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3 U 276/89 - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Datum uitspraak: 29.10.1991
Kenmerk: 3 U 276/89
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Rechtbank: Oberlandesgericht Köln
Afdeling: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Zu den Rücksichtnahmepflichten nach § 6.13 RheinSchPVO.

Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschiffahrtsobergerichts) Köln

vom 29.10.1991

3 U 276/89

(Rheinschiffahrtsgericht St. Goar)


Zum Tatbestand:

MTS O befand sich unter Führung des Beklagten am 22.5.1986 gegen 0.15 Uhr im Revier von Andernach auf der Talfahrt. Auf der Backbordseite war MTS T gekoppelt. Vor dem Koppelverband fuhr MTS V der Klägerin. MTS A folgte zunächst dem Koppelverband, überholte jedoch diesen und anschließend MTS V auf der Backbordseite.

Die Klägerin hat vorgetragen, MTS V habe, sich 40 m vom rechten Ufer haltend, in gestreckter Lage verharrt, um die folgende Talfahrt vorbeizulassen und um dann aufzudrehen. Der Koppelverband habe sich nicht um einen entsprechenden Funkspruch des Schiffsführers von MTS V gekümmert, sondern sei ohne Fahrtverlangsamung und ohne Ausweichmanöver dem MTS V ins Heck gefahren. Die Klägerin macht den dadurch entstandenen Schaden und Nutzungsverlust geltend.
Der Beklagte hat vorgetragen, MTS V habe plötzlich und ohne jede Ankündigung abgestoppt und ein Backbordwendemanöver eingeleitet, als das MTS A fast an ihm vorbeigewesen sei. Dem Koppelverband sei dadurch der Weg versperrt worden, was erst auf 150 m Abstand zu erkennen gewesen sei. Trotz Abstoppens habe die Schiffsführung des Koppelverbandes die Kollision nicht verhindern können.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Das Schiffahrtsgericht hat die Klage zu Recht dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus §§ 823 BGB, 3, 4,114 BSchG dem Grunde nach zu.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, daß der Beklagte die Schiffskollision verschuldet hat. Wie das Rheinschiffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der vom Beklagten gesteuerte Koppelverband in der Kiellinie von MTS V gefahren und hat hierbei nicht darauf geachtet,
- daß der Vorausfahrer seine Geschwindigkeit verringerte und fast zum Stillstand kam,
- daß die Schiffsführung des vorausfahrenden Schiffes über Funk angekündigt hatte, ein Wendemanöver zur anderen Rheinseite fahren zu wollen und
- daß der Vorausfahrer die Talfahrt im Revier gebeten hatte, sich zu melden und dann backbord zu passieren.
Soweit der Beklagte in Zweifel zieht, daß eine solche Aufforderung über Funk ergangen ist, ist das gegenteilige Vorbringen der Klägerin bewiesen. So hat der Schiffsführer von MTS A bei seiner Vernehmung bekundet, daß er auf der Talfahrt in der Ortslage Andernach von MTS V unter Hinweis auf das beabsichtigte Wendemanöver angesprochen und gebeten worden sei, an Backbord vorbeizufahren. Dies ist auch geschehen. Auf die Ansprache hat sich der Koppelverband MTS „OTG T nicht gemeldet, obwohl MTS V seine Fahrt verlangsamte. Erst auf eine gezielte Ansprache von MTS V hat die Schiffsführung des Koppelverbandes mit wenig hilfreichen Bemerkungen geantwortet. Der Beklagte hat es damit verabsäumt, rechtzeitig einen sicheren Kurs abzustimmen und rechtzeitig ein Ausweichmanöver nach Backbord zu steuern, obwohl hierzu der Rhein in seiner ganzen Breite - abzüglich des rechtsrheinisch gehaltenen Abstandes von 40 m - zur Verfügung stand. Dabei kann letztlich offen bleiben, ob eine Kurskorrektur den Unfall noch verhindert hätte, als der Koppelverband vom Heck des Vorausfahrers nur noch 150 m entfernt war. Jedenfalls hätte das Fahrmanöver, das MTS A gefahren ist, ebenso problemlos vom Koppelverband MTS O/T ausgeführt werden können.
Die Schiffsführung von MTS V trifft keine Schuld am Zustandekommen des Unfalls. Die Behauptung des Beklagten, MTS V habe überraschend aufgedreht und sei in Querlage gegangen, so daß ein Ausweichen nicht mehr möglich gewesen sei, ist widerlegt. Zwar hat die Besatzung des Koppelverbandes von MTS O/T die Darstellung des Beklagten bestätigt. Die diesbezüglichen Angaben sind aber unglaubhaft. So hat die Besatzung von MTS V erklärt, daß ihr Schiff gestreckt gelegen habe, als der Koppelverband sich näherte und dann anstieß. Auch der Zeuge 1 vom Koppelverband MS Ad/M hat bei seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren ausgesagt, daß MTS V beim Auffahren stromrecht zu Tal gelegen habe. In die gleiche Richtung deuten die Beschädigungen der unfallbeteiligten Schiffe, die fotografisch festgehalten sind und die der Sachverständige K. ausgewertet hat. Danach ist MTS V achtern Backbord und über die Mitte des Achterschiffes hinaus achtern Steuerbord leicht beschädigt worden. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, daß bei einem Anfahrwinkel der unfallbeteiligten Schiffe von 10 bis 30 Grad andere Schäden aufgetreten wären, als diejenigen, die tatsächlich festgestellt worden sind... .
Diese klaren Ausführungen des Sachverständigen sind einleuchtend und begründen mit den vorerwähnten Zeugenaussagen die Überzeugung des Senats, daß sich der Unfall nicht so zugetragen haben kann, wie der Beklagte es darstellt. Vielmehr ist die Anfahrung in gestreckter Lage der beteiligten Schiffe geschehen.

Eine Verletzung der Rücksichtnahmepflichten aus § 6.13 RhSchPVO durch die Schiffsführung von MTS V läßt sich nicht feststellen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen und der Zeugen ist davon auszugehen, daß MTS V in gestreckter Lage im Strom angefahren worden ist. Da die Schiffsführung von MTS V die Geschwindigkeit herabgesetzt und die Schifffahrt im Revier angesprochen und ein Wendemanöver angekündigt hat, war zunächst alles Erforderliche getan, bis auf das Setzen eines Schallsignals. Bezüglich letzterem läßt sich nicht sicher sagen, ob der Zeitpunkt hierfür schon gekommen war oder ob der Zeitpunkt, zu dem das Tonsignal spätestens hätte gegeben werden müssen, schon verstrichen war, als die Anfahrung erfolgte. Selbst wenn aber davon auszugehen wäre, daß ein Thyphonsignal hätte gesetzt werden müssen, so ist offen, ob zu diesem Zeitpunkt die Kollision mit dem Koppelverband noch vermeidbar war und vermieden worden wäre. Die Bewegungsabläufe der unfallbeteiligten Schiffe sind in dem hier maßgeblichen kritischen Annäherungsbereich insoweit ungeklärt...."


Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1992- Nr.22 (Sammlung Seite 1395 f.); ZfB 1992, 1395 f.