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262 Z - 11/92 - Berufungskammer der Zentralkommission (Rheinschiffahrtsgericht)
Datum uitspraak: 02.09.1992
Kenmerk: 262 Z - 11/92
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Rechtbank: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Afdeling: Rheinschiffahrtsgericht

Leitsatz:

Ein Staat unterwirft sich der Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte und der Berufungskammer der Zentralkommisslon für die Rheinschiffahrt auch, wenn er nach Ausübung hoheitlicher Tätigkeit auf dem Rhein als Beklagter zur Sacheverhandelt und Einwendungen erhebt, die nur ein Eingehen auf die Sache selbst enthalten.

Für Anker-Döpper nach § 3.42 RheinSchPVO sind bestimmte Abmessungen nicht vorgeschrieben.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 2. September 1992

262 Z - 11/92

(Rheinschiffahrtsgericht Mannheim)

Zum Tatbestand:

 

Der Kläger ist Eigentümer des MS „Koos", das am 19. 12. 1989 bei klarem und sonnigem Wetter auf dem Oberrhein zu Berg fuhr. Am Steuer stand der 2. Schiffsführer K. Etwa um 10.20 Uhr umfuhr er den (rechtsrheinischen) Speyerer Grund. Dort lag zwischen den Kribben bei Rhein-km 402,63 das MS „Walter Türk" der Beklagten zu 1, um Messungen der Wasserfließgeschwindigkeit durchzuführen. Dessen Führer war der Beklagte zu 2. Das Schiff zeigte nach rechtsrheinisch eine rote und nach linksrheinisch eine rot-weiße Tafel. Es hatte bei Rhein-km 402,3 im Bereich der roten Tonnenstreichlinie einen Vorausanker aus- gebracht. Zur Kennzeichnung war an dem Anker eine Boje mit Radarreflektor befestigt und an dieser eine zweite, etwa 5 m unterhalb liegende Boje, festgemacht. Beide Bojen wurden von MS „Koos" überfahren. Das Schiff erlitt hierdurch einen Schraubenschaden. Die Bojen selbst rissen ab und gingen verloren.

Der Kläger verlangt von den Beklagten seinen Unfallschaden ersetzt. Er behauptet, daß die Bojen für die Führung des MS „Koos" nicht erkennbar gewesen seien. Die obere Boje habe nicht den von § 3.04 Nr. 3 c RheinSchPV vorgeschriebenen Mindestabstand von 60 cm gehabt; dieser habe nur 50 cm betragen. Außerdem habe der unteren Boje der Radarreflektor gefehlt. Weiter hat er zur mangelnden Erkennbarkeit der Bojen vorgetragen, diese beruhe auch darauf, daß die Bojen „unter Wasser gezogen waren, horizontal im Wasser lagen, verblaßt und/oder verschmutzt waren", daß die „Ankerkette zu kurz nicht entsprechend dem Wasserstand ausgebracht war" und „die Döpper nicht in der vorgeschriebenen gelben Farbe angestrichen waren".

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Sie stellen ein Verschulden des Beklagten zu 2 an der Havarie in Abrede. Der Vorausanker des MS „Walter Türk" sei ordnungsgemäß durch gelbe Döpper im Sinne von § 3.42 RheinSchPV bezeichnet gewesen. Die „erste Boje" ohne Radarreflektor habe einen Durchmesser von 60 cm gehabt. Die „zweite Boje" (etwa 5 m oberhalb) sei eine Radarboje mit einem Durchmesser von 50 cm und einer Höhe von 90 cm gewesen; dieser Durchmesser sei nicht ordnungswidrig gewesen. Die Kennzeichnung mit zwei Bojen werde routinemäßig immer ausgeführt, und zwar unabhängig von der Stromgeschwindigkeit. Beide Bojen seien während der Meßdauer überwacht worden und stets gut sichtbar gewesen. — Vorsorglich hat die Beklagte zu 1 gegen den Klageanspruch mit einer Forderung aus dem Verlust der beiden Bojen aufgerechnet.

Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:


„1. Im Streitfall ist die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte gegeben, wenn auch das Meßschiff "Walter Türk" der Beklagten zu 1 im Zeitpunkt der Havarie offenbar im Rahmen der dieser als Hoheitsaufgabe obliegenden Unterhaltung des Rheins (vgl. § 7 Abs. 1 BundeswasserstraßenG) tätig gewesen ist. Allerdings ist ein Staat nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, jedenfalls soweit es um die Ausübung hoheitlicher Tätigkeit geht, von der Jurisdiktion anderer Staaten oder internationaler Gerichte, wie der entscheidenden Berufungskammer, befreit. Jedoch kann er sich dieser, wie die Kammer in dem Urteil vom 24. 3. 1982 — 142 Z — 1/82 (ZfB 1982, 360) ausgeführt hat, freiwillig unterwerfen (die Entscheidung betrifft eine Begegnungskollision auf dem Rhein zwischen einem Landungsboot der Bundesmarine und einem Gütermotorschiff). Die Unterwerfung, bei der es um die Zuständigkeit örtlicher Gerichte geht, kann ausdrücklich — durch einen völker- und privatrechtlichen Vertrag oder durch eine entsprechende Erklärung vor Gericht — erfolgen, aber auch mittelbar durch schlüssiges Verhalten, das nach Treu und Glauben vom Standpunkt einer vernünftigen Beurteilung aus als Unterwerfung unter die fremde Hoheitsgewalt ausgelegt werden muß (vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht 2. Aufl. S. 469 m.w.N.). Ein solches Verhalten ist regelmäßig anzunehmen, wenn ein Staat, der sich in der Stellung eines Beklagten befindet, zur Sache verhandelt und Einwendungen erhebt, die nur ein Eingehen auf die Sache selbst enthalten (vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum a.a.O. S. 470 unter Hinweis auf Art. 3 der Europäischen Konvention über Staatenimmunität).

