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3 U 56/96 BSchRh - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Date du jugement: 25.10.1996
Numéro de référence: 3 U 56/96 BSchRh
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Oberlandesgericht Köln
Section: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Ob ein Rheinschiff zur Unfallzeit gehörig gebaut und ausgerüstet gewesen ist, richtet sich nach den Vorschriften des Vertragsstaats der Mannheimer Akte (MA), in dem für das Schiff ein gültiges Schiffsattest ausgestellt worden war.


2) Ist ein Schiff zur Fahrt auf dem Rhein zugelassen und entspricht es dem Schiffsattest in Bau, Ausrüstung und Besatzung, können Eigner und Besatzung grundsätzlich darauf vertrauen, daß die Konstruktion keinen Fehler aufweist, die es fahruntauglich machen können. Selbst zur eigenen Sicherheit müssen sie nicht mehr tun, als von den gesetzlichen Vorschriften und den Anschauungen der Fachwelt verlangt wird. Es ist unerheblich, daß in dem Vertragsstaat der MA, in dem sich der Unfall ereignete, gemäß § 3.03 RheinSchUO strengere Vorschriften galten.

Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschiffahrtsobergerichts) Köln

vom 25.10.1996

3 U 56/96 BSchRh

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Das bei der Klägerin versicherte und von S geführte MS A wollte am 20.9.1994 auf der Bergfahrt linksrheinisch in Höhe von Lobith fahrend dort beim Service-Center vor Anker gehen. Mit Rücksicht auf Talfahrer machte es langsam, um diese vor dem Übergang passieren zu lassen. Von achtern näherte sich das dem Beklagten zu 1) gehörende und von dem Beklagten zu 2) geführte MS T. Weil es in Kiellinie fuhr und seinen Kurs zum Überholen nicht änderte, fragte S über Funk MS T, was es beabsichtige. Eine Antwort wurde nicht gegeben. Ohne Kurs und Geschwindigkeit zu ändern, fuhr MS T in das Steuerbordachterschiff von MS A, das erheblich beschädigt wurde und Wassereinbruch erlitt. Dabei lief das Wasser durch eine im Zeitpunkt der Kollision nicht verschlossene Tür im Heckschott auch in den Maschinenraum. MS A mußte zwischen den linksrheinischen Kribben auf Grund gesetzt werden.

MS A verfügt über ein in Belgien ausgestelltes gültiges Schiffsattest vom 22.1.1992. Danach mußte im Heckschott keine Tür vorhanden sein. Die SUK Koblenz hatte 1984 verfügt, die Aufschrift anzubringen: „im Betrieb geschlossen halten".

Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Schadensersatzklage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Das Rheinschiffahrtsgericht hat zu Recht ein Mitverschulden der Schiffseigner und des Schiffsführers von MS A verneint. Ihnen kann nicht angelastet werden, daß die Tür im Schott zwischen Achterpiek und Maschinenraum zur Unfallzeit nicht verschlossen war. Zutreffend hat das Rheinschiffahrtsgericht darauf abgestellt, daß sie im Hinblick auf das Schiffsattest vom 22.1.1992 nicht verpflichtet waren, die Tür geschlossen zu halten. Nach den seinerzeit gültigen belgischen Vorschriften konnte, falls der Maschinenraum hinten im Schiff lag, das hintere Schott durch eine erhöhte und verstärkte Wrange ersetzt werden. Weil das Heckschott von MS A in seinem unteren Teil bis zur Türöffnung einer erhöhten und verstärkten Wrange gleichkam, hätte es im oberen Teil gänzlich weggelassen werden können. Die Öffnung im oberen Teil war daher zulässig und brauchte nicht mit dem vorhandenen Türblatt verschlossen zu werden. Entscheidend ist, daß nach damaligem belgischem Recht - abweichend von § 3.03 RheinSchUO - ein wasserdichtes Achterschott ohne Öffnung nicht vorhanden sein mußte. Eine entsprechende Änderung der belgischen Vorschriften ist erst ab 1.1.1995, also nach dem Schiffsunfall, erfolgt. Daß die deutschen Vorschriften seinerzeit schon strenger waren, ist unerheblich.

Da das Schiff von seinen jetzigen Eigentümer nach dem Erwerb im Jahre 1989 in Belgien neu zugelassen wurde, war für sie allein belgisches Recht maßgebend. Es kommt daher nicht darauf an, ob sich bei der Übernahme des Schiffes auf der Tür noch der nach deutschen Bestimmungen erforderliche Hinweis „im Betrieb geschlossen halten" befand. Selbst wenn die Aufschrift vorhanden gewesen sein sollte, war die Schiffsbesatzung nicht gehalten, einer solchen Verpflichtung nach deutschem Recht nachzukommen. Einer weiteren Aufklärung zu dieser Frage bedarf es daher nicht.

