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3 - 3/91 S - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Datum uitspraak: 22.11.1991
Kenmerk: 3 - 3/91 S
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Rechtbank: Oberlandesgericht Köln
Afdeling: Schiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Zur Beweiskraft des sog. fingerprint bei Wasserproben nach Gewässerverunreinigungen.

Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Köln

vom 22.11. 1991

3 - 3/91 S

(Schiffahrtsgericht St. Goar)

Zum Tatbestand:


Der Angeklagte, Schiffseigner und Schiffsführer des GMS „L", dem zur Last gelegt worden war, Bilgenöl in die Mosel eingeleitet zu haben, ist im Berufungsverfahren von dem Vorwurf der unbefugten Verunreinigung eines Gewässers (§ 324 StGB) freigesprochen worden. Es ließ sich nicht ausschließen, daß die von der Wasserschutzpolizei am 7. 7. 1990 festgestellte Gewässerverunreinigung entsprechend der Einlassung des Angeklagten nicht von seinem Schiff herrührte.

Aus den Gründen:


„1. Allerdings hat der Angeklagte, wie er selbst einräumt, in der Nacht vom 6. zum 7. Juli 1990 mit seinem Schiff in N. vor Anker gelegen, also in dem Bereich, wo am 7. Juli 1990 der Anfang der Gewässerverunreinigung festgestellt worden ist. Wie er weiter einräumt, hat GMS „L" seinerzeit über die Stopfbuchse Wasser gezogen, allerdings nach seiner unwiderlegten Einlassung nur in geringem Umfang. Außerdem ist auffällig, daß für das Schiff seinerzeit kein Öltagebuch geführt wurde, was der Angeklagte damit erklärt, das alte Buch sei vollgeschrieben gewesen und er sei noch nicht dazu gekommen, sich ein neues Buch zu beschaffen.
2. Diese Umstände reichen nicht aus, den Angeklagten der ihm zur Last gelegten Tat zu überführen. Sie rechtfertigen nicht die Schlußfolgerung, er müsse die Bilge seines Schiffes gelenzt und dabei Öl in die Mosel eingeleitet haben. Weitere den Angeklagten belastende Anhaltspunkte hat die Beweisaufnahme nicht ergeben. Ein solcher Anhaltspunkt ergibt sich insbesondere nicht aus dem Gutachten des Landesamtes für Wasserwirtschaft Rheinland-Pfalz vom 22. Oktober 1990. Dieses verhält sich über die Analyse von fünf Proben, die die Wasserschutzpolizei gezogen hatte. Zwei dieser Proben (Nr. 1 und 2) stammten aus der Mosel. Sie waren vom Zeugen B. im Bereich der Straßenbrücke von P. gezogen worden. Die übrigen Proben stammten vom GMS „S" (Probe 3), dem TMS „A" (Probe 4) und dem GMS „L" (Probe 5), dem Schiff des Angeklagten. Bei weiteren Schiffen, die in der fraglichen Zeit auf dem Moselabschnitt zwischen N. und P. unterwegs gewesen waren, wurden keine Proben der Bilgenflüssigkeit entnommen, weil die Wasserschutzpolizei bei der vom Zeugen B. vorgenommenen Überprüfung keine Hinweise vorgefunden hatte, die ihr einen Anhaltspunkt für die Annahme gaben, die Verunreinigung könne von diesen Schiffen ausgegangen sein. Es handelt sich um GMS „U", Koppelverband „S", GMS „K" und die Schubverbände „N" und „T".
Auf dieser Grundlage läßt sich nicht feststellen, daß die Gewässerverunreinigung mit Bilgenöl entgegen der Einlassung des Angeklagten von dessen Schiff herrührt. Allerdings hat das Landesamt für Wasserwirtschaft in seinem bereits erwähnten Gutachten festgetellt, die Gewässerproben Nr. 1 (Mosel) und Nr. 5 (L) seien laut Gaschromatogramm und Infrarotspektrum nahezu identisch, während die Proben Nr. 3 und 4 (S bzw. A) aufgrund dieser Untersuchungen für die Mineralölverunreinigung nicht in Betracht kämen. Daraus läßt sich aber nicht folgern, das in der Mosel vorgefundene Öl müsse vom Schiff des Angeklagten stammen. Der Sachverständige Dr. R hat dem Senat in der Hauptverhandlung erläutert, zu welchen Ergebnissen die vom Landesamt für Wasserwirtschaft angewandten Untersuchungsmethoden führen:
Die IR-Spektroskopie führt zu einem Schaubild im positiven Bereich eines Koordinatensystems. Auf der Abszisse läßt sich die Lichtdurchlässigkeit der Moleküle des untersuchten Stoffes ablesen, und auf der Ordinate die Wellenzahlen, gemessen in cm-'. Ein vom Meßschreiber gezeichneter Ausschlag zeigt an, daß in dem jeweiligen Bereich (gemessen in cm-') ein in der überprüften Flüssigkeit vorhandenes Molekül Licht absorbiert. Für den Wellenbereich von 1500 bis 600 cm-' ergibt dies eine charakteristische Zeichnung (sogenannter „fingerprint für ein diskretes Molekül"). Deshalb kann man in diesem Bereich die von verschiedenen Proben stammenden Zeichnungen miteinander vergleichen. Dabei wird sich eine 100 %ige Übereinstimmung von Wasserprobe und Bilgenflüssigkeit in aller Regel nicht ergeben können, weil in der Wasserprobe vorhandenes Öl regelmäßig durch Umwelteinflüsse verändert sein wird, z. B. durch die Einwirkung von Sonnenlicht oder dadurch, daß in das Wasser gelangtes Ö1 dort vorhandene organische Stoffe gelöst hat. Bei einer annähernden Übereinstimmung von Wasserprobe und Bilgenflüssigkeit wird man davon ausgehen können, daß das in beiden Proben enthaltene Öl molekular identisch ist.
