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U 1/96 BSch - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Date du jugement: 21.08.1996
Numéro de référence: U 1/96 BSch
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Oberlandesgericht Karlsruhe
Section: Schiffahrtsobergericht

Urteil des Oberlandesgerichts – Schiffahrtsobergericht Karlsruhe

vom 21. August 1996

U 1/96 BSch

Tatbestand:

Die Klägerin macht übergegangene Schadensersatzansprüche aus einem Schiffsunfall geltend, der sich am 13.02.1994 auf dem Main bei Main-km zugetragen hat.

Die Klägerin ist Kaskoversicherer des MS „A" (95 m lang, 9,50 m breit, 1582 to groß, Maschinenleistung 900 PS + Bugstrahlruder von 180 PS), dessen Schiffseigner W , G , ist. Das Schiff war von dem Schiffsführer B am 12.02.1994 bei Main-km auf der geographisch linken Mainseite vor dem Gelände der Firma O mit Bug zu Berg an einer Spundwand festgemacht worden. Das Schiff war mit insgesamt sechs Drähten befestigt, jeweils vorne und hinten mit Laufdraht, Vorausdraht und Beidraht.

Der Beklagte Ziffer 2 führte am 13.02.1994 den Schubverband (SV), bestehend aus dem Schubboot (SB) „B" sowie den beiden Schubleichtern (SL) "C" und "D", den Main zu Berg. Gegen 17.20 Uhr rissen die Koppeldrähte auf der Backbordseite, der vordere Schubleichter „C" scherte aus, stellte sich quer und geriet gegen die Backbordseite des Vorschiffes des stilliegenden MS "A", das durch diese Anfahrung im Bereich des Bugruderraumes backbord schwer und steuerbord leicht beschädigt wurde. Die Ersatzpflicht hinsichtlich der hierbei entstandenen Schäden ist Gegenstand der Klage.

Die Beklagte Ziffer 1 ist Ausrüsterin des SB „B", die Streitverkündete Ziffer 1 (Firma R ), die dem Rechtsstreit nicht beigetreten ist, hatte den Schubleichter zu Frachtzwecken von der Streitverkündeten Ziffer 2 / Streithelferin der Klägerin als Eignerin der Schubleichter gemietet. Die Beklagte Ziffer 1 hatte die Beförderung der Schubleichter bei Frachtaufträgen übernommen.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug im wesentlichen vorgetragen:

Die Schiffsführung von SB „B" habe die Anfahrung schuldhaft verursacht. Der Beweis des ersten Anscheins spreche für ein nautisches Verschulden der Besatzung der fahrenden Einheit.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Kläger DM 138.142,80 nebst 7 % Zinsen hieraus seit 06.05.1994 zu zahlen, der Beklagte Ziffer 1 dinglich mit einem Schiffsgläubigerrecht an SB „B", entstanden am 13.02.1994 im Rahmen des § 102 Ziffer 5 BinSchG sowie persönlich im Rahmen des § 114 BinSchG haftend, der Beklagte Ziffer 2 unbeschränkt persönlich haftend.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, einschließlich der Kosten des Verklarungsverfahrens auf Antrag des Schiffsführers B vor dem Schiffahrtsgericht Mainz (34 II 14/94 BSch).

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben im, ersten Rechtszug im wesentlichen vorgetragen:

Der gegen den Beklagten Ziffer 2 als Führer des Schubverbandes sprechende Beweis des ersten Anscheins für ein nautisches Verschulden sei entkräftet. Der. Beklagte Ziffer 2 habe erst nach dem Unfall festgestellt, daß die Koppeldrähte, mit denen SL "C" und SL "D" untereinander verbunden gewesen und die nicht von den Beklagten, sondern von dem Ausrüster der beiden Leichter gestellt und eingesetzt worden seien, innerlich verrostet gewesen seien. Dies habe vorher äußerlich nicht erkannt werden können. Sie haben sich zum Beweis hierfür auf das Zeugnis, des zweiten Schiffsführers von MS "A" K und des Matrosen V sowie auf die Vernehmung des Beklagten Ziffer 2 als Partei berufen und auf die Feststellungen der WSP-Station Wiesbaden in dem „Tatortbefundbericht" vom 14.02.1994 hingewiesen, wonach die Koppeldrähte sich in einem optisch nicht beanstandenswerten Zustand befunden hätten. Die Beklagten haben weiter Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Zustand der sichergestellten Drahtstücke angetreten.

