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453 Z - 7/09 - Berufungskammer der Zentralkommission (-)
Date du jugement: 25.01.2010
Numéro de référence: 453 Z - 7/09
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Section: -

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 25. Januar 2010

453 Z - 7/09

Im Rechtsstreit MS „N“ gegen MS „K“ hat die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt in Straßburg nach öffentlicher Verhandlung vom 3. Dezember 2009 folgendes Urteil gefällt:

Es wird Bezug genommen auf:

1. das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 5. Mai 2008, das der Klägerin am 13. Mai 2008 und der Beklagten am 14. Mai 2008  zugestellt worden ist;

2. die Berufungsschrift der Klägerin vom 3. Juni 2008, eingegangen bei Gericht am 5. Juni 2008;

3. die Berufungsbegründungsschrift der Beklagen vom 20. Juni 2008, eingegangen bei Gericht am 25. Juni 2008;

4. die Berufungserwiderung der Klägerin vom 5. September 2008, eingegangen bei Gericht am 6. September 2008;

5. die Akten 76 C 3/07 BSchRh des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz; die Akten 76 UR II 1/06.

Die genannten Akten haben der Berufungskammer vorgelegen.

Tatbestand:

Die Klägerin hat das MS „N“ (105 m lang, 11 m breit, Tragfähigkeit 2856 t, Maschinenleistung 880 kW) gegen die Gefahren der Schifffahrt versichert. Sie nimmt aufgrund gesetzlichen und vertraglichen Forderungsübergangs die Beklagte zu 1 als Schiffseignerin des MS „K“ (79,39 m lang, 9,63 m breit, Maschinenleistung 905 PS, Tragfähigkeit 1648 t) und den Beklagten zu 2 als dessen Schiffsführer auf Ersatz der Schäden in Anspruch, die den Interessenten des MS „N“ infolge eines Zusammenstoßes mit MS „K“ am 18.10.2006 gegen 08.15 Uhr auf dem Rhein bei Strom-km 477,9 im Nebel entstanden sind.

Am Unfalltag hatte das mit 1020 t Weizen auf einen Tiefgang von 2,30 m abgeladene MS „K“ gegen 07.30 in Nierstein die Bergfahrt ohne Sichtbeeinträchtigung angetreten. Verantwortlicher Schiffsführer war der Beklagte zu 2, der sich im Steuerhaus aufhielt und über das für die Fahrstrecke erforderliche Rheinpatent verfügt, aber nicht im Besitz eines Radarpatentes ist. Die Ruderführung oblag seinerzeit seiner Tochter, der Beklagten zu 1, die neben dem Radarpatent aber nur das Rheinpatent für die Strecke von der Spijkschen Fähre bis Köln besitzt. Das Tageslicht- Radargerät war in Betrieb und mit dezentriertem Mittelpunkt auf 1200 m Voraus- und 400 m Achteraussicht eingestellt. Während der Bergfahrt zogen im Kurvenbereich zwischen Strom-km 479 und 480 Nebelschwaden auf und bei Rheinkilometer 479,5 herrschte schließlich dichter Nebel. Die Fahrt wurde nicht eingestellt. Als sich MS „K" im Bereich der grünen Tonne bei Strom-km 478,5 befand, wurde am Rand des Radarschirms ein Talfahrer ausgemacht, wie sich später herausstellte, das MS „N", das zu diesem Zeitpunkt zwischen Rheinkilometer 476 und 477 am geografisch linken Rand der Fahrrinne fuhr.

Im Steuerhaus des Talfahrers hielt sich seinerzeit allein der Schiffsführer Martin Bell auf, der über das erforderliche Rheinpatent sowie das Radarpatent verfügt. Während der Fahrt lief das elektronische Navigationssystem Tresco, das zusätzlich zu dem Radar eine Orientierung im Strom ermöglicht. Das Navigationssystem verfügt über einen GPS-Empfänger, der fortlaufend seine Position im Strom bestimmt. Die GPS-Antenne befindet sich auf dem Achterschiff des MS „N". Die festgestellte Position wird in das im Programm gespeicherte Kartenmaterial eingelesen.

