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4 OWi 1/13 BSchMO - Berufungsausschuss Moselkommission (-)
Datum uitspraak: 10.01.2013
Kenmerk: 4 OWi 1/13 BSchMO
Beslissing: Beschluss
Language: Duits
Rechtbank: Berufungsausschuss Moselkommission St. Goar
Afdeling: -

Beschluss des Berufungsausschusses der Moselkommission St. Goar

vom 10.01.2013

Entscheidungsgründe

I.
Der Betroffene ist Schiffsführer des GMS „XX“. Nach einer Kontrolle am 31.08.2011 gegen 13.10 Uhr bei Moselkilometer 142 wurde gegen den Betroffenen durch Bußgeldbescheid vom 13.03.2012 wegen Unterbemannung eine Geldbuße von 400,00 € verhängt und wegen Nichteinhaltung der Kernruhezeit eine weitere Geldbuße von 150,00 € (Ordnungswidrigkeiten nach Anhang II Teil III § 23.10 i. V. m. Anhang XI § 2.10 Nr. 1 Stufe 3 BinSchUO i. V. m. § 16 Abs. 3 Nr. 10 und § 17 Abs. 3 Nr. 10 Bin-SchUO sowie Anhang XI § 2.05 Nr. 3 Buchstabe a BinSchUO i. V. m. § 16 Abs. 5 Nr. 6 und § 17 Abs. 2 Nr. 6 BinSchUO). Ein Versuch, dem Betroffenen den Bußgeldbescheid über die Direktion der Wasserschutzpolizei in Duisburg auf der Fahrt zustellen zu lassen, scheiterte; die Zustellungsunterlagen wurden unerledigt zurückgesandt mit der Mitteilung, dass laut einem Telefonat mit dem Schiffsführer xx vom 31.05.2012 sich MS „xx“ für längere Zeit auf der Werft in den Niederlanden zwecks eines Umbaus befinde. Daraufhin wurde der Bußgeldbescheid an die von dem Betroffenen bei seiner Anhörung am 31.08.2011 angegebene Heimatanschrift am 13.06.2012 zugestellt. Mit der Zustellung wurde der Betroffene über die Rechtsbehelfe belehrt, nämlich dass der Bußgeldbescheid rechtskräftig vollstreckbar wird, wenn nicht innerhalb von zwei Wochen nach seiner Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift bei der auf dem Vorblatt genannten Verwaltungsbehörde Einspruch eingelegt wird; der schriftliche Einspruch müsse innerhalb der Frist bei der Behörde eingegangen sein.

Am 28.06.2012 wandte sich der Betroffene zu dem Aktenzeichen des Bußgeldbescheides per E-Mail an die Verwaltungsbehörde und verwies auf einen beigefügten Widerspruch, der tatsächlich fehlte. Nach einer Rückmeldung der Behörde am 02.07.2012 übersandte der Betroffene erneut eine E-Mail mit einem nunmehr beigefügten Widerspruchsschreiben vom 28.06.2012; hierin verwies er darauf, dass er als Binnenschiffer immer unterwegs sei, ihm daher der Bescheid nicht vorliege und ihn lediglich seine Mutter benachrichtigt habe. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Südwest (WSD Südwest) verwarf durch Bescheid vom 03.07.2012 den Einspruch des Betroffenen als unzulässig, da dieser nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung bis zum 27.06.2012 eingegangen sei. Der Bescheid wurde am 09.07.2012 unter der Heimatanschrift des Betroffenen zugestellt. In der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung wurde der Betroffene auf eine Überprüfung der Verwerfung durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung hingewiesen, ferner über die Möglichkeit unterrichtet, bei unverschuldeter Fristversäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheides zu beantragen. Am 17.07.2012 meldete sich der Betroffene per E-Mail und auch telefonisch und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; er verwies darauf, dass eine E-Mailverbindung wider Erwarten zunächst nicht zu Stande gekommen sei, er im Übrigen seinerzeit die Frist nur versäumt habe, da er mit seinem Schiff unterwegs gewesen sei und keine rechtzeitige Nachricht über die an seine Heimatanschrift gesandte Post erhalten habe. Die WSD Südwest gab dem Betroffenen zunächst Gelegenheit zur Stellungnahme; die WSD sah hierbei einen Widerspruch darin, dass der Betroffene nach seinen jetzigen Angaben einerseits auf Fahrt gewesen sei, andererseits nach einer telefonischen Mitteilung vom 31.05.2012 das Schiff längere Zeit auf der Werft festliege. Nachdem hierzu keine Stellungnahme des Betroffenen eingegangen war, wies die WSD Südwest durch Bescheid vom 23.10.2012 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 17.07.2012 als unbegründet und unzulässig zurück, da zum Einen das Wiedereinsetzungsgesuch nicht rechtzeitig bis zum 16.07.2012 eingetroffen sei, zum Anderen ein Wiedereinsetzungsgrund nicht hinreichend dargetan sei. Gegen den am 18.12.2012 zugestellten Bescheid hat der Betroffene mit Schreiben vom 22.12.2012, bei der WSD Südwest am 02.01.2013 eingegangen, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Der Betroffene beanstandet, dass für einen Binnenschiffer bei Zustellung an die Heimatanschrift die gesetzliche Fristen nicht einzuhalten seien und ihm kein Nachteil daraus entstehen könne, dass die Zustellung nicht durch die WSD während der Fahrt erfolgt sei.

