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II ZR 226/88 - Bundesgerichtshof (-)
Date du jugement: 29.05.1989
Numéro de référence: II ZR 226/88
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Section: -

Leitsätze:

1) Zur Tarifwidrigkeit von Mengen-, Treue- und Beschäftigungsgarantierabatt (Deutsche Binnentankschifffahrtstarif Teil 1 Abschnitt 12), wenn ein Mineralölunternehmen im eigenen Namen mit einer Reederei zwei Transportverträge mit garantierten Brutto-Jahresfrachten schließt, wobei unter dem einen Vertrag nur Güter für das vertragsschließende Unternehmen und unter dem anderen Vertrag nur Güter für ein zweites Mineralölunternehmen für dessen Rechnung befördert werden und die Höhe des Rabatts nach der Gesamtsumme der Frachten beider Verträge berechnet wird.
2) Zur Höhe des Anspruchs der Bundesrepublik Deutschland aus § 31 Abs. 3, § 42 a BinSchVG wegen der an das zweite Mineralölunternehmen gelangten Rabatte.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 29. Mai 1989 

II ZR 226/88

(Landgericht Frankfurt; Oberlandesgericht Frankfurt)


Zum Tatbestand:


Die B. AG und die Cev - letztere als Rechtsvorgängerin der Beklagten - ließen von der Hamburger Reederei HL Mineralölprodukte im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Binnenschiffsverkehr durchführen. Ab 1.5.1975 überließ die Cev die Abwicklung der Transporte allein der B. AG, die darauf einen 2. Transportvertrag mit der HL abschloss, in welchem letzterer für 5 Jahre ein bestimmtes Bruttofrachtvolumen garantiert wurde. Die Frachtrechnungen sandte Fa. HL jeweils an B. AG, außerdem eine Kopie an Fa. Cev, für die allein nur noch Transporte nach Abschluss des HL-2-Vertrages befördert wurden. Cev zahlte die Fracht über die B. AG an HL. Diese gewährte ihrerseits den zugesagten Mengen-, Treue- und Beschäftigungsgarantierabatt der B. AG, die ihn der Cev als Sonderrabatt auf die tariffreien Frachten im grenzüberschreitenden Verkehr Gut brachte. Ab 1.5.31977 haben B. AG und Cev in ihre Beziehungen eine niederländische „Enkel"-Gesellschaft (TLN) zwischengeschaltet, welcher die Cev sodann die Abwicklung aller innderdeutschen und grenzüberschreitenden Transporte übertrug. Frachtzahlungen liefen nunmehr von Cev übr TLN und B. AG an HL, Rabatte von HL über B. AG und TLN an Cev. Mit der Zusammenlegung der Beförderungsmengen von B. AG und Cev war seit 1. 5.1975 die Erreichung höherer Tarifrabatte im innerdeutschen Verkehr beabsichtigt.


Die Klägerin sah einen Tarifverstoß darin, dass B. AG Mengen-, Treue- oder Beschäftigungsgarantierabatte nicht hätte erhalten dürfen, da die Beförderungen für, Rechnung von Cev erfolgt seien. Im Klagewege gegen B. AG hat sie von den zu Unrecht gewährten Rabatten von ca. 2,8 Mio DM zunächst 20 %, rd. 560000,- DM, geltend gemacht. Das OLG Hamburg hat die Klage abgewiesen, weil die B. AG zwar mangels Handelns auf eigene Rechnung zu Unrecht die Rabatte erhalten habe, aber wegen der Weiterleitung der Rabatte an Cev selbst keinen Vorteil aus dem Tarifverstoß erlangt habe.
In dem jetzigen Prozess gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin von Cev auf Zahlung von über 2,8 Mio. DM macht die Klägerin geltend, dass sie der Cev in dem Vorprozess den Streit verkündet habe.

Infolgedessen seien die Feststellungen im Vorprozess zu dem Tarifverstoß und zum Zusammenwirken von HL, B. AG, TLN und Cev zur Erlangung höherer Rabatte durch Zusammenlegung der Beförderungsmengen der B. AG und Cev auch für die Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits bindend. Die Beklagte bestreitet eine Interventionswirkung hinsichtlich der Tarifwidrigkeit der Rabatte. Ein Tarifverstoß habe auch nicht vorgelegen, weil die B. AG gegenüber HL das Bruttofrachtvolumen auf eigene Rechnung in ausreichender Weise garantiert habe. Sie habe sich darauf verlassen dürfen, dass die von dem bedeutenden und tariflich erfahrenen Mineralölunternehmen B. AG vorgeschlagenen Vereinbarungen tarifgemäß gewesen seien. Durch die Poolung der Transportmengen sei auch nur ein Mehrrabatt von ,etwa 295000,-- DM zugeflossen. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Der Bundesgerichtshof hat die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.


