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II ZR 210/87 - Bundesgerichtshof (-)
Date du jugement: 08.02.1988
Numéro de référence: II ZR 210/87
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Section: -

Leitsatz:

Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Neuwertversicherung für Yachten.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 8. Februar 1988

 II ZR 210/87

(LG Bremen; OLG Bremen)

Zum Tatbestand:
Im Hafen von Sitges wurde am 15.6. 1984 die Motoryacht „Karoke" des Klägers gestohlen, der das Schiff 1978 zum Neupreis von 245000,— DM zuzüglich Einfuhr- Umsatzsteuer von etwa 29650,— DM gekauft und mit Zusatzausrüstungen von etwa 80000,— DM versehen hatte. Die Yacht war ausweislich der über einen Hamburger Versicherungsmakler abgeschlossenen Police vom 17.4. 1984 mit der Bremer Zweigniederlassung der englischen Beklagten von dieser kaskoversichert worden, und zwar einschließlich der Navigationsgeräte und Ausrüstung zu einer Versicherungssumme von 360000,— DM zuzüglich 2500,— DM für persönliche Effekten.
Der Kläger verlangt Zahlung von 362500,— DM nebst 7 % Zinsen mit der Behauptung, daß gemäß §5 der Yacht-Policen-Bedingungen (YPB), wie üblich, eine Neuwertversicherung bestanden habe.
Die Beklagte verlangt die Herabsetzung der angeblich wesentlich überhöhten Taxsumme auf den Zeitwert der Yacht bei Abschluß der Police, nämlich 140000,— DM. In Höhe dieses Betrages nebst 4 % Zinsen hat die Beklagte die Klageforderung anerkannt, worauf Teilanerkenntnisurteil ergangen ist. Im Schlußurteil wurde ein weiterer Betrag von 95000,— DM zuerkannt. Das Oberlandesgericht hat dem Kläger insgesamt 362500,— DM nebst 7 % Zinsen zugesprochen. Auf Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben, als unter Einbeziehung des Teilanerkenntnisurteils mehr als 235000,— DM zuerkannt worden sind, und die Sache zur anderweiten Entscheidung zurückverwiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:
„...
§ 5 YPB lautet:
'Versicherungswert:
Die Versicherungssumme gilt als feste Taxe, der Ersatz ist begrenzt mit dem Wiederbeschaffungswert für gleichartig neue Teile, eine Unterversicherung kann von den Versicherern nicht geltend gemacht werden.
Abzüge neu für alt werden nicht vorgenommen.'
...
Bei einer Neuwertversicherung ist der Versicherungswert gleich dem Wiederbeschaffungswert einer neuen Sache gleicher Art und Funktion ohne Abzug neu für alt (Prölss/Martin, VVG 24. Aufl. § 52 Anm. 4 A). Bestimmen daher die Versicherungsbedingungen die Höhe der Entschädigung für den Verlust oder die Beschädigung einer Sache nach dem Wiederbeschaffungswert einer neuen Sache ohne Abzug neu für alt, so liegt grundsätzlich eine Neuwertversicherung vor, auch wenn diese,-wie hier, in den Bedingungen nicht ausdrücklich als solche bezeichnet ist oder der Versicherungswert bereits auf einen festen Betrag (Taxe) festgelegt wird. Im Streitfall heißt es nun in § 5 Abs. 2 YPB aus drücklich 'Abzüge neu für alt werden nicht vorgenommen'. Das spricht für den Nehmer einer Yacht-Kaskoversicherung deutlich für eine Neuwertversicherung. Dagegen läßt sich nicht anführen, daß im mittleren Satzteil des §5 Abs. 1 YPB lediglich von dem 'Wiederbeschaffungswert für gleichartig neue Teile` die Rede ist. Insbesondere folgt daraus entgegen-der Ansicht der Revision nicht, daß eine Neuwertversicherung im Falle eines Totalverlustes nicht besteht. Vielmehr stellt dieser Satzteil klar, wovon in den Fällen einer Beschädigung der Yacht oder des Verlustes einzelner Ausrüstungsgegenstände bei der Berechnung der Entschädigung auszugehen ist.
...