So liegt es hier. Die Beklagten, die vom Kläger wegen nicht ausreichender Kennzeichnung des von dem Beklagten zu 2 als Schiffer des Meßschiffes „Walter Türk" ausgebrachten Vorausankers auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, haben in keinem ihrer Schriftsätze die Zuständigkeit des vom Kläger angerufenen Rheinschifffahrtsgerichts bezweifelt, sondern stets nur Einwendungen sachlicher Art erhoben. Das trifft insbesondere auf ihre schriftliche Berufungserwiderung vom 11. 9. 1991, also für einen Zeitpunkt zu, in dem schon seit längerer Zeit der Rechtsstreit bei der entscheidenden Berufungskammer anhängig war. Aufgrund dieser Gegebenheiten ist die Kammer der Ansicht, daß sich die Beklagten der Verhandlung und Entscheidung der Streitsache durch die Berufungskammer unterworfen haben.

Offen bleiben kann danach, ob eine Unterwerfung der Beklagten zu 1 unter die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte sich in Fällen der vorliegenden Art auch unmittelbar aus der Revidierten Rheinschifffahrtsakte selbst entnehmen läßt (so jedenfalls das Rheinschiffahrtsobergericht Köln in dem Urteil vom 2. 5. 1957 — 3 U 1/57 —, abgedruckt in HANSA 1958, 1280 und im VersR 1957, 717; das Urteil betrifft die Schadensersatzklage eines Schiffseigners gegen die Bundesrepublik Deutschland, dessen Fahrzeug durch fehlerhafte Manöver von Schnellbooten der britischen Stationierungsstreitkräfte auf dem Rhein beschädigt worden war; darin wird die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte bejaht, weil „Schiffer i.S.d. Art. 3411 c der Revidierten Rheinschiffahrtsakte nicht nur der private Schiffsführer, sondern auch derjenige ist, der ein Schiff im öffentlichen Dienst führt").

2. Nach § 3.42 RheinSchPV müssen Fahrzeuge, deren Anker so ausgeworfen sind, daß sie die Schiffahrt gefährden können, bei Tag jeden dieser Anker durch einen gelben Döpper mit Radarreflektor bezeichnen. Die Vorschrift bezweckt, jede Gefährdung der Schiffahrt durch ausgelegte Anker zu unterbinden. Indessen hat sich hier eine solche Gefahr nicht verwirklicht. Der Schaden an der Schraube des MS „Koos" ist nicht durch den Vorausanker des MS „Walter Türk" verursacht worden, sondern durch ein Überfahren der Ankerbojen. Ausschlaggebend für den Schadensersatzanspruch des Klägers ist daher nicht die Beurteilung der Frage, ob der Beklagte zu 2 den Anker des MS „Walter Türk" nicht, wie der Kläger behauptet, gemäß § 3.42 RheinSchPV bezeichnet und dadurch diese Bestimmung verletzt hat, sondern ob die ausgelegten Bojen von den Führern der durchgehenden Schiffahrt nicht oder nicht rechtzeitig bemerkt werden konnten. Auf die Ausführungen des Klägers zu einem Verstoß des Beklagten zu 2 gegen § 3.42 RheinSchPV braucht daher nicht eingegangen zu werden.

3. Es liegt auf der Hand, daß die Erkennbarkeit der Ankerbojen des MS „Walter Türk" ganz wesentlich von deren Beschaffenheit abhing. Insoweit hat der Kläger vor allem beanstandet, daß auf einem der Döpper der Radarreflektor gefehlt hat und daß der Durchmesser des anderen Döppers nicht den von § 3.04 Nr. 3 c RheinSchPV vorgeschriebenen Mindestdurchmesser von 60 cm aufgewiesen habe. Dem ist entgegenzuhalten:

a) Es mag sein, daß die Döpper besser zu sehen gewesen wären, wenn beide einen Radarreflektor gehabt hätten, der übrigens erst mit der im Jahre 1983 beschlossenen Fassung der RheinSchPV vorgeschrieben worden ist. Daraus folgt aber noch nicht, daß die Bojen so, wie sie beschaffen waren, von einem Schiffsführer, der das Revier mit der gebotenen Sorgfalt beobachtete, nicht oder nicht rechtzeitig zu bemerken waren.