Aus den Entscheidungsgründen:


1....


2. Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht der Klägerin der mit der Klage von der Beklagten verlangte Betrag von 2803127,57 DM gemäß § 31 Abs. 1, § 42 a BinSchVG zu: Dass die in dem HL-2-Vertrag abgesprochenen Rabatte im Wege der Tarifunterschreitung vereinbart und gewährt worden seien, stehe aufgrund der Interventionswirkung des Urteils des Oberlandesgerichts Hamburg in dem Vorprozess (Bundesrepublik Deutschland gegen B. AG mit Streitverkündung der Klägerin gegenüber Cev) gegenüber der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der Cev fest. Außerdem sei nach dem Beweisergebnis des vorliegenden Rechtsstreits zu Lasten der Beklagten anzunehmen, dass ihre Rechtsvorgängerin sich in Kenntnis der tariflich festgesetzten Entgelte an einer Vertragsgestaltung beteiligt habe, welche die Erlangung tarifwidriger Rabatte auf innerdeutsche Frachten und deren verdeckte Weitergabe als Sonderrabatte auf grenzüberschreitende Frachten zum Gegenstand gehabt und in ihrem Zusammenspiel der Tarifumgehung gedient habe. Ferner könne sich die Beklagte gegenüber dem Zahlungsanspruch nicht darauf berufen, dass ihr nur ein gegenüber dessen Höhe weitaus geringerer geldwerter Vorteil entstanden sei, da sie ihrerseits durch entsprechende Garantien rechtmäßige Rabatte hätte vereinbaren können. Eine solche Berücksichtigung rechtmäßigen Alternativverhaltens könne dem aus § 31 Abs. 3, § 42 a BinSchVG begründeten Anspruch nicht entgegengehalten werden. Die Angriffe der Revision gegen diese Ausführungen haben im letzten Punkte Erfolg.

a) Zur Interventionswirkung des Urteils des Oberlandesgerichts Hamburg ist folgendes auszuführen: Aufgrund der Streitverkündung der Klägerin im Vorprozess gegenüber Cev kann die Beklagte als deren Rechtsnachfolgerin in dem vorliegenden Verfahren nicht einwenden, der Vorprozess sei unrichtig entschieden (§ 74 Abs. 3, § 68 Halbs. 1 ZPO). Dabei bezieht sich das Abschneiden dieses Einwands nicht nur auf den Inhalt der Entscheidung, also das festgestellte Rechtsverhältnis oder die ausgesprochene Rechtsfolge, sondern zusätzlich auf alle tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Entscheidung (sog. Urteilselemente), insbesondere die sie tragenden Feststellungen (BGHZ 85, 252, 255; BGH, Urt. v. 15. November 1984 - III ZR 97/83, VersR 1985, 568, 569). Deshalb muss die Beklagte die Feststellung des Oberlandesgerichts Hamburg hinnehmen, dass HL der B. AG aufgrund des HL-2-Vertrages tarifwidrige Rabatte gewährt hat und die B. AG an sich nach § 31 Abs. 3 Bin SchVG verpflichtet gewesen wäre, die unzulässigen Rabatte an die Klägerin zu entrichten, weil die Vertrags-parteien den Tarifverstoß vorsätzlich begangen haben. Richtig ist, dass das Oberlandesgericht Hamburg trotzdem die Klage abgewiesen hat, weil die B. AG den Vorteil aus dem tarifwidrigen Verhalten an Cev weitergegeben hat. Das nimmt aber den Feststellungen des Oberlandesgerichts Hamburg zur Verwirklichung des Tatbestands des § 31 BinSchVG nicht die Interventionswirkung. Dieses hat sich sinnvollerweise mit der Frage, ob die B. AG einen Vorteil erlangt hat, erst auseinandergesetzt, nachdem es einen Tarifverstoß bejaht hatte. Nach dem gesamten Zusammenhang der Überlegungen des Berufungsgerichts gehört die Annahme eines Tarifverstoßes zu den Grundlagen seiner Entscheidung. Das wird dadurch bestätigt, dass das Oberlandesgericht Hamburg der (obsiegenden) B. AG die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt hat, weil diese das Weiterleiten der unzulässigen Rabatte an Cev im ersten Rechtszug grob schuldhaft nicht geltend gemacht hatte. Eine solche Entscheidung konnte das Oberlandesgericht Hamburg aber nur treffen, .weil ohne den verspätet vorgebrachten Einwand die Klage aufgrund der Feststellungen des Oberlandesgerichts zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 31 BinSchVG begründet gewesen wäre. Damit gehören die Feststellungen zu den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Entscheidung im ersten Prozess.


