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337 Z - 8/95 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Date du jugement: 21.06.1995
Numéro de référence: 337 Z - 8/95
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Section: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 21. Juni 1995

337 Z - 8/95

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mainz vom 13. Mai 1994 - 34 C 2/93 Bsch -)

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Schiffszusammenstoß auf dem Rhein. Dieser hat sich am 20.12.1992 unterhalb Worms etwa bei Strom-km 446,6-7 zwischen MS «L» (95 m lang; 9,5 m breit; 1.775 t; 800 PS) und TMS «M» (80 m lang; 9,25 m breit; 1.038 t; 811 PS) ereignet.
MS «L» fuhr an dem genannten Tag mit einer Ladung von 858 t Schrott zu Berg. Gegen 7 Uhr befand sich das Fahrzeug bei Rhein-km 447,5 etwa 30 m aus dem linksrheinischen Ufer. Wegen Nebels war das Radargerät eingeschaltet. Zur gleichen Zeit kam TMS «M» oberhalb der Wormser Eisenbahnbrücke (Rhein-km 445,5) im rechten Fahrwasserdrittel leer zu Tal. Auf diesem Schiff war das Radargerät nicht eingeschaltet, weil in diesem Bereich kein unsichtiges Wetter herrschte, außerdem an Bord sich kein Besatzimgsmitglied befunden hat, das Inhaber eines Radarschifferzeugnisses war. Nach dem Passieren der Brücke bemerkte man auf dem Talfahrer, daß es etwa 600-700 m unterhalb neblig wurde. Das gab der Führung des Schiffes Anlaß, die Fahrt zu reduzieren und mit verringerter Geschwindigkeit in den Nebel einzufahren. Kurz danach kollidierten MS «L» und TMS «M».
Die Klägerin ist Versicherer des MS «L». Wegen des dem Eigentümer dieses Schiffes entstandenen Unfallschadens nimmt sie - aus übergangenem Recht - den Eigner des TMS «M» (Beklagter zu 1) und den Schiffsführer dieses Fahrzeugs zum Unfallzeitpunkt (Beklagter zu 2) in Ansprach. Sie wirft dem Beklagten zu 2 vor, die Schiffskollission dadurch verschuldet zu haben, daß TMS «M» etwa 400 m oberhalb von MS «L» plötzlich nach Backbord in den Kurs dieses Schiffes ausgebrochen sei. Infolgedessen sei der Talfahrer unmittelbar bei der - auf Höhe von Rhein-km 446,7 hegenden - grünen Tonne, also voll im linksrheinischen Fahrwasser der Bergfahrt, mit MS «L» zusammengestoßen.

Die Klägerin hat beantragt:

Die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 525.119,82 DM nebst 4% Zinsen aus 524.226,52 DM seit 16.2.1993 sowie aus 893,30 DM seit Rechtshängigkeit zu verurteilen, den Beklagten zu 1 dinglich mit TMS «M» sowie persönlich im Rahmen des § 114 BinSchG haftend, den Beklagten zu 2 unbeschränkt persönlich haftend.
Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt. Dem Beklagten zu 2 könne nicht vorgeworfen werden, daß er mit minimaler Fahrt in den Nebel eingetaucht sei, zumal er seinen rechtsrheinischen Kurs beibehalten habe und es falsch gewesen wäre, im oder unmittelbar vor dem Nebel aufzudrehen; überdies sei die Kollission rechtsrheinisch Kopf auf Kopf erfolgt, und zwar unmittelbar nach der Einfahrt des TMS «M » in den Nebel. Daß es zu dem Zusammenstoß gekommen sei, gehe ausschließlich zu Lasten der Führung des Bergfahrers; sie habe den Talfahrer schon auf 1.600 m auf dem Radarschirm ausgemacht, im Verlauf der weiteren Annäherung aber keine Schallzeichen gemäß § 6.32 Abs. 5 oder § 6.04 Abs. 4 RheinSchPV gegeben; ferner habe sie nicht versucht, dem Talfahrer gemäß § 6.32 Abs. 5 RheinSchPV Fahrtrichtung, Standort und Begegnungskurs mitzuteilen.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet. Nach seiner Ansicht hat der Beklagte zu 2 die Kollision verschuldet, wogegen den Schiffsführer des Bergfahrers kein Verschulden an dem Schiffszusammenstoß treffe. Nach dem Beweisergebnis stehe fest, daß MS «L» etwa am linken Fahrwasserrand zu Berg gefahren sei, während das TMS «M» nach dem blinden Hineinfahren des Fahrzeugs in den Nebel orientierungslos gewesen und infolgedessen nach Backbord in den Kurs des MS «L» geraten sei; dabei habe der Zeitraum vom Beginn des Drehens von TMS «M» bis zum Zusammenstoß höchstens eine Minute betragen. Im Hinblick auf diese Gegebenheiten habe für den Bergfahrer lediglich noch die Möglichkeit bestanden, angesichts der drohenden Kollission über Funk zu versuchen, eine Kurskorrektur von TMS «M» zu erreichen; das habe die Führung des Bergfahrers auch versucht; sie sei aber zu TMS «M» nicht durchgekommen. Schallsignale hätten hingegen keine gezielte Kursänderung des Talfahrers erreichen können.
Die Beklagten beantragen mit ihrer Berufung das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten wenden sich ohne Erfolg gegen das angefochtene Urteil.

1. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt.

2. Das gilt auch für die Berufungserwderungsschrift der Klägerin. Diese ist am 09.09.1994 beim Rheinschiffahrtsgericht eingegangen, also innerhalb der von diesem Gericht am 08.08.1994 bis zum 15.09.1994 festgesetzten Frist (vgl. Art. 37 Abs. 3 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte - MA). Deshalb ist es rechtlich ohne Bedeutung, daß außerdem das Rheinschiffahrtsgericht auf Antrag der Klägerin vom 22.08.1994 die Frist zur Beantwortung der Berufung am 30.08.1994 bis zum 15.10.1994 verlängert hat und es - demgegenüber - in dem Urteil der Berufungskammer vom 15.09.1975 - 35 Z, ZfB 1976, 255 (« Gefo-Köln/Gefo-Tank 5 ») heißt, daß die gemäß Art. 37 Abs. 3 MA vom Rheinschiffahrtsgericht zu bestimmende Beantwortungsfrist von diesem nicht erstreckt werden kann.
Allerdings hat die Berufungskammer in einem späteren Urteil vom 24.02.1982 - 126 C -2/81, ZfB 1982, 53 die Ansicht vertreten, daß es sich bei der Beantwortungsfrist des Art. 37 Abs. 3 MA um eine vom Gericht festzusetzende Frist handelt, die es im Bedarfsfall auch verlängern darf. Insoweit unterscheidet sich die Beantwortungsfrist von der ebenfalls in Art. 37 Abs. 3 MA behandelten und in der Vorschrift selbst auf 30 Tage festgelegten Frist zur Begründung der Berufung (vgl. auch Urt. der BK v. 24.03.94 -300 Z - 22/93, ZfB 1994 Nr. 12 S. 29).

3. Die Berufungskammer ist in Übereinstimmung mit dem Rheinschiffahrtsgericht der Ansicht, daß der Beklagte zu 2 die Kollision verschuldet hat.

a) Der Schiffszusammenstoß hat sich in einem Bereich ergeignet, für den § 9.02 Nr. la) RheinSchPV die «Geregelte Begegnung» vorschreibt. In diesem Bereich müssen die Bergfahrer und die Talfahrer beim Begegnen ihren Kurs soweit nach Steuerbord richten, daß die Vorbeifahrt ohne Gefahr Backbord an Backbord stattfinden kann (§ 9.02 Nr. 2 RheinSchPV). Gegen diese Vorschrift hat hier der Talfahrer verstoßen. Nach den glaubhaften Bekundungen des an dem Unfall unbeteiligten Schiffsführers P. vom MS «V» im Verklarungsverfahren, der mit seinem Fahrzeug etwa 1000 - 1100 m hinter MS «L» zu Berg gefahren ist und wegen des unsichtigen Wetters das Radargerät eingeschaltet hatte, verlief der Kurs dieses Schiffes in etwa am linken Fahrwasserrand, während das zu Tal fahrende TMS «M» sich zunächst rechtsrheinisch gehalten hat, dann aber mehr und mehr nach Backbord gekommen und zum Schluß mit dem zuletzt noch nach Steuerbord ausweichenden MS «L», und zwar deutlich linksrheinisch, zusammengestoßen ist; weiter hat der Zeuge angegeben, daß nach seiner Schätzung der Talfahrer sich etwa 200 m oberhalb des Bergfahrers befunden hat, als er begonnen habe, auf den Kurs von MS «L» zuzudrehen, und danach bis zum Zusammenstoß höchstens eine Minute vergangen sei. Demnach ist davon auszugehen, daß der nach optischer Sicht fahrende Talfahrer nach der Einfahrt in den Nebel von seinem rechtsrheinischen Kurs nach Backbord abgekommen ist und dadurch die Kollision mit MS «L» verschuldet hat.

b) Die Beklagten haben im Berufungsrechtszug eingeräumt, daß TMS «M» nach dem Eintauchen des Schiffes in den Nebel orientierungslos geworden ist und - allerdings langsam - linksrheinisch geraten sei. Nach ihrer Ansicht trifft aber trotzdem den Beklagten zu 2 keine Schuld an dem Unfall, weil es «angesichts des plötzlich sichtbar werdenden Nebels» unverantwortlich gewesen wäre, unmittelbar vor der Nebelbank aufzudrehen, ohne zu wissen, ob sich Bergfahrt im Revier befindet; unverantwortlich wäre es auch gewesen, aus einer Fahrt mit 15 km/h zu Tal den Heckanker zu werfen oder TMS «M» ständig zu machen; in diesem Falle hätte die Gefahr bestanden, daß der Talfahrer «verfällt und möglicherweise mitten in der Fahrrinne unter Anker zu hegen kommt»; deshalb wäre es allein richtig gewesen, die Fahrt aus dem Schiff zu nehmen, daß dessen Steuerungsfähigkeit erhalten bleibt, den Kurs rechtsrheinisch nach Möglichkeit beizubehalten und aufzudrehen, sobald klar ist, daß dies gefahrlos möglich ist; genau   das   habe   der   Beklagte   zu   2   getan.   Dem   ist   entgegenzuhalten:

Nach den Angaben des Beklagten zu 2 im Verklarungsverfahren hat er beim Durchfahren der Eisenbahnbrücke etwa bei Rhein-km 446,2 Nebel gesehen; dieser sei plötzlich da gewesen. Da sich die Brücke bei Rhein-km 445,5 befindet, war der Beklagte zu 2 mit seinem Fahrzeug noch etwa 700 m oberhalb des Nebels, als er diesen bemerkt hat, und zwar in einem Bereich, der nach den Aussagen der Zeugen S. (Wasser- und Schiffahrtsamt Mannheim) und Z. (Schiffsführer des MS «R») nebelträchtig ist. Eine solche Strecke hätte aber genügt, um mit TMS «M» zwischen der Brücke und dem Beginn des Nebels gefahrlos aufzudrehen oder ständig zu machen, zumal das Schiff nach den weiteren Angaben des Beklagten zu 2 auch mit einem Bugstrahlruder ausgerüstet ist. Daß TMS «M» nach der Lage im Revier ohne Schwierigkeiten noch oberhalb des Nebels hätte aufdrehen können, hat auch der bereits genannte Zeuge Z. bestätigt, der mit seinem Fahrzeug mit dem Talfahrer etwa 300 m oberhalb des Nebels begegnet ist. Überdies läßt sich weder den Bekundungen des Beklagten zu 2 noch denen des Beklagten zu 1 (der am Ruder des TMS «M» gestanden hat) im Verklarungsverfahren entnehmen, daß der Beklagte zu 2 die Fahrt seines Schiffes nicht vor dem Nebel gefahrlos hätte unterbrechen können. Vielmehr fuhr dieser ohne Radarhilfe in den Nebel, dessen talwärtige Ausdehnung ihm unbekannt war, hinein, weil er annahm, daß es bald wieder heller werden würde oder, wie der Beklagte zu 1 bekundet hat, weil sie sehen wollten, wie weit der Nebel reicht. Im übrigen war das Verhalten des Beklagten zu 2 auch deshalb pflichtwidrig, weil er entgegen § 6.30 Nr. 1 RheinSchPV keinen Ausguck aufgestellt hat.
Dem Rheinschiffahrtsgericht ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch darin beizutreten, daß den Schiffsführer Dehe des MS «L» kein (Mit-) Verschulden an dem Schiffszusammenstoß trifft. Richtig ist allerdings, daß D. vermittelst des Radargeräts eine Voraussicht von 1.600 m hatte und den Talfahrer dementsprechend frühzeitig wahrgenommen hat. Nicht zutreffend ist jedoch die Auffassung der Beklagten, daß D. alsbald nach Erkennen des Talfahrers das Schallzeichen gemäß § 6.04 Nr. 4 RheinSchPV («einen kurzen Ton») oder das Schallzeichen gemäß § 6.32 Nr. 5 Satz 1 RheinSchPV («einen langen Ton») hätte geben beziehungsweise die in dieser Vorschrift vorgeschriebene Sprechfunkdurchsage, insbesondere zum Standort, zum eigenen Kurs und zum Begegnungskurs, hätte machen müssen. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn der Standort oder der Kurs oder ein sonstigens Verhalten des Talfahrers eine Gefahrenlage verursachen konnte (vgl. § 6.32 Nr. 5 Satz 1 RheinSchPV). Davon kann aber keine Rede sein, solange der Talfahrer seinen rechtsrheinischen Kurs beibehalten hat, der ihm übrigens bereits durch die im Unfallbereich geltende «Geregelte Begegnung» vorgegeben war. Auch konnte der Bergfahrer mangels jeder Spreckfunkdurchsage des Talfahrers nicht nur nicht wissen, daß dieser das Radargerät nicht eingeschaltet, damit keine Kenntnis von im Nebel entgegenkommenden Fahrzeugen hatte und trotzdem in den Nebel hineinfahren wollte. Vielmehr durfte Schiffsführer D. bis zur Erkennbarkeit des Kurswechsels des TMS «M» vertrauen, daß sich dessen Führung vorschriftsmäßig verhielt. Der Kurswechsel ist aber, wie ausgeführt (vgl. vorstehend unt 3.), höchstens eine Minute vor dem Zusammenstoß erfolgt, was übrigens auch den Angaben des Beklagten zu 1 im Verklarungsverfahren zu entnehmen ist. Bei einer derart knappen Zeitspanne besteht aber kein hinreichender Anhalt dafür, daß noch durch Schallzeichen öder eine Sprechfunkdurchsage seitens des Bergfahrers die Kollission mit dem orientierungslos im Nebel herumirrenden Talfahrer hätte verhindert werden können. Zudem läßt sich nicht die Angabe von Schiffsführer D. im Verklarungsverfahren widerlegen, daß er sofort über Schiffsfunk den Talfahrer bei dessen Kursänderung angesprochen, jedoch keine Antwort erhalten hat.

Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:

a) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mainz vom 13.05.1994 wird als unbegründet zurückgewiesen.

b) Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

c) Deren Festsetzung gemäß Art. 39 MA erfolgt durch das Rheinschiffahrtsgericht Mainz.