Im Zuge der weiteren Annäherung wurden bis zur nachfolgenden Kopf-auf-Kopf-Kollision, jeweils mit Steuerbordbug, von keinem der Fahrzeuge Funkdurchsagen gemacht oder Schallsignale abgegeben. Neben den Schäden an den beiden Fahrzeugen wurde bei der Kollision der Steuerbordanker des MS „N“ abgerissen (Flunken und Ankerkreuz), der später bei Rheinkilometer 477,8 in einer Entfernung von 246 m vom linksrheinischen Hektometerschild gefunden wurde.

Zum Geschehensablauf hat die Klägerin weiter vorgetragen:

MS „N" habe rechtzeitig Steuerbordkurs in Richtung Strommitte genommen und seinen Kurs soweit nach Steuerbord ausgerichtet, dass eine Vorbeifahrt des bergfahrenden MS „K" ohne Gefahr Backbord/Backbord möglich gewesen sei. Das MS „N" habe sich in Höhe der bei Kilometer 477,9 befindlichen grünen Fahrwassertonne deutlich rechts der Mitte der Fahrrinne am Katzeneck befunden. Dies zeige die Auswertung des elektronischen Navigationssystems durch den Hersteller Tresco. Die GPS-Positionsangabe befinde sich auf der Abbildung des Kurses 6 mm vom linksrheinischen Rand der Fahrrinne und 4 mm vom rechtsrheinischen Rand der Fahrrinne entfernt. Dies bedeute, dass MS „N" rund 70 m von der grünen Tonne entfernt gewesen sei. Das bergfahrende MS „K" habe 55 m Strombreite innerhalb der Fahrrinne des Rheins zur Begegnung Backbord/Backbord zur Verfügung gehabt. Das MS „K" sei nicht der Krümmung des Stroms am Katzeneck gefolgt, sondern habe Geradeausfahrt aufgenommen und sei in den Kurs des MS „N" hinein gefahren (Hauer nach Backbord). Unmittelbar vor der Havarie habe MS „K" den Talkurs des MS „N" gekreuzt und dann im letzten Moment aufgestreckt. Dadurch seien beide Schiffe nicht Kopf in Seite, sondern gestreckt (steuerbordseitig) Kopf auf Kopf havariert.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 104.260,50 EUR nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 12.8.2007 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben vorgetragen:

Nach Auftreten des Nebels habe MS „K“ die Fahrt an den gründen Tonnen entlang fortgesetzt, weil es im dortigen Bereich nicht möglich gewesen wäre, ohne Gefährdung der durchgehenden Schifffahrt vor Anker zu gehen.

Im Hinblick auf die im dortigen Revier vorgeschriebene Begegnung Backbord an Backbord und das zu erwartende übliche Abfallen des Talfahrers zum rechten Ufer habe für die Besatzung der Bergfahrt kein Anlass bestanden, mit MS „N“ in Funkkontakt zu treten. Bis zuletzt sei die Rudergängerin des MS „K“, die Beklagte zu 1, nach Passieren der bei km 477,9 ausliegenden Tonne im Abstand von etwa 15 m davon ausgegangen, dass die Talfahrt noch aus ihrem Kurs am linken Fahrwasserrand auf die rechte Seite wechseln würde.

Das sei jedoch nicht geschehen. Als offensichtlich geworden sei, dass eine Kollision unausweichlich werden würde, habe die Beklagte zu 1 noch ein Backbord-Manöver versucht, um zumindest eine Kollision Kopf auf Kopf zu vermeiden. Ein Ausweichen nach Steuerbord sei nicht möglich gewesen, weil man bereits am äußersten linken Rand der Fahrrinne gefahren sei und außerhalb des Fahrwassers die Gefahr bestanden hätte, auf Grund zu laufen. Die Kollision habe sich im Fahrwasser der Bergfahrt ereignet, weil MS „N“ nicht, wie zur gefahrlosen Begegnung erforderlich, seinen Kurs nach Steuerbord, zum rechten Ufer hin geändert habe.

