw. Liefertermine völlig frei hätte verfügen können, sondern dass abhängig von ihrer Einsatz­und Übernahmeplanung  für die Beklagte auch die Frachtvergütung völlig offen einseitig durch die Klägerin beeinflusst  und ausgestaltet hätte werden können. Auf der Basis eines ab der KW 03/08  in Aussicht gestellten Einsatzes eines Schubverbandes mit  zusätzlichem Motorschiff hat die Beklagte mit einer Abrechnung  im Stile der Abrechnungstabelle nicht rechnen können und  müssen,  zumal  die  eingebrachten Berechnungsfaktoren dann völlig intransparent  allein  von der Klägerin  abhängig wären.

c)  Die Mehrfrachtvergütung wiederum hält das Gericht in Höhe des geltenden gemachten Betrags von 26.775,­ € für sachgerecht. Wie bereits dargestellt,  hat die Beklagte »sehenden Auges«  auf die Vereinbarung von fixen Lieferterminen bzw. Lieferfristen verzichtet. Der Zeuge S hat eindrucksvoll erläutert, dass  sich  schlicht  und  einfach kein Reeder gefunden hätte, der bereit gewesen wäre, auf eine entsprechende vertragliche Fixierung einzugehen. Es liegt auf der Hand, dass die  nicht durchsetzbare Festlegung  eines  Liefertermins bzw.  von Lieferfristen im Sinne konkreter Zeitpunkte auch nicht durch Rückrechnung auf Übernahmetermine mit der Wirkung eines Fixtermins versehen werden kann. Dies bedeutet  nach Auffassung des Gerichts  in der Konsequenz, dass der Beklagten letztlich eine Berufung auf Verzögerungen bei der Transportzeit selbst letztlich verwehrt ist. Der Zeuge S hat in seiner Vernehmung vom 17.03.2009 auf Nachfrage bejaht, dass er der Verlegung des Entladeortes von Gura Vaii nach Bechet zugestimmt hat. Diesen Umstand wertet das Gericht als Weisung im Sinne des § 418 HGB. Im Verhältnis zur Klägerin kommt es auf den denkbaren Einwand der Beklagten, die Zustimmung zur Verlegung des Ladeortes bzw. die entsprechende Weisung nach § 418 HGB sei allein durch die bereits eingetretene, von der Klägerin zu verantwortende Verzögerung nicht an. Mangels Vereinbarung  fixer Termine  in der bloßen Erwartung, die übliche Transportzeit von höchstens 15 Tagen werde schon eingehalten, kann sich die Beklagte auf eine Verantwortlichkeit für die eingetretenen Verzögerungen nicht berufen. Die Beklagte hat durch ihren Mitarbeiter S die Verlegung des Entladeortes  im Sinne einer Weisung nach § 418 HGB angeordnet. Dadurch wurde die Vergütungspflicht nach § 418 Absatz 1 Satz 4 HGB ausgelöst. (vgl. Koller, Transportrecht,  4. Auflage,  §  418, Rdnr.  26,  unter Hinweis  auf BGHZ  94,98 ff.). Der  eventuelle Widerspruch der Beklagten ist rechtlich irrelevant. Die Alternativbegründung der Klägerin, was die Höhe der Vergütung anbelangt, erscheint dem Gericht bezogen auf einen Ansatz von 10 % auf die vereinbarte Gesamtvergütung von 265.965,­ € nachvollziehbar, ohne dass es  diesbezüglich  noch  der  Einschaltung eines Sachverständigen zur Frage der Angemessenheit bedurft hätte.