Das Moselschifffahrtsgericht hat durch Beschluss vom 10.01.2013 den Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung über den Bescheid der WSD Südwest vom 23.10.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf Bezug genommen, dass auch ein Binnenschiffer dafür Sorge tragen müsse, dass an seiner Heimatanschrift gerichtete Post entgegengenommen und weitergeleitet werde. Dieser Beschluss wurde dem Betroffenen mit Rechtsmittelbelehrung, dass hiergegen das Rechtsmittel der Berufung an den Berufungsausschuss der Moselkommission gegeben sei, am 18.01.2013 zugestellt. Hiergegen hat der Betroffene mit rechtzeitig eingegangenem Schriftsatz vom 05.02.2013 Berufung zur Moselkommission eingelegt und diese innerhalb von 30 Tagen seit Berufungseinlegung mit Schriftsatz vom 16.02.2013 begründet. Er hebt nochmals hervor, dass er durch eine fehlende Zustellung über die WSD gegenüber anderen zu Schiff Fahrenden benachteiligt werde, er sich hinreichend um seine Posteingänge kümmere, aber die Fristen recht knapp seien, im Übrigen auch vor Ort mit Wohnsitz gemeldete Familienangehörige ebenfalls zu Schiff fahren würden und deshalb auch nicht ständig vor Ort zur Postkontrolle zur Verfügung stehen würden.

II.
Die Berufung ist unzulässig, da ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Moselschifffahrtsgerichts St. Goar vom 10.01.2013 nicht gegeben ist.

Nach deutschem nationalen Recht ist gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde, mit der ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid als unzulässig verworfenwird oder mit der die Verwaltungsbehörde bei Versäumung der Einspruchsfrist den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verwirft (§ 69 Abs. 1, 52 Abs. 2Ordnungswidrigkeitengesetz - OWiG), ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG zulässig. Nach § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG ist die daraufhin ergehende Entscheidung des Gerichts nicht anfechtbar, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Eine der gesetzlichen Ausnahmen (§ 100 – betreffend die Entscheidung über die Einziehung von Gegenständen oder Werten, § 108 – betreffend bestimmte Kostenentscheidungen - und § 111 OWiG – betreffend Entschädigung für Verfolgungsmaßnahmen) ist hier nicht gegeben.

Die Entscheidung kann auch nicht mit der Berufung zum Berufungsausschuss der Moselkommission angefochten werden.