Im übrigen haben die Beklagten auf die von ihnen eingeholte Stellungnahme des Sachverständigen Dipl.-Ing. B vom Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportssysteme (Bericht 1867) zur Kollision und zu der von den Beklagten im Verklarungsverfahren vorgelegten Auswertung der Log-Dateien des Tresco Viewer von MS „N“ und deren grafischer Übertragung auf eine elektronische Karte durch die Tresco Engineering bvba verwiesen.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat nach Beiziehung der Verklarungsakte (76 UR II 1/06) und der Akte 3853 Js 31.645/06 der Staatsanwaltschaft Mainz zu Beweiszwecken und nach Einvernahme der sachverständigen Zeugen B und H durch das am 5.5.2008 verkündete Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Schiffsführer des MS „N“ die Kollision verschuldet habe. Nach seinen Angaben sei zwar das MS „K“ quer nach Backbord über die Kurslinie des MS „N“ gefahren, als beide Fahrzeuge sich auf etwa 200 m angenähert gehabt hätten, und habe sodann nach Steuerbord aufgestreckt. Dem gegenüber hätten die Beklagten zu 1 und 2, deren Aussagen als Parteivernehmung zu werten seien, bekundet, das mit hoher Geschwindigkeit zu Tal fahrende MS „N“ sei ihnen im Kurs der Bergfahrt entgegen gekommen, als das MS „K“ sich bei Rheinkilometer 478 im Abstand von etwa 10 bis 15 m an den grünen Tonnen befunden habe. Die Beklagte zu 1 habe Backbordruder gegeben, um den Kopf des Schiffes von dem Kopf des MS „N“ wegzubekommen; nach Steuerbord habe sie nicht ausweichen können, weil sie anderenfalls außerhalb der Fahrrinne auf Grund gelaufen wäre.

Diese Angaben würden durch die Aussage des unbeteiligten Zeugen Z bestätigt, der als Schiffsführer des MS „Macko“ talfahrend dem MS „N“ gefolgt sei. Der Zeuge habe auf dem Radarbild gesehen, dass das MS „N“ und das MS „K“ Kopf auf Kopf aufeinander zu gefahren seien, bevor die Echos ineinander verschwunden seien. Das MS „K“ sei am geografisch linken Rand der Fahrrinne in einem Abstand von etwa 15 m von der grünen Tonne bei Rheinkilometer 477,9 gefahren und bei der Kollision nicht über die Mitte der Fahrrinne hinaus gewesen. Das MS „N“ sei dann ziemlich kurz über die Ecke zur geografisch linken Seite der Fahrrinne in den Bereich des Bergfahrers hineingefahren und habe das Fahrwasser für die Bergfahrt abgesperrt.

Diese Angaben des Zeugen Z seien durch die Auswertung der Aufzeichnungen des elektronischen Navigationssystems Tresco nicht widerlegt. Zwar zeigten die Tresco-Berichte vom 25. Oktober 2006 und vom 16. November 2007 die Kurslinie des MS „N“ rechts der Fahrrinnenmitte. Diese Kurslinie bilde aber nur den Weg der auf dem Achterschiff angebrachten GPS-Antenne ab und dürfe nicht mit dem wahren Kurs des Schiffs verwechselt werden. Nach den Angaben der dazu vernommenen Zeugen H und B sei nicht auszuschließen, dass das MS „N“ vor der Kollision immer schräg mit dem Bug zum geografisch linken Ufer gelegen habe, um die Strömung auszugleichen, wie dies auch der Aussage des Zeugen Z zu entnehmen sei.