d)  Auch die Geltendmachung von Liegegeld kommt nicht in Betracht. Zutreffend ist zwar, dass die Parteien unter dem 18.12.2007/08.01.2008 neben einem jeweils vergütungsfreien Tag für Laden und Löschen ein Liegegeld in Höhe von 800 € pro Tag und Schiff vereinbart haben. Der Einwand der Beklagten ist jedoch nachvollziehbar, dass sich diese Liegenotwendigkeit des MS »S« dadurch ergeben hat, dass die Klägerin den Transport  zunächst mit Motorschiffen bediente, obwohl sie selbst im Schreiben vom 18.12. 2007 den Einsatz eines Schubverbandes ankündigte. Dieser hätte den Transport der von der Beklagten zunächst  vorgesehenen großen Behälter (5 ZKT) an erster Stelle ermöglicht; ein Zuwarten des MS »S« wäre nicht notwendig gewesen. Die Auslegung der Vereinbarung von Liegegeld erscheint auch  in diesem Zusammenhang nur sachgerecht, wenn sich dies auf von der Klägerin nicht beeinflussbare Umstände bezieht; die Wartenotwendigkeit war vorliegend aber – unabhängig von der Problematik  der  Transportverzögerung zwischen Bürgstadt  und Gura Vaii bzw. Bechet – allein durch die Missachtung der angekündigten Transportplanung (Schubverband C und Motorschiff) bedingt.

3.  Im Ergebnis hält das Gericht daher die Klage  in  Höhe  einer  Vergütung  von 292.740,– €,  resultierend aus den Teilbeträgen von 265.965,­ € und 26.775,­ €, für berechtigt. Für die Forderung  nach  einem Gasölzuschlag in Höhe von 26.294,24 € und einem Liegegeld MS  »S«  in Höhe von 5.712,­ €, also  in Höhe  von  insgesamt  32.006,24 € besteht keine Rechtsgrundlage. Auch die durch die Beklagte erhobene Widerklage ist zulässig, aber nur in Höhe eines Betrags von 71.400,­ € begründet.

1.  Für  das  Vertragsverhältnis  zwischen den Parteien ist das Budapester Abkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt (CMNI) relevant. Zum Einen ist darauf in der Vereinbarung  vom  18.12.2007/08.01.2008 hingewiesen (»Rechtsbasis«), Zum Anderen sind die Voraussetzung des Artikels 2  Absatz 1 CMNI erfüllt.

2.  Soweit die Beklagte  zur Begründung ihrer Schadensersatzansprüche allerdings auf Artikel 3 Absatz 1, Artikel 5 und Artikel 16 Absatz  1 CMNI  in Verbindung mit  §§ 459, 423 HGB Bezug nimmt, greift diese Anspruchsgrundlage nicht.
Eine Lieferfrist im Sinne dieser Vorschriften ist  der  Vereinbarung  vom  18.12.2007  / 08.01.2008 an keiner Stelle zu entnehmen. Sie  ist nicht vereinbart worden, und wäre nach den Ausführungen des Zeugen S auch nicht durchsetzbar gewesen. Fixe Abliefertermine würde niemand akzeptieren. Davon  abgesehen  hat  der  Frachtführer nach Artikel  5 CMNI  die Güter  lediglich innerhalb der Frist abzuliefern, die einem sorgfältigen  Frachtführer  unter Berücksichtigung der Umstände der Schiffsreise und bei unbehinderter Schifffahrt vemünftigerweise zuzubilligen sind. Die Klägerin hat  ihre Haftung  zudem  dadurch weiter eingeschränkt,  dass  sie  den  Transport vorbehaltlich  freier  und  unbehinderter Schifffahrt  und  vorbehaltlich  geeigneter Wasserstände zusagte. Auch wenn man aufgrund der allgemeinen Erfahrungen und der mündlichen Zusage der Klägerin, dass die Passage üblicherweise jedenfalls in 15 Tagen zu bewerkstelligen ist, eine solche Vorgabe in Verbindung mit Art. 5 CMNI als verbindlich anerkennen wollte, hilft dies nach Auffassung des Gerichts  vorliegend  nicht  weiter,  weil  fixe Übernahmedaten, die am Beginn einer solchen Frist im Sinne des Art. 5 CMNI bzw. §  423 HGB  stehen müssten,  vertraglich nicht abschließend definiert sind. Art. 5 CMNI bzw. § 423 HGB sind daher aus grundsätzlichen  Erwägungen  als  Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Schadensersatzbetrag nicht geeignet.

