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429 B - 7/04 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Date du jugement: 10.01.2005
Numéro de référence: 429 B - 7/04
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Section: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

Urteil

vom 10. Januar 2005

429 B - 7/04

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 5. März 2004 - 3255 Js 29594/0303.51 OWi)

Tatbestand:

Der Betroffene ist Schiffsführer des TMS M. Das Tankschiff Typ N wurde am 20.1.2003 in Wesseling mit Benzin (UN-Nummer 1203) beladen. Ausweislich des Reiseberichtes, der die Tankinnenvermessung der Ladetanks (nach Ladeende) sowie die sich daraus ergebenden Ladungsmengen in den einzelnen Tanks enthält, betrug die Durchschnittstemperatur der Ladung 6° C. Am 21.1.2003 wurde das Fahrzeug auf der Bergfahrt auf dem Rhein von der Wasserschutzpolizei überprüft und hierbei anhand der Ladungspapiere (AS 10, 11 und 26-29) und der Ladetanktabellen (AS 12 - 25) festgestellt, dass bei einem Teil der Ladetanks der für dieses Produkt maximal zulässige Füllungsgrad von 97 % überschritten war. Bei den durchgeführten Berechnungen wurden die durch Tankpeilung bei Ladeende ermittelten Litermengen in den Tanks bei durchschnittlich 6°C umgerechnet auf 15° C, mit den in den Ladetanktabellen für einen Füllungsgrad von 97 % ausgewiesenen Litermengen verglichen und als Zusammenfassung der Berechnungen festgestellt, dass die Ladetanks 1 - 5, jeweils Backbord und Steuerbord, bezogen auf eine Temperatur von 15° C mit insgesamt 15.595 Litern Benzin über den maximal zulässigen Füllungsgrad von 97 % hinaus gefüllt waren.
Mit Urteil vom 9.4.2004 hat das Rheinschifffahrtsgericht den Betroffenen wegen Überschreitens des zulässigen Füllungsgrades beim Laden eines Schiffes auf dem Rhein gemäß § 4 Abs. 6 Nr. 47, § 5 Abs. 2 Nr. 43 GGVBinSch, Randnummer 210 421 i.V.m. Anhang 4 ADNR zu einer Geldbuße von 780 € verurteilt.
Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, in den Begriffsbestimmungen in Randnummer 210 014 ADNR sei ausdrücklich ausgeführt, dass dann, wenn für Ladetanks ein Füllungsgrad angegeben sei, sich dieser auf einen Prozentsatz des Volumens bei einer Stofftemperatur beim Laden von 15° C beziehe, sofern nicht eine andere Temperatur angegeben sei. Deshalb sei der Standpunkt des Betroffenen, dass es bei dem höchstzulässigen Füllungsstand der einzelnen Tanks lediglich auf die reine volumenmäßige Raummenge von 97 % ankomme und dass ihm eine jeweilige Umrechnung auf die Produkttemperatur nicht zumutbar und für ihn auch nicht durchführbar sei, nicht zu seiner Entlastung geeignet. Gegen das Urteil hat der Betroffene form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er Freispruch beantragt.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat den Betroffenen in Übereinstimmung mit dem vorausgegangenen Bußgeldbescheid der WSD Südwest wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 43 GGVBinSch, § 10 Abs. 1 Nr. 1 GGBefG in Gestalt eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 6 Nr. 47 GGVBinSch, Randnummer 210 421 der Anlage B 2 i.V.m. Anhang 4 zum ADNR verurteilt. Die in Bezug genommenen Bestimmungen des ADNR waren zur Tatzeit, am 21.1.2003, nicht mehr in Kraft, weil die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt mit Beschluss vom 29.11.2001 und vom 30.5.2002 die Neufassung des ADNR (ADNR 2003) mit Wirkung vom 1.1.2003 in Kraft gesetzt und zum selben Zeitpunkt die bis dahin geltende Fassung des ADNR (ADNR 1994) aufgehoben hat. Der deutsche Verordnungsgeber hat dem erst durch Verordnung vom 12.7.2003 (BGBl. II S. 648)  – rückwirkend zum 1.1.2003 – Rechnung getragen. Das ist indessen unschädlich. Die Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen die von den Uferregierungen für den Rhein gemeinsam erlassenen schifffahrtspolizeilichen Vorschriften durch Geldbußen ist schon in Art. 32 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte ausdrücklich vorgesehen. Zudem sind die Verhaltensvorschriften, gegen die der Betroffene verstoßen haben soll, inhaltlich unverändert in die Neufassung übernommen worden (Nrn. 1.2.1, 3.2.3 Tabelle C, 7.2.4.21.1 ADNR 2003). Unter diesen Umständen fehlt es auch nicht etwa deshalb für die Tatzeit an einem wirksamen Bußgeldtatbestand, weil die Verweisung des § 4 Abs. 6 Nr. 47 GGVBinSch auf die seit 1.1.2003 aufgehobene Randnummer 210 421 der Anlage B 2 zum ADNR 1994 erst mit dem Inkrafttreten der neuen GGVBinSch am 31.1.2004 auf die Bestimmungen des ADNR 2003 umgestellt worden ist.