Auch aus dem späteren Fundort des bei der Kollision abgerissenen Ankers des MS „N“ könne, wie der Zeuge B überzeugend bekundet habe, nicht zweifelsfrei auf den Kollisionsort geschlossen werden, weil es möglich sei, dass der Anker sich am Vorschiff des MS „K“ verhakt habe und erst einige Meter entfernt auf Grund gegangen sei.

Dem danach gegebenen Verschulden des Schiffsführer des MS „N“ könne seitens der Klägerin nicht entgegen gehalten werden, dass das MS „K“ wegen des dichten Nebels die Bergfahrt hätte einstellen müssen. Die Nebelschwaden seien bei Rheinkilometer 479 und 480 aufgezogen. Dort habe das MS „K“ nicht ankern können. Außerhalb der Fahrrinne habe die Gefahr bestanden, auf Grund zu laufen. Innerhalb der Fahrrinne hätte das Ankern wegen der schlechten Sichtverhältnisse und der Biegung, die der Rhein dort beschreibe, eine erhebliche Gefährdung für andere Schiffe bedeutet. Nach dem allgemeinen Sorgfaltsgebot des § 1.04 RheinSchPV sei es weniger gefahrbegründend gewesen, die Fahrt fortzusetzen, als innerhalb der Fahrrinne zu ankern, zumal die Beklagte zu 1 über ein Radarpatent verfüge, wenn auch nicht für den maßgeblichen Bereich. Im Übrigen sei die Kollision darauf zurückzuführen, dass das MS „N“ vorschriftswidrig in die Kurslinie des MS „K“ gefahren sei, wie sich insbesondere aus der Aussage des Zeugen Z ergebe. Schadensursächlich sei damit nicht ein Fehlverhalten der Schiffsführung des MS „K“, sondern ausschließlich die fehlerhafte Fahrweise des MS „N“. Damit sei ein möglicherweise widerstreitender Anscheinsbeweis entkräftet.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt form- und fristgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel auch fristgerecht begründet.

Zur Begründung ihrer Berufung verweist die Klägerin im Wesentlichen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen, das sie unter Berücksichtigung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme vertieft und durch die Ergebnisse eines nachträglich mit MS „N“ durchgeführten Fahrversuchs ergänzt. Sie trägt vor:

Die Havarie zwischen MS „K" und MS „N" im dichten Nebel habe sich nicht - wie vom Rheinschifffahrtsgericht fälschlich angenommen - dicht am grünen Tonnenstrich, sondern in einem Abstand von gut 55 m vom grünen Tonnenstrich ereignet. MS „K" habe also weit ausreichend Platz gehabt, um Backbord/Backbord mit MS „N" zu begegnen. Das ergebe sich aus der Auswertung der Logbuchaufzeichnungen des Tresco-Navigationssystems. Der Fundort der Ankerflunken des MS „N" liege genau auf Höhe der Havarie, genau an der aufgezeichneten Kurslinie des MS „N“, 63 m vom grünen Tonnenstrich entfernt. Das Schadensbild an beiden Schiffen zeige, dass die Schiffe gestreckt Kopf auf Kopf havariert seien. Damit sei es ausgeschlossen, dass der Kopf des MS „N" im Zeitpunkt der Havarie dicht am grünen Tonnenstrich gewesen sei, wie das Rheinschifffahrtsgericht unzutref¬fend angenommen habe. Dies zeige auch die Tresco-Expertise vom 11.6.2008 über den am 30.5.2008 zusätzlich mit einem GPS-Kompass durchgeführten Fahrversuch mit MS „N“ unter vergleichbaren Bedingungen. Denn beim Durchfahren der Flusskrümmung im Unfallbereich habe sich bei den beiden durchgeführten Fahrversuchen aufgrund des zusätzlich jede Sekunde aufgezeichneten Kurses des Schiffes (Steuerkurs) gezeigt, dass bei der Kurvenfahrt Vor- und Achterschiff nur minimal von der wahren Kurslinie des Schiffes am Standort der GPS-Empfangsantenne abwichen.