Allerdings weisen die Beklagten zutreffend darauf hin, daß die Anrechnung eines Mitverschuldens gern. §§ 254 BGB, 92 c BSchG keinen Verstoß gegen eine einem anderen oder der Allgemeinheit gegenüber bestehende Rechtspflicht voraussetzt. Es handelt sich vielmehr um ein „Verschulden gegen sich selbst", die Außerachtlassung der eigenen Interessen, eine nicht einklagbare Obliegenheit, bei deren Nichtbeachtung der Geschädigte den Rechtsnachteil hinnehmen muß, nicht seinen gesamten Schaden ersetzt zu erhalten (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB 54. Aufl., § 254 Rn. 1; Münchkomm.-Grunsky, BGB, 3. Aufl., § 254 Rn 2, 19). Ob eine entsprechende Obliegenheit trotz Fehlens gesetzlicher Vorschriften besteht, ist aber nach der Verkehrsanschuung zu beurteilen (vgl. MünchKomm. a.a.O. Rn 24 a und b) m.w.N.).

Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß sich die Anschauung, Binnenschiffe müßten mit einem wasserdicht verschlossenen Achterschott ausgestattet sein, seinerzeit schon international durchgesetzt hatte. Wie der BGH ausgesprochen hat, ist die Erforderlichkeit von Sicherheitseinrichtungen nach den Anschauungen der Fachwelt zur Unfallzeit zu beurteilen. Ist das Schiff zur Fahrt auf dem Rhein zugelassen und entspricht es dem Schiffsattest in Bau, Ausrüstung und Besatzung, so können Eigner und Besatzung grundsätzlich darauf vertrauen, daß die Konstruktion keinen Fehler aufweist, die es fahruntauglich machen können.

Ein Schiffsführer braucht nicht klüger und kenntnisreicher zu sein als die fachkundigen Prüfer der SUK und diejenigen Personen, die für die Anpassung der gesetzlichen Vorschriften zuständig sind (vgl. Bemm/von Waldstein, Rheinschiffahrtspolizeiverordnung 3. Aufl., § 1.08 Rn. 6, 7; BGH ZfB 77, 576, 80, 371; BGH VersR 89, 762). Wenn der belgische Verord-nungsgeber und die dortige SUK damals eine erhöhte und verstärkte Wrange anstelle des Achterschotts bzw. Öffnungen im oberen Teil des Schotts zuließen, kann der Besatzung von MS A daher nicht der Umstand als Mitverschulden angelastet werden, daß die Tür zur Unfallzeit nicht verschlossen war.

Die Beklagten können sich für ihre Auffassung auch nicht auf die Entscheidungen des BGH VersR 66, 871 und 75. 823 stützen. In beiden Fällen ging es um die den Ladungsinteressenten gegenüber bestehende Verpflichtung, die in Obhut genommene Ware vor Beschädigung zu schützen. Für derartige Obhutspflichten sind die Vorschriften der RheinSchUO und der Inhalt des Schiffsattests nicht maßgeblich; sie bestimmen sich vielmehr nach den vertraglichen Vereinbarungen, die ggf. weiterreichende Sicherheitsvorkehrungen erfordern. Vorliegend geht es hingegen um die Frage, ob der Schiffer zu seiner eigenen Sicherheit mehr tun muß, als von den gesetzlichen Vorschriften und den Anschauungen der Fachwelt verlangt wird. Sie ist nach Auffassung des Senats zu verneinen. Für die gegenteilige Ansicht kann auch nicht die Entscheidung des BGH VersR 82, 1138 herangezogen werden, in der dieser ausgesprochen hat, das Fehlen einer entsprechenden Gesetzesvorschrift beseitige nicht die allgemeine Pflicht des Schiffsführers, verfügbare technische Hilfsmittel (hier: Sprechfunk) einzusetzen, wenn sich damit die Gefährdung anderer Fahrzeuge beseitigen oder verringern lasse. Diese Entscheidung betrifft ebenfalls nur die Verpflichtungen des Schiffers gegenüber Dritten, nicht aber die Obliegenheiten zu seinem eigenen Schutz. Diese würden überspannt, wenn man von ihm größere Sicherheitsvorkehrungen verlangen wollte, als sie nach den gesetzlichen Vorschriften und den Anschauungen der Fachwelt erforderlich sind. Zudem würde es zu einer nicht zu rechtfertigenden Entlastung des Schädigers führen, wollte man an die Sorgfaltspflichten des Geschädigten einen strengeren Maßstab als an diejenigen des Schädigers anlegen.

Nach alledem kann den Eignern und dem Schiffsführer von MS A nicht vorgeworfen werden, daß die Tür im Heckschott zur Unfallzeit nicht verschlossen war. Die unfallbedingte Entstehung eines großen Lecks im Achterschiff mit starkem Wassereinbruch ist auch ein derart seltenes Ereignis, daß sich der Schiffsbesatzung nicht die Vorstellung aufdrängen mußte, die Tür im Achterschott müsse vorbeugend während der Fahrt ständig geschlossen gehalten werden.
An ein Mitverschulden wäre allenfalls zu denken, wenn die Besatzung nach der Kollision sehenden Auges das Wasser in den Maschinenraum hätte eindringen lassen, ohne Rettungsmaßnahmen zu ergreifen.
Dies war jedoch nicht der Fall, denn der Zeuge S. hat unstreitig noch vergeblich versucht, die Schottür zu schließen........"

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1997 - Nr.14 (Sammlung Seite 1647 ff.); ZfB 1997, 1647 ff.