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3 U 156/89 - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Datum uitspraak: 09.02.1990
Kenmerk: 3 U 156/89
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Rechtbank: Oberlandesgericht Köln
Afdeling: Schiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Haben Gerichtsstandsvereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch „Auslandsberührung", ist Art. 17 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVU) zu beachten. Dies kann zur Unzuständigkeit eines Schifffahrtsgerichts führen.

 

Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Köln

vom 9.2.1990

3 U 156/89

(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)


Zum Tatbestand:

Die Klägerin, die ein Befrachtungsunternehmen in Duisburg-Ruhrort betreibt, streitet mit der Beklagten über das Zustandekommen eines Frachtvertrages über die Beförderung von ca. 80.000 t Gips. Sie ist der Auffassung, der Vertrag sei unter Einbeziehung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (VTB) wirksam zustandegekommen; da die Beklagte den Frachtvertrag gekündigt habe, stehe ihr neben restlichen Frachtansprüchen auch ein Anspruch auf Fehlfracht zu. Wegen dieser Ansprüche hat die Klägerin das Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort angerufen. Sie hält dessen Zuständigkeit aufgrund der in § 26 VTB enthaltenen Gerichtsstandsklausel für gegeben. § 26 VTB lautet:
„Als Gerichtsstand für alle Streitigkeiten wird Rotterdam vereinbart. Die Reederei ist jedoch berechtigt, ein anderes Gericht anzurufen. Vorbehalten bleibt das in § 14 vorgesehene Schiedsgericht." Die Beklagte hat die Zuständigkeit des Schiffahrtsgerichts gerügt, und sie hat die Klageforderung auch in der Sache für nicht begründet gehalten.
Das Schiffahrtsgericht hat seine Zuständigkeit bejaht und die Klage im wesentlichen zugesprochen. Auf die Berufung der Beklagten wurde das Urteil aufgehoben. Das Schiffahrtsgericht wurde für unzuständig erklärt, die Sache an das zuständige Landgericht verwiesen.


Aus den Entscheidungsgründen:

„Die in prozessualer Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten hat mit der in erster Linie verfolgten Zuständigkeitsrüge Erfolg. Die Zuständigkeit des Schiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort ist nicht gegeben, so daß das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache auf den Hilfsantrag der Klägerin an das für Osterode, den Geschäftssitz der Beklagten, zuständige Landgericht Göttingen zu verweisen ist. Die Gerichtsstandsvereinbarung des § 26 VTB, auf die die Klägerin sich stützen will, ist formunwirksam; die Klausel würde im übrigen auch, wenn sie formwirksam vereinbart wäre, die Zuständigkeit des angerufenen Schiffahrtsgerichts nicht begründen können.
Die streitige Gerichtsstandsvereinbarung fällt unter den sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des Art. 17 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ), da beide Parteien ihren Sitz innerhalb der Bundesrepublik, also innerhalb eines Vertragsstaates des Übereinkommens haben und da die Vereinbarung mit der Wahl des Gerichtsstands Rotterdam auch Auslandsberührung hat. Die getroffene Vereinbarung genügt jedoch nicht den Formerfordernissen des Art. 17 EuGVÜ, so daß die Klausel schon aus diesem Grunde unwirksam ist.
Nach den beiden ersten Alternativen des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EuGVÜ muß eine solche Vereinbarung schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung geschlossen werden; während die dritte Alternative, die das Zustandekommen einer Vereinbarung im internationalen Handelsverkehr betrifft, erkennbar ausscheidet. Auch die an erster Stelle der Vorschrift genannte Fallgestaltung der (zweiseitig) schriftlichen Vereinbarung ist hier nicht gegeben.
Die verbleibende Alternative - mündliche Vereinbarung mit schriftlicher Bestätigung - erfordert bei Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen, wie sie die Klägerin hier in Form ihrer VTB in den Vertrag einbeziehen wollte, daß diese Geschäftsbedingungen dem Vertragspartner spätestens mit dem Bestätigungsschreiben im Wortlaut übermittelt werden (vergl. Zöller-Geimer, Anh. II, Art. 17 Rdn. 9 und 10; EuGH NJW 1979, 495) Eine dem Bestätigungsschreiben nachfolgende Übersendung, wie sie vorliegend erfolgt ist, reicht insoweit gerade nicht. Eine Ausnahme hiervon wird nach den Grundsätzen von Treu und Glauben dann gemacht, wenn die Parteien bereits in Geschäftsbeziehungen gestanden und dabei die Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit der Gerichtsstandsklausel zugrundegelegen haben (vergl. EuGH s.a.O.; Zöller-Geimer a.a.O. Rdnr. 11).
Auch das war hier nicht der Fall: Unstreitig hat die Klägerin zuvor Geschäftsbeziehungen nur zu den Gipswerken, nicht aber zu der rechtlich selbständigen Beklagten gehabt. Daß bei den Verhandlungen zwischen den Parteien vor dem Bestätigungsschreiben überhaupt von einer Einbeziehung der VTB die Rede gewesen sei, hat die Beklagte bestritten.

Die Gerichtsstandsklausel des § 26 VTB würde aber auch, wenn sie formwirksam vereinbart wäre, die Zuständigkeit des angerufenen Schiffahrtsgerichts nicht begründen können, da es ihr insoweit an der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit fehlt. Eine Zuständigkeitsvereinbarung nach Art. 17 EuGVÜ ist nur dann wirksam, wenn das zuständige Gericht sich aus der Klausel als bestimmt ergibt oder wenigstens bei Klageerhebung aus den Umständen zu bestimmen ist; es genügt jedoch nicht die Abrede, nach der die Bestimmung des Gerichtsstands der freien Wahl einer Partei überlassen bleibt (vergl. Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., Art. 17 Rdnr. 54 m.w.Nw.).
Diesen Bestimmtheitserfordernissen genügt zwar der hier nicht interessierende Teil der Gerichtsstandsklausel, wonach Rotterdam als Gerichtsstand vereinbart wird (Satz 1 des § 26 VTB). Der 2. Satz dieser Regelung jedoch, nach dem die Reederei berechtigt ist, „ein anderes Gericht anzurufen", läßt jede inhaltliche Bestimmtheit in diesem Sinne gerade vermissen.
Will man jedoch mit dem Schiffahrtsgericht diesen völlig allgemein gehaltenen Teil der Klausel einengend dahin auslegen, dass ein Gericht innerhalb Deutschlands gemeint sei, so könnte eine solche Regelung, sollte sie nicht wieder der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit ermangeln, nur besagen, daß die deutsche Gerichtsbarkeit als solche prorogiert worden wäre. Kommt es dann zum Rechtsstreit in dem in dieser Weise prorogierten Staat, so richtet sich die Zuständigkeit des anzurufenden Gerichts und dem innerstaatlichen Verfahrensrecht (vergl. Kropholler, a.a.O., Rdnr. 57 und 58). Nach dem deutschen Verfahrensrecht aber ist nicht das Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort, sondern das Wohnsitzgericht der Beklagten, also das Landgericht Göttingen, das an sich örtlich und sachlich zuständige Gericht.
Hiernach ist die Gerichtsstandsklausel unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet, die Zuständigkeit des zunächst angerufenen Schiffahrtsgerichts zu begründen...."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1991 - Nr.18 (Sammlung Seite 1337 f.); ZfB 1991, 1337 f.