Jurisprudentiedatabank

299 Z - 21/93 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Datum uitspraak: 24.03.1994
Kenmerk: 299 Z - 21/93
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Rechtbank: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Afdeling: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 24. März 1994

299 Z - 21/93

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mainz vom 4. November 1992 34 C 1/92 - BSch -)

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Folgen eines Schiffsunfalls, der sich am 3.10.1991 gegen 6.50 Uhr auf dem Rheinstrom im Bereich von km 438,5 - Ortslage Roxheim - bei unsichtigem Wetter ereignet hat.

Die Klägerin ist Eignerin des MS "S 4" (80 m lang; 8,20 m breit; 1.126 t groß; 560 PS bei 520 UpM stark; ausgestattet mit einem 230 PS starken Bugstrahlruder), das zur Zeit nachbeschriebener Ereignisse von Schiffsführer W geführt worden ist.

Die Beklagte zu 1 ist Eignerin des MTS "RSK T 73" (85 m lang; 9,50 m breit; 1.602 t groß und 1.050 PS stark), das von dem Beklagten zu 2 geführt worden ist.

Zu der angegebenen Zeit fuhr MS "S 4" zu Tal und MTS "RSK T 73" zu Berg. Beide Fahrzeuge waren beladen und fuhren im Bereich einer vorgeschriebenen geregelten Begegnung mit Hilfe von Radar.

Die Klägerin hat behauptet, Schiffsführer W habe MS "S 4" hart an den rechtsrheinischen Krippen vorbeigesteuert. MTS "RSK T 73" habe zunächst einen linksrheinisch verlaufenden Begegnungskurs eingehalten und sei unmittelbar vor der Begegnung plötzlich in das Fahrwasser der Talfahrt ausgebrochen. Als das Schiffsführer W im Radarbild gesehen habe, habe er sofort Schallzeichen gegeben und die Fahrt auf 320 UpM reduziert. Außerdem habe er über Funk MTS "RSK 73" gefragt: "Was machst Du denn da ?" Eine Kollision sei nicht mehr abwendbar gewesen. Die Schiffe seien bei Rhein-km 438,3 mit ihren Backbordvorschiffen zusammengestoßen. Der Kollisionsort habe im rechtsrheinischen Fahrwasser, also im Fahrwasser ihres Schiffes gelegen. Die Beklagten seien deshalb allein für den Schiffsunfall verantwortlich und zum Schadensersatz verpflichtet.

Infolge des Unfalls habe sich MS "S 4" festgefahren. Durch einen reißenden Turnstrang habe der Matrose G am Oberschenkel eine äußerst schmerzhafte Quetsch-Platzwunde davongetragen und habe acht Tage im Krankenhaus behandelt werden müssen. Hierfür müssten die Beklagten ein angemessenes Schmerzensgeld von 2.000.-- DM zahlen. G habe ihr, der Klägerin, seine Ansprüche abgetreten.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner, die Beklagte zu 1 außer dinglich mit MTS "RSK T 73" im Rahmen des Binnenschiffahrtsgesetzes auch persönlich haftend, zur Zahlung von 69.244,71 DM nebst Zinsen und zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, sowie beide Beklagten persönlich haftend zur Zahlung der Kosten des Verklarungsverfahrens 34 II 58/91 Schiffahrtsgericht Mainz zu verurteilen.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Nach ihrem Vorbringen hat MTS "RSK T 73" bei der Begegnung ordnungsgemäß den linken Tonnenstrich angehalten. Der Beklagte zu 2 habe sich korrekt verhalten. MS "S 4" habe jedoch plötzlich seinen Kurs verlassen und sei auf die linksrheinische Seite und dort in den Kurs von "RSK T 73" geraten. Der Beklagte zu 2 habe noch versucht, nach Steuerbord auszuweichen und habe dabei die bei Rhein-km 438,5 ausgelegte Tonne abgefahren, wobei sich die Aufhängung der Tonne im Ruder des Schiffes verfangen habe. Da der Zusammenstoß auf der linksrheinischen Seite des Fahrwassers erfolgt sei, treffe den Beklagten zu 2 an dem Unfall kein Verschulden.

Das Rheinschiffahrtsgericht hat durch Urteil vom 4.11.1992 die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat es im wesentlichen wie folgt begründet :

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Verklarungsverfahren sei erwiesen, dass sich der Unfall etwa bei Rhein-km 438,3 - 5 auf der äußersten linksrheinischen Fahrwassergrenze ereignet habe. Den Beklagten zu 2 treffe deshalb kein Verschulden.