Danach ist davon auszugehen, daß die Yacht 'Karoke` kraft Vereinbarung der Parteien für den vorliegenden Totalverlust mit dem Neuwert versichert und dieser Wert in Höhe der Versicherungssumme taxiert gewesen ist. Bei der Versicherung des Neuwerts kommt aber eine Herabsetzung der Taxe (vgl. § 793 Abs. 2 HGB bzw. §57 VVG) schon deshalb nicht in Betracht, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Taxe gegenüber dem Versicherungswert weder 'wesentlich übersetzt' ist noch diesen 'erheblich übersteigt'. Das brauchte das Berufungsgericht bei einem Anschaffungspreis der Yacht im Jahr 1978 von 274 651,63 DM • sowie einer Zusatzausrüstung von etwa 80 000 DM (also insgesamt 354 651,63 DM) und bei einem taxierten Neuwert im Zeitpunkt des Verlustes der Yacht von 360 000 DM nicht weiter zu begründen.
Den Einwand der Beklagten, die vorliegende Neuwertversicherung verstoße gegen das versicherungsrechtliche Bereicherungsverbot, hat das 'Berufungsgericht nicht für durchgreifend erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:
Neuwertversicherungen seien nach den vom Kläger vorgelegten allgemeinen Versicherungsbedingungen unterschiedlicher Anbieter im Yachtkaskogeschäft offenbar üblich. Sie verletzten das Bereicherungsverbot nicht, 'da sie zugleich eine Passivenversicherung gegen notwendige Aufwendungen sind'. Fraglich sei allerdings, inwieweit der Nachweis der Entstehung der Passiven durch Aufwendungen für Reparatur oder Wiederbeschaffung Wirksamkeitsvoraussetzung einer Neuwertversicherung sein solle. Jedoch seien auch solche Neuwertversicherungen rechtlich anzuerkennen, die die Auszahlung der Versicherungssumme nicht ausdrüchlich vom Nachweis der Wiederbeschaffung abhängig machten. Zum einen erlaube die Einordnung der Neuwertversicherung als (teilweise) Passivenversicherung den Versicherern ohnehin, den auf den erwarteten Aufwand entfallenden Teil der Versicherungsleistung zurückzuhalten oder zurückzufordern, wenn gewiß ist, daß der Aufwand nicht entsteht; zum anderen könne die Rechtsprechung bei Leistungsbeschreibungen in Versicherungsbedingungen das Vertragsverhältnis um solche Regelungen ergänzen, die den gewollten Versicherungsschutz im Rahmen des rechtlich Zulässigen erhalten (§ 157 BGB). Das könne hier mit der Einfügung einer §13 Abs. 10 AKB entsprechenden Regel in das Klauselwerk der abgeschlossenen Yacht-Kaskoversicherung geschehen.
...
Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Daß die Neuwertversicherung von Sachen trotz des versicherungsrechtlichen Bereicherungsverbots (vgl. § 55 VVG) gewohnheitsrechtlich zulässig und in einer größeren Zahl von allgemeinen Versicherungsbedingungen vorgesehen ist (vgl. Prölss/Martin a.a.O. §52 Anm. 4 A und §55 Anm. 1 B m.w.N.; vgl. auch Bruck/Möller/Sieg, VVG 8. Aufl. §52 Anm. 28 und 56; vgl. ferner Joost a.a.O. S. 39/40), kann auch die Revision nicht bestreiten. Ihre Zulässigkeit ist für eine Yacht-Kaskoversicherung ebenfalls anzunehmen, die zwar zur Transportversicherung zählen könnte (vgl. §129 Abs. 2 VVG), jedenfalls aber auch den Charakter einer Sachversicherung hat.
...
b) Der Revision ist nicht zu folgen, soweit sie meint, eine wirksame Neuwertversicherung setze stets voraus, daß die zu versichernde Sache noch neu oder zumindest neuwertig ist. Wie ein Blick in die Bestimmungen zahlreicher Neuwertversicherungen zeigt (vgl. §1 Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung landwirtschaftlicher Gebäude; § 2 Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung von Industrie und Gewerbe; §5 Nr. 1 AFB 85, AERB 85; AWB 85; AStB 85; § 5 Nr. 1 AFB 87, AERB 87; §4 VHB 74), wird dort eine Neuwertversicherung auch noch solcher Sachen für zulässig angesehen, deren Zeitwert bis auf die Hälfte des Neuwerts oder sogar noch etwas darunter abgesunken ist. Erst unterhalb dieser Grenze wird im Schrifttum ein unbilliges Ausmaß der Bereicherung des Versicherungsnehmers bei einer Entschädigung mit dem Neuwert angenommen (Prölss/ Martin a.a.O. §55 Anm. 1 B). Hier ist es nun so, daß der von dem Landgericht auf 233 415 DM geschätzte Wiederbeschaffungswert für die Yacht nebst Ausrüstung lediglich um rund 35 % unter dem taxierten Neuwert von 360 000DM liegt. Danach kann von einer unvertretbaren Bereicherung des Klägers keine Rede sein.
...