b) § 3.04 Nr. 3 c RheinSchPV bestimmt die Mindestabmessungen „der in dieser Verordnung vorgeschriebenen Zylinder, Bälle und Kegel" (vgl. auch Anlage 3 der Verordnung, worin diese Zeichen abgebildet sind und worauf § 3.01 Nr. 3 RheinSchPV ausdrücklich hinweist). Hingegen befaßt sich die Vorschrift nicht mit Döppern, die übrigens nach Bild 70 der genannten Anlage die Form einer Spitztonne haben (vgl. insoweit auch § 3.28 RheinSchPV mit den Bildern 43 und 45 der Anlage 3, ferner § 3.40 RheinSchPV mit Bild 63 dieser Anlage). Auch § 3.42 RheinSchPV selbst nennt keinerlei Abmessungen für Döpper. Infolgedessen trifft es nicht zu, daß die Radarboje mit einem Durchmesser von 50 cm nicht den Bestimmungen der RheinSchPV entsprochen habe.

4. Richtig ist, daß Ankerdöpper gelb sein müssen (vgl. § 3.42 RheinSchPV sowie deren Anlage 3 Bild 70) und ihre Farbe weder verblaßt noch verschmutzt sein darf, was sich jedenfalls aus § 1.04 i.V.m. § 3.04 Nr. 2 RheinSchPV ergibt. Jedoch lassen sich hinsichtlich der beiden Bojen derartige Mängel nicht feststellen. Zwar hat der Kläger solche „höchst vorsorglich" behauptet. Dieses Vorbringen steht aber in einem unlösbaren Widerspruch zu dem Vortrag des Klägers, er wisse bis heute nicht und werde es voraussichtlich nie erfahren, warum die Bojen nicht erkennbar gewesen seien. Also kann er auch, abgesehen von den vorstehend unter 2. erörterten und auf ein Vorbringen der Beklagten zurückgehenden Punkten, keine substantiellen Angaben zu der Beschaffenheit der Bojen machen. Das trifft auch für die weiteren vom Kläger „höchst vorsorglich" behaupteten Ursachen für eine Nichterkennbarkeit der Döpper zu, daß sie nämlich „unter Wasser gezogen waren", „horizontal im Wasser lagen" und daß die „Ankerkette zu kurz nicht entsprechend dem Wasserstand ausgebracht war". Im übrigen spricht gegen eine Lage der Döpper unter oder horizontal im Wasser, daß die Strömungsgeschwindigkeit des Rheins zur Unfallzeit im Unfallbereich nicht mehr als knapp 5 km/h betragen hat, also keinesfalls besonders groß gewesen ist.

5. Schließlich hat sich der Kläger für die Nichterkennbarkeit der Döpper des MS „Walter Türk" auf das Zeugnis der Schiffsführer K. (MS „Koos"), W. (MS „Andy") und v.H. (MS „So long") berufen. Von ihnen haben K. und W. , wie übrigens auch der Kläger, vor der Wasserschutzpolizei ausgesagt, einen Döpper des MS „Walter Türk" nicht gesehen zu haben. Hingegen ist v.H. von der Wasserschutzpolizei nicht vernommen, seine ladungsfähige Anschrift in dem vorstehenden Verfahren aber auch nicht angegeben worden. Für ihn mag aber unterstellt werden, daß er bekundet hätte, einen Döpper des MS „Walter Türk" ebenfalls nicht gesehen zu haben. Indessen genügt das alles nicht, um die Nichterkennbarkeit der Döpper zu beweisen. Von ihnen hatte nach den Angaben der Beklagten die Radarboje die Form eines Doppelkegels von ca. 90 cm mit einem Durchmesser von 50 cm, während die zweite Boje kugelförmig war und einen Durchmesser von 60 cm hatte. Diese Angaben hat der Kläger allerdings teilweise „mit Nichtwissen" bestritten. Die Berufungskammer hat jedoch keinen Anlaß, an der Richtigkeit der Angaben der Beklagten zu zweifeln, die diese im Rahmen ihrer prozessualen Aufklärungspflicht gemacht haben. Insoweit hat auch der Kläger keine Zweifel aufzeigen können. Döpper mit den angegebenen Größen sind aber grundsätzlich erkennbar. Werden sie, wie hier, nicht gesehen, so läßt sich das vernünftigerweise nur damit erklären, daß es die Zeugen an der gebotenen Aufmerksamkeit haben fehlen lassen oder ihre Sicht, wie dem Bericht der Wasserschutzpolizei vom 11. Januar 1990 in den Bußgeldakten zu entnehmen ist, durch einen tiefen Stand der Sonne zum Unfallzeitpunkt beeinträchtigt gewesen sein kann. Dafür könnte insbesondere sprechen, daß die niedrig stehende Sonne, wie ein Blick auf die Rheinkarte zeigt, für die Bergfahrt schräg von vorne schien."


Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1993- Nr.4 (Sammlung Seite 1409 ff.); ZfB 1993, 1409 ff.