Nach den fast völlig übereinstimmenden Angaben der beteiligten Schiffsführer sei die Kollision der Schiffe bei Rhein-km 438,3 mit den Backbord-Vorschiffen erfolgt. Im Verlauf der Begegnung und des Anstoßes habe "RSK T 73" die grüne Tonne bei Rhein-km 438,5 überfahren und abgerissen, so dass sich die Kette der Tonne im Ruder des Schiffes verfing und die Tonne mitgeschleppt wurde. Daraus folge, dass sich der Unfall im linksrheinischen Fahrwasser ereignet habe. Den gegenteiligen Angaben von Schiffsführer W, dass "RSK T 73" plötzlich in einem Winkel von 70 Grad auf ihn zugekommen sei, hat das Rheinschiffahrtsgericht keinen Glauben geschenkt, weil beide Schiffe Schäden an den Backbordseiten davongetragen hätten und das Motorschiff sich mangels eines Bugstrahlruders auf der nach Angaben von Schiffsführer W nur kurzen Strecke nach der Kursänderung nicht habe aufstrecken können.

Die Aussagen des Zeugen G, so hat das Rheinschiffahrtsgericht weiter ausgeführt, seien in den entscheidenden Punkten unrichtig, weil die grüne Tonne, die er unmittelbar nach dem Unfall 2 - 3 Schiffsbreiten hinter "RSK T 73" gesehen habe wolle, nicht die Tonne sein könne, die bei Rhein-km 438,5 gelegen habe, weil "RSK T 73" diese Tonne gerade abgefahren und mitgenommen habe. Es sei deshalb unmöglich, dass G diese Tonne 2 - 3 Schiffsbreiten querab von dem Bergfahrer gesehen haben könne. Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung die Klage weiter und wendet sich gegen die Beweiswürdigung in dem angefochtenen Urteil. Die Beklagten treten den Ausführungen der Klägerin entgegen.


Entscheidungsgründe:

1. Zur Zulässigkeit der Berufung ist folgendes auszuführen :

Nach Art. 37 Abs. 2 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte ist die Berufung, wenn sie bei der Zentralkommission angebracht werden soll, binnen 30 Tagen nach der Zustellung des Urteils erster Instanz dem Gericht, welches entschieden hat, anzumelden. Nach Art. 37 Abs. 3 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte hat der Appelant sodann innerhalb von 30 Tagen nach erfolgter Anmeldung die schriftliche Rechtfertigung der Berufung dem Gericht zu übergeben. Das hätte im Streitfall, in dem die Berufung innerhalb der Berufungsfrist beim Rheinschiffahrtsgericht am 8.12.1992 eingegangen ist, am 7.1.1993 geschehen müssen. Das war nicht der Fall. Vielmehr ist die Übergabe der schriftlichen Rechtfertigung an das Rheinschiffahrtsgericht erst am 25.1.1993 erfolgt. Sie war damit verspätet. Allerdings hat der RheinschiffahrtsR die Frist des Art. 37 Abs. 3 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte auf fernmündliche Bitte des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 4.1.1993, also vor Fristablauf, fernmündlich bis zum 26.1.1993 verlängert. Die Verlängerung war jedoch nicht zulässig. Art. 37 Abs. 3 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte beinhaltet - wie Art. 37 Abs. 2 der Akte - eine gesetzliche Frist. Eine solche kann ein R nur dann wirksam verlängern, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist. Daran fehlt es hier. Die Revidierte Rheinschiffahrtsakte sieht keine Verlängerung der Frist zur Begründung der bei der Zentralkommission angebrachten Berufung vor. Demgemäß hat die Kammer in ihrem Urteil vom 15.9.1975 - 35 Z - 2/74 (abgedruckt in ZfB 1976, 255 sowie in Schep & Schade 1976, 83) ausdrücklich bemerkt, dass es sich bei der Frist des Art. 37 Abs. 3 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte um eine unerstreckbare präklusive Frist handelt. Diese kann auch nicht, wie das Rheinschiffahrtsgericht Mannheim in zwei jüngst ergangenen Beschlüssen vom 19.5.1993 - C 104/91 RhSch und C 105/91 RhSch gemeint hat, durch eine entsprechende Anwendung des § 519 Abs. 2 Satz 3 der deutschen Zivilprozeßordnung (ZPO) verlängert werden. Zwar kann nach dieser Vorschrift der Vorsitzende des Berufungsgericht die (nach § 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO einen Monat betragende) Berufungsbegründungsfrist auf Antrag verlängern, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Auch gestattet Art. 30 der Verfahrensordnung der Berufungskammer dieser die Verfahrensvorschriften des Gerichts erster Instanz ergänzend anzuwenden, soweit die Revidierte Rheinschiffahrtsakte und die Verfahrensordnung selbst keine Bestimmungen enthalten. Indessen hat die Berufungskammer bereits in dem Urteil v. 7.5.1974 - 24 Z - 2/74 im Zusammenhang mit der Ablehnung einer entsprechenden Anwendung des § 516 ZPO (Beginn des Laufs der Berufungsfrist mit Ablauf von 5 Monaten nach Urteilsverkündung) darauf hingewiesen, dass die Art und Weise der Berufungseinlegung einschließlich der Fristenregelung in Art. 37 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte abschließend geregelt ist. Dessen Absatz 2 und 3 beschrieben das Verfahren bei Anrufung der Zentralkommission erschöpfend und umfassend; sie seien nur für diesen Berufungsweg überhaupt von Bedeutung. Diese internationale Regelung hat, wie die Berufungskammer in dem genannten Urteil weiter ausgeführt hat, den Vorrang vor den nationalen Vorschriften, zumal keinerlei Anhaltspunkte bestehen würden, dass die vertragsschließenden Staaten der Akte insoweit auf Vorschriften des nationalen Rechts hätten verweisen wollen, wie sie es ausdrücklich in Art. 38 Abs. 3 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte für die bei den nationalen Obergerichten eingelegten Berufungen getan hätten. Hinzu kommt, dass das ergänzende Heranziehen nationaler Fristverlängerungsvorschriften, die in den einzelnen Vertragsstaaten verschieden sein können und allein der Regelungsbefugnis des jeweiligen nationalen Gesetzgebers unterliegen, zu für den Einzelfall unterschiedlichen Regelungen für die Anrufung der Zentralkommission führen kann je nach dem Sitz des erstinstanzlichen Gerichts.