b) Im übrigen könnte auch ohne eine Interventionswirkung des Urteils im Vorprozess kein Zweifel an dem grob schuldhaften tarifwidrigen Verhalten der Parteien des HL-2-Vertrages bestehen. Unstreitig erfolgte die Beförderung von Mineralölprodukten unter dem HL-2-Vertrag nicht für Rechnung der B. AG, sondern der Cev. Das Gegenteil wäre aber für eine Rabattgewährung an die B. AG erforderlich gewesen.


c) Cev ist nicht Partei des HL-2-Vertrages gewesen. Infolgedessen kann die Klägerin keinen
unmittelbaren Anspruch aus § 31 Bs. 3 Bin SchVG gegen deren Rechtsnachfolgerin, die Beklagte, herleiten. Vielmehr kommt als Ausgangspunkt für ihren Zahlungsanspruch § 42 a BinSchVG in Betracht, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat. Diese Vorschrift will verhindern, dass durch rechtsgeschäftliche oder firmenrechtliche Gestaltungen oder Scheintatbestände die zwingenden Regelungen des Tarifrechts im innerdeutschen Binnenschiffsverkehr umgangen werden.
Einen Umgehungsfall hat das Berufungsgericht zu Recht in den Vertragsgestaltungen zwischen HL, der B. AG, TLN und Cev gesehen. Auch ist es aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme rechtsfehlerfrei zu der Feststellung gelangt, dass die genannten Beteiligten gewusst haben, dass „die ausgehandelten Bedingungen auf Tarifverstößen aufbauten, die durch die gewählte Regelung nicht mehr offenbar waren".


§ 42 a BinSchVG sieht nicht wie § 31 Abs. 3 BinSchVG vor, dass der durch einen Tarifverstoß Begünstigte den Unterschiedsbetrag zwischen dem tariflichen Entgelt und dem hiervon abweichenden tatsächlichen Entgelt (bei grobem Verschulden der Vertragsparteien) an die Bundesrepublik Deutschland zu entrichten hat. § 42 a BinSchVG bestimmt lediglich, dass die Verpflichtungen, die den Beteiligten an dem Zustandekommen und an der Durchführung eines Vertrages über Verkehrsleistungen im Sinne des § 21 Abs. 1 BinSchVG nach diesem Gesetz oder danach erlassenen Rechtsverordnungen obliegen, durch rechtsgeschäftliche oder firmenrechtliche Gestaltungen oder Scheintatbestände, die zur Umgehung des Gesetzes oder der Rechtsverordnungen geeignet sind, nicht berührt werden. Derartige Gestaltungen und Scheintatbestände haben danach unbeachtet zu bleiben. Hingegen bestimmen sich die Rechtsfolgen des Verhaltens der Beteiligten nach der dem wirtchaftlichen Ziel angemessenen Gestaltung (Senatsurt. v. 16. Dezember 1985 -  II  ZR 135/85 ), LM BinnSchVerkG Nr.12 = VersR 1986, 436, 437; ebenso zu § 5 GüKG der 1. Zivilsenat des BGH, Urt. v. 20. Oktober 1982 - 1 ZR 153/80 ), LM GüKG Nr. 68). Das hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, soweit es meint, die Beklagte müsse ohne weitere Prüfung die ihr zugeflossenen Rabatte in voller Höhe an die Klägerin zahlen. Überdies hat es verkannt, dass § 42 a BinSchVG - wie § 31 Abs. 3 BinSchVG (vgl. BGHZ 64, 159, 163) - keinen Strafcharakter hat. Ziel und Zweck der Vorschrift ist es, bei dem Begünstigten den Tarifvorteil abzuschöpfen, den er infolge nicht tarifgemäßer Gestaltung des Entgelts für Verkehrsleistungen aufgrund eines Umgehungstatbestandes erlangt hat. Das Berufungsgericht hätte deshalb erörtern müssen, welche dem wirtschaftlichen Ziel angemessene Gestaltung anstelle des HL-2-Vertrages in Betracht gekommen wäre. Diese könnte, wofür vor allem der Abschluss getrennter Transportverträge seitens der B. AG und Cev mit HL vor dem 1. Mai 1975 spricht, so ausgesehen haben, dass Cev die „Abwicklung" der eigenen Transporte weiterhin besorgt und einen eigenen Beförderungsvertrag unter Absprache bestimmter Rabatte mit HL geschlossen hätte. In einem solchen Falle hätte sie an die Klägerin nur den - von ihr auf 294670,01 DM, von der Klägerin auf 1.713797,13 DM bezifferten - Unterschiedsbetrag zwischen den ihr tatsächlich aus dem HL-2-Vertrag zugeflossenen und den Rabatten zu entrichten, die ihr HL im Falle eines eigenen Transportvertrages (also unter Nichtberücksichtigung der Ladungsmengen der B. AG)zu gewähren gehabt hätte."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1989 - Nr.5 (Sammlung Seite 1263 f.); ZfB 1989, 1263 f.