c) Richtig ist, daß das versicherungsrechtliche Bereicherungsverbot bei der gewohnheitsrechtlich zulässigen Neuwertversicherung insoweit bedeutsam ist, als der Mehrbetrag zwischen dem Zeit- und dem Neuwert einer beschädigten oder in Verlust geratenen Sache dem Versicherungsnehmer nur verbleiben darf, soweit der Betrag zur Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung der Sache, also zur Deckung der Aufwendungen hierzu, verwendet wird (vgl. Prölss/Martin a.a.O. § 55 Anm. 1 B; vgl. auch Bruck/Möller/Sieg a.a.O. §52 Anm. 28). Demgemäß kennen nahezu alle Neuwertversicherungen eine Wiederherstellungsklausel
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Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß die YPB keine Wiederherstellungsklausel enthalten und sich daraus Bedenken gegen die Zulässigkeit der dort vorgesehenen Neuwertversicherung ergeben könnten. Indes hat schon das Berufungsgericht insoweit mit Recht eine Lücke in dem Bedingungswerk angenommen und sie im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen gesucht. Eine solche Lückenfüllung ist rechtlich zulässig (Ulmer/Brandner/Hensen a.a.O. §6 Rn. 43). Für sie bietet sich an, auf die — abgesehen von §13 Nr. 10 AKB — nahezu übereinstimmenden Fassungen der vorerwähnten Wiederherstellungsklauseln zurückzugreifen, wonach der Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der über den Wiederherstellungs- oder den Wiederbeschaffungspreis hinausgeht, nur erwirbt, soweit und sobald er innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren sichergestellt hat, daß er die Entschädigung verwenden wird, um Sachen gleicher Art und Güte in neuwertigem Zustand wiederzubeschaffen oder um die beschädigten wiederherzustellen. Hiergegen erscheint es dem Senat — abweichend von der Ansicht des Berufungsgerichts — nicht für angebracht, anstelle der allgemein üblichen Wiederherstellungsklauseln die hiervon in Einzelpunkten abweichende Regelung des § 13 Nr. 10 AKB, und zwar auch nicht teilweise, im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung der YPB heranzuziehen.
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In keinem Falle kann jedoch der Ansicht des Berufungsgerichts gefolgt werden, daß der den Wiederbeschaffungswert übersteigende Teil der Entschädigung zunächst stets auszukehren ist und erst dann zurückgefordert werden kann, wenn dessen Verwendung zur Wiederbeschaffung innerhalb der vorgesehenen Frist nach der Auskehrung nicht sichergestellt ist. Diese Ansicht verkennt, daß die Sicherstellung (z. B. durch einen verbindlich geschlossenen Reparatur- oder Kaufvertrag — vgl. Prölss/Martin a.a.O. § 13 AKB Anm. 3) spätestens in dem Zeitpunkt der Verurteilung des Versicherers zur Zahlung des den Wiederbeschaffungswert überschießenden Teils der Entschädigung feststehen muß, da der Versicherungsnehmer den Anspruch darauf erst mit der Sicherstellung selbst erwirbt. Auch würde eine vorherige Pflicht zur Auskehrung zu dem ungerechtfertigten Ergebnis führen, daß der Versicherungsnehmer den Differenzbetrag zwischen Neuwert und Wiederbeschaffungswert zunächst auch erhält, wenn im Zeitpunkt der Auszahlung dessen vertragsgemäße Verwendung noch nicht sichergestellt ist, und falls eine Sicherstellung nicht mehr erfolgt, das volle Risiko, den ausgezahlten Betrag zurückzuerhalten, beim Versicherer liegt. Demnach bedarf die Sache zu der Frage der — vom Kläger behaupteten — Sicherstellung einer vertragsgemäßen Verwendung des den Wiederbeschaffungswert der Yacht übersteigenden Teils der Taxe noch der Prüfung durch das Berufungsgericht.
...
Das angefochtene Urteil- war deshalb aufzuheben, soweit es dem Kläger über den vom Landgericht insgesamt zuerkannten Betrag von 235 900 DM (Wiederbeschaffungswert der Yacht nebst Ausrüstung + 2500 DM für persönliche Effekten) weitere 126 600 DM nebst Zinsen zugesprochen hat.
..."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1988 - Nr.4 (Sammlung Seite 1229 f.); ZfB 1988, 1229 f.