Die Klägerin hat den Streitverkündeten Ziffer 1 und 2 den Streit verkündet. Die Beklagten haben ihrerseits diesen beiden Beteiligten den Streit verkündet. Die Streitverkündete Ziffer 2 ist dem Rechtsstreit auf seiten der Klägerin beigetreten und hat der Streitverkündeten Ziffer 1 ebenfalls den Streit verkündet. Die Streitverkündete Ziffer 1 hat sich am Rechtsstreit nicht beteiligt.

Die Beklagten haben mit Schriftsätzen ihres Prozeßbevollmächtigten vom 29.06.1995 (1, 68,70) und vom 08.11.1995 (1, 91) mitgeteilt, daß über das Vermögen der Beklagten Ziffer 1 in den Niederlanden das Konkursverfahren eröffnet wurde.

Das Schiffahrtsgericht Mainz hat die Verklarungsakten 34 ll 14/94 beweismäßig verwertet.

Mit am 10.11:-1995 verkündetem Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Schiffahrtsgericht der Klage in vollem Umfange stattgegeben.
Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Sie wiederholen und vertiefen im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und tragen ergänzend vor:

Das Schiffahrtsgericht habe nicht beachtet, daß infolge des Konkursverfahrens der Rechtsstreit unterbrochen sei.
Die Schiffsführung von SB „B" treffe weder ein nautisches noch ein sonst wie geartetes Verschulden daran, daß einer der vier Koppeldrähte riß, die die beiden in „Flash-Formation" gekoppelten SL "C" und „D" zusammenhielten. Es werde gerügt, daß das Schiffahrtsgericht die angetretenen Beweise zur Nichterkennbarkeit des inneren Zustandes der Koppeldrähte nicht erhoben habe. Die Beweisangebote werden wiederholt und ergänzt um die Vernehmung des Matrosen A von SB „B". Das Ergebnis des im Verklarungsverfahren (34 11 14/94 Bsch) durchgeführten Augenscheins spreche für die Nichterkennbarkeit einer Rißgefahr der Drähte. Auch dies habe das Schiffahrtsgericht bei dem Urteil nicht berücksichtigt. Schließlich sei auch das gegen den Beklagten Ziffer 2 geführte Ermittlungsverfahren eingestellt worden, da ihm ein Fehlverhalten nicht angelastet werde könne.

Die Klagforderung werde weiter der Höhe nach bestritten.

Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Schiffahrtsgerichts Mainz vom 10.11.1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Auch sie wiederholen und vertiefen im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen, machen sich die Gründe des angefochtenen Urteils des Schiffahrtsgerichts Mainz zu eigen und tragen ergänzend vor:

Es sei für den Beklagten Ziffer 2 auch äußerlich erkennbar gewesen, daß die Drähte rostig und in einem schlechten Zustand gewesen seien. Ihm sei es nicht gelungen, den gegen ihn sprechenden prima facie-Beweis zu entkräften. Entgegen der von der Streithelferin der Klägerin geäußerten Auffassung, wonach Drähte aus Umwelt- und Wasserverschmutzungsgefährdungsgesichtspunkten heute nicht mehr gefettet werden dürften, seien nach wie vor DIN-Vorschriften (DIN 3051 und DIN 1502) maßgeblich, wonach Drähte in gefettetem Zustand ausgeliefert und nachgefettet werden müßten. Wenn die Beklagten der Auffassung seien, daß die Drähte nicht zu fetten seien, so hätte ihnen eine erhöhte Überwachungs- und noch frühere Austauschpflicht oblegen.
Eine Unterbrechung des Verfahrens wegen des bestrittenen Auslandskonkursverfahrens über das Vermögen der Beklagten Ziffer 1 sei nicht eingetreten.
Wegen aller weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Senat lagen - zu Informationszwecken - außer den Verklarungsakten des Schiffahrtsgerichts Mainz (34 II 14/94 BSch) auch die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Mainz (303 Js 4997/94) vor.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Schiffahrtsgericht, das allerdings zu beachten hat, daß der Rechtsstreit, soweit die Klage sich gegen die Beklagte zu 1) richtet, unterbrochen ist.