Wie der Sachverständige Dr. R weiter ausgeführt hat, läßt sich aus einem solchen Ergebnis aber nicht die Schlußfolgerung ziehen, bei annähernder Übereinstimmung der Proben müsse eine festgestellte Gewässerverunreinigung von dem Schiff herrühren, dessen Probe aufgrund der vorstehend beschriebenen Untersuchung mit der Wasserprobe nahezu identisch ist. Es lasse sich nicht ausschließen, daß die Bilgenflüssigkeiten mehrerer Schiffe aus den gleichen Stoffen bestünden und deshalb bei der Untersuchung zu gleichen Ergebnissen führten. Dies ergebe sich vor allem daraus, daß nur wenige Ölsorten im Handel seien. Hätten mehrere Schiffe etwa zur gleichen Zeit an ein und derselben Stelle Öl der gleichen Sorte getankt, dann sei damit zu rechnen, daß ihre Bilgenflüssigkeiten in etwa gleich zusammengesetzt seien und deshalb eine Untersuchung den gleichen „fingerprint" ergäben. Eine in der Bilge vorhandene schiffsspezifische Beimengung sei ganz gering und könne das Ergebnis einer, Untersuchung kaum beeinflussen.
Wie der Sachverständige schließlich ausgeführt hat, führt die weitere Untersuchungsmethode der Gaschromatographie zu keinen weitergehenden Erkenntnissen. Insbesondere lasse sich auch anhand dieser Untersuchung nicht ausschließen, daß die Bilgenflüssigkeiten verschiedener Schiffe bei der Untersuchung zu gleichen Ergebnissen führten.
Ausgehend von diesen Angaben des Sachverständigen, an deren Richtigkeit zu zweifeln der Senat keinen Anlaß hat, läßt sich nicht sagen, aufgrund der Übereinstimmung der Wasserprobe mit der vom Schiff des Angeklagten stammenden Bilgenflüssigkeit müsse die festgestellte Gewässerverunreinigung der Mosel vom Schiff des Angeklagten stammen. Da sich am 6./7. Juli 1990 mehrere Schiffe im fraglichen Moselabschnitt befunden haben, bei denen Proben der Bilgenflüssigkeit nicht entnommen worden sind, läßt sich nicht ausschließen, daß das in der Mosel vorgefundene Öl von einem dieser Schiffe stammt und nicht vom Schiff des Angeklagten.
Hinzukommt, daß nach der Aussage des Zeugen E. die Überprüfung des GMS „L" am 7. Juli 1990 keinen Anhaltspunkt dafür ergeben hat, daß dessen Bilge vor kurzer Zeit gelenzt worden war. Insbesondere hat der Zeuge keinen Glanzrand gefunden, wie er nach einem Lenzvorgang zu erwarten gewesen wäre. Auch läßt sich nicht sagen, der Angeklagte habe wegen des Wassereinbruches die Bilge seines Schiffes häufig lenzen müssen. Denn - wie bereits erwähnt - über die Stopfbüchse ist nach der unwiderlegten Einlassung des Angeklagten Wasser nur in geringen Mengen eingedrungen.
Schließlich ist es nach den Ausführungen des Sachverständigen K. auch unwahrscheinlich, daß durch das Lenzen der Bilge Öl in solchen Mengen in die Mosel hätte gelangen können, wie sie dort vorgefunden worden sind. Der Zeuge B. hat anschaulich geschildert, daß sich im Uferbereich von P eine dicke Ölschicht (ca. 1-1,5 cm) gebildet hatte. Also müssen ganz erhebliche Mengen an Altöl ins Wasser gelangt sein. Da das Schiff des Angeklagten über den sogenannten „Duisburger Topf" gelenzt wird, der nach der unwiderlegten Einlassung des Angeklagten zur fraglichen Zeit intakt war, hätten - wie der Sachverständige ausgeführt hat - beim Lenzen der Bilge über die in dem Schiff installierte Lenzpumpe kaum größere Mengen Altöl in die Mosel gelangen können, da der größte Teil des in der Bilge vorhandenen Öls dort an der Oberfläche des Bilgenwassers schwimmt und der Duisburger Topf gerade die Funktion hat zu verhindern, daß das an der Oberfläche schwimmende Öl bis zum Saugstutzen der Lenzpumpe gelangt.
Für die dann allenfalls noch vorhandene Möglichkeit, daß der Angeklagte etwa mit einer Tauchpumpe unter Umgehung des Duisburger Topfes Bilgenflüssigkeit in die Mosel gepumpt haben könnte, bestehen keinerlei Anhaltspunkte.
Unter diesen Umständen kann die Einlassung des Angeklagten, das in der Mosel vorgefundene Öl stamme nicht von seinem Schiff, nicht widerlegt werden. Das angefochtene Urteil hat deshalb abgeändert und der Angeklagte freigesprochen werden müssen ... „

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1992- Nr.8 (Sammlung Seite 1368 f.); ZfB 1992, 1368 f.