Nach alledem ist festzustellen, dass die erschöpfende und umfassende Beschreibung der Voraussetzungen für das Anbringen der Berufung bei der Zentralkommission in Art. 37 Abs. 2 und 3 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte es nicht zulässt, die gesetzlich bestimmte Berufungsbegründungsfrist durch richterliche Verfügung zu verlängern. Soweit die Berufungskammer in einer Bußgeldakte eine andere Meinung vertreten hat (Urteil v. 1.9.1991 - 242 B - 8/91) hält sie daran nicht fest. Indessen soll im vorliegenden Rechtsstreit die Klägerin und Berufungsklägerin keinen Nachteil dadurch erleiden, dass sie auf die vom RheinschiffahrtsR gewährte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vertraut hat. Auch war für sie nicht vorauszusehen, dass die Berufungskammer zu der strengen Interpretation von Art. 37 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte zurückkehrt. Es erscheint daher billig, der Klägerin Nachsicht hinsichtlich der verspäteten Einreichung der schriftlichen Rechtfertigung ihrer Berufungsbegründung zu gewähren und diese nicht als verspätet zu behandeln.

2. Die Berufung ist in der Sache unbegründet.

Nach dem Ergebnis des Verklarungsverfahrens muss als ungeklärt erachtet werden, ob der Beklagte zu 2 den Unfall vom 3.10.1991 bei Rhein-km 438,5 verschuldet hat. Diese Beweislosigkeit geht zu Lasten der für ihr Klagevorbringen beweispflichtigen Klägerin. Ihr stehen deshalb gegen die Beklagten aus keinem Rechtsgrunde Schadensersatzansprüche zu.

Gegen den Kollisionsort im Bereich etwa bei Rhein-km 438,5 haben die Parteien nicht erinnert. Insoweit ist das Rheinschiffahrtsgericht mit Recht den im wesentlichen übereinstimmenden Angaben der beteiligten Schiffsführer bei ihren Vernehmungen im Verklarungsverfahren gefolgt.

Mit Recht wendet sich die Berufung gegen die Feststellung des Rheinschiffahrtsgerichts, der Zusammenstoß der Schiffe sei in dem oben genannten Bereich auf der äußersten linksrheinischen Fahrwassergrenze erfolgt. Auf welcher Fahrwasserseite die Kollision der Schiffe erfolgt ist, muss vielmehr aufgrund des Ergebnisses der im Verklarungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme als ungeklärt angesehen werden.

Die Aussagen der beteiligten Schiffsführer im Verklarungsverfahren stehen sich zu der Frage, in wessen Fahrwasser der Unfall erfolgt ist, unvereinbar gegenüber.

Nach Angaben von Schiffsführer W von MS "S 4" soll "RSK T 73" nicht weiter am linksrheinischen Tonnenstrich zu Berg gefahren, sondern in den Bereich hinein gefahren sein, der sich dort zwischen dem linksrheinischen Ufer und dem grünen Tonnenstrich befand. Schiffsführer W will dann den Bergfahrer von seiner linksrheinischen Seite aus stark in Richtung rechtsrheinische Seite in das Fahrwasser der Talfahrt fahrend gesehen haben.

Wäre es so gewesen und hätte MTS "RSK T 73" die Fahrrinne nach Steuerbord verlassen, hätte für das Schiff Gefahr bestanden, auf die nach den Aussagen des Zeugen Sa auf der Roxheimer Seite außerhalb der Fahrrinne liegenden Baggergeräte oder gar auf das linksrheinische Ufer zu fahren. Unter diesen Umständen wäre es allerdings verständlich, wenn der Beklagte zu 2 seinen Kurs nach Backbord verlegt hätte, um der beschriebenen und einer von ihm erkannten Gefahr zu begegnen. Zwangslos könnte erklärt werden, wenn bei einem solchen Manöver die grüne Tonne abgefahren und dann mitgeschleppt worden wäre. Eine solche Kursänderung wäre auch für Schiffsführer W im Radarbild sichtbar gewesen.

Diese Aussagen von Schiffsführer W stehen jedoch nicht außer aller Zweifel. Es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass ein erfahrener Schiffsführer wie der Beklagte zu 2 einen Tonnenstrich fehlerhaft beurteilt und mit seinem Schiff außerhalb des Tonnenstrichs gerät. Wenig wahrscheinlich ist auch, dass er, wäre ihm ein solcher Fehler tatsächlich unterlaufen, eine harte Kursänderung vorgenommen hätte und so in den Kurs der Talfahrt geraten wäre. Gegen eine harte Kursänderung des Bergfahrers sprechen zudem auch die an den Vorschiffen der beiden unfallbeteiligten Schiffe entstandenen Schäden. Wäre MTS "RSK T 73", wie Schiffsführer W als Zeuge bekundet hat, unter einem Winkel von 70 Grad auf sein Schiff zugefahren, hätten sich an diesem Motortankschiff Schäden am Bug, nicht aber am Backbordvorschiff finden müssen, wie das Rheinschiffahrtsgericht mit Recht erwogen hat. Es mag sein, wie die Klägerin meint, dass bei einer gescheiterten Backbord/Backbordbegegnung die Schiffe nicht Kopf-auf-Kopf und nur selten Kopf auf Backbord-Vorschiff, sondern regelmäßig Backbord-Vorschiff auf Backbord-Vorschiff kollidieren. Diese Erwägungen versagen hier aber. Denn Schiffsführer W hat nichts davon bekundet, dass sich der Bergfahrer noch nach seiner Kursänderung wieder aufgestreckt oder dazu überhaupt noch einen Versuch unternommen hat. Ist MTS "RSK T 73" in starker Schräglage auf den Talfahrer zugefahren, sind Schäden, wie sie hier an den beiderseitigen Backbord-Vorschiffen festgestellt worden sind, mit der angeblichen Fahrweise kaum in Übereinstimmung zu bringen. Hinzu kommt ferner, dass die Fahrrinne im Bereich von Rhein-km 437,5 bis 438,8 nach Angaben des sachkundigen Zeugen Sa im Verklarungsverfahren ca. 80 bis 90 m betragen hat, was Kursänderungen unter einem Winkel von 70 Grad auch wegen der beiderseitigen Schiffsbreiten kaum zugelassen hätte. Schließlich musste die Berufungskammer auch in Erwägung ziehen, dass Schiffsführer W ein Fehlecho seines Radargeräts gesehen und dieses Fehlecho aus nachträglicher Sicht falsch interpretiert haben kann. Es ist eine bekannte Tatsache, dass das Radarbild nur eine beschränkte Nahauflösung hat. Die Nahauflösung beträgt unterschiedlich nach der Qualität der Geräte und des eingestellten Sichtbereichs 10 m bis 20 m. Kommen sich zwei Objekte zu nahe, verschmelzen die Echos der georteten Objekte. Bei entgegenkommenden Fahrzeugen entsteht der Eindruck, als fließe das fremde Echo schräg auf das eigene Echo zu. "Das Bild fällt um". Hierdurch kann der Eindruck einer Kursänderung des Gegenfahrers entstehen oder das Bild nachträglich falsch interpretiert werden.

Demgegenüber will der Beklagte zu 2, als der Talfahrer für ihn auf dem Radarbild in Sicht kam, am linksrheinischen Ufer bzw. am linksrheinischen Fahrwasserrand zu Berg gefahren sein. Es habe so ausgesehen, so hat er im Verklarungsverfahren bekundet, als ob man sich ganz normal und ungefährlich begegnen würde. Während er weiter am grünen Tonnenstrich vorbeigefahren sei, habe er den Talfahrer plötzlich in seiner Vorauslinie vor sich gehabt. Wie der Talfahrer dorthin gekommen sei, habe er nicht verfolgen können. Er vermute, dass durch neu gebaute Kribben eine Querströmung entstanden sei, durch die der Talfahrer in seine Vorauslinie versetzt worden sei.

Für die Richtigkeit dieser Angaben des Beklagten zu 2 könnte außer den vorstehend geschilderten Erwägungen sprechen, dass MTS "RSK T 73" bei einer Fahrt entlang des Tonnenstrichs die bei Rhein-km 438,5 ausgelegte grüne Tonne abgefahren und dann mitgeschleppt hat, was als solches zwischen den Parteien unstreitig ist. Wie es aber zur Anfahrung der grünen Tonne gekommen ist, ist umstritten. Es kann durchaus sein, dass das Motortankschiff entlang des Tonnenstrichs gefahren ist und dann durch den Zusammenprall bei der Kollision geringfügig aus seinem Kurs und gegen die grüne Tonne geraten ist. Nicht auszuschließen ist aber auch, dass der Beklagte zu 2 die grüne Tonne durch eine Kursänderung angefahren und dabei abgerissen hat. Zu Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben des Beklagten zu 2 gibt insbesondere seine Bekundung Anlass, dass der Talfahrer plötzlich vor ihm in der Kurslinie seines Radarbildes erschienen sei; denn die von ihm hierfür gebotene Erklärung, der Talfahrer könnte durch eine Querströmung in das linksrheinische Fahrwasser versetzt worden sein, lässt sich auch aus den Aussagen des Zeugen Sa nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen.

Auch die Bekundungen der im Verklarungsverfahren vernommenen sonstigen Zeugen haben keine sicheren Aufschlüsse über die Kurse der beteiligten Schiffe und darüber, in welchem Fahrwasser die Havarie erfolgt ist, ergeben.

Der Zeuge G hat als Matrose von MS "S 4" die Entwicklung des Unfallgeschehens im wesentlichen nicht wahrgenommen. Er will nach dem Unfall, als die Schiffe aneinander vorbeitrieben, im gegenüberliegenden Wasser eine grüne Tonne gesehen haben, die zwei bis drei Schiffsbreiten von MTS "RSK T 73" entfernt gewesen sei. Wäre diese Aussage richtig, müsste sich der Unfall in der rechtsrheinischen Fahrwasserhälfte der Talfahrt ereignet haben. Diese Aussage steht jedoch im Gegensatz zu der unstreitigen Tatsache, dass der Unfall sich bei Rhein-km 438,3 bis 438,5 ereignet und nur bei Rhein-km 438,5 eine Tonne gelegen hat, die G allenfalls gesehen haben kann, weil die jeweils 500 m oberhalb und unterhalb liegenden Tonnen wegen dichten Nebels nicht sichtbar gewesen sind. Die bei Rhein-km 438,5 ausgelegte grüne Tonne ist aber im Zusammenhang mit dem Unfall abgefahren worden, so dass sie unmöglich zwei bis drei Schiffsbreiten seitlich hinter dem vorbeifahrenden Bergfahrer im Wasser gelegen haben kann. Die Tonne kann sich auch erst nach der Kollision der Fahrzeuge in der Ruderanlage des Tankmotorschiffs verfangen haben und mitgenommen worden sein. Schließlich kann sich auch der Zeuge wegen des zur Unfallzeit herrschenden Nebels getäuscht haben. Die Bekundungen des Zeugen G können deshalb die Darstellung von Schiffsführer W nicht stützen.

Auch die Angaben des Zeugen Sa zu Erklärungen des Beklagten zu 2 bei der Rückgabe der grünen Tonne an die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung helfen nicht weiter. Es ist gleichgültig, ob der Beklagte zu 2 gegenüber Sa erklärt hat, er habe die Tonne abgefahren, oder Sa gegenüber davon nicht gesprochen hat; denn es steht außer Zweifel, dass sein Schiff die Tonne abgerissen und mitgeschleppt hat, also ein Dritter als unmittelbarer Verursacher nicht in Betracht kommt. Auch wenn er die Tonne angefahren und abgerissen hat, kann das, wie ausgeführt, auf Umständen beruhen, die ihm als Verschulden nicht zugerechnet werden können.

Was die Angaben des Zeugen R angeht, der nach der Havarie von Bord des Motorschiffs aus über MS "S 4" hinweg auf der Backbordseite seines Schiffes eine rote Tonne 2 bis 2 1/2 Schiffsbreiten entfernt gesehen haben will, so glaubt die Klägerin daraus folgern zu können, dass die beiden unfallbeteiligten Schiffe sich im Havariezeitpunkt ausschließlich im rechtsrheinischen Fahrwasser befunden haben. Berücksichtigt man, dass der Zeuge R seine Beobachtungen gemacht hat, als sich das Vorschiff von MS "S 4" bereits auf Höhe des Achterschiffs von MTS "RSK T 73" befunden hat und über MS "S 4" hinwegsehen musste, ist aber nicht sicher, ob er den Abstand zwischen dem Talfahrer und der roten Tonne überhaupt zuverlässig geschätzt hat, zumal auf dem Wasser Entfernungsschätzungen schwierig sind. Bei dieser Bewertung kann auf die durchaus zutreffende Darstellung der Klägerin verwiesen werden, die bezüglich der für sie ungünstigen Entfernungsschätzungen des Zeugen G auf den dichten Nebel hingewiesen und ausgeführt hat, bei solch schlechten Sichtverhältnissen seien Entfernungsschätzungen der Unfallzeugen, die nicht radargeschützt seien, mit äußerster Vorsicht zu bewerten und in eine entsprechend beweismäßige Bandbreite einzuordnen. Dem ist zuzustimmen. Eine Berechnung des Abstandes des Bergfahrers von der Grenze der rechtsrheinischen Fahrwasserseite kann daher mit einer ausreichenden Sicherheit nicht vorgenommen werden.

Auch aus der Tatsache des Festfahrens des Talfahrers am Rande des rechtsrheinischen Fahrwassers können keine erheblichen Schlüsse gezogen werden. Weshalb MS "S 4" sich festgefahren hat, ist nicht sicher bewiesen. Die Festfahrung kann durch den Anstoß bei der Kollision bewirkt worden sein, der Schiffsführer W nicht durch sachgerechte Ruderlegung entgegengewirkt hat, zumal, wie er selbst ausgesagt hat, sein Bugstrahlruder keine ausreichende Wirkung gezeigt hat, dass MS "S 4" unmittelbar vor dem Unfall manövrierunfähig gewesen sein soll und deshalb mit MTS "RSK T 73" kollidiert ist und sich anschließend rechtsrheinisch festgefahren hat, wie die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer unter Hinweis auf Schallzeichen des MS "S 4" vorgetragen haben, sieht die Berufungskammer als eine unbeachtliche Vermutung an, da im Verklarungsverfahren betreffend dem hier in Rede stehenden Unfall ebenso wenig wie in 1. Instanz irgendwer von einer Manövrierunfähigkeit dieses Schiffes gesprochen hat und auch unbekannt ist, welche Bedeutung die Schiffsführung des MS "S 4" mit ihren Schallzeichen verbunden hat.

Bei der gebotenen Abwägung aller Umstände des Falles vermochte die Berufungskammer wegen der aufgezeigten Zweifel weder der einen noch der anderen Darstellung der beteiligten Schiffsführer den Vorzug zu geben. Diese Zweifel konnten auch nicht durch die Bekundungen der sonstigen im Verklarungsverfahren vernommenen Zeugen ausgeräumt werden. Es muss deshalb als ungeklärt angesehen werden, wo sich der Unfall ereignet hat. Unter diesen Umständen ist ein Verschulden des Beklagten zu 2 nicht feststellbar. Die Klage ist daher unbegründet.

Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt :

a) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mainz vom 4.11.1992 wird zurückgewiesen.

b) Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Deren Festsetzung erfolgt gemäß Artikel 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte durch das Rheinschiffahrtsgericht Mainz.