1. a) Erläßt ein Gericht trotz der Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO ein Urteil, so kann der Gemeinschuldner hiergegen ein Rechtsmittel einlegen und die Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht erreichen (vgl. Zöller/Greger ZPO 19.Aufl. § 240 Rdnr 5; Baumbach/Lauterbach/Hartmann ZPO 54.Aufl. Rdnr 14; OLG Köln MDR 1988, 589 m.w.N.).

b) Nach der heute von den Instanzgerichten (OLG Karlsruhe (10.ZS) ZIP 1990, 665; OLG Karlsruhe (9.ZS) MDR 1992, 707; OLG Düsseldorf RReport 1994, 305; OLG München ZIP 1996, 385; LG Aachen MDR 1993, 1235; LG Düsseldorf ZIP 1994, 1616) und einem großen Teil des Schrifttums (Stein/Jonas/Roth ZPO 21.Aufl. § 240 Rdnr 14; Rosenberg/Schwab/Gottwald ZPO 15.Aufl., S.744; Zöller/Greger ZPO 19.Aufl. § 240 Rdnr l b; Habscheid KTS 90, 403; Ackermann/Wenner IPRax 1990, 209; Trunk ZIP 1989, 279; Koch NJW 1989, 3072; Lau BB 1986, 1450; Ebenroth/Wilken JZ 1991, 1061,1063; a.A.: Baumbach/Lauterbach/Hartmann a.a.O., Rdn 2; MüKo-Feiber ZPO § 240 Rdnr. 14; Thomas/Putzo ZPO 19.Aufl. § 240 Rdnr 3) im Gegensatz zu einer Entscheidung des (Zivilsenats des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 1988 (NJW 1988, 3096) ganz überwiegend vertretenen Auffassung unterbricht gemäß § 240 ZPO nicht nur ein inländisches, sondern auch ein ausländisches Konkursverfahren über das Vermögen einer Partei den inländischen Rechtsstreit. Der Senat teilt diese (beispielsweise von Zöller/Greger a.a.O. ausführlich und überzeugend begründete) Ansicht jedenfalls im vorliegenden Falle, in dem es um ein niederländisches Konkursverfahren über das Vermögen der Beklagten zu 1) geht (vgl. hierzu bereits RGZ 153, 200, 206 f; OLG Düsseldorf ZIP 1982, 1341; Kirchhof WM 1993, 1364, 1365, FN 13 m.w.N.), bei dem die Verfügungs- und Prozeßführungsbefugnis der Gemeinschuldnerin auf den Konkursverwalter übergangen ist. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in der in BGHZ 95, 256 veröffentlichten Entscheidung sich in Ab¬kehr von der früheren Rechtssprechung zum Prinzip der Universalität des Auslandskonkurses (im Gegensatz zum Territorialprinzip) bekannt. Danach erfaßt ein ausländisches Konkursverfahren auch das im Inland belegene Vermögen des ausländischen Gemeinschuldners, so daß der ausländische Konkursverwalter befugt ist, dieses Vermögen zur Konkursmasse zu ziehen. Angesichts derartiger Inlandswirkungen des Auslandskonkurses rechtfertigen allein Gründe der Rechtssicherheit es nicht, die Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO auf Inland kurse zu beschränken.

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin entfällt im vorliegenden Falle die Unterbrechungswirkung hinsichtlich der gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Klage auch nicht deshalb, weil sie dinglich mit einem an SB „B" entstandenen Schiffsgläubigerrecht im Rahmen des § 102 Nr. 5 BinSchG hafte, das nicht in die Konkursmasse falle. Die Beklagte zu 1) wird von der Klägerin nämlich auch als persönlich im Rahmen des § 114 BinSchG haftend in Anspruch genommen.

2. a) Auf den gegen den Beklagten zu 2) als einfachen Streitgenossen der Beklagten zu 1) geführten Rechtstreit hat die Unterbrechung des Verfahrens, soweit dieses die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage betrifft, keine Auswirkung (vgl. Zöller/Greger ZPO 19.Aufl. § 240 Rdnr. 2).

b) Auf die Berufung des Beklagten zu 2) war die Entscheidung des Schiffahrtsgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Schiffahrtsgericht gemäß § 539 ZPO zurückzuverweisen, weil dieses die angetreten Beweise zu streitentscheidendem Vorbringen des Beklagten hätte erheben müssen. Die Nichterhebung stellt einen erheblichen Verfahrensfehler dar.