Die Havarie sei durch MS „K" allein verschuldet, da dieses Schiff nicht in Radarfahrt habe fahren dürfen, im dichten Nebel die Fahrt nicht eingestellt habe und so weit in den Kurs der Talfahrt geraten sei, dass die Schiffe gestreckt Kopf auf Kopf miteinander havariert seien. MS „N" dagegen habe seinen Kurs entsprechend der Üblichkeit gelegt. Beide Schiffe hätten problemlos begeg¬net, wenn MS „K" seinen Kurs dicht am Tonnenstrich beibehalten hätte.

Die Klägerin/Berufungsklägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 5. Mai 2008 die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 104.260,50 EUR nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 12.8.2007 zu zahlen.

Die Beklagten/Berufungsbeklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholen im wesentlichen ihr früheres Vorbringen, erachten die im erstinstanzlichen Urteil enthaltene Feststellung, dass MS „K" aufgrund der vorschriftswidrigen Fahrweise des MS „N" diesem nicht gefahrlos habe be¬gegnen können und es infolgedessen zur Kollision gekommen sei, für zutreffend und führen dazu weiter im wesentlichen aus:

Allein entscheidend für die Kollision sei, dass MS „N“ unter Missachtung von § 9.04 Nr. 2 RheinSchPV im Fahrwasser der Bergfahrt zu Tal gekommen sei. Nach den Berechnungen des von der Beklagten zu 1 eingeschalteten Sachverständigen B, dargestellt in der als Anlage BK 1 vorgelegten Skizze, sei der Talfahrer bei einem höhenmäßigen Abstand von 530 m zur Bergfahrt 11 m und auf einen solchen von 206 m (rund 30 Sekunden vor der Kollision) immer noch nur 23,5 m vom linken Fahrwasserrand entfernt gewesen. Es sei unschwer ersichtlich, dass in jedem Fall dieser Abstand nicht ausgereicht habe, um dem MS „K" bei schlechter Sicht eine gefahrlose Begegnung Backbord an Backbord zu ermöglichen. Zu berücksichtigen sei hierbei, dass die Schiffsfüh¬rung des MS „K" allerspätestens in dem vorbenann¬ten Zeitpunkt eine Entscheidung habe treffen müssen, wie sie ihren Begegnungskurs einzurichten habe. Als Manöver des letzten Augenblicks sei die Backbordbewegung des MS „K“ zu verstehen und verständlich, weil MS „N“ dem MS „K“ den Weg zugemacht habe. Im übrigen sei auch aus der als Anlage BK 2 vorgelegten, von Dipl.-Ing. B gefertigten Stellungnahme des DST (Bericht 1910) zu entnehmen, dass MS „N“ noch ein Backbord-Manöver durchgeführt habe und faktisch auf MS „K“ zugelaufen sei. Der Schiffsführung des MS „K" habe somit zu diesem Zeitpunkt unmittelbar vor der Kollision keines¬falls klar sein können, welchen Kurs das MS „N" neh¬men werde und ob es überhaupt zu der vorgeschriebenen Back¬bord-Backbord-Begegnung kommen würde. Vor diesem Hintergrund sei die von der Schiffsführung des MS „K" als Maßnahme des letzten Augenblicks eingeräumte Backbordbewegung zu verstehen und ver¬ständlich. Hätte das MS „N", wie es diesem ohne weiteres möglich gewesen wäre, bereits lange vor der Kollision deutlichen Kurs nach Steuerbord hinüber zum rechten Rand der Fahrrinne oder immerhin zu deren Mitte gemacht, wäre es zu dieser Unklarheit nicht gekommen. Hierin sei das alleinige Verschulden der Schiffsführung des MS „N" an der Kollision zu erkennen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie hat teilweise Erfolg, denn der Zusammenstoß ist auf ein Verschulden beider Schiffsführungen zurückzuführen.

I.