Nach Artikel 34 Abs. 4 des Vertrages über die Schiffbarmachung der Mosel vom 27.10.1956 kann gegen Entscheidungen der Moselschifffahrtsgerichte anstelle des Obergerichts des Landes, in dem die Entscheidung ergangen ist, auch der Berufungsausschuss der Moselkommission angerufen werden. Diese Bestimmung knüpft daran an, dass Gegenstand der Entscheidung der Moselschifffahrtsgerichte in der Hauptsache die in Artikel 35 des Vertrages aufgeführten Gegenstände sind, mit denen das Moselschifffahrtsgericht als erstinstanzliches Gericht befasst war. Dies sind unter anderem nach Artikel 35 Nr. 1 des Vertrages die Untersuchung und Bestrafung aller Zuwiderhandlungen gegen die schifffahrts- und strompolizeilichen Vorschriften. Die vertragliche Regelung des Artikels 34 Abs. 4 des Moselvertrages geht hierbei - wie auch die nach Artikel 34 Abs. 3 des Moselvertrages entsprechend anwendbaren Vorschriften der Artikel 32 bis 40 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 17.10.1868 - von einer fakultativen Anfechtungsmöglichkeit sowohl nach den nationalen Vorschriften als auch nach den vertraglichen Regelungen aus. Das Wahlrecht setzt nach Artikel 37 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte ein „Urteil erster Instanz“ voraus, was beinhaltet, dass es sich um ein Urteil handelt, „das in Ansehung der Rechtsmittel nach den nationalen Vorschriften als ein Endurteil im technischen Sinn anzusehen ist“ (so Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt [ZKR], Urteil vom 03.06.2002 – 412 Z - 1/02). Die Zulässigkeit der Berufung ist hierbei nicht davon abhängig, ob die angefochtene Entscheidung nach nationalem Recht als Beschluss oder als Urteil ergangen ist (Berufungskammer der ZKR, Urteil vom 02.09.1992 – 263 B – 13/92, Zeitschrift für Binnenschifffahrt und Wasserstraßen (ZfB) 1993, Sammlung Seite 1407, Berufungskammer der ZKR Urteil vom 17.06.1993 – 280 B - 5/93, ZfB 1994 Nr. 14, Seite 29 bis 31).

Der Beschluss des Moselschifffahrtsgerichts vom 10.01.2013 ist im oben genannten Sinn kein Endurteil. Im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung fällt keine Prüfung der im Bußgeldbescheid geahndeten Zuwiderhandlung an. Vielmehr beschränkt sich die Prüfung nur auf die Frage, ob die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zur Fristversäumung eines Rechtsbehelfs zutreffend ist oder ob vielmehr eine Fristversäumnis unverschuldet war und deshalb das Verfahren in den Stand zurückzuversetzen ist, der bestehen würde, wenn der befristete Rechtsbehelf rechtzeitig eingelegt worden wäre. Die Berechtigung des ergangenen Bußgeldbescheides in der Sache fällt zur Prüfung bei dem Gericht nicht an, sondern lediglich die Prüfung der Verwaltungsentscheidung, dass gegen eine Fristversäumnis keine Wiedereinsetzung gewährt wird. Gegenstand ist allein eine verfahrensrechtliche Entscheidungder Verwaltungsbehörde zur Fristwahrung eines Rechtsbehelfs, ohne dass das Gericht mit dem eigentlichen Gegenstand des Bußgeldbescheides befasst werden kann. Der mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung mögliche Zugang zum Gericht zur Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung dient der rechtsstaatlichen Gewährung des rechtlichen Gehörs (Artikel 19 Abs. 4, Artikel 103 Abs. 2 des Grundgesetzes), beinhaltet aber keine rechtsmittelfähige Entscheidung im Sinne eines Endurteils.

Dieses Verständnis steht auch mit den Regelungen des Zusatzprotokolls Nr. 1 vom 25.10.1972 zur Revidierten Rheinschifffahrtsakte im Einklang. Nach dessen Artikel I Abs. 1 sorgt jeder Vertragsstaat für die Ahndung der in Artikel 32 der Rheinschifffahrtsakte bezeichneten Zuwiderhandlung entweder nach Maßgabe des in Artikel 32 bis 40 der Rheinschifffahrtsakte vorgesehenen Verfahrens (Absatz 1a) oder nach Maßgabe eines besonderen richterlichen Verfahrens oder eines geeigneten Verwaltungsverfahrens (Absatz 1 b). Für den letztgenannten Fall sieht Artikel I Abs. 2 des Zusatzprotokolls unter anderem vor, dass die Entscheidungen erst nach Ablauf einer mindestens einwöchigen Frist nach Zustellung an den Betroffenen vollstreckbar werden und dass der Betroffene die Möglichkeit hat, durch Einlegung eines Rechtsmittels binnen dieser Frist eine Verhandlung und Entscheidung durch das Rheinschifffahrtsgericht herbeizuführen. Dem trägt nach den nationalen deutschen Vorschriften der Verfahrensgang bei Erlass eines Bußgeldbescheides Rechnung. Keine Aussage trifft das Zusatzprotokoll dazu, inwieweit bei Versäumung der Frist weitere Rechtsbehelfsmöglichkeiten zu eröffnen sind.