Die Klage ist gemäß § 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1.04 BinSchSO nur dann begründet, wenn dem Beklagten zu 2) ein Verschulden an dem Unfall zur Last fällt, der zu den Schäden an MS "A" führte.
Auch wenn an die Sorgfaltspflichten von Schiffsführung und Besatzung hohe Anforderungen gestellt werden, so besteht doch keine gesetzliche Vermutung eines Verschuldens des Schiffseigners oder Schiffsführers. Dem Geschädigten kommen jedoch in einer Reihe von typischen Geschehensabläufen Anscheinsbeweise zugute (vgl. Wussow/Kürschner Unfallhaftpflichtrecht 14. Aufl. Tz 1205 m.w.N.). Wird ein an geeigneter Stelle stilliegendes Schiff, wie vorliegend MS "A", von einem zu Berg fahrenden Schubverband angefahren, so streitet der Beweis des ersten Anscheins für ein nautisches Verschulden der Schiffsführung des Schubverbandes (vgl. dazu BGH VersR 1982, 491; OLG - RSOG - Karlsruhe Urt. v. 22.10.1991 - U 10/90 RhSch -). Dieser prima-facie Beweis kann jedoch vom Schädiger erschüttert werden, indem er Tatsachen darlegt und erforderlichenfalls beweist, die die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes ergeben; der atypische Geschehensablauf selbst braucht nicht positiv nachgewiesen werden (OLG - RSOG - Karlsruhe ZfB 1994, 1500; OLG - SOG - Karlsruhe ZfB 1995, 1551).
Dem Beklagten zu 2) ist es bisher gelungen, hinsichtlich eines Teiles den gegen ihn streitenden Anscheinsbeweis zu entkräften: Die zunächst theoretisch in Betracht zu ziehende Möglichkeit eines Fahrfehlers ist auszuschließen. Bei seiner Vernehmung im Verklarungsverfahren hat der Beklagte zu 2) - unwiderlegt - angegeben, vor dem Unfall sei er mit etwa 2/3 der Maschinenkraft des Schubbootes, d.h. mit einer Geschwindigkeit von ca. 11 - 12 km/h gefahren. Bei der Kurvenfahrt nach Backbord habe er die Drehzahl nicht erhöht, sondern sei gleichmäßig weitergefahren. Um die Kurve besser fahren zu können, sei er vorher ein wenig mehr zum rechtsmainischen Ufer hingefahren. Er sei von einer Maintiefe von 2,80 m ausgegangen. Er sei nicht auf Grund gekommen. Die Ursache dafür, daß der vordere Schubleichter plötzlich zur Steuerbordseite weglief und gegen das stilliegende MS "A" geriet, sei allein der Bruch zunächst eines, dann sämtlicher vier Koppeldrähte gewesen, mit denen die beiden Leichter untereinander verbunden gewesen seien.
Die Klägerin hat sich danach auch nur auf den Vorwurf konzentriert, der Beklagte , zu 2) habe erkennen können und müssen, daß die Koppeldrähte, die, die beiden SL miteinander verbanden, derart durchgerostet waren, daß sie rissen. Der Beklagte ist dem unter Beweisantritt entgegengetreten und hat ausgeführt, den Drähten sei äußerlich ihr Alter und ihr innerer Zustand nicht anzusehen gewesen und hat sich dabei insbesondere auch auf entsprechende Ausführungen im Tatortbefundbericht der WSP-Station Wiesbaden vom 14.02.1994 (beigezogene Akten 303 Js 4997/94 Staatsanwaltschaft Mainz, Seite 7) berufen, in dem es u.a. heißt: „Die Koppeldrähte (Bb.: 24 mm, Stb.: 26 mm Durchmesser) befanden sich optisch in einem nicht beanstandenswerten Zustand. Ebenfalls an Bord wurde der Vertreter des WSA, Abz. Ffm, Hr. F, angetroffen und zum Sachverhalt befragt. Auch Hr. F war der Ansicht, daß die Verbindung der beiden Schubleichter sach- und fachgerecht vorgenommen und nicht zu beanstanden ist."
Wenn das Schiffahrtsgericht, ohne den Beweisanträgen auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Zustand der sichergestellten Drahtstücke, dessen äußerer Erkennbarkeit, auf Vernehmung der Mannschaft des SV und des zweiten Schiffsführers über die Kontrolle der Drähte nachzugehen, der Klage bereits deshalb stattgab, weil der Beklagte es versäumt habe, sich vor Fahrtantritt persönlich vom Zustand der Koppeldrähte zu überzeugen und durch rechtzeitiges Austauschen der Drähte für eine sichere Verbindung zu sorgen, so unterstellt es eine Sorgfaltspflichtverletzung und deren Kausalität für das eingetretene Schadensereignis und versagt dem Beklagten verfahrensfehlerhaft die Gelegenheit, sich im Wege des Beweises zu entlasten. Dies würde tatsächlich im Ergebnis auf eine Art „Gefährdungshaftung" des Schiffsführers für den Zustand aller Teile eines Schubverbandes, einschließlich der von den Eignern bzw. Ausrüstern fremder Schubleichter gestellten Kopplungsdrähte, hinauslaufen, die es im Schiffahrtsrecht (von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen) nicht gibt. So vermochte auch in Fällen, in denen ein Schiffsunfall auf ein Ruderversagen zurückzuführen war, der Schädiger trotz des gegen ihn streitenden Anscheinsbeweises und trotz seiner ihm von der Rechtsprechung auferlegten erhöhten Darlegungslast (vgl. BK ZKR ZfB 1978, 475, 476) einen Sachverhalt nachzuweisen, bei dem ihm kein Schuldvorwurf hinsichtlich des unfallursächlichen Ausfalls bzw. der Untauglichkeit der Anlage gemacht werden konnte (vgl. BGH ZfB 1989, 1269, insbesondere zu § 1.08 BinSchStrO und OLG - RSOG - Karlsruhe, Urt. v. 22.10.1991 - U 10/90 - mit Nichtannnahmebeschl. des BGH vom 12.10.1992 - II ZR 273/91 -).
Bei seiner Vernehmung in Anwesenheit eines Dolmetschers hat der Beklagte im Verklarungsverfahren ausgesagt (beigezogene Akten des SchiffGer. Mainz 34 II 14/94 - Bsch -, Seite 28 ff), daß die Drähte regelmäßig überprüft und nachgeholt worden seien, das letzte Mal in S. Die freimütig geäußerte Auffassung des Beklagten zu 2), es sei normal, daß Drähte außen rostig seien und dies besage nichts über den Zustand der Drähte im Innern, belegt noch nicht, daß er nicht in ausreichendem Maße seiner Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Tauglichkeit der Drähte des Schubverbandes (§ 8.06 BinSchStrO) gerecht geworden ist. Wenn Drähte tatsächlich heute nicht mehr gefettet werden und wenn aufgrund ihrer rostigen Oberfläche von außen her nicht beurteilt werden kann, ob die Drähte auch innerlich verrostet und damit untauglich sind, so kann der verantwortliche Schiffsführer im Einzelfall zwar gehalten sein, sich zu erkundigen, ob der Eigner bzw. Ausrüster des Schubleichters für die notwendige Auswechslung der Drähte gesorgt hat. Diese Auswechslung hat nach dem unstreitigen Parteivortrag im Zeitraum von 16 bis maximal 24 Monaten zu erfolgen. Bei der Durchführung der Beweisaufnahme wird das Schiffahrtsgericht zu klären haben, ob für den Beklagten zu 2) ein konkreter Anlaß für eine derartige Nachforschung bestand und deren Unterlassung wegen eines höheren Alters der Drähte auch ursächlich geworden ist. Dazu bedarf es der Feststellungen eines Sachverständigen zum Alter und zum Zustand der Drähte und der Erkennbarkeit von außen.