Das Rheinschifffahrtsgericht ist zwar im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass den Schiffsführer des MS „N“ an der erfolgten Kollision mit MS „K“ ein Verschulden trifft, weil er – entgegen § 9.04 Nr. 2 RheinSchPV – den Kurs seines Fahrzeuges im Nebel nicht so weit nach Steuerbord gerichtet hat, dass die Begegnung mit der ankommenden Bergfahrt ohne Gefahr stattfinden konnte.

Allerdings hat, worauf die Klägerin hinweist, die Berufungskammer (z.B. Urteil vom 10.5.2001 – 406Z – 2/01) schon verschiedentlich dargelegt, dass ein Talfahrer im Bereich der geregelten Begegnung nach § 9.04 Nr. 1 a RheinSchPV nicht auf der rechtsrheinischen Seite der Fahrrinne zu fahren hat, weil es ein dem Straßenverkehr vergleichbares Rechtsfahrgebot hier nicht gibt. Im Rahmen der RheinSchPV bestehen Rechtsfahrgebote nur aus Gründen der Verkehrssicherung im engen Fahrwasser, nicht aber allgemein bei der geregelten Begegnung. Dementsprechend hat auch die Berufungskammer keineswegs einem strengen Rechtsfahrgebot das Wort geredet und das Fahrwasser im Bereich der geregelten Begegnung nicht zwischen Berg- und Talfahrt aufgeteilt, sondern die beiderseitigen Pflichten beim Begegnungsverkehr an den bei diesem Manöver möglichen Gefahren ausgerichtet (ZfB 96, 1570 und 98, 1671; Urt. v. 22.11.2000 – 403 Z – 7/00; Urt. v. 15.6.2009 – 450 Z -/09, ZfB 2009, Sammlung S. 2049). § 9.04 Nr. 2 RheinSchPV gebietet es nur, dass die Bergfahrer und die Talfahrer beim Begegnen ihren Kurs soweit nach Steuerbord richten, dass die Vorbeifahrt ohne Gefahr Backbord an Backbord stattfinden kann.

Von einer Gefahrenlage ist aber insbesondere bei unsichtigem Wetter auszugehen, wenn nicht beide, Berg- und Talfahrer, hart am Rande ihres Fahrwassers fahren (vgl. Bemm/v. Waldstein, RheinSchPV, 3. Aufl., § 9.04 RdNr. 3). Dies war hier zumindest bei der Talfahrt im Zuge der Annäherung bei der anstehenden Begegnung nicht der Fall. Nach der Aussage des unbeteiligten Zeugen Z, der die Annäherung der beiden Fahrzeuge und die anschließende Kollision anhand des Radarbildes verfolgte, kam MS „K“ relativ dicht – nach Schätzung des Zeugen in einem seitlichen Abstand von ca. 15 m – am grünen (linksrheinischen) Tonnenstrich zu Berg, während MS „N“, wie der Zeuge sich ausdrückte, „ziemlich kurz über die Ecke, d.h. zur geografisch linken Seite der Fahrrinne, also in den Bereich des Bergfahrers hinein“ gefahren ist und „das Fahrwasser für die Bergfahrt abgesperrt“ hat. Dass MS „N“ nicht hart am Rand des rechtsrheinischen Fahrwassers fuhr, ergibt sich im Übrigen aus der von der Klägerin selbst vorgelegten Tresco-Expertise vom 16. November 2007, denn die dort verzeichnete Kurslinie verläuft im Bereich der Kollisionsstelle deutlich in der linksrheinischen Hälfte der Fahrrinne. Erfolgte die Kollision, wie die Klägerin behauptet, dort, wo später der abgerissene Anker des MS „N“ gefunden wurde, nämlich bei Rheinkilometer 477,8, so liegt der Kurs des MS „N“, wie die Klägerin selbst vorträgt, zwar gut 55 m vom (linksrheinischen) Tonnenstrich entfernt, damit aber in der linksrheinischen Hälfte der 120 m breiten Fahrrinne. Berücksichtigt man ferner, dass die aufgezeichnete Kurslinie die jeweilige Position der GPS-Antenne abbildet, die auf dem Achterschiff des MS „N“ angebracht ist und sich in Anbetracht der Schiffslänge von 105 m im Kollisionszeitpunkt etwa in Höhe von Rheinkilometer 477,7 befand, so ist von einem noch geringeren Abstand des MS „N“ von linksrheinischen Tonnenstrich auszugehen, selbst wenn sich MS „N“ bei der Annäherung an die Unfallstelle mit dem Kopf auf der Kurslinie und nicht wegen der – talwärts gesehen – Linksbiegung des Rheins in Backbordschräglage befunden haben sollte.