Etwas anderes lässt sich auch nicht aus Artikel I Abs. 4 des Zusatzprotokolls herleiten, der eine alternative Rechtsbehelfsmöglichkeit des gerichtlichen Verfahrens betrifft. Nach Artikel I Abs. 4 des Zusatzprotokolls kann die beim Obergericht eines Vertragsstaats zulässige Berufung gegen Entscheidungen, die im Rahmen des in Absatz 1 Buchstabe b) genannten Verfahrens ergangen sind, durch ein geeignetes anderes Rechtsmittel bei einer anderen oberen Gerichtsinstanz dieses Vertragsstaats ersetzt werden, unbeschadet der Möglichkeit der Berufung an die Zentralkommission. Hiervon hat die Bundesrepublik Deutschland Gebrauch gemacht: Soweit in Bußgeldsachen das Rhein- oder Moselschifffahrtsgericht in erster Instanz nicht aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil entscheidet, sondern in den Fällen, in denen eine Hauptverhandlung nicht erforderlich ist, durch Beschluss entscheidet, ist nach nationalem deutschen Recht die Rechtsbeschwerde an das Mosel- bzw. Rheinschifffahrtsobergericht möglich (§ 17, 18d des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen). Hierbei handelt es sich aber immer um einem Endurteil gleichstehende Entscheidungen des Gerichts erster Instanz, das mit der Prüfung einer Entscheidung zur Sache befasst war.

In der Sache selbst wäre die Entscheidung des Moselschifffahrtsgerichts im Übrigen nicht zu beanstanden. Gründe für eine unverschuldete Fristversäumnis hat der Betroffene nicht hinreichend dargelegt. Der Hinweis auf die allgemeinen Schwierigkeiten eines Binnenschiffers, auf Sendungen an seine Heimatanschrift fristgerecht reagieren zu können, ersetzt es nicht darzulegen, wie der Betroffene als Schiffer organisatorisch sicherstellt, dass er von Postsendungen zeitnah Kenntnis erhält; auch fehlen im vorliegenden Fall Angaben zu den tatsächlichen Abläufen der Kenntniserlangung und deren Glaubhaftmachung. Unabhängig von den für die Wiedereinsetzung zu beachtenden Fristen fehlt es mithin an hinreichenden Gründen für eine Wiedereinsetzung.

Ergänzend sei angemerkt, dass der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nach § 67 Abs. 1 OWiG – hierauf ist in der Rechtsbehelfsbelehrung auch hingewiesen worden – binnen zwei Wochen ab Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift der Verwaltungsbehörde Einspruch einzulegen ist. Eine Einlegung per E-Mail, so wie es hier der Betroffene gemacht hat, ist nicht fristwahrend; anders lautende Hinweise, nämlich die Möglichkeit der Einlegung von Rechtsbehelfen per E-Mail, lässt sich dem Bußgeldbescheid nicht entnehmen.

Aus den dargelegten Gründen ist die Berufung nicht zulässig. Dass dem Betroffenen eine anders lautende Rechtsmittelbelehrung erteilt worden ist, kann für sich keine Zulässigkeit begründen, da sich diese allein nach den Bestimmungen des Vertrages richtet. Nach Artikel 18 der Verfahrensordnung des Berufungsausschusses der Moselkommission kann über die Unzulässigkeit der Berufung ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss im schriftlichen Verfahren entschieden werden.
Hiervon macht der Berufungsausschuss Gebrauch.

Der Berufungsausschuss der Moselkommission hat aus den vorstehenden Erwägungen einstimmig beschlossen:

Die Berufung des Betroffenen gegen den Beschluss des Moselschifffahrtsgerichts St. Goar vom 10.01.2013 – 4 OWi 1/13 BSchMO – wird als unzulässig verworfen.

Das Berufungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Die ihm im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt der Betroffene.


22.09.2014


Der Gerichtskanzler                                         Der Vorsitzende