II.

Nach Auffassung der Berufungskammer kann dem Betroffenen nicht angelastet werden, dass er bei Beladen des TMS M die Füllmengen überschritten hat, die sich bei einer Umrechnung auf eine Produkttemperatur von 15° C als Maximalwerte ergeben, soweit die tatsächlich festgestellten Tankinhalte den Füllungsgrad von jeweils 97 % nicht überschritten. Der Schiffsführer eines Tankschiffs des hier gegebenen Typs N hat keine praktikable Möglichkeit, mit Hilfe der für diesen Schiffstyp vorgeschriebenen Sicherheits- und Kontrolleinrichtungen (Nr. 9.3.3.21 ADNR 2003, früher gleichlautend Randnummer 331 221 der Anlage B 2 zum ADNR 1994) die auf eine Produkttemperatur von 15° C umgerechnete Füllmenge vor Beginn oder während des Ladevorgangs zuverlässig zu ermitteln.

Nach den genannten Bestimmungen muss jeder Ladetank neben einem Grenzwertgeber, der spätestens bei einer Füllung von 97,5 % auslöst, mit einer Innenmarkierung für den Füllungsgrad 97 % und mit einem Niveau-Anzeigegerät sowie mit einer Peilöffnung versehen sein. Hiermit wird dem Schiffsführer allein die Möglichkeit eröffnet, anhand der tatsächlichen Produkthöhe im Ladetank die Einhaltung des maximal zulässigen Füllungsgrades von 97 % des gesamten Tankvolumens zu überwachen. Hinzu kommt, dass während des Beladevorganges der Flüssigkeitsstand und damit der Füllungsgrad nur durch das Niveau-Anzeigegerät kontrolliert werden kann. Eine Tankpeilung, mit der der Flüssigkeitsstand im Tank sich sehr genau ermitteln lässt, ist während des Beladevorganges bei gefährlichen Gütern nicht zulässig; das Öffnen der Peilöffnungen ist gemäß Nr. 7.2.4.22.3 Satz 2 ADNR 2003 nur gestattet, nachdem das Laden seit mindestens 10 Minuten unterbrochen ist. Mit den vorhandenen technischen Einrichtungen kann demzufolge immer nur das tatsächliche Volumen der Flüssigkeit bei der jeweiligen Ladetemperatur festgestellt werden. Insbesondere im Hinblick auf diese Problematik strebt die Arbeitsgruppe „Gefährliche Güter“ der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt eine Änderung der Begriffsbestimmung „Füllungsgrad“ in Nr. 1.2.1 ADNR 2003 dahin an, dass damit allein der Prozentsatz des Ladetankvolumens angegeben wird, der beim Laden mit Flüssigkeit – unabhängig von deren Temperatur – gefüllt werden darf.

III.

Die vorstehenden Erwägungen führen allerdings nicht zu einem Freispruch des Betroffenen. Denn ein Vergleich der in dem „Reisebericht für Binnentankschiffe“ des TMS M vom 20.1.2003 verzeichneten Flüssigkeitsstände der Ladetanks (AS 11) mit den Angaben zur maximalen Füllhöhe der Ladetanks bei einem Füllungsgrad von 97 % in der Tankinhaltsberechnung für das TMS M (AS 12/13) ergibt, dass auch mit der tatsächlich gegebenen Produkttemperatur von 6°C bei sieben der zwölf Ladetanks der höchstzulässige Füllungsgrad von 97 % des Rauminhalts überschritten war:

Backbord Steuerbord
Tank Nr. Füllungsgrad 97 % nach Tankinhalts-berechnung
in cm Flüssigkeitsstand lt. Reisebericht
in cm Tank Nr. Füllungsgrad 97 % nach Tankinhalts-berechnung
in cm Flüssigkeitsstand lt. Reisebericht
in cm
1 329 333,5 1 329 332,4
2 339 334,4 2 339 334,7
3 330 329.8 3 330 331,2
4 326 329,5 4 326 327,5
5 326 328,7 5 326 327,0
6 327 290,6 6 327 284,6

Da die tatsächlichen Flüssigkeitsstände in dem „Reisebericht“ im einzelnen und millimetergenau verzeichnet sind, konnte der Betroffene unschwer erkennen, dass bei den Ladetanks 1, 4, und 5 Backbord sowie 1, 3, 4 und 5 Steuerbord die zulässige Füllhöhe überschritten war. Der Betroffene handelte somit zumindest fahrlässig.

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles erachtet die Kammer für diesen Verstoß eine Geldbuße in Höhe von 250 € für tat- und schuldangemessen. 

IV.

Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Betroffenen wird die durch das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 9.2.2004 verhängte Geldbuße auf 250 € ermäßigt.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Dem Betroffenen sind zwei Drittel seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.

Die Festsetzung der zu erstattenden Kosten erfolgt durch das Rheinschifffahrtsgericht Mainz gemäß Art. 39 der Mannheimer Akte.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2005 - Nr. 04, S. 47; ZfB 2005, 47