II.

Ein Verschulden an der Kollision trifft entgegen der Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts aber auch die Schiffsführung des MS „K“. Dies zum einen schon deswegen, weil MS „K“ vor der Annäherung an die Unfallstelle in Anbetracht des unsichtigen Wetters – nach den eigenen Angaben der Beklagten zu 1 im Verklarungsverfahren herrschte etwa ab Rheinkilometer 479,5 dichter Nebel – unverzüglich einen Liegeplatz hätte aufsuchen müssen (§ 6.30 Nr. 5 RheinSchPV). Gemäß § 6.30 Nr. 1 RheinSchPV in der hier maßgeblichen Fassung müssen bei unsichtigem Wetter alle Fahrzeuge Radar benutzen. Nach § 6.30 Nr. 5 RheinSchPV müssen Fahrzeuge und Verbände, die kein Radar benutzen können, bei unsichtigem Wetter unverzüglich einen Liegeplatz aufsuchen. Um im Sinne dieser Bestimmungen Radar benutzen zu „können“, müssen die in § 6.32 Nr. 1 RheinSchPV geregelten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Fahrt mit Radar erfüllt sein (Urteil der Berufungskammer v. 7.1.2008 – 442 Z – 9/07). Danach muss sich zumindest eine Person, die neben dem für die Fahrzeugart und die zu befahrende Strecke erforderlichen Rheinpatent das Radarpatent besitzt, ständig im Steuerhaus aufhalten. Diese Voraussetzung war in der Person der Beklagten zu 1 und 2 nicht erfüllt, weil der Beklagte zu 2 zwar über das für die Fahrstrecke erforderliche Rheinpatent verfügt, aber nicht im Besitz eines Radarpatents ist und die Beklagte zu 1 neben dem Radarpatent nur das Rheinpatent für die Strecke von der Spijkschen Fähre bis Köln besitzt. Entgegen der Auffassung der Beklagten wäre es MS „K“ auch problemlos möglich gewesen, unverzüglich (§ 6.30 Nr. 5 RheinSchPV) einen Liegeplatz aufzusuchen. Gemäß § 6.30 Nr. 3 RheinSchPV muss dazu die Fahrrinne nicht in jedem Fall verlassen, sondern nur so weit wie möglich frei gemacht werden. In Anbetracht der Fahrrinnenbreite von 120 m hätte MS „K“ hart am linksrheinischen Rand der Fahrrinne ankern können, ohne dass der Schiffsverkehr behindert oder gefährdet worden wäre.