3.  Das Gericht verkennt im Übrigen nicht, dass auch  im Transportrecht  jenseits des Artikels 5 CMNI bzw. § 423 HGB Verspätungen bei der Übernahme von dem Haftungssystem des allgemeinen Schuldrechts nach §§ 280 ff., insb. § 286, §§ 311 ff. und §§ 320  ff. BGB erfasst werden  (vgl.  zum Schuldrecht  alter  Fassung  etwa:  Koller, Transportrecht, 4. Auflage, § 423, Rdnr. 3).

a)  Eine Haftung der Klägerin gegenüber der Beklagten für einen Verspätungs-­ oder Verzögerungsschaden würde aber auch in diesem Zusammenhang bedeuten, dass eindeutige Übernahmedaten  vertraglich festgelegt bzw. durch spätere Verzugsbegründung konkretisiert worden wären.

b)  Verbindliche Rechtshandlungen in diesem Sinne kann das Gericht, wie bereits ausgeführt,  nicht  erkennen. Der Akte  ist zwar zahlreicher Schriftverkehr als Anlage beigefügt,  aus dem die Entwicklung der Übernahmeplanung deutlich wird.  In der Tat  erscheint  diese Übernahmeplanung auch auf Seiten der Klägerin »nicht geradlinig«, mit der Folge, dass die Reaktionen der Beklagten  zunehmend  von  »Unmut« geprägt sind. Nachdem die Beklagte aber auf  die  vertragliche  Festlegung  ihrer Übernahmedaten aus ihrem Schreiben vom 14.12.2007  in  die  »Auftragsbestätigung vom 18.12. 2007« verzichtet hat,  ist nach Auffassung des Gerichts eine spätere verbindliche Festlegung von Übernahmedaten nicht erfolgt.

c)  Letztlich  ist darauf  hinzuweisen, dass die nach dem Vortrag der Beklagten durch Verzögerung  entstandenen  Schäden  in Höhe  von  63.100,­ €,  35.200,­ €  und 88.500,­ € vorrangig durch die Bezugnahme  auf  Anlagenkonvolute  begründet wird. Auch In Bezug auf die Darlegung des geltend gemachten Schadens der Höhe nach bestehen daher grundlegende Zweifel; die Begründung der Schadenshöhe in kausalem Bezug zu einer vertragswidrigen Verspätung ist im Einzelnen nicht nachvollziehbar, zumal der Zeuge S erläutert hat, die Beklagte  habe  sich  zur  Zahlung  von 150.000,­ € an Z (Kunde der Bekl. d. Red.) gezwungen gesehen.

4.  Schließlich  ist der  von der Beklagten begehrte Betrag  in Höhe  von  71.400,­- € aufgrund  einer  entsprechenden  Zusage durch Mitarbeiter der Klägerin berechtigt. Dies erscheint auch deshalb  folgerichtig, da der anerkannte Schaden mit einer vertraglichen  PfIichtwidrigkeit  der Klägerin hinsichtlich der Ladevorgaben im Zusammenhang steht, und deshalb auch – unabhängig  von der  erfolgten Zusage  –  nach den dargestellten allgemeinen schuldrechtlichen Regeln eine Haftungsgrundlage bestanden hätte. Wie  bereits  dargelegt,  hat  die  Klägerin nach Auffassung des Gerichts durch den Hinweis auf den Einsatz eines Schubverbands mit  zusätzlichem Motorschiff der Beklagten  vertraglich  verbindlich  signalisiert, dass sie sich auf den Transport der begehrten ersten großen Charge von 5 ZKT eingestellt hat. Aufgrund der vorgelegten Anlagenkonvolute  in Verbindung mit den Angaben des Zeugen S und auch des Zeugen L bestehen keine Zweifel, dass die Klägerin wegen der Schwierigkeiten in Verbindung mit der Löschung des Gutes Kostenübernahmeerklärungen in Höhe jeweils 20.000,­ € netto für insgesamt  drei  Schiffe  abgegeben  haben.

5.  Schadensersatzansprüche wegen der eingetretenen  Transportverzögerungen aber bestehen weder unter dem Gesichtspunkt der Zusatzkosten für Kräne und Trailer  (63.100,­ €) bzw.  einer Erhöhung des Contract Price (35.200,­ €) noch bezüglich des Verspätungsschaden (85.000,­ €).

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2011 - Nr.6(Sammlung Seite 2133 ff.); ZfB 2011, 2133 ff.