3. Von der Möglichkeit, die Beweisaufnahme selbst durchzuführen und dann zu entscheiden (§ 540 ZPO), macht der Senat keinen Gebrauch, zumal das Verfahren, soweit die Klage gegen die Beklagte 1,) gerichtet ist, wegen und nach der Unterbrechung gemäß § 240 ZPO (vgl. oben Ziffer 1) im ersten Rechtszug weiterzuführen sein wird. Hinzu kommt, daß das Schiffahrtsgericht, sollte es nach Durchführung der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangen, daß die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt ist, noch Feststellungen zur Höhe zu treffen haben wird. Soweit Nutzungsverlust unter Bezugnahme auf die Schadenstaxe gefordert wird, ist, ein solcher lediglich für den Zeitraum von 10 Tagen (in Höhe von jeweils DM 1.550,00 =) 15.500,00 DM schlüssig dargetan.
Soweit in der Klage darüber hinaus Nutzungsverlust für insgesamt 17 Tage (ä DM 1.550,00 = DM 26.350,00) gefordert wird, ist dies nicht nachvollziehbar.

4. Bei der Kostenentscheidung, die dem Schiffahrtsgericht vorzubehalten war, weil sie vom endgültigen Prozeßergebnis abhängt, wird zu beachten sein, daß nach ständiger Rechtsprechung des Senats über die Kosten des Verklarungsverfahrens nicht im Rahmen der Kostenentscheidung in der Hauptsache, sondern im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens zu befinden ist (vgl.OLG - SOG - Karlsruhe, Beschlüsse vom 22.10.1991 - U 7/90 Bsch - und vom 08.05.1992 - W1192 Bsch - = ZfB 1993, 1404; Wussow/Kürschner a.a.O. Tz 2264). Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, da das Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.

Gemäß § 546 Abs. 2 ZPO war der Wert der Beschwer festzusetzen, wobei zu berücksichtigen war, daß im Falle der Aufhebung und Zurückversung für beide Parteien der volle Hauptsachewert zugrundezulegen ist (vgl. Zöller/Gummer a.a.O., § 546 ZPO Rdnr. 12b).

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1999 - Nr.7 (Sammlung Seite 1744 ff.); ZfB 1999, 1744 ff.