Es kommt hinzu, dass die kurz vor der Kollision durchgeführte Kursänderung des MS „K“ nach Backbord ein – auch als Maßnahme des letzten Augenblicks – unvertretbares Manöver darstellt. Denn auch wenn das zu Tal fahrende MS „N“ unter Verstoß gegen § 9.04 Nr. 2 RheinSchPV sich dem MS „K“ in der linksrheinischen Hälfte der Fahrrinne näherte, blieb der Schiffsführung des MS „K“ ausreichend Raum für eine Begegnung Backbord an Backbord. Das ergibt sich schon aus den – von dem Zeugen Z bestätigten – eigenen Angaben der Beklagten zu 1, wonach der Abstand des MS „K“ zu den grünen Tonnen ca. 15 m – somit mehr als eine Schiffsbreite – betrug. MS „K“ hätte daher nach Steuerbord bis zum Tonnenstrich und notfalls auch darüber hinaus ausweichen können, denn es spricht nichts dafür, dass das auf 2,30 m abgeladene Fahrzeug schon unmittelbar jenseits des Tonnenstrichs auf Grund zu laufen drohte. Dadurch, dass die Schiffsführung des MS „K“ sich statt dessen dazu entschloss, den Kurs des MS „K“ nach Backbord zu ändern und damit in geringem Abstand zu dem mit hoher Geschwindigkeit entgegenkommenden Talfahrer dessen Kurslinie zu kreuzen, wurde die von der Fahrweise des Talfahrers ausgehende Kollisionsgefahr noch erheblich verschärft.

III.

Ist der Schaden somit auf das Verschulden der Besatzungen beider beteiligten Schiffe zurückzuführen, so richtet sich die Haftung gemäß § 92c BinnSchG nach der Schwere des beiderseitigen Verschuldens.

Nach Auffassung der Berufungskammer überwiegt das Verschulden des Schiffsführers Bell des MS „N“ dasjenige der Schiffsführung des MS „K“. Die Kollisionsgefahr ist überhaupt erst dadurch entstanden, dass der Schiffsführer des MS „N“ unter schuldhaftem Verstoß gegen § 9.04 Nr. 2 RheinSchPV nicht, wie es angesichts des unsichtigen Wetters geboten war, hart am Rand des rechtsrheinischen Fahrwassers, sondern deutlich in der linksrheinischen Hälfte der Fahrrinne fuhr und diesen Kurs auch bei der Annäherung an die Bergfahrt beibehielt. Damit verglichen erscheint das Verschulden der Schiffsführung des MS „K“ weniger schwerwiegend. Die unzulässige Fortsetzung der Fahrt im dichten Nebel unter nicht zulässigem Gebrauch des Radars stellt zwar ebenfalls einen schwerwiegenden Verstoß gegen schifffahrtsrechtliche Bestimmungen dar; die davon ausgehende Gefährdung ist jedoch als nicht allzu hoch einzustufen, weil die Beklagte zu 1 immerhin das Radarpatent besitzt und die mit dem Erwerb des Rheinpatents für die befahrene Strecke verbundene Kenntnis des befahrenen Reviers zwar nicht bei ihr, wohl aber bei dem Beklagten zu 2 als verantwortlichem Schiffsführer vorhanden ist, der sich zum Unfallzeitpunkt zusammen mit der Rudergängerin, der Beklagten zu 1, im Steuerhaus aufhielt.

Die kurz vor der Kollision durchgeführte Kursänderung des MS „K“ nach Backbord ist zwar – bei objektiver Betrachtung – unvertretbar, aber gleichwohl nicht als schwerwiegendes Verschulden der Schiffsführung des MS „K“ zu werten. Denn es muss berücksichtigt werden, dass das Manöver als Ausweichmanöver in einer Situation erfolgte, die sich aus der Sicht der Schiffsführung des MS „K“ deswegen als bedrohlich darstellte, weil das MS „N“ im Fahrwasser der Bergfahrt mit hoher Geschwindigkeit zu Tal entgegenkam.

Nach Auffassung der Berufungskammer wiegt das Verschulden des Schiffsführers des MS „N“ doppelt so schwer wie das Verschulden der Schiffsführung des MS „K“, so dass die Haftung im Verhältnis 1/3 zu 2/3 zulasten der Klägerin zu verteilen ist.

IV.

Aus den dargelegten Gründen wird deshalb für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 5.5.2008 – 76 C 3/07 BSchRh – teilweise geändert: Die Klage ist dem Grunde nach zu 1/3 gerechtfertigt. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 2/3, die Beklagten 1/3 zu tragen.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB Nr. 4, 2010 (Sammlung Seite 2078 ff.), ZfB 2010, 2078 ff.