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293 B - 16/93 - Berufungskammer der Zentralkommission (Rheinschiffahrtsgericht)
Datum uitspraak: 08.12.1993
Kenmerk: 293 B - 16/93
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Rechtbank: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Afdeling: Rheinschiffahrtsgericht

Leitsatz:

Schon wegen der nachzuweisenden Ortskenntnisse dürfen nur Inhaber eines Rheinschifferpatents auf dem Rhein zwischen Basel und der Spyck'schen Fähre ein Fahrzeug als Schiffsführer führen. Andere Befähigungszeugnisse ersetzen das Rheinschifferpatent nicht. EG-Recht, das die gegenseitige Anerkennung einzelstaatlicher Schifferpatente betrifft, bezieht sich nicht auf den Rhein.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 08.12.1993

293 B - 16/93

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

 

Der Betroffene ist Eigentümer des TMS „R" (2204 t). Er besitzt das „Schifferpatent Klasse II", erteilt am 19.4.1977 von der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord - Außenstelle Hamburg. Nach dem Patent ist er berechtigt, Fahrzeuge mit eigener Antriebskraft auf folgenden Schiffahrtsstraßen zu führen: „Elbe von Hamburg (km 607,5) bis Cuxhaven einschließlich Oste mit den Nebenelben und den auf dieser Strecke einmündenden Nebenflüssen sowie auf den westdeutschen Kanälen und auf dem Elbe- Lübeck-Kanal". Dem Betroffenen ist ferner am 28.2.1979 ein „Befähigungszeugnis zum Führen von Fahrzeugen in der Binnenschiffahrt" von der damaligen DDRSchiffahrtsinspektion in Berlin erteilt worden, welches ihn zum Führen von Motorfahrzeugen auf den Märkischen Wasserstraßen zwischen Elbe und Berlin berechtigte.

Die Wasserschutzpolizei hat TMS „R" bei Bergfahrten auf der deutschen Niederrheinstrecke am 21.3., 10. und 16.4.1992 kontrolliert. Sie beanstandete, daß der Betroffene - das Schiff fuhr in der Betriebsform B Stufe 3, für die zwei Schiffsführer vorgeschrieben sind - als einer der beiden Schiffsführer tätig war, ohne im Besitz eines Rheinschifferpatents zu sein. Außerdem ordneten die Beamten anläßlich der Überprüfungen am 10. und 16.4.1992 gegenüber dem Betroffenen an, das Fahrzeug stillzulegen und die Fahrt erst fortzusetzen, wenn sich ein zweiter Schiffsführer mit Rheinschifferpatent an Bord befinde. Dem kam der Betroffene in beiden Fällen nicht nach. Nach seiner Meinung qualifizieren ihn die beiden vorgenannten Schifferpatente sowie ein ebenfalls in seinem Besitz befindliches Elbschifferzeugnis auch für Fahrten auf dem Rhein als Schiffsführer. Zudem werde auf der niederländischen Rheinstrecke ganz auf ein Patent verzichtet, wie er auch die Strecke Iffezheim-Basel mit dem „Schifferpatent Klasse II" befahren könne.

Auf Grund von Anzeigen der Wasserschutzpolizei hat die Wasser- und Schifffahrtsdirektion West gegen den Betroffenen drei Bußgeldbescheide erlassen, und zwar zwei über jeweils DM 800,00 und einen über DM 900,00. Hiergegen hat der Betroffene form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Hierauf hat das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort mit Urteil vom 10.09.1992 gegen den Betroffenen „wegen einer fortgesetzten Ordnungswidrigkeit gemäß Art. 8 Ziffer 1 c, 2b RheinSchUEV, Art. 5 Abs. 2 Ziff. 3 Rhein- SchPEV eine Geldbuße in Höhe von DM 1000,00 verhängt". In den Gründen seiner Entscheidung hat es ausgeführt:

Entgegen der Ansicht des Betroffenen könne nicht angenommen werden, daß andere Schifferpatente mit dem Rheinschifferpatent gleichwertig seien. Denn gerade bei der Patenterteilung komme es darauf an, daß ein Antragsteller seine Ortskenntnisse für die Strecke nachweise, die er als Schiffsführer befahren wolle. Auch könne nicht zu Gunsten des Betroffenen berücksichtigt werden, falls, wie er vorgebracht habe, Bestrebungen im Gange seien, verschiedene Schifferpatente im Interesse der Vereinheitlichung des EG-Rechts als gleichrangig einzustufen. Dieser müsse sich an die geltenden Bestimmungen halten und danach für die Fahrt als Schiffsfilhrer auf dem Rhein im Besitze des für den zu befahrenden Streckenabschnitt vorgeschriebenen Rheinschifferpatents sein. Auszugehen sei allerdings davon, daß der Betroffene von vornherein vorgehabt habe, weiterhin als Schiffsführer des TMS „R" auf dem Rhein zu fahren, so daß auf seiner Seite hinsichtlich der Vorgänge vom 21.3., 10. und 16. 4. 1992 eine im Fortsetzungszusammenhang begangene einheitliche Ordnungswidrigkeit vorliege.

Die Berufungskammer hat die Berufung des Betroffenen, mit der er seinen Freispruch erstrebte, zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:


„Die Berufung des Betroffenen ist unbegründet.

1. § 14.09 RheinhSchUO schreibt für Motorschiffe, die den Rhein in der Betriebsform B Stufe 3 befahren, zwei Schiffsfikrer vor. Diese müssen nach § 14.02 Nr. 2.6 RheinSchUO „ein Schifferpatent nach den Bestimmungen der Verordnung über die Erteilung von Rheinschifferpatenten (1976)" - RheinSchPatentV - besitzen. Das folgt außerdem aus § 1 Nr. 1 RheinSchPatentV, die ebenso wie die RheinSchUO von der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) beschlossen worden ist. Dort heißt es: „Auf dem Rhein zwischen Basel (Mittlere Rheinbrücke - km 166,64) und der Spyck'schen Fähre (km 857,40) dürfen nur Inhaber eines Rheinschifferpatents Fahrzeuge führen". Infolgedessen war der Betroffene nicht berechtigt, auf seinem TMS „R" während der Fahrt auf dem deutschen Niederrhein als Schiffsfiihrer tätig zu sein. Nun meint allerdings der Betroffene, daß ihm das deshalb erlaubt gewesen sei, weil er das Schifferpatent Klasse II, das Befähigungszeugnis II der ehemaligen DDR und das Elbschifferzeugnis besitze. Dem vermag die Berufungskammer nicht zu folgen:

Zwar sind diese dem Betroffenen schon vor längerem erteilten Befähigungszeugnisse auch nach Inkrafttreten der Binnenschifferpatentverordnung vom 7.2.1981 (Bin- SchPatentV) noch gültig, und zwar teilweise sogar mit erweitertem räumlichen Geltungsbereich (vgl. § 29 Abs. 1 und 2 der Verordnung sowie den Erlaß des Bundesverkehrsministeriums vom 1.10.1990 - BW 12/44.30.15/104 VR 90). Dieser Bereich umfaßt jedoch nicht den Rhein. So heißt es in § 2 BinSchPatentV, „die Befugnis zum Führen von Fahrzeugen auf dem Rhein richtet sich nicht nach dieser Verordnung, sondern nach besonderen Vorschriften". Gemeint ist damit die RheinSchPatentV, deren Inhalt allein der Beschlußfassung der ZKR unterliegt (Art. 45 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte).

Demgemäß hat auch die Europäische Gemeinschaft (EG) in ihrer Richtlinie 91/ 672/EWG vom 16.12.1991 - Amtsblatt Nr. 379/29 vom 31.12.1991 - festgelegt, daß die darin vorgesehene gegenseitige Anerkennung der einzelstaatlichen Schifferpatente für den Binnenschiffsgüter- und Personenverkehr zwar alle im Anhang I der Richtlinie aufgeführten Schifferpatente der Mitgliedstaaten Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und Niederlande für die Binnenwasserstraßen der Gemeinschaft umfaßt, jedoch nicht für „Rhein, Leck und Waal". Entgegen der Ansicht des Betroffenen kann daher auch nicht davon ausgegangen werden, daß ihn das Schifferpatent der Klasse II berechtigen soll, den Rhein von Basel bis Iffezheim und in den Niederlanden als Schiffsführer zu befahren. Auch hat alles das nichts mit dem Hinweis des Betroffenen in der Berufungsinstanz auf § 1.09 RheinSchPV zu tun. Gewiß mag es ihm nach dieser Vorschrift erlaubt sein, auf dem Rhein als Rudergänger tätig zu sein. Eine solche Stellung hat er aber bei den Überprüfungen seines Fahrzeugs nicht eingenommen, sondern diejenige eines der beiden vorgeschriebenen Schiffsführer.

2. Nach Art. 7 Abs. 2 RheinSchUEV haben Eigentümer und Schiffsführer dafür zu sorgen, daß die für die jeweilige Betriebsform und Einsatzzeit des Fahrzeugs vorgeschriebene Besatzung während der Fahrt ständig an Bord ist. Kommen sie vorsätzlich oder fahrlässig dieser Pflicht nicht nach, so handeln sie ordnungswidrig im Sinne des § 7 Abs. 1 Binnenschiffahrtsaufgabengesetz (BinSchAufgG) - Art. 8 Nr. 1 c und Nr. 2b RheinSchUEV. Demnach liegt auf Seiten des Betroffenen, der am 21.3, 10. und 16. 4. 1992 als Schiffsführer den deutschen Niederrhein mit dem ihm gehörenden TMS „R" befahren hat, ohne ein Rheinschifferpatent zu besitzen, ein ordnungswidriges Verhalten vor, das nach § 7 Abs. 4 BinSchAufgG, Art. 32 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte mit einer Geldbuße geahndet werden kann, deren Höchstbetrag dem Wert von 2500 Sonderziehungsrechten des Internationalen Währungsfonds entspricht, die in die Landeswährung desjenigen Vertragsstaats umgerechnet werden, dessen Verwaltung die Buße verhängt oder dessen Gericht angerufen wird.

3. War der Betroffene aber nicht berechtigt, als Schiffsführer den Rhein zu befahren, so hätte er am 10. und 16. 4.1992 die ihm gemäß RheinSchPV von der Wasserschutzpolizei erteilte Anweisung befolgen müssen, das Fahrzeug stillzulegen und die Fahrt erst fortzusetzen, wenn sich ein zweiter Schiffsfiihrer mit Rheinschifferpatent an Bord des TMS „R" befindet. In dem Nichtbefolgen dieser Anweisungen ist ebenfalls ein schuldhaft ordnungswidriges Verhalten zu sehen (Art. 5 Abs. 2 Nr. 3 Rhein- SchEPV); auch hier gilt für die Höhe des verhängbaren Bußgelds § 7 Abs. 4 Bin- SchAufgG, Art. 32 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte.

4. Das Rheinschiffahrtsgericht hat in dem von der Wasserschutzpolizei am 21.3., 10. und 16. 4. 1992 beanstandeten Verhalten im Fortsetzungszusammenhang stehende Einzelakte gesehen, welche außerdem eine natürliche Handlungseinheit gebildet haben. Es hat deshalb gemäß § 19 Abs. 1 des deutschen Ordnungswidrigkeitengesetzes nur eine einzige Geldbuße gegen den Betroffenen festgesetzt. Die Berufungs- kammer schließt sich dieser Ansicht, weil tatsächlich und rechtlich zutreffend, an. Sie ist ferner mit dem Rheinschiffahrtsgericht der Auffassung, daß die Höhe der von diesem angesetzten Geldbuße im Hinblick auf die nicht wenigen Einzelakte des Betroffenen und eine dadurch zu Tage getretene gewisse Uneinsichtigkeit schuldangemessen ist …"

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1994- Nr.1/2 (Sammlung Seite 1455 f.); ZfB